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Der Mittling & die gesichterlosen Anderen

Neo

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25.06.2007
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Der Mittling & die gesichterlosen Anderen

Er hatte lange darüber nachgedacht, ob er sich an diesen unwirklichen Ort begeben sollte, von dem er durch Zufall einmal hörte, eine Schule ohne Lehrer, ein Schulhof ohne Schule. Es sollte ein Ort sein, an dem sich Schüler träfen, um gemachte Hausaufgaben zu diskutieren, die ihnen keiner aufgegeben hatte. Auch er machte ständig Aufgaben, die ihm keiner befohlen hatte. Es war ein innerlicher Drang, der ihn zwang, unaufhörlich zu schreiben, zu Themen, die seiner Phantasie entsprangen.

Er suchte nach Gleichgesinnten, obgleich er wusste, ein Zusammentreffen mit ihnen könnte unter Umständen unangenehm für ihn werden. Viele andere Schüler standen schon vor ihm an diesem Tor und schrieben sich, nur der Zugehörigkeit halber, ein. Manche gaben nur eine Arbeit ab und wurden dann nie wieder gesehen. Nur ihre einstige Anmeldung diente als stummer Zeuge ihres kurzen Besuches. Diese Tatsache bereitete ihm Angst, war er doch erst kürzlich von diesem Virus befallen worden und wusste nicht so recht damit umzugehen. So kam es, dass er schon vor seiner Anmeldung viele freie Minuten an der Mauer verbrachte, welche den seltsamen Schulhof zur Straßenseite hin abgrenzte.

Niemals hatte er auch nur einen Schüler zu Gesicht bekommen, nie sah er jemanden kommen oder gehen. Nur hören konnte er sie über die Mauer, wenn sie sich zusammenfanden und ausgelassen über die eingereichten Arbeiten diskutierten.
Oft konnte er sie aber nicht richtig verstehen, was weniger mit der Lautstärke der Unterhaltungen zu tun hatte als mehr mit seinem Verständnis. Er konnte einfach manche Wörter nicht verstehen, hatte er diese noch nie zuvor gehört. Oft schienen sich die anderen in einer Sprache zu verständigen, die ihm völlig fremdartig war. Schnell bemerkte er, dass er hier noch viel lernen konnte.

Es gab Schüler mit freundlichen Stimmen und welche, die sehr unangenehme Laute von sich gaben. Da waren Nette und Einige, denen man auf dem Schulhof lieber aus dem Weg gehen sollte. Aber vermutlich wäre das sinnlos, wenn sie es darauf anlegen würden, käme es unweigerlich zu einem Zusammentreffen. Aber eines hatten die Unbekannten auf der anderen Seite der Mauer alle gemeinsam. Alle hatten sie lustige, einprägsame Namen wie beispielsweise Trinkgefäß, Fleischklümpchen, Telefonkarte, Ordnungskaiser, Lebenslauf, Onkel usw.

Mit großem Interesse verfolgte er das Hörspiel, wenn eine Hausaufgabe vorgetragen wurde. Offensichtlich eine Art Ritual, bei dem der Schüler, der die Arbeit abgab, in die Mitte genommen wurde und die anderen einen Kreis um ihn bildeten. Jeder konnte dazu kommen, und so waren es manchmal kleine und ein andermal sehr große Kreise, die den Einzelnen in ihre Mitte einschlossen. Manchmal applaudierte die Menge laut und alle Teilnehmer versuchten dem Mittling auf die Schulter zu klopfen. Ein anderes Mal ging es streng zur Sache und der elitäre Kreis fackelte nicht lange, wenn es darum ging schonungslos Kritik zu üben. War dies der Grund dafür, dass so viele neue Schüler nicht mehr kamen?

Egal, er wollte sich diesem Kreis stellen und schrieb sich ordnungsgemäß ein. Er beantwortete all die ihm gestellten Fragen zu seiner Person und erhielt nach knapp 48 Stunden seine Berechtigungskarte zu diesem unwirklichen Ort.

Die Dunkelheit hatte bereits die letzten Ecken der Mauer erreicht, als sich durch das Durchziehen seiner Berechtigungskarte das Portal zum Schulhof ungewöhnlich leise öffnete. Es waren viele Stimmen zu hören, aber niemand zu sehen. Er fühlte sich unbemerkt und lief quer über den Schulhof, der mit seltsamen dicken Strichen am Boden markiert war. Schüchtern schaute er sich auf dem Gelände um.

Plötzlich tat sich etwas. Ein Schüler trat aus der Dunkelheit heraus, blickte suchend am Boden entlang und stellte sich dann in ein durch Striche abgeteiltes Feld. Er räusperte sich, schlug sein Heft auf und begann vorzutragen. Er versuchte ein Gesicht zu erkennen, doch die Dunkelheit gab es nicht preis. Und wo waren die anderen Schüler geblieben, warum war keiner gekommen? Es war, als würden sie sich verstecken und ungeduldig darauf warten bis der Schüler seine Hausaufgaben vollständig vorgetragen hatte. Und genau so war es auch. Es bedarf eines Zeichens, um den anderen das Ende zu signalisieren und damit das Veröffentlichen abzuschließen.

Als der Schüler sein Heft offen auf den Boden legte und zweimal mit dem Fuß auf den Boden stampfte, gab er das Signal und damit auch den Startschuss für die Anderen. Nach wenigen Augenblicken war es soweit und sie kamen aus ihren anonymen Bereichen. Sie bildeten einen Kreis um den Schüler und sein auf dem Boden liegendes, eben veröffentlichtes Skript. Es war ein kleiner Kreis mit nur wenigen Teilnehmern und jeder äußerte seine Meinung zum eben gehörten. Es ging friedlich und konstruktiv zu und alle schienen zufrieden zu sein. Der Vortragende, weil ihm jemand zuhörte, die Kreislinge, weil sie etwas anmerken konnten. Langsam schlich er sich vom Schulhof und schloss das Eingangstor leise zu.
Er wollte ein Mittling werden. Einmal nur wollte er im Zentrum dieses Kreises stehen und machte sich sofort an seine Hausaufgaben.

Es sollte eine Geschichte werden, die erzählen, wie man sich fühlt, wenn man irgendwo neu ist. So ähnlich, als würde man als kleiner übergewichtiger, nicht hübscher Mensch in ein Fitnessstudio gehen, von dem man annimmt, dass dort nur junge, hübsche, top gestyle Menschen umherlaufen. Eine Geschichte, die erzählen soll, wie man sich fühlt, wenn man in ein Gebäude kommt, in dem man sich nicht auskennt und nicht weiß, wo die Toiletten oder die Notausgänge sind.


Nach getaner Arbeit ging er zum Schulhof zurück, suchte sich, durch die Bodenmarkierung geleitet, das richtige Feld und begann seine Arbeit vorzutragen. Als er fertig war, legte er sein Skript nieder, stampfte zweimal mit dem Fuß auf den Boden und wartete ...

Ende

 

:thumbsup:

Hallo Neo,

willkommen auf kurzgeschichten.de Mittling ! ;)

Nett geschrieben und eine gar nicht mal so schlechte Idee, sich hier auf kg um die Aufnahme in die Gemeinschaft der Schule ohne Lehrer zu begeben.

Etwas lässig könnte ich auch sagen: hey, du bist drin ! :D

Bin gespannt, was du noch so drauf hast.

Übrigens so ganz einverstanden bin ich nicht mit dem sog. "richtigen Feld" denn es ist für mich eher kein Thema der Gesellschaft. Aber dazu sollen andere "Schüler ohne Lehrer" auch mal ihre Meinung sagen, wer weiß, meist wird sowas sehr unterschiedlich gesehen.

Falls du noch Fragen hast z.B. wo der Notausgang ist oder das Örtchen für die kleinen Königstiger, frag. :D

Das fand ich noch:

mache Wörter

Viel Vergnügen ...

und lieben Gruß
lakita

 

Hallo lakita,

danke für deinen freundlichen Empfang und dein Feedback. In welchem Bereich wäre die Geschichte deiner Meinung nach besser untergebracht?
Du hast recht, wir sollten warten bis sich andere Kreislinge einfinden und ihre Meinung kundtun. Fehler ist raus - danke.

Liebe Grüße,
Neo

 

Hallo neo,

und auch von mir ein herzliches Willkommen auf kurzgeschichten.de.

Dafür, daß Dein Prot beschriebenermaßen unter dem hier häufiger anzutreffenden Zwangchen oder ausgewachsenen Zwang zu und zum Schreiben steht, ist Dein Erstling doch sehr bodenhaftend, sehr in der Metaperspektive. Die Bilder sind dabei interessant um- und beschrieben, Dir scheint es also - wie ich denke noch - an Mut zu fehlen, Mut zu Deiner Schreibe zu stehen und sie herzugeben, zu präsentieren.

Schreiben ist wie jede Kunst ein Handwerk, Talent ist nicht ein großer Teil vom Ganzen, Fleiss, Frustrationstoleranz, Lernfähigkeit und Zähigkeit sind viel entscheidender und wichtiger für soetwas wie "Erfolg" in der Schriftstellerei - neben einigen weiteren hilfreichen Eigenschaften mehr.

suchte sich, durch die Bodenmarkierung findend, das richtige Feld
da schmeckt mir das Verb nicht, vielleicht durch die Bodenmarkierungen geleitet, geführt, das trifft es inhaltlich exakter. Und wenn schon durch die Bodenmarkierungen, mein Vorschlag wäre das sehr weite Feld "Sonstige", denn die gesellschaftliche Relevanz von KG.de halte ich dann doch für - noch - nicht so überwiegend :)

Grüße,
C. Seltsem

PS: Und wenn Du hier das Klo finden solltest, gib bitte Bescheid, ich suche schon länger und langsam tut es ein bisken weh beim laufen... Danke.

 

Hallo rosenrot, hallo C.Seltsem,

danke für eure Verbesserungsvorschläge, habe den Text angepasst.
Mit der Zeit im ersten Absatz war ich auch nicht zufrieden und wusste auch, dass da etwas nicht stimmte. Jetzt weiß ich ja, wie es richtig ist. Du hast recht rosenrot, der eine Satz war überflüssig, deshalb weg damit.

Weiß noch nicht so richtig mit den ganzen Knöpfen umzugehen, bin wirklich ganz neu im Internet. KG.de ist ja ein riesiger Schulhof.;)

Also Danke für Eure Kommentare und die Hilfe

Neo

 

Hi Neo!

Kurzgeschichten.de live? Hm, auf den ersten Blick ist das eine brauchbare, nicht allzu aufregende Idee. Aber stellt man sie in einen sozialphilosophischen Kontext, verweist es auf eine interessante Eigenschaft der Internet-Gesellschaft: Im Gegensatz zum Leben da draußen lernen wir hier herrschaftsfreie Kommunikation. Übertrügen wir das "Gesellschaftsmodell" der Internetforen auf die "Live-Welt", hätten wir etwas, das einer herrschaftsfreien Rätegesellschaft ziemlich nahe käme - abgesehen vom Anmeldezwang und den Ordnungshütern, den Moderatoren. ;)
Ein Gedankengang, den weiterzuführen sich lohnen könnte, wenngleich deine Intention eine andere war.

Davon abgesehen kommt die Geschichte über die etwas abstrakte Beschreibung von Vorgängen nicht hinaus, das Einzige, womit sie punkten kann, ist die Surrealität, die das Interesse vielleicht wachhalten kann. Bei der Thematik ist es natürlich schwierig, Spannung aufzubauen, aber die Schilderungen könnten lebendiger sein. Zum Beispiel wäre es sinnvoll, die Gespräche mal bruchstückhaft in wörtlicher Rede wiederzugeben. Das bringt den Leser gleich näher ans Geschehen - und dich als Autor ebenfalls.
Es wäre auch nicht schlecht zu erwähnen, dass die Schüler ziemlich gemischten Alters sind und kein Unterschied zwischen Kindern und Greisen gemacht wird. Das ist eine wichtige Eigenschaft unseres Forums. ;)

Anmerkungsliste:

Er hatte lange darüber nachgedacht, ob er sich an diesen unwirklichen Ort begeben sollte, von dem er durch Zufall einmal hörte.

Gehört hatte. Den Rest des Absatzes hat rosenrot ja schon bearbeitet.

Viele andere Schüler standen schon vor ihm an diesem Tor und schrieben sich, nur der Zugehörigkeit halber, ein.

Über dieses Wort bin ich gestolpert. Was bedeutet "nur" der Zugehörigkeit halber? Sind sie schon im Club drin? Wieso sollten sie sich dann einschreiben der Zugehörigkeit halber?

Manche gaben nur eine Arbeit ab und waren dann nie wieder gesehen.

Wurden.

Nur ihre einstige Anmeldung diente als stummer Datenbank-Zeuge ihres kurzen Besuches.

Die Computersprache hast du bis dahin erfolgreich vermieden. Wenn du einfach "Zeuge" schreibst, versteht es auch jeder.

Diese Tatsache bereitete ihm Angst, war er doch erst kürzlich von diesem Virus befallen worden und wusste nicht so recht damit umzugehen.

Welches Virus? Das Virus der Anmeldung? ;) Für dieses Wort gilt dasselbe wie für "Datenbank". Wenn du die Allegorie konsequent durchhalten willst, sollte keine Computersprache drin sein, sondern nur die jeweilige Entsprechung der "realen Welt".
Und der Nebensatz will vom Modus her nicht so recht passen. Und wie ist der Nebensatz gemeint? Wenn du den Virus des Schreibenmüssens meinst, kann ich mir konkret nicht so richtig vorstellen, was genau ihm Schwierigkeiten macht.

was weniger mit der Lautstärke der Unterhaltungen zu tun hatte, als mehr mit seinem Verständnis.

Komma weg.

Er konnte einfach manche Wörter nicht verstehen, hatte er diese noch nie zuvor gehört.

Besser: "... er hatte sie noch nie zuvor gehört."

Oft schienen sich die anderen in einer Sprache zu verständigen, die ihm völlig fremdartig war. Schnell bemerkte er, dass er hier noch viel lernen konnte.

Also, ich weiß nicht. Wenn ich mitkriegen würde, dass Leute sich in einer Sprache unterhalten, die mir fremdartig ist, wäre mein erster Gedanke wahrscheinlich nicht, dass ich bei denen noch viel lernen kann. :D
Du meinst natürlich das Sprachniveau. Das sollte vielleicht deutlicher rauskommen.

Es gab Schüler mit freundlichen Stimmen und welche, die sehr

Erst mal Komma hin. Und dann:

unangenehme Laute von sich gaben[/B].

Ja, zum Beispiel quaken einige herum und wiederum einige geben unvermittelt schrille Schreie von sich. Echt irritierend, sowas. :D

Da waren Nette und Einige, vor denen man sich lieber in Acht nehmen sollte. Die Sorte, denen man auf dem Schulhof lieber aus dem Weg gehen sollte. Aber vermutlich wäre das sinnlos, wenn sie es darauf anlegen würden, würde es unweigerlich zu einem Zusammentreffen kommen. Aber eines hatten die Unbekannten auf der anderen Seite der Mauer alle gemeinsam. Alle hatten sie lustige, einprägsame Namen wie beispielsweise Trinkgefäß, Fleischklümpchen, Telefonkarte, Ordnungskaiser, Lebenslauf, Onkel usw.

Erst mal: Wortwiederholung. Du kannst auch mal den Konjunktiv benutzen, der ist noch nicht ganz ausgestorben: "... käme es unweigerlich zu einem Zusammentreffen".
Außerdem musst du auf gedankliche Überleitungen achten. Es ist hier nicht erkennbar, wie dein Prot von der Unterscheidung zwischen angenehmen und unangenehmen Zeitgenossen zu einer Erwähnung der Namen kommt. Letzterer Punkt sollte eher weiter oben stehen, bei der allgemeinen Beschreibung des Ortes.

Mit großem Interesse verfolgte er das Hörspiel, wenn eine Hausaufgabe vorgetragen wurde.

Erzeugt ein falsches Bild. Du meinst natürlich Lesung. ;)

Manchmal applaudierte die Menge laut, und alle Teilnehmer versuchten dem Mittling auf die Schulter zu klopfen.

Ein anderes Mal ging es streng zur Sache und der elitäre Kreis fackelte nicht lange, wenn es darum ging, schonungslos Kritik zu üben.

Er beantwortete all die ihm gestellten Fragen zu seiner Person und erhielt nach knapp 48 Stunden seine Berechtigungskarte zu diesem unwirklichen Ort.

Das Erste ist überflüssiges Beiwerk. Das Zweite hast du weiter oben schon erwähnt. Beim zweiten Mal wirkt die Formulierung nicht mehr.

Es sollte eine Geschichte werden, die erzählen soll, wie man sich fühlt, wenn man irgendwo neu ist.

Klingt nach Wortwiederholung. Besser: "... die erzählt ..."

Als er fertig war, legte er sein Skript nieder, stampfte zweimal mit dem Fuß auf den Boden und wartete....

Also, erst mal Leerzeichen machen vor einer Ellipse ( das sind die drei Punkte ). Und dann eben nur drei und nicht vier Punkte.

Ciao, Megabjörnie

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Megabjörnie,

wau, ich bin begeistert, wie viel Zeit du in meine "brauchbare, aber nicht allzu aufregende Idee" investiert hast, danke. Ich werde gleich mal mein Fremdwörterbuch aufschlagen und ein paar Wörter nachlesen, welche du ins Feld gerollt hast. Ja, es ist dieses Sprachniveau, das ich meine.

Ich bin übrigens froh, dass WIR hier auf KG.de keine Altersunterschiede machen, hier fühle ich mich doch gleich viel erwachsener.

Danke für die orthographischen Hinweise, werde diese schnellstmöglich ändern. Mit ist klar, dass die Geschichte Lücken in der Vergleichbarkeit aufwirft und würde man alles "überflüssiges Beiwerk" rauswerfen, würde sie vermutlich unter der Last Ihrer Wände zusammenbrechen.

Datenbank-Zeuge fliegt raus, Stilbruch-einverstanden.
Virus bleibt. Warum? Weil es sich für wie einer anfühlt ... (Ellipse - Leerzeichen und drei Punkte- danke )

Also Megabjörnie, nochmals vielen Dank für dein ausführliches Feedback, ich hab jetzt schon eine Menge gelernt.

Beste Grüße,
Neo

 

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