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Der Moment

Mac

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16.11.2005
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Der Moment

Die Fahrt wird höchstens zwanzig Minuten dauern, nicht mehr, selbst bei diesem Verkehr nicht, und Elisabeth wird sowieso zu spät sein, ins Lokal reinrauschen, die Handtasche auf den Tisch stellend mir ein kurz angebundenes "Servus" rüberschicken und zuerst einmal ihr Handy herauskramen, seelenruhig, als ob es ein normales, vollkommen alltägliches Treffen sei, um irgendjemanden anzurufen, Susi oder Julia etwa, vielleicht hat sie sogar die Chuzpe und ruft Max an, und erst dann, nachdem sie wahrscheinlich noch was beim Kellner bestellt hat, "Mineralwasser mit Zitrone, oder, nein, bringen Sie mir einen Capuccino mit einem Glas Mineralwasser extra, aber ohne Kohlensäure, danke", wird sie sich mir zuwenden, laut ausatmend, als ob sie mir weiß-Gott-was für einen Gefallen dabei tut und nebenbei fragen: "So, warum wolltest du mich heute unbedingt im Caféhaus treffen?"

Und ich werde versuchen ruhig zu bleiben, alles kurz und klar darlegen, weshalb ich sie hier treffen wollte und nicht bei ihr zuhause, wo wir doch fast jeden Abend dort sind, und ich werde sagen, dass es aus ist und das folgende ungläubige Schweigen nicht ertragend, werde ich versuchen dieses auszufüllen, mit sinnlosen Sätzen und schablonenhaften Erklärungen, dass es doch keinen Sinn mehr machen würde, dass sie es doch zugeben müsse, dass die Luft draußen und der jetzige Zustand für keinen von beiden befriedigend sei, und dass ein Ende mit Schrecken besser, als ein Schrecken ohne Ende sei, und dass ich nur aussprechen würde, was auch sie sich schon längst denken müsse, aber sie würde mich nur wortlos anstarren und damit noch mehr aus der Contenance bringen, und ich würde weiter reden und beteuern, würde versuchen zu erklären und mich rechtfertigen und meinen Vorteil, den ich durch mein Handeln erlangt hätte, wäre ich wieder los, sodass ich letzten Endes zu reden aufhöre, und wir uns schweigend ansehen, während der Kellner die Getränke bringt.

Vielleicht wird sie aber nicht schweigen, sondern ihrerseits versuchen alles zu erklären, um mich damit wieder zurückzugewinnen, wird sagen, dass Max nur ein guter Freund sei, an den sie sich anlehnen könne, und dass er sicherlich keine Konkurrenz für mich darstelle, dass sie einfach als sozialer Mensch viele Leute um sich brauche, dass Max außerdem mein Freund sei, sogar mein bester, und dass ich doch nicht eine fünfzehnjährige Freundschaft so leicht aus dem Fenster werfen könne, nur wegen meiner Eifersucht, das sei doch lächerlich und außerdem, wenn mir soviel an ihr liegen würde, wie ich immer behaupte, dann könne sie doch auch erwarten, dass ich um sie kämpfe und sie nicht einfach aufgebe, aber vielleicht würde sie auch zugeben, dass sie mehr als Freundschaft für Max empfindet, wie letztes Wochenende nach dem Fest, bei dem sie mit ihm für eine Stunde außer Haus war, um angeblich Zigaretten kaufen zu gehen, aber dann doch ohne welche zurückgekommen ist, als sie spät in der Nacht, diesmal bei mir zuhause im Bett, alkoholtrunken weinerlich zugab, dass Max etwas in ihrem Herzen berühre, dass sie aber nicht wisse was es sei, nur eben was Besonderes, und ich damals übernächtig meinte, dass wir darüber auch am nächsten Tag reden könnten, wenn wir beide wieder nüchtern wären, wozu es aber nie kam, sondern alles nur in einen Streit ausartete, da ich Dinge sehe, die es nicht gäbe, und ich sie und unsere Liebe damit nur verraten und zerstören würde, ja von Liebe hat sie damals viel geredet und vielleicht wird sie davon auch diesmal reden, als letzter Ausweg, als Anker im Sturm, die rettende Insel, die aber nur noch sie sehen kann.

Ich werde die Streitereien erwähnen, die tiefe Unzufriedenheit meinerseits, weil wir uns nichts mehr geben, sondern nur noch räuberisch um die Oberhand kämpfend Schmerzen zufügen würden und keine Träume mehr miteinander teilen, keine gemeinsamen Zukunftspläne hecken, sondern aneinander vorbei leben würden, sie mit ihrem Job als Controllerin, umgeben tagtäglich mit Zahlen, Business Partnern und Geschäftsessen, wichtigen Meetings und Zukunftsprognosen, darüber hinaus, werde ich fortführen, würde die von ihr angetriebene, mittlerweile wahrscheinliche Versetzung in das Ostbüro doch schon als bedrohlicher Schatten über uns schweben, der das Ende andeute, diese von ihr einseitig, ohne mich zu Rate ziehende Entscheidung für mindestens ein Jahr ins Ausland wegzuziehen, wo ich als Jurist nicht so ohne weiters mitkommen könnte, zumindest nicht ohne alles aufzugeben, was ich hier bereits aufgebaut hätte, meine Klienten und Akten, die ich durch mühsam erarbeitete, nächtens an Argumenten und Gegenargumenten feilende Schriftsätze, regelmäßig spätabendliche Treffen und langweilige Geschäftsessen meinerseits erkämpft hätte, sodass ihr Vorschlag, einfach mitzugehen, nicht möglich sei, ja geradezu ein Hohn für mich sein musste, und ich weiß, dass wir spätestens dann zum Streiten anfangen werden, sie mir Egoismus und Unverständnis vorwerfen wird, da sie auf meine Karriere immer Rücksicht genommen habe, nie gemeckert, wenn ich spät nach Hause kam, und dass mein Erfolg, den sie mir gönnt, sogar vom ganzen Herzen wünscht, teilweise doch auch ihr Erfolg sei, da sie mich immer unterstützt habe, zu faden Treffen mitgegangen sei, als Aufputz, lächelnd und zuvorkommend, vor allem meinen Partnern und Geschäftskollegen gegenüber, die ihr aber doch höchst zuwider waren, aber sie habe alles ertragen um mich zu fördern, selbst meinen Wunsch nicht zu heiraten und getrennte Wohnungen zu behalten, habe sie wider besseren Wissens respektiert und sogar verteidigt, obwohl alle ihre Freundinnen und selbst meine Eltern gemeint hätten, dass es doch langsam Zeit sei, für eine gemeinsame Zukunft und jetzt, wo sie endlich einmal auch für sich etwas machen möchte, fälle ich ihr in den Rücken und entziehe ihr meinerseits die Hilfe und Unterstützung.

Ich könnte daraufhin erwidern, dass ich ihr doch vor drei Monaten schon einen Heiratsantrag gemacht hätte, den sie aber abgelehnt habe, eben wegen der Karriere und, wie ich vermute, wahrscheinlich auch wegen Max, und dann wird es soweit sein, Elisabeth wird endlich das Ende unserer Beziehung einsehen, es akzeptieren, an ihrem Mineralwasser nippen und "Ja" sagen, ja dazu, dass es aus ist zwischen uns, und wir von nun an getrennter Wege gehen, sie wird aber darauf bestehen, eine Freundschaft aufrechtzuerhalten, ein lebenslanges Zueinanderstehen, da eine siebenjährige Liebe, doch etwas bedeuten müsse, und sie wird sagen, dass sie auch in Zukunft auf meinen Rat nicht wird verzichten können, und ich werde ihr zustimmen, obwohl ich an die Freundschaft nicht glaube, aber ich werde mich fügen, da auch mir das Ende zu abrupt sein wird, aber vielleicht kommt es auch ganz anders, sodass sie sich noch einmal aufbäumt und die schönen Momente anführt, wie ich um sie geworben, und wie sie mich zuerst zurückgewiesen, dann, nachdem ich meinerseits keinerlei Interesse mehr gezeigt, sie ihrerseits um mich geworben habe, mich anrief um Ausflüge zu organisieren, zum Schloss Greifenstein zu der Ausstellung damals, wo sie mir ein Aborigines-Gemälde kaufte, da ich ein Australienfan bin, und wo wir uns im Wald spazierend endlich zum ersten Mal küssten, wie schön es doch war!, zauberisch, wie das Grün um uns, oder sie wird die Irlandreise erwähnen, wo wir im Zelt auf einem torfigen Hügel schlafend, einen unverbauten Blick aufs offene graue Meer werfen konnten, nachts nackt baden gingen und uns ewige Liebe schworen, das wird ihr größtes Atout sein, diese gemeinsamen wundervollen Erlebnisse und Augenblicke, die in uns sind und uns ausmachen, und die ich natürlich behalten und weiterhin mit ihr teilen möchte, und das wird er dann sein, der Moment, in dem wir uns anschauen werden, tief und aufgewühlt, vielleicht sogar mit Tränen in den Augen, der alles entscheiden wird.

 

Ein Don Quichotte; ein Herr Enderling
Der Ich-Erzähler erzält uns nicht, was irendwo passiert ist, sondern konstruiert eine Geschichte was passieren könnte; Varianten eines Geschehens welches an sich trivial ist.
Es sieht ein wenig wie die geistige Notiz eines unglücklichen Liebhabers aus, der sich selber Mut zusprechen will.
Mir hat das Thema nicht gefallen, es ist trivial es entstehen keine neue Erkenntnisse aus dem Gelesenen. Auch kann ich mich der Geschichte nur schwer annähern, da du den Endlossatz zu lieben scheinst, vielleicht hättest du vorher bei Herrn Frisch nachgucken sollen, ob dieser auch Semikolons zur Unterteilung nutzt. Abgesehen davon, dass ich deinem Text also Satzzeichen(Punkte/Semikolons) empfehle ist die Geschichte eigentlich recht gelungen.
Das mich die Banalität des Themas nicht vom Hocker reißt, ist eigentlich nicht weiter schlimm, da es sich ja um eine Alltagsvariante handelt, die ein Stückchen Alltag zeigen soll und keine philosophisch/gesellschaftlichen Betrachtungen vermitteln muss.
Man liest sich
Nice

 

Der Moment, Mac, an dem ich beim lesen zum ersten Mal unruhig wurde, war bei dem Absatz, der mit „Ich werde die Streitereien erwähnen„ anfängt. Schon bei dem, und noch mehr bei den nächsten Absätzen, fragte ich mich, was soll die Geschichte? Gewiß, sie ist sehr gut geschrieben, aber nach dem furiosen Auftakt, der seinesgleichen sucht und bei dem ich die Elisabeth plastisch vor den Augen hatte, geht es in gleichem Stil weiter, was noch ein oder zwei Absätze lang ganz lustig ist, aber dann zunehmend an seinem Reiz verliert, bis dieser innere Monolog schließlich in einem Nichts von Ende endet.

Kein Zweifel, die Geschichte ist sehr flüssig geschrieben - was sicher auch der für meine Begriffe ausgezeichneten Grammatik zu verdanken ist (allein diese Konjuktivsätze, alle Achtung, Mac) – und eignet sich sicher hervorragend zum Vorlesen, aber so, am Bildschirm, erscheint mir nicht nur das Thema als beliebig, auch die Gedanken des Protagonisten sie genau die eines x-beliebigen Menschen, weder an Elisabeth noch an dem Protagonisten kann ich etwas Besonderes erkennen. Aber wie schon Nice feststellte, das ist nicht so furchtbar schlimm, wir sind hier im Alltag.

Dion

PS: In einem Poetry-Slam-Wettbewerb würdest du sicher gewinnen, denn dort sind solche Texte begehrt: lustig mit ein bißchen Selbstkritik, der Zuhörer soll sich wiedererkennen.

 

Ich gebe zu, dass ich mich mehr am Stil berauscht habe, als am Inhalt der Erzählung, weiters dass die KG am Bildschirm zu lesen sehr schwer fällt.
Trotzdem danke für Eure Gedanken!
@Nice: meinst du mit Herrn Frisch, Max Frisch und was soll ich dort nachlesen? Hab' ich nicht ganz verstanden. Herr Enderling ist mir leide auch kein Begriff.

LG
Mac

 

meinst du mit Herrn Frisch, Max Frisch
Jab! genau den. "Mein Name sei Gantenbein", deine Geschichte erinnerte mich ein wenig an diesen Roman...
Auch Frisch nutzt in diesem Roman den von mir sog. "Endlossatz" lockert ihn aber für das Auge des Lesers zusätzlich auf, indem er Gedankenstriche, Semikolons und bisweilen Absätze in den Satz einfügt.
Der Stil als solcher ist natürlich berauschend, nur hatte ich das Gefühl, dass es an mancher Stelle hilfreich gewesen wäre, wenn der Leser zu einem längerem Luftholen, als durch das jeweilige Komma erreicht, gezwungen worden wäre(z.B.: Gedankenstriche...).
Der Herr Enderling ist eine der Figuren aus dem oben genannten Werk, der sich seine eigene Welt und ein neues Ich "Herr Gantenbein" konstruiert.
Ich hoffe ich konnte alle Klarheiten beseitigen;)
Nice

 

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