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Der mutige Luis

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19.08.2003
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Der mutige Luis

Der mutige Luis

Wie an jedem Wochentag war Mama auch heute am Freitag gekommen, Luis vom Kindergarten abzuholen.
„Was hältst du von einer heißen Schokolade?“, fragte sie auf dem Weg nach draußen.
Luis war begeistert. Wenn Mama so schmunzelte, dann wusste er schon wo es hinging. Trotzdem vergewisserte er sich.
„Gehen wir auch zu den Spielsachen?“
Aber sicher doch“, antwortete seine Mama. „Ich muss nur schnell für Tante Carola etwas abholen, und danach haben wir beide viel Zeit für uns.“
Da das Wochenende bevorstand, waren sehr viele Menschen im Kaufhaus. So nahm Mama ihn bei der Hand, führte ihn am Stand mit dem glitzernden Schmuck und den Uhren vorbei bis hin zur Rolltreppe. Er liebte es damit nach oben zu fahren. Die Geländer der Rolltreppe waren durchsichtig und während es aufwärts ging, wurde er immer größer und größer, so groß, dass er am Ende den Erwachsenen auf die Köpfe sehen konnte. Oben angekommen, ging es hier rum und da rum und geradeaus, bis Mama vor einer Kassentheke stehen blieb und sagte: „Da sind wir schon.“
Sie hatten sich hinter einer Schlange von Menschen anstellen müssen, die wohl auch etwas abholen wollten. Nach einiger Zeit löste Luis seine Hand aus der seiner Mama, hielt sich aber vorsichtshalber am Stoff ihres grünen Mantels fest, denn das Gedränge um sie herum war ziemlich groß. Luis schaute sich um, doch er sah nur Beine. Und dann, für einen kurzen Augenblick, riss der Menschenstrom ab und gab den Blick frei auf etwas ganz Tolles. In einiger Entfernung hockte ein riesiger Teddybär. Auf dem einen Oberschenkel des Teddys saß ein kleines Mädchen. Dann gab es einen Blitz, das Mädchen stand auf und ein anderes Kind setzte sich an seine Stelle. Wieder blitzte es. Das musste er sich genauer ansehen. Nach ein paar Schritten drehte er seinen Kopf zurück, um sich zu vergewissern, dass seine Mama noch an der Kasse stand, dann ging er weiter.
Er streichelte über das flauschig weiche Fell und musste seinen Kopf ganz weit in den Nacken legen, um die Nasenspitze des Teddys sehen zu können. Und dann sah er auch, warum es vorher geblitzt hatte. Da stand ein Fotoapparat auf einem Gestell mit einer großen Lampe, und ein weiteres Kind hatte sich zum Bären gesetzt.
„Kommst du bitte ein wenig hier rüber“, sprach ihn eine Frau an, „ich möchte den Jungen dort fotografieren. Stell dich ruhig her zu mir, da stört es nicht.“
Luis stellte sich neben die Kamera.
„Hier, bitte, für dich“ sagte die Fotografin und reichte ihm einen Lutscher.
Er sagte brav ‚danke’ und bekam einen großen Schreck. Wo war er? Wo war seine Mama? Schnell drehte er sich um und zwängte sich durch die vielen Menschen bis auf die andere Seite des Ganges. Doch da war sie nicht mehr, und auch der Kassentisch war verschwunden. Er drehte sich nach rechts, nach links, schaute nach hinten und wieder nach vorne. Nichts, keine Mama, nur Beine und Regale, Regale und wieder Beine. Er wusste keinen Rat mehr, wich einer vollgepackten Plastiktüte aus, die neben furchtbar dicken Beinen vorbeischaukelte und schubste dabei jemanden hinter sich an.
„Oh je, das wollte ich nicht“, entschuldigte er sich mit feuchten Augen und schaute hinter sich. Da stand das kleine Mädchen, dass kurz zuvor fotografiert worden war. Sie zog ein Schnutchen, und Tränen kullerten ihr über die Wangen.
„Ich konnte nichts dafür“, beteuerte Luis, „wirklich! Tut es sehr weh?“
„Nein“, schluchzte sie, „aber meine Mama ist weg.“
Luis wusste nicht was er sagen sollte, hielt ihr stattdessen seinen Lutscher hin. Zaghaft und wortlos griff sie danach.
„Da bist du ja!“, hörte Luis, und von oben herab kam eine Hand auf sie zugeschossen. Die griff nach dem Arm des Mädchen und zogen es unsanft herum.
„Wie oft habe ich dir schon gesagt, du sollst nicht weggehen. Ich erschrecke mich noch zu Tode. Warum kannst du nicht einfach bei mir bleiben?“
Die Hand zog das Mädchen durch T-Shirts, Jacken und Hosen bis er es nicht mehr sehen konnte. Das Schimpfen der Frau hörte er noch länger.
Auch er ging nun zwischen den Kleiderständern hindurch und stand plötzlich in einem fast menschenleerem Gang. Vorsichtig lugte er zur einen Seite, ob da nicht doch wieder eine Tragetasche angeflogen kam und dann zur anderen. Und dann fiel ihm ein Stein vom Herzen. Er sah Grün, den grünen Mantel seiner Mama, direkt neben sich. Freudig griff er nach der Hand, die aus dem Ärmel schaute.
„Hallo, wer bist du denn“, hörte er eine ihm fremde Stimme.
Luis schaute nach oben und sah in ein Gesicht, dass keine Ähnlichkeit mit dem seiner Mama hatte. Sein Blick glitt den grünen Ärmel hinunter bis zu der fremden Hand, die seine umschlossen hielt. Hastig zog er seine Hand zurück, drehte sich um und sauste wieder in den Kleiderwald hinein. Und dann hörte er seinen Namen, blieb stehen und lauschte. Ja, von oben, da wo sonst die Musik her kam, war es wieder zu hören: ... „der kleine Luis wird vermisst. Er trägt eine blaue Jeans, eine rote Regenjacke und eine blaue Pudelmütze. Seine Mama wartet am Info-Stand der zweiten Etage.“
Als er in den nächsten Gang hineinspähte, entdeckte er die Kassentheke an der seine Mama angestanden hatte. Bisher hatte er sich ja nicht getraut einen Erwachsenen um Hilfe zu bitten, aber jetzt musste es sein. In Gedanken übte er schnell noch das, was er mit seine Mama immer wieder geübt hatte und trat mutig vor. Bevor er jedoch sein Sprüchlein aufsagen konnte, drängte sich ein Erwachsener vor und legte ganz viele Sachen neben der Kasse ab.
Luis fand das sehr gemein und fasste einen ganz mutigen Entschluss. Wenn er zu klein war diesen Soundsostand und seine Mama zu sehen, dann musste er eben irgendwie nach oben. Ein Verkaufsregal schien ihm hoch genug. So begann er nach oben zu kraxeln. Alles klappte prima. Als er jedoch seinen Fuß auf den vorletzten Regalboden setzte, rutsche er ein wenig ab, griff hastig nach oben, haltsuchend, erwischte einen Kerzenständer, der obenauf stand, und verlor den Halt. Er schloss seine Augen.
„Da haben wir aber noch einmal Glück gehabt“, sagte jemand und zaghaft öffnete Luis die Augen. Er schaute direkt in ein lächelndes Gesicht mit lustig blinzelnden Augen.
„Hei, ich bin Tomas, der Kaufhausdetektiv, wer bist denn du?“
Luis blickte verwirrt um sich und erkannte, dass er sich in den Armen des Mannes befand, der ihn angesprochen hatte. Der hatte ihn aufgefangen.
„Bist du vielleicht der Luis, der seine Mama verloren hat?“, fragte er weiter.

„Ja“, sagte er zunächst ganz leise und dann laut und kräftig: „Ich bin der Luis Brandenberg. Ich bin bald fünf Jahre alt und wohne in der Fritz-Schleicher-Allee vierhundertundzwölf in Deutschland. Meine Mama hat das immer mit mir geübt, weißt du, weil wenn man mal wo alleine ist, kann ein Erwachsener bei Mama anrufen und die holt einen dann ab. Und darum muss ich auch gar nicht weinen.“
„Das hast du aber wirklich toll gesagt“, lobte der Mann mit den lustigen Augen und hob Luis oben auf seine Schultern.

 

Hallo Jadro

hier schreibt Luis. Mir hat deine Geschichte sehr gut gefallen. Ich bin ganz stolz, daß du sie nach mir benannt hast. Geradeeben, als ich mit Kybra (meiner achtjährigen Freundin), beim Malen am Eßtisch saß, rief mir Papi runter, daß du wieder eine Geschichte geschrieben hast. Und Kybra hat das auch noch gesehen. Papi hat sie uns dann auch sofort vorgelesen. Ganz still hab ich zugehört. Kybra auch. Zwischendrinn ist mir dann eingefallen, daß ich vor kurzem auch in den Weinbergen verloren gegangen war. Ich wollte einen anderen Weg gehen wie Papi und Kybra (die immer bei allem dabei ist), und hab mich verlaufen. Ich bin einfach nicht den Weg, den Papi gesagt hat weitergegangen. Mensch hab ich geweint. Überall bin ich rumgelaufen, nirgens waren sie. Dann endlich hab ich Kybra rufen gehört. Sie hat mich gefunden. Papi hat vielleicht mit mir geschimpft. Ich soll stehen bleiben wo ich bin, hat er gesagt. Und immer rufen hat er gesagt. Sonst kann es passieren, daß wir aneinander vorbeilaufen. Jetzt hab ich es kapiert. Das passiert mir nicht mehr. Erstens hab ich Papi verboten, wenn ich noch mal alleine los will, daß er mich gehen läßt. Dann kann das gar nich mehr passieren. Zweitens, wenn dann nur mit Kybra, die findet den Weg sicher wieder.
Ich hab Papi gefragt, ob du vielleicht nicht genau zugehört hast, wie Papi dir die Geschichte erzählt hat. Der hat mir dann erklärt, warum du sie ein wenig abgewandelt hast. Ist schon ok. So hört sie sich sogar noch besser an, wie meine.
Also vielen Dank Jadro für die Geschichte, Papi druckt sie sogar für mich aus, dann kann ich sie einramen und an meine Zimmerwand aufhängen, dort können sie alle meine Freunde dann lesen, man wie bin ich stolz.

Papi hat gesagt, daß Kybra dir auch außnahmsweise unterschreiben darf.

Schlaf schön von Luis, Kybra und Morpheus

 

Hi Luis,
danke für deinen netten Kommentar. Beim nächsten Erlebniss, dass dein Papa mir von dir erzählt, werde ich besser aufpassen und mich bei einer Geschichte darüber etwas genauer daran halten.
Das mit der Unterschrift von Kybra geht natürlich in Ordnung.

Liebe Grüße
Dein Geschichtenschreiber
Jadro

 

Lieber Jadro,

Deine Geschichte gefällt mir gut. Du beschreibst sehr schön, wie schwierig es für einen kleinen Jungen ist, der sich im Kaufhaus verläuft. Und im Vergleich zu dem kleinen Mädchen wird sehr deutlich, wie mutig Luis ist. Ich habe die Geschichte gern gelesen und glaube, dass kleinere Kinder sie mit Spannung anhören werden.

Zwei Bemerkungen habe ich noch:

"das Mädchen stand auf und ein anderes Kind setzte sich an deren müsste es hier nicht seine heißen? es heißt doch "das" Mädchen ...? Stelle."

"drehte er seinen Kopf zurück, (um!) sich zu vergewissern, " --> ich finde, das klingt sehr umständlich, wie wäre es mit "wandte er den Kopf" oder "sah er sich um"?

Liebe Grüße
al-dente

 

Hallo al-dente,
da hast Du nun eine meiner ersten Geschichten ausgegraben, die aus meiner heutigen Sicht doch so einiges hat, dass verbessert werden müsste. Andererseits hat sie mir gezeigt, wie viel ich doch durch Deine Kritiken und die anderer Kgler inzwischen gelernt habe.

Vielen Dank und einen lieben Gruß

Jadro

 

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