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Der neue Schrank
Der neue Schrank
Es ist ein ganz normaler Arbeitstag und ich sitze an meinem Schreibtisch im Büro.
Mit einem Male klingelt das Telefon und ich ahne instinktiv, dass es sich nur um meine Lieblingsfrau handeln kann. Nur meine Gattin erlaubt es sich mich in meinem wohlverdienten Büroschlaf zu stören.
Ich nehme den Hörer des störenden Telefons ab und habe meine Frau am anderen Ende der Leitung in der Hand.
Wer kennt es nicht?
Ein Schlüssel geht ins Schloss und man weiß wer es ist, am Klingeln der Hausklingel erkennt man wer Einlass begehrt und am Klingelgeräusch des Telefons erkennt man seine Holde. Und das alles obwohl es immer das absolut gleiche Geräusch ist, merkwürdig!
Mit leicht verzweifelter Stimme fragt meine Gattin nach, ob ich daran gedacht habe heute etwas früher nach Hause zu kommen? Schließlich wollen wir heute den neuen Schuhschrank kaufen.
Ich hatte es ihr wohl versprochen.
Da ich es selbstverständlich vergessen habe, diesen Schrank heute kaufen zu wollen, weil ich ihn eigentlich überhaupt nicht kaufen will, ich aber tief in meinem Herzen eine ehrliche Seele bin, teile ich dieses meiner Gemahlin auch mit.
„Selbstredend habe ich es nicht vergessen! Wie könnte ich einen für dich so wichtigen Termin vergessen? Was hältst du von mir? Ich habe es dir doch versprochen. Eigentlich müsste ich ein wenig böse sein, dass du mir so etwas gedankenverlorenes überhaupt zutraust.“
Durch den Telefonhörer hindurch kann ich die Miene meiner Frau sehen. Sie ist aufgrund dieser gemeinen Verdächtigung schamrot angelaufen und hat Tränen in den Augen. Mich so negativ darzustellen. Pfui Spinne!
Unmittelbar nach dem Gespräch muss ich dafür sorgen, dass ein netter älterer Kollege meine Vertretung übernimmt, damit ich diesen verflixten Schrank doch noch kaufen kann.
Nach ein paar schmeichelnden Worten und der Zusage ihm morgen das Mittagessen zu finanzieren stimmt er zu und ich kann mich getrost auf den Weg zu meiner Frau machen.
Ich stürme also auf den Parkplatz zu meinem Auto. Beim Einsteigen stoße ich mir den Kopf heftig am Türholm. Leicht benommen aber noch Herr meiner sieben Sinne steche ich mir mit dem Schlüssel fast noch ein Auge aus, denn der verdammte Schlüssel befindet sich genau in der Hand, mit der ich meine wahrscheinlich stark blutende Kopfwunde untersuchen will.
Fluchend werfe ich die tödliche Waffe in den Fußraum des Beifahrers, wo ich sie – unter Missachtung der deutschen Grammatik – zwei Minuten später verzweifelt suchen muss. Der Feigling wird von mir unter der Fußmatte erspäht, umzingelt und letztlich ergriffen.
Nach diesen anfänglichen Startproblemen habe ich den Wagen ohne große Mühe aus der Parklücke auf die Strasse buchsiert und reihe mich hübsch ordentlich in den Stau ein.
Nachdem ich zehn Kilometer in rekordverdächtigen 30 Minuten zurückgelegt habe, stehe ich vor unserer Wohnung. Wie durch ein Wunder ist sogar ein Parkplatz frei.
Leicht verärgert darüber gleich wieder weg zu müssen gehe ich nach oben zu meiner Frau.
Immer noch daran denkend, dass ich sonst nie einen Platz vor unserer Wohnung mein eigen nennen kann ruft mir meine Gattin im vorbeilaufen zu: „Ich muss nur noch kurz ins Bad“.
Nein - , Erinnerungen werden wach!!!
Kurz vor dem Badezimmer und noch viel kürzer vor einem beginnenden Herzinfarkt meinerseits, dreht sie sich um und meint nur, milde lächelnd: „April, April!“
Ich Hasse nichts mehr als Späße auf Kosten älterer und gebrechlicher Ehemänner!
Während sich meine Gesichtsfarbe wieder einstellt und auch mein kleines Herzchen seinen gewohnten Rhythmus wieder findet, verlassen wir gemeinsam die Wohnung in Richtung Auto.
Dort angekommen erreicht mich die nächste Hiobsbotschaft: „Hast du was dagegen, wenn ich ausnahmsweise fahre?“, diese Frage ist eigentlich gar keine Frage sondern vielmehr eine Feststellung. Oder glauben sie allen Ernstes ich traue mich meiner Frau zu wiedersprechen? Halten sie mich meinetwegen für mutig aber bitte nicht für lebensmüde.
Bevor die Fahrt nun losgeht stellt meine Chauffeurin alle Spiegel und zuletzt den Sitz auf ihre Bedürfnisse ein oder anders ausgedrückt - sie verstellt mir alles!
Auf dem Weg zum ersten Möbelhaus, mittlerweile ist der Schrank zur Nebensache degradiert worden, beantworte ich in Gedanken die Schreiben von besorgten Müttern, die sich um ihre Kinder ängstigen. Einige Gedanken verschwende ich auch an die ehemaligen Besitzer diverser Außenspiegel.
Auf dem Parkplatz angekommen, bin ich, für meine Frau hoffentlich nicht zu erkennen, ein nervliches Wrack. Beim Aussteigen bemerkt meine Holde nur keck: „Hat mal wieder Spaß gemacht!“, wie recht sie hat.
Im Geschäft arbeiten wir uns durch sämtliche Abteilungen, angefangen bei den Lampen über die Teppiche bis hin zur allseits beliebten und berüchtigten Geschenkboutique. Nach einem etwas längerem Aufenthalt in der zuletzt genannten Abteilung landen wir zum Schluss doch noch in der von uns zu Beginn angepeilten Schrankabteilung.
Akribisch werden verschiedene Staumöglichkeiten genauestens unter die Lupe genommen und zum Teil für wenig tauglich bis absolut untragbar erachtet.
Passt meiner Frau ein Schrank – passt mir der Preis nicht. Gefällt mir der Preis ist der Schrank in den Augen meiner Frau ein einziges Fiasko!!
Ich denke an dieser Stelle teile ich mein Leid mit vielen geschundenen Ehemännern.
Wie dem auch sei, irgendwann ist auch die größte Auswahl an Schränken erschöpft und gemeinsam beginnt man zu überlegen in welchen Laden man als nächstes fahren wird.
Diese Überlegung folgt noch ungefähr 6 – 7 Mal und immer mit dem gleichen Ergebnis.
So langsam wird mir die Bedeutung von Werbesprüchen wie ...das Erlebniskaufhaus oder ...lebst du noch... erst richtig klar.
Insgeheim möchte ich meine bessere Hälfte darum bitten mit dieser Tortour aufzuhören, doch was ist das? Mit einem Male bleibt sie völlig unvermittelt vor einem Schrank stehen und prüft ihn auf Herz und Nieren.
Sollte dieses Möbel meine Erlösung bringen?
Ich betrachte ihn ebenso genau und mir fällt etwas auf was ich meiner Frau nicht vorenthalten sollte: „Schatz?“, sage ich aber sie meint nur ich solle ruhig sein und sie jetzt nicht stören.
Es folgt erneut ein: „Schatz?“, doch ich merke das sie sich durch nichts und niemanden beeinflussen lässt.
Erst als ein netter Verkäufer, der die Kaufabsichten auf der Stirn meiner Frau liest, sich einbringt und das Wort „Kinderzimmerkommode“ fällt, wird meine Holde hellhörig.
Kinderzimmerkommode?
Jawohl, meine Frau hat diese Kommode ins Herz geschlossen und was viel wichtiger ist, sie ist der Überzeugung das dieses Möbelstück genau ihren Vorstellungen eines Schuhschrankes entspricht.
Ich versuche sie nur halbherzig von dem Gedanken abzubringen, denn das Funkeln in ihren Augen ist mir bestens bekannt und bedeutet soviel wie – keine Chance!
Von ihr kurz an die Seite genommen, werde ich gefragt wie ich über Kinder denke und ob es sich nicht lohnt direkt ein ganzes Kinderzimmer zu kaufen?
Natürlich nur damit man später auch ein Zimmer hat, welches von den Möbeln her harmoniert.
Kinder? Harmonie der Möbel? Ganzes Kinderzimmer?
Noch bevor ich antworten kann, ist der Kaufvertrag unterschrieben und ich ertappe mich dabei wie ich im Unterbewusstsein die Möbel des Mitnahmemarktes ins Auto hieve.
Auf der Fahrt nach Hause komme ich langsam wieder zu mir und wünschte ich säße noch in meinem Büro an meinem Schreibtisch.
Da plötzlich – mich schreckt ein bekanntes Geräusch auf und ich öffne meine Augen.
Das Telefon klingelt.
Paralysiert greife ich in alter Routine zum Hörer und melde mich mit den Worten: „Hallo, wer da?“
„Ich bin es mein Schatz, ich wollte nur wissen ob du daran gedacht hast heute etwas früher nach Hause zu kommen. Du weißt schon, wir wollten doch heute den...“.
An dieser Stelle soll mich, nach Aussagen meiner Kollegen, eine angenehme Ohnmacht überkommen haben.