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Der Pfandsammler
Der Pfandsammler
Letzte Woche ging ich gedankenverloren durch Neheim und rauchte kroatische Zigaretten, als mir ein hagerer, abgerissener Mann von etwa 25 Jahren entgegenkam. „Hallo Jörg!“ sagte ich, gab ihm die Hand und fragte ihn, wie das Geschäft so lief. Eine ungewöhnliche Frage, denn Jörg bezieht Sozi und Otto Normal denkt daher, dass Pinkeln das einzige Geschäft von derartigen sozialen Randgruppen ist. Weit gefehlt, denn er gehört der Wachstumsbranche der Pfandsammler an. In Zeiten von Hartz IV, das bekanntlich an allem Schuld ist, ist diese Berufssparte schwer im Kommen. „Was soll ich sagen, außer wie immer? Karl Marx und der Schwerenöter da vorne machen mir mein Revier streitig.“ Karl Marx, der wegen seines grauen Vollbarts so genannt wird und sein seniler Lustgreis-Kumpel Hansi sind Jörgs härteste Gegner im Kampf um die Pfandflaschen. Während er schwermütig von einer Schlägerei mit den beiden erzählte, zeigte er mir die Blutergüsse auf seinem Oberkörper. Es war am Ende des Monats immer das Gleiche, wenn die Punks unter der Autobahnbrücke kein Taschengeld mehr hatten und den Pfandleuten kaum mehr was geben wollten. Wie überall im Land hatte sich der Konkurrenzdruck verschärft. „Was willste jetzt machen, Jörg?“ Sein Gesichtsausdruck wirkte unentschlossen: „Keine Ahnung. Mit den meisten Typen kann man ja nicht vernünftig reden. Vor allem jetzt, wo sich immer mehr Leute in unserem Gewerbe tummeln, die so was wie Ehre und Anstand einen feuchten Fuzzi interessiert!“ Er wirkte aufgebracht. Wo er Recht hat, hat er Recht. Er zog ein Klappmesser aus der Tasche. Ich wurde nervös und fragte: „Was willste denn damit?“ Jörg fing an zu grinsen. „Du weißt ja, heutzutage muss man konkurrenzfähig bleiben.“