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Der Preis der Kristallfigur
„Was ist denn los mit Ihnen, haben Sie etwa Angst? Nur keine Sorge, so schlimm wird es nicht. Wenn sie wollen können wir auch jetzt schon anfangen, dann haben Sie es schneller hinter sich. Wie wäre es? Nicht... okay... wie Sie wollen. So werde ich mich noch ein wenig mit Ihnen unterhalten. Also, ich nehme an Sie wissen, was Sie verbrochen haben? Wenn Sie mir etwas sagen wollen, brauchen Sie es nicht in die Tastatur zu tippen, das wäre ziemlich schwierig für Sie; nur mit einer Hand und vor allem ohne Tastatur. Sie müssen lediglich reden. Ich kann Sie hören. Ich höre alles. Sogar ihren Herzschlag: 164,67 Schläge pro Minute. Ziemlich viel. Sie sollten sich allmählich beruhigen. Und sagen Sie mir nicht, dass ihr Job Sie so ins Schwitzen bringt, so anstrengend ist der nicht, da müsste ich widersprechen. Tut Ihnen das Handgelenk ein bisschen weh? Ich meine, es ist sehr wahrscheinlich, dass es ein bisschen weh tut, zumal es eingeklemmt ist, und es muss gut eingeklemmt sein, wir wollen ja nicht, dass Ihnen sonst noch etwas geschieht. Aber ihre Hand spüren sie noch? Das schon, oder? Ansonsten wäre es ja nicht so lustig. Wenn sie nichts mehr spüren würden, wäre es keine richtige Strafe mehr und schliesslich geht es ja darum, dass sie etwas aus ihren Fehlern lernen...“
„Lassen Sie meine Handgelenk los! Es tut mir Leid, was ich getan habe, aber ich bestehe auf meine Rechte! Ich zahle gerne eine saftige Buße für den Diebstahl oder stecken Sie mich in den Knast, aber lassen Sie jetzt endlich meine Hand los! Ja, es tut weh, da haben Sie vollkommen recht, wie hellsichtig von Ihnen.“
„Hätten Sie gerne, hätten Sie gerne... aber so verbessert man keine Menschen! Eine Buße? Damit Sie ungeniert weiterklauen und die Busse wieder wettmachen? Und Knast?
Also bitte, ein bisschen Respekt unserem System gegenüber! Das mit dem Knast haben die Barbaren im 20.Jahrhundert noch gemacht. Aber wir befinden uns in der Zeit nach der glorreichen Gesetztesrevision. Wozu wurden denn all die Studien durchgeführt?
Ich kann den eisernen Griff um ihr Handgelenk ein bisschen lockern, wenn Sie wünschen. Die Hand sollte jedoch während der Strafe vom Körper isoliert bleiben, ansonsten könnte sich der Schmerz ausweiten. Sie verstehen mich, oder?
Ich denke, in fünf Minuten starten wir. Aber das nur so nebenbei.
An was denken Sie? Ich glaube ehrlich gesagt nicht, dass es Ihnen Leid tut. Sie denken an irgend etwas. Es ist unmöglich, an nichts zu denken, das ist bewiesen.
Moment mal, was war es schon wieder, dass sie im Laden 23 klauen wollten? Ah, genau, ich hab‘s gefunden – eine Kristallfigur; eine nackte Frau!
Sie denken an die nackte Frau, stimmt‘s? Mal angenommen, wir hätten Sie nicht erwischt, wo hätten Sie die Frau hingestellt? Neben dem Bett? Oder im Badezimmer?
Sagen Sie, ist es Ihnen peinlich, dass wir...“
„Halt deine Klappe! Habe ich nichts Besseres zu tun, als auf den bedeppten Bildschirm zu glotzen und mir deine Weisheiten anzuhören?“
„Ja, da haben Sie recht, Sie haben nichts Besseres zu tun und schliesslich bin ich ja zur Unterhaltung da. Sie könnten dankbar sein. Ich meine, was ihre Hand betrifft, so will es das Gesetz, ich habe da meine Hände nicht gross im Spiel, mal abgesehen davon, dass ich gar keine habe. Und Sie sehen ja: Mir geht es gut ohne. Vielleicht ist Ihnen das ein Trost...
Das grössere Problem wird für sie sein: Wie kauft man etwas.
Ach ja, falls es Sie interessiert: Ihr Herz schlägt nun 178,42 mal pro Minute. Wenn Sie so weitermachen erreichen Sie noch den Rekord. Ich denke Sie sollten sich weniger über meine Äusserungen ärgern, schliesslich habe nicht ich geklaut, oder?
Ausserdem ist das ein Gespräch nur zwischen mir und Ihnen. Ich behalte alles für mich. Können Sie mir verraten, weshalb Sie es getan haben? Aus Frust? Würde mich brennend interessieren. Haben Sie eine Frau verloren und dann gedacht: ‚kein Problem, ich klau mir eine neue!‘ Aber nein, ehrlich gesagt, glaube ich nicht, dass Sie zum ersten Mal geklaut haben. Für mich sind Sie genau der Seriendieb-Typ. Wissen Sie, Sie sehen nicht besonders gut aus.
Aber weshalb zum Virus klauen Sie?“
„Ich habe einzig und allein deshalb geklaut, weil ich so scharf auf Gespräche mit dir bin!
Können wir beginnen? Ich will es hinter mir haben. Mir geht die Unterhaltungsphase langsam auf die Nerven! Was auch immer meine Hand in diesem durchsichtigen Gehäuse erwartet; ich bin froh, wenn ich sie wieder rausnehmen kann.“
„Das denken Sie nicht im Ernst?“
„Was?“
„Dass Sie am Schluss die Hand wieder herausnehmen können. Also; Sie können Sie wieder herausnehmen, aber nicht ganz so, wie Sie es sich vorstellen. Sie wollen, dass es beginnt? Ähh... es hat schon begonnen!“
„Wie! Aber Sie haben mir gesagt fünf Minuten! Können Sie mir jetzt sagen, was mit mir passiert?!“
„Wissen Sie, als ich Sie ansah; ihren roten Kopf, ihre weit offenen Augen, da dachte ich mir, Sie können es kaum erwarten dranzukommen. So habe ich – Sie mögen es mir verzeihen – ohne ihr Einverständnis – drei Minuten zu früh eingeschaltet.
Spüren Sie ein gewisses Kribbeln in ihrer Hand? Wie fühlt es sich an?“
„Meine Hand hat sich noch nie so gut angefühlt wie jetzt. Sie wird auch gerne festgehalten, das ist ihr Hobby... Wie ein Kribbeln – ist das alles?“
„Das glauben Sie doch nicht im Ernst, dass es alles ist? Jetzt schon fertig? Das wäre doch gar nicht lustig! Das Kribbeln ist nur der Anfang. Direkt schön. Dafür brauchen Sie nicht zu stehlen. Jetzt können Sie ihre Hand noch gut bewegen. Mit der Zeit wird das schon schwieriger werden.
Wissen Sie was? Sie sind jetzt auf 198,22 Schlägen pro Minute. Sie sollten ein bisschen weniger verkrampft dasitzen! Entspannung! Ich weiss, Sie sind angebunden und können sich daher nicht gross bewegen, aber denken Sie sich doch einfach an einen Strand. An Stränden hat es jede Menge Frauen. Im Bikini. Wenn Sie ihre Phantasie ein bisschen anstrengen auch ohne. Okay, Kristallfrauen wie im Laden 23 gibt es wohl nicht, aber wenn Sie ihre Phantasie anstrengen...“
„Halt doch bitte endlich deine Klappe!“
„Verstehe... Sie haben keine Phantasie... das ist ein ernstes Problem. Aber wissen Sie was? Ich bin gutmütig und ersetzte sie. Gleich wird sich auf dem Bildschirm ein kleines Fenster öffnen. Sie werden ihren Augen nicht trauen: Die schönste Frau im world wide web! Nackt natürlich. Ah, da ist sie schon. Gefällt sie Ihnen?
Oder mögen Sie Blondinen etwa nicht...?“
„Blondinen mag ich nicht und sprechende Computer noch weniger!“
„Bleiben Sie bitte höflich. Ich bin ja auch ganz nett zu Ihnen. Ich helfe Ihnen beim Entspannen. Hier haben Sie noch eine Brunette. Ist Sie nicht süss? Sowas werden Sie wohl eher selten zu sehen bekommen, so wie Sie aussehen.
Was ist? Was starren Sie so auf ihre Hand? Sie sollten entspannen! Okay, es sind schon bemerkenswerte minus siebzehn Grad in der Zelle, aber es wird noch ein wenig kälter und wenn sie jetzt schon so ein Gesicht machen, weiss ich nicht wie sie später aussehen werden. Es beisst ein bisschen, nicht wahr? Es ist nicht mehr das angenehme Kribbeln. Versuchen sie mal den kleinen Finger zu bewegen! Geht nicht mehr so gut, die Kälte wirkt. Sie sollten sich im Spiegel sehen, wie Sie sich anstellen... Warten Sie, wenn Sie wollen, kann ich ihnen unter der Brunette noch das Bild der live Kamera bereitlegen. Amüsant, nicht wahr. Ich sag es Ihnen ja; ich sehe alles, ich höre alles.
Hey, was schreien Sie? Finden Sie nicht, dass Sie ein wenig übertreiben? Es sind immer noch nur minus 28 Grad. Und das nur für ihre rechte Hand. Ansonsten sollte es ihnen ganz gut gehen. Werfen Sie sonst wieder einmal einen Blick auf die Brunette!
Zum Virus nochmals, sind Sie laut! Das Gekreische kann man ja fast nicht ausstehen! Sind Sie eine Memme?“
„Lassen Sie mich looos!!! Bitteeeee!“
„Das ist ein gutes Zeichen, Sie fangen schon an zu träumen. Keine Angst, bald spüren Sie nichts mehr. Es brennt richtig, nicht wahr? Es sind auch schon minus 45 Grad. Und boah! Das Herz! Dafür, dass es bald ein Körperteil weniger mit Blut versorgen muss, pumpt es extrem schnell. Kompliment!
Ich denke jetzt machen sich Ihre Fingernägel wie Kieselsteine auf hautlosen Fingern bemerkbar. Es ist so, wie wenn Ihre Hand überfahren worden wäre. Sie fühlt sich zerquetscht an. Aber zugleich steinhart. Können Sie sie noch selbst bewegen? Nein, nicht mehr. Aber sehen Sie, wie sie zittert? Beeindruckend, nicht wahr? Als könnte sie die Kälte von sich abschütteln. Sie haben ihre Hand nicht mehr unter Kontrolle. Haben Sie jetzt das Gefühl, als ob sie explodieren würde? Das ist normal, kann ich Ihnen versichern. Es sind unterdessen auch schon minus 69 Grad.
Werfen Sie doch wieder mal einen Blick auf die hübsche Brunette. Aber bitte hören Sie auf so laut zu schreien. Bald ist es...
Es ist vorbei, nicht wahr? Ihre Hand ist völlig durchgefroren. Hart wie Stein. Sie spüren nichts mehr. Ein leichtes Kribbeln am Handgelenk jetzt, weil dort der Übergang von kalt zu warm ist. Sie haben es gleich geschafft. Nur noch eine Kleinigkeit zu überstehen. Am besten schliessen Sie dazu ihre Augen.
Jetzt müssen wir Ihnen die Hand abhacken.
Was blicken Sie mich so an? Haben Sie etwa gedacht man würde das Stück nachher wieder auftauen? Fluchen Sie doch nicht so, das ist zwar noch nicht verboten, aber ich mag das nicht. Wir können doch alle höflich sein.
Nehmen Sie sich ein Beispiel an mir; ich bin grosszügig und lasse Ihnen die Wahl: Entweder wir hacken Ihnen das Stück ab, oder Sie tun es selber.
Sie tun es selber? Meinen Respekt!
Womit? Was Sie wollen: Hammer, Sichel...“
„Geben sie mir irgend etwas hartes und dann zerstör ich das, was ich schon lange zerstören will!“
„Schön, dass sie sich von ihrer Vergangenheit trennen wollen – oder... Sie meinen mich!? Nein, das geht natürlich nicht.
Schliessen Sie jetzt ihre Augen!
Bitte nicht schreien.
Es geht ganz schnell...
Sehen Sie, schon vorbei! Wollen sie ihre Hand behalten? Ich kann sie Ihnen in einem Behälter mitgeben.
Bitte fluchen sie nicht so, es ist schliesslich nur das Gesetz.
Sie könnten sich für den Service bedanken!
Seien Sie doch froh, dass man Sie nicht bei einer Vergewaltigung erwischt hat.“