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Der Professor

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14.04.2005
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Der Professor

Es klopfte an der Tür. Erst zaghaft, dann etwas kräftiger.
Ein fragendes „Herr Professor?“ einer jungen Frau drang durch die Milchglas-Scheibe in das Innere des Büros oder das was vor einigen Jahren noch an ein solches erinnert hatte.
Überall türmten sich Massen von Büchern, Papieren, Aktenordnern und gesammelten, alten Zeitungen auf. Jede noch so kleine Nische in einem der zahlreichen Wandregale, die von der Decke bis zum Boden reichten, wurde genutzt, um diesen Raum mit wissenschaftlichen Berichten, Protokollen und eben Büchern zu füllen.
Selbst der Boden war nur noch an einigen Stellen zu erkennen und ließ somit einige wenige Laufwege zu. Strategisch genau schienen die Dokumententürme über die Fläche des Raumes platziert zu sein und die Höhe der Papierstapel schickten sich an den physikalischen Grundgesetzen zu trotzen. Ein quadratischer Tisch in der Mitte des Büros bot Platz für eine Vielzahl von Flaschen, Glaskolben, chemischen Tinkturen und Lösungen in teilweise eingetrübten, dunklen Gefäßen. In der leicht modrigen Luft tummelten sich fröhlich feine Staubpartikel, die in ihren ästhetischen Bewegungsmustern an uralte, längst vergessene Tänze erinnerten. Die ganze Szenerie wurde durch zwei überdimensionierte Natrium-Dampf-Lampen in ein altersschwaches, fahles Licht getaucht.
„Herr Professor Unrat...? “, fragte die Stimme etwas lauter.
„Ich bin es Telsa! Ich weiß, sie sind da irgendwo drin!.... Hausmeister Gilbert hat vorhin noch Stimmen in ihrem Büro gehört.“
„Bitte Herr Professor, machen sie die Tür auf. Ich möchte endlich meine Beurteilung abholen.“
Die junge Dame lauschte kurz der Stille und starrte auf das Schild, welches neben der Tür angebracht war. Eine rostige Schraube hielt es nur unter größtem Protest an seiner Position und verwies auf Prof. Dr. Unrat.
Langsam verfinsterte sich der Blick der langbeinigen Blondine. Zorn stieg in der schlanken, modisch gekleideten Frau auf.
Sie hatte es satt diesem kleinen Wicht hinterher zu laufen. Ein weiteres Mal ließ sie sich nicht versetzen.
„Nicht mit mir!“ schoss es Telsa durch den Kopf. Sie pochte erneut hastig an das knarrende Holz der Tür. Bedrohlich wackelte die Glasscheibe in ihrer Verankerung.
Die junge Frau malte sich gedanklich aus was sie mit dem “guten Herrn Professor“ machen würde, wenn sie ihn nur zwischen ihre Finger bekäme. Zügellose Gewalt und große Schmerzen des Herrn Professor, sowie einzeln ausgerissene, zerzauste Haare spielten bei ihrem kleinen Gedankenfilm die Hauptrolle, während sie immer wieder ihre Faust unbarmherzig vor die Türe schlug. Die Pausen zwischen den einzelnen Fausthieben verkürzten sich rasch und steigerten sich zu einem fulminanten Stakkato, das jeden Komponisten zu großen Begeisterungsstürmen gezwungen hätte. Mit der steigenden Taktfrequenz von Telsas Schlägen gegen die gescholtene Tür, erreichte auch ihre Wut einen neuen Höhepunkt.
So bemerkte Telsa zunächst gar nicht, dass ihre Faust plötzlich ins Leere gesaust war und sich eine entscheidende Wendung in ihren Bemühungen ergeben hatte.
Die Tür war schlagartig aufgerissen worden und eine blasse Hand aus den schummrig beleuchteten Tiefen des Büros hatte den Arm der überraschten Frau gepackt und sie mit einem heftigen Ruck ins Innere gezerrt.
Bevor Telsa begriffen hatte was geschah wurde die Tür hinter ihr wieder verschlossen. Wutentbrand drehte sie sich um.
„Herr Professor, was soll... !“
Telsa verschlug es den Atem, denn nicht der Professor hatte sie unsanft in sein Büro gezogen, sondern vor ihr stand ein schönes, leicht bekleidetes Mädchen Anfang 20ig.
Verdutzt musterte Telsa die Fremde, deren markantes Gesicht von einer rot-wallenden Lockenpracht umrahmt wurde. Ein verwaschenes Rippshirt und eine viel zu große, verschlissene (vormals wohl weiße) Unterhose mit Eingriff bedeckten die Reize der jungen Schönheit nur höchst unzureichend.
„Wer.... sind Sie?“ fragte Telsa perplex.
Die fremde Frau wich ihrem direkten Blicken unsicher aus und gab nur zögernd eine leise Antwort: “Ich bin es... Professor Unrat!“
„Sie wollen mich wohl auf den Arm nehmen...wo ist der Professor...? Ich werde sofort die Polizei...“
Telsa Schrader verstummte, denn erst jetzt fiel ihr die Nickelbrille auf , welche das Mädchen trug.
Es schien die Brille zu sein, die Professor Unrat immer getragen hatte.
„Es hat einen Unfall bei einem meiner Experimente gegeben, Telsa...
Ich wollte meinen Johannistrieb zum Leben erwecken...mich in gewisser Weise verjüngen und ich war dicht davor doch dann...“, stammelte das Mädchen, die bei genauer Betrachtung, wirklich eine frappierende Ähnlichkeit mit dem Professor hatte...

 

Hallo Blitzlicht,

die Beschreibungen in den ersten Absätzen sind sehr gut. Da kündigt sich etwas Spannendes an!

Einige Stellen in der Mitte geben Klischees wieder:

Langsam verfinsterte sich der Blick der langbeinigen Blondine. Zorn stieg in der schlanken, modisch gekleideten Frau auf.

Zu viele Adjektive!

Die junge Frau malte sich gedanklich aus was sie mit dem “guten Herrn Professor“ machen würde, wenn sie ihn nur zwischen ihre Finger bekäme. Zügellose Gewalt und große Schmerzen des Herrn Professor, sowie einzeln ausgerissene, zerzauste Haare spielten bei ihrem kleinen Gedankenfilm die Hauptrolle, während sie immer wieder ihre Faust unbarmherzig vor die Türe schlug.

Solche Gedanken kommen vor. Ich glaube nicht, dass sie sich trauen würde, "unbarmherzig" an die Tür zu schlagen.

Die Pointe wirkt nicht recht. Sie wirkt zu unglaubhaft. Alle Erklärungen fehlen. Auch wenn sie unmöglich ist, muss die Verwandlung glaubhaft erscheinen. Ovid hat das in den Metamorphosen hundertmal geschafft.

Der Name "Professor Unrat" ist der Titel eines sehr bekannten Romans von Heinrich Mann, der sich auf den Spitznamen der Hauptfigur bezieht. Hier hat er nichts verloren.

Ich finde, dass Du gut schreiben kannst, aber diese Geschichte "funktioniert" nicht.

Freundliche Grüße,

Fritz

 

Hallo Fritz!

Erstmal ein "Dankeschön" für Kritik und Lob!

Allerdings war es nicht meine Absicht mich auf die Romanfigur "Professor Unrat" von Heinrich Mann zu beziehen, obwohl mir schon bewusst ist, dass sich einem dieser Verdacht natürlich sofort aufdrängt. Die Geschichte ist bei einer Schreibwerkstatt entstanden und deshalb mussten einige Vorgaben erfüllt werden. Der Name "Professor Unrat" war eine von diesen Vorgaben. Ich habe darüber nachgedacht den Namen zu ändern, mich aber schließlich dagegen entschieden, weil er in DIESER Geschichte ganz gut passt.
Einen Vergleich mit Heinrich Mann kann und will ich mir nicht anmaßen!!!

Über die "Logik" oder die Pointe der Geschichte lässt sich streiten. Einigen Leuten, denen ich "der Professor" vorgetragen habe, hat der Text eben gerade wegen des offenen Endes gefallen, andere sind aber deiner Meinung und warten auf ein schlüssiges Ende. Vielleicht sollte ich doch nochmal über eine Alternative nachdenken...

Die anhäufung der Adjektive ist mir bisher gar nicht so aufgefallen. Danke für den Tipp, werde da noch das eine oder andere wegstreichen!

Bis dahin,
BLITZ_licht

 

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