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Der Raum

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24.09.2000
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Der Raum

Man hatte ihm gesagt, er stünde vor der Aufgabe seines Lebens. Man hatte ihm gesagt, die wenigsten Menschen schaffen es, sie zu lösen. Und man hatte ihm gesagt, die die es schaffen, wären einzigartig und besonders. Allerdings hatte man ihm nicht gesagt, was diese Aufgabe sei. Und darum hatte er sich auf alles vorbereitet, was ihm eingefallen war: Er studierte Jahre an den besten Schulen, trainierte Jahre in Sportclubs und betete täglich in der Kirche. Er hatte reiten gelernt, er hatte fechten gelernt und er hatte Inline-Skaten gelernt. Innerhalb von seinen achtzehn Jahren, die er schon auf diesen Planeten verbracht hatte, war er von einem hilflosen Kleinkind zu einem starken Mann herangewachsen. Er hatte viele Schlägereien in seinem Leben gewonnen, viel mehr als verloren; und er hatte oft Mädchen in seinem Bett gehabt, viel öfter, als das er allein geschlafen hatte. Er konnte sich an alles erinnern: an jeden einzelnen blauen Fleck und an jeden einzelnen zärtlichen Kuss. Und das hatte ihm stark gemach, stark genug, um an diese Aufgabe heranzugehen.

Nun stand er vor einer Tür. "Trete ein, bewältige deine Aufgabe, gehe wieder und sei ein Held", verkündete sie, doch als er das las, fühlte er sich schon längst als Held. Er hatte in seinem Leben Erfolg gehabt, "Gewinner" nannten ihm die Leute oft. Ja, ich bin ein Gewinner, dachte er nun. Er hatte für diesen Tag extra seinen besten Anzug angezogen, seine besten Schuhe und seine beste Uhr. Das würde sicher Eindruck machen, dachte er und fühlte sich wieder als Gewinner, noch mehr als zuvor.

Er griff zu der Türklinke und drückte sie hinab. Die Tür ging leicht auf und er freute sich, als hätte er die erste Aufgabe bereits gemeistert. Er trat ein. Er hatte eine kleine Kammer erwartet, doch der Raum war riesengroß und angenehmes Licht füllte ihn aus. Auf dem Boden stand mit großen Lettern "DU". Was ist denn das für eine Aufgabe, dachte er sich. Dann sah er den Pfeil, der über dem "DU" gemalt war. Er folgte ihm. Der Pfeil führte weit in den Raum und bald wurde er schmäler und bald wurde er finsterer!
Sollte ich mich jetzt etwa fürchten? dachte er so laut er konnte und ging weiter.

Weit ging er den Weg entlang, und es wurde immer finsterer und der Raum wurde immer enger und schnürte sich um seinen Hals. Das angenehme Licht, das den Raum am Anfang ausgefüllt hatte, war nur noch ein kleines Glimmen am Horizont! "Sollte ich mich jetzt fürchten?" Diesmal schrie er die Worte. Aber es war niemand da, der sie hören konnte.
Er war doch der Held.
Er war doch der Erfolgreiche.
Er war doch der Gewinner.
Und so ging er weiter. Bald konnte er nichts mehr sehen, bald schlang sich der Raum immer enger um ihn.

Dann sah er eine einsame Kerze brennen. Sie spendete genug Licht, sodass er sehen konnte, was am Boden stand. "DU" stand dort mit großen Lettern geschrieben. Auch die Wände verkündeten "DU", "du", "dU", in all möglichen Formen. "TU" stand dort, "YOU" stand dort und viele andere Sprachen erklärten ihm, wer er war. Er verstand sie alle. Wieder fühlte er sich als Gewinner.

Dann sah er noch etwas. Ein Spiegel hing an der Wand. Ich bin ein Held, dachte er, sah in den Spiegel und fiel auf der Stelle tot um.

 

Da wir uns hier im Bereich Philosophisches befinden, möchte ich einmal die Aufgabe die dem Mann in Deiner Geschichte gestellt wird als diejenige interpretieren, die das Orakel von Delphi auch schon den ersten Philosophen stellte: Erkenne dich selbst!
Das er stirbt, kann eins von zwei Sachen bedeuten. Entweder er meistert diese Aufgabe als er in den Spiegel schaut, und es ist somit seine Lebensaufgabe zuende. Er kann sich getrost der Nachwelt übergeben - ob er jetzt lebt oder nicht ist vollkommen egal, denn er ist ja schon praktisch erleuchtet.
Wegen Deiner zynisch-sarkastischen Beobachtung dieses Mannes (Toll! Er kann sogar Inline-Skaten!) scheint dies allerdings unwahrscheinlich. Er hat also allen Anschein nach irgendwo versagt. Aber wo? Er ist doch wirklich ein cooler Typ. Ich wäre z. B. gerne so wie er?

Und noch etwas. Wenn er jeden Tag in der Kirche betet wird er wohl kaum der Macho-Typ sein, der ständig Mädchen aufreisst und sich schlägert, oder?

 

Ich bin vielleicht nicht so ein grosser Denker, denn ich habe den eigentlichen Sinn der Geschichte nicht ganz verstanden. Desshalb war ich froh, dass mich die Kritik von I3en ein bisschen ideenreicher gemacht hat. Trotzdem ist es spannend, die Geschichte zu lesen, irgendwie eine schräge Geschichte. Vielleicht lag das Problem oder das Vesagen des Mannes gerade darin, dass er alles wollte und alles konnte. Gegen aussen war er wohl der Gewinner, aber gegen innen? Mir erscheint es häufig so, dass doch die grossen Stars in Wirklichkeit arme Waschlappen sind, die auf Drogen stehen oder sonst welche Probleme haben. Häufig ist der ganz normale, durchschnittliche, ja vielleicht etwas unterdurchschnittliche Bürger derjenige, der sein Leben am besten meistert und der am meisten Freude an seinem Leben hat. Vielleicht will die Geschichte ja sagen: "Du kannst der riesen Gewinner sein, aber du verlierst doch irgendwo. Du bist nie der Alleskönner. Du bist im Grunde doch nur ein Verlierer." Interessant wäre nun zu diskutieren, wie wir denn zu absoluten Winner werden können.
Gruss
Foxtown

 

Zu dieser Geschichte habe ich keinen Zugang gefunden, sie sagt mir nichts aus oder eher, sie sagt mir zu wenig aus, denn immerhin befindet sie sich unter der Rubrik "Philosophisches",irgendwie erwarte ich dann da mehr Tiefgang.

Ich sehe darin nur einen Menschen, der sein Leben lebt, versucht in allen Lebensbereichen das Beste draus zu machen und der am Ende eben mit dieser Erkenntnis, es genau so gemacht zu haben,stirbt.
:(

[Beitrag editiert von: lakita am 05.03.2002 um 14:20]

 

Oje, irgendwie habe ich vergessen, auf die Kritiken zu antworten. Wie kann denn das sein?

Also: Normalerweise habe ich nichts dagegen, meine eigenen Geschichten zu interpretieren, kann dabei viel lernen, vor allem, wie man was und wie erfolgreich umgesetzt hat.

Diese Geschichte ist aber kurz, prägnant und eindeutig. Eindeutig in der Beziehung, dass man entweder einen Zugang dazu findet oder nicht und jeder Versuch als Autor versuchen den Leser zu einer Lösung hinzuführen, scheitern würde (So wie wenn man von einem Witz die Pointe erklärt, das verdirbt ihn auch für jene, die ihn ursprünglich verstanden haben.)

Der Grundgedanke war aber die Spaltung des Menschens in Haben und Sein und wie erfolgreich er mit der Verwirklichung von beiden ist.

 

hallo zusammen
ich kenne das Orakel von Delphi nicht (ich hab schon öfters davon gehört aber hab trotzdem keine ahnung) und darum:

warum stirbt er?

sorry, dass ich so blöd fragen muss, aber ich versteh das wirklich nicht.
lg penny lane

 
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Lieber Peter!

Es war vermutlich schon ein bisserl ein Fehler, die Geschichte, ohne sie vorher zu überarbeiten, wieder rauszuholen. ;)
Andererseits zeigt sie, wenn man sie mit neueren Geschichten vergleicht, wie Du dich seither sprachlich verbessern konntest – was auch der Grund ist, warum ich Dir jetzt erst einmal keine Vorschläge mache, denn Vieles brauche ich Dir vermutlich gar nicht aufzuzählen, da Du es mittlerweile selbst siehst. Wenn Du eine Überarbeitung postest, komm ich danach aber gern noch einmal darauf zurück. ;)

Die Aussage sehe ich so, daß der Mann immer nur auf das Bild, das er nach außen abgibt, geachtet hat, eigentlich nur mehr aus einem Du bestand, also dem, was die anderen in ihm sehen. Selbst in dem Raum, in dem das Ich sein sollte, gab es nur ein Du – das Ich ist gestorben.

Marius schrieb:
Dass gerade ein so hart kämpfender Mensch aber an seiner Arbeit wächst und somit auch "ist", scheint vergessen.
Gerade das versucht die Geschichte glaub ich zu zeigen, daß er eben nicht „ist“. Es ist nur seine Fassade, die er sich mühsam aufgebaut hat, um dahinter sein Ich sterben zu lassen. Eine leere Hülle. – Allerdings sehe ich die Geschichte auch als stark überarbeitungswürdig.

Liebe Grüße,
Susi :)

 

Einige Off-Topic-Beiträge entfernt. Ich bitte Euch, beim Thema ("Der Raum") zu bleiben und nicht weiter über das Niveau anderer Meinungen zu sinnieren.

@emophiliac

Wann richtet der werte und von mir sehr verehrte und mit einem eigenen Schrein bedachte Webmaster endlich eine Kategorie "Überflüssiges" ein?
Die Anschrift des Webmasters lautet: webmaster@kurzgeschichten.de.

Im Übrigen hatten wir so etwas vor ein einigen Jahren schon mal. Diese Rubrik trug damals die Bezeichnung "Trash" und war unter vielen Lesern ein echter Renner. "Überflüssiges" im Sinne unserer Forenregeln dagegen wird hier einfach gelöscht, nicht (in eine weitere Rubrik) verschoben.

 

Peter Hrubi schrieb:
Der Grundgedanke war aber die Spaltung des Menschens in Haben und Sein und wie erfolgreich er mit der Verwirklichung von beiden ist.
Ich weiß jetzt nicht mehr, ob mir die Aussage dieser Schilderung ohne Peters obigen Hinweis ebenso klar und einleuchtend geworden wäre wenn ich diesen nicht gehabt hätte. Gewohnheitsmäßig lese ich nämlich häufig zuerst die Kommentare zu einer Geschichte und daraufhin erst dieselbige. Jetzt zumindest gibt mir der Text keine Rätsel mehr auf. Folgendes sagt er mir:

a) beschriebender Mann hat seine "Lebensaufgabe" nicht bewältigt, denn er verfügte über keinerlei Wissen über sich selbst (Die Aufgabe lautete in etwa: "Wer bist du?").
b) die Konsequenz dieses Unvermögens ist der sofortige Tod für den beschriebenen Helden.
c) Warum? Ein Mensch definiert sich nicht über das, was er besitzt (dazu zählen auch Fertigkeiten). Er/Sie definiert sich über seine/ihre Persönlichkeit. Sollte er/sie sich dieser nicht bewusst sein oder über eine solche nicht verfügen, ist dieser nichts weiter als eine Art "Mann ohne Eigenschaften". Besitz ist übertragbar, die Persönlichkeit dagegen nicht.


Natürlich kann man sich noch über die erfolgte Ausarbeitung streiten. Und sicher gibt es noch einige Ecken und Kanten, die vielleicht ein wenig nachgeschliffen gehören. Andererseits ist der Text in so, vermute ich mal, einer halben Stunde geschrieben worden und Peter weiß selbst, dass er nicht ganz fehlerfrei ist. Deshalb finde ich es müßig, sich mit dem Text über die Aussagen-Ebene hinaus auseinanderzusetzen. Das wird ihm meiner Ansicht nach nicht gerecht.

 

Jessus! Na, das gibts ja net!Was hab ich nur angerichtet? Literatur- und Philosophiestudenten begehren auf, ein Liebesabenteuer wurde verhindert und ein Moderator musste einschreiten, um den ganzen mist zu beseitigen.

Oje, das tut mir sehr leid, dass ich euch das angetan habe. Eigentlich wollte ich nur höflich sein und auf die anderen Beiträge antworten, die ich irgendwie übersehen habe...

Wie auch immer, ich habe den Text nun versucht etwas zu vebessern, damit die Semantik nicht die Pragmatik verhindert, oder so. Das war ein schweres Unterfangen, da ich früher (anno 1999) einen ganz anderen stil hatte. Aber ich habe versucht, ihn beizubehalten, ob gut oder schlecht. die Geschichte ist eben so und so auch ein Teil meiner kg.de Vergangenheit.

Jedenfalls ist er nun wieder (einigermaßen) lesbar.


Nun möchte ich einzeln auf alle kommentare antworten. Schließlich foinde ich es großartig, wieviele sich die Mühe gemacht haben, den schwierigen Text zu lesen und zu kommentieren.


@ Philosophische Ratte

Danke für deine Interpretation. So ähnlich hab ich mir vorgestellt, dass sie verstanden wird. Sie greift auch in etwa den christlichen Gedanken auf: "Sobald du eine gute Tat tust, nur um davon zu berichten, ist sie vor Gott wertlos". Man muss sein um zu sein, sozusagen.


@ Susi

Ja, es war wohl wirklich ein Fehler, die Geschichte herauszubringen. Dabei wollt ich sie gar nicht hochpushen, sondern eben nur antworten, da mir das bei deiner Kritik "Ein Weihnachtsbesuch" ja auch passiert ist, denke ich, dass noch weitere Kritiken unbeantwortet geblieben sind. zu denen zählten die von "Der Raum".
jedenfalls hab ich nun versucht, die Geschichte zu überarbeiten und dann ist das dabei herausgekommen. Ich habe dabei versucht, soviel wie möglich von der alten geschichte zu erhalten. Wollte sie nur restaurieren, nicht neu bauen.

Auch danke für deine Interpretation, die ich sehr interessant gefunden habe.


@ Penny Lane

Danke für deine Frage. Vielleicht ist es wirklich nicht notwendig, dass er am Schluss stirbt. Was ich damit herausarbeiten wollte ist, dass er einfach nicht "ist", sondern nur "hatte". Ist ein radikaler Schluss, ich weiß.


@ Marius Manis

Danke für deine Kritik.

"Dass gerade ein so hart kämpfender Mensch aber an seiner Arbeit wächst und somit auch "ist", scheint vergessen."

Das ist natürlich ein interessanter Aspekt. Dabei ist aber zu bedenken, dass man auf zwei Arten "hart kämpfen" kann. Entweder weil man davon überzeugt ist, dass es das Richtige ist und dass man es möchte. Dann kann man bestimmt daran wachsen. Doch es gibt auch falsche Motive, denke ich. die hab ich versucht, zu beschreiben.

Das mit dem Alter entstand daher, dass ich zu der zeit gerade maturiert habe (mein Abbi abgeschlossen hatte). Darum 18. Ich hatte soviel geschafft in der Schule, ohne schule jkam ich mir aber als nichts vor. So fühlte ich mich zumindest.


@ Emophilac

Danke für deine Geschichte. Leider weiß ich nicht, was ich damit anfangen soll? Soll ich jetzt eine Kritik zu ihr schreiben oder sie Interpretieren...

Nein, nein, versteh schon, was du damit aussage wolltest: Dir hat meine Geschichte nicht gefallen und du hast es versucht und dich dabei sehr bemüht, das auf möglichst kreative Weise auszudrücken. Toll gemacht! :sleep: :D


@ Florentine Bartoldi

Ich glaub wir können ruhig "du" zueinander sagen. :D
Danke für deine... Worte. Bin mir nicht ganz sicher, was ich dazu sagen soll. Jedenfalls hab ich die Kernaussage deiner Kritik verstanden: "Der Raum" gefällt dir nicht. Aber warum sie das nicht tut, weiß ich nicht. Da bringt es mir auch nichts zu wissen, dass du Literatur und Philosophie studiert hast oder wie ausdauernd du das betrieben hast. Ich glaub auch nicht, dass dir bei der Interpretation von "der Raum" geholfen hätte, dass ich Internationale Betriebswirtschaft in Rekordzeit absolviere (also auch gerne und intensiv, aber nicht so "ausdauernd" - welch vielinterpretierbares Wort das unter Studenten nicht ist, nicht wahr? :lol:)
Jedenfalls hat mir deine Kritik nicht sehr geholfen, was schade ist, da ich denke, dass du einiges zu sagen hast. Ich habe vor einiger Zeit gemeinsam mit einer Co-kg.delerin einen Beitrag über Feddback geschrieben, lies dir den vielleicht einmal durch. (hier)
Fals das auch nicht hilft, versuchs halt mit Musikkritiken oder Sportkommentieren. :lol:
Tschuldigung :)

Sodale, das war's. Schöne Grüße an euch alle und nochmals danke für`s kommentieren und kritisieren. Vielleicht ist die Geschichte ja danke euch, etwas besser geworden.

Lg, Peter

 
Zuletzt bearbeitet:

Das, was da stand, als Kritiken zu bezeichnen, wäre aber stark übertrieben...

PS.: Die beiden scheinen gelöscht worden zu sein, die anderen Beiträge sind auch weg. ;)

 

Hallo Peter,
ich finde leider keinen Zugang zu deiner Geschichte. Ich hab so das Gefühl, dass du versuchst hast, einen grundgedanken möglichst kryptisch rüberzubringen, damit er philosophischer wirkt.
Hmmm, tut mir leid. Leider kein Text für mich.

Liebe Grüße...
morti

 

Ist schon Okay! Die Geschichte ist ja auch eher ein Erstlingswerk!

Lest lieber meine neuesten Geschichten (von denen's leider nicht so viele gibt und Dank Diplomarbeit auch nicht viel Nachschub in nächster Zeit zu erwarten ist)!

 

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