Der Ruf des Wendigo
Der Ruf des Wendigo
Nahezu unverwundbar und verdammt zu leben bis sein Fluch auf ein anderes Wesen übergehen kann.
Der Frühling war vor seinem großen Bruder dem Sommer zurück gewichen und auch der würde sich langsam aber sicher Vater Herbst beugen müssen. Die Wälder in British Columbia füllten sich wie jeden Oktober mit den Touristen aus aller Welt und den Wandergruppen der nahen Ortschaften. Keine Frühjahrsschneeschmelze und keine Paarungszeit in den Naturreservaten schützten die Wälder in dieser Jahreszeit vor den Menschenmassen die wie Flöhe in das Land einsickerten. Für das Land und den Herbst sprachen nur die goldenen Farben der Bäume und etwas das es in dieser Welt nicht geben durfte…
Die kalte und klare Bergluft trug den Geruch der menschlichen Schlange den Hügel hinauf lange bevor der Wurm aus Feuer und Leibern zu sehen war.
Fackeln, in Petroleum getaucht erhellten den frühen Abend und deren Gestank war für das Wesen so intensiv als hätte man seine Nase in ein Fass Heizöl getaucht. Es gräuselte die Schnauze und die Krallen seiner linken Pranke gruben Spuren in die Kiefer an welcher die Kreatur sich abstützte. Fünf tiefe Rillen, eine Wunde im Baum die den Häschern in einer Stunde verraten würde dass sie auf der richtigen Fährte waren.
Es sog noch einmal die Luft ein, jene für ihn widerliche Melange aus schwarzem Öl und Alkohol den zu viele Männer dort unten zu viel genossen hatten und...Schweiss.
Es kannte diese Mischung nur zu gut, Schweiss geboren aus Aufregung über die Jagd und aus Angst. Das Ding würde lächeln wenn seine lange Schnauze und das ausladende Gebiss das zugelassen hätten. So aber gurgelte nur ein dumpfes Grollen aus seiner Brust als es sich mit schnellen Schritten von seinen Verfolgern abwandte und weiter den Berg hinauf hastete....
Einmal im Jahr, vorzugsweise um den 13.Oktober, dem Erntedankfest, machte sich eine kleine Truppe Männer aus dem viertausend Seelen Ort Fort Nelson auf die Wälder Ihrer Heimat zu erkunden und dabei ihre spezielle Vorstellung von der Einbringung einer guten Ernte zu verwirklichen. Nicht das jemand der zwölf je ein Feld bestellt oder eine Kuh gemolken hätte… aber in der Kunst des Jagens, der fragwürdigsten Form der Ernte, hielt sich jeder einzelne für ein Meister seines Fachs.
Der Abend hatte die Gruppe bereits eingeholt und manch einem war klar das er seine Fackel besser erst bei wirklicher Dunkelheit angezündet hätte, aber der Fazination eines Fackelzuges hatte sich niemand entziehen können, ein Hauch von Lynchmob oder Rebellion lag über der Szenerie. So schritten die Männer gewichtigen Schrittes einher,als gälte es in der fernen Haupstadt einen König zu stürzen und nicht einfach nur in den Wald zu gehen und ein Tier zu töten das nichts wusste von Zielfernrohren, Stahlmantelgeschossen oder warum ein Wesen ein anderes erlegen will ohne Hunger zu verspüren.
Nach nun mehr sechs Meilen zügigen Wanderns kamen die Männer an jenen Punkt an dem sich Gelegenheitsmarschierer wie Robert Le Beau über die neuen Schuhe ärgern die er erst vor einer Woche eigens für diesen Tripp gekauft hatte und die nun ganz unmännlich anfingen kleine Qualen von dort unten zu senden. Oder Chuck Conners, der feststellen musste, das ein Gewehr nebst Munitionstasche zwar ein ganzes Jahr trefflich auf einem Kamin zu thronen vermag aber dann doch recht lästig werden kann, hat man es erst einmal sechs Meilen bergauf getragen und der Lederiemen der die Waffe hält, doch nicht so geschmeidig und dehnbar ist wie es der Verkäufer so überzeugend geschildert hat.
Jeder der Teilnehmer trug eine grüne Baseball Mütze auf der ( Gipfel der Originalität ! ) in roten Lettern „Das dreckige Dutzend on Tour „ eingestickt war. Das Dreck am Ende des Tages nicht zu ihren Problemen gehören und sie keinesfalls mehr ein Dutzend sein würden ahnten die Hobby-Jäger freilich nicht.
Wie in allen kleinen und abgelegenen Siedlungen der Welt gab es auch in Fort Nelson an den meisten Tagen nichts anderes zu tun als aus dem Fenster zu starren und über die da in Ottawa zu klagen die mal wieder die stattlichen Zuschüsse für dieses und jenes gekürzt hatten.
Und so war der gemeinsame Ausflug an Thanksgiving neben dem großen Familientreffen inklusive Besuch aus der Stadt, der Höhepunkt des Jahres für viele der Männer.
Einfach mal für ein Wochenende raus aus dem Trott und mit Hilfe einiger Sixpacks Bier seelig unter dem Sternenhimmel einschlafen, wohlverpackt in Core-Tex Schlafsäcke versteht sich, an denen in manchen Fällen noch die Preisschilder hingen.
Dieses Mal war es aber dann doch noch in letzter Minute etwas besonderes geworden: Über einen Schwager beim Bezirksamt war Chuck Conners, einziger überzeugter Wandervogel der Truppe, an eine Jagd-Erlaubnis gelangt. Es war den Männern von Amts wegen erlaubt worden einen Braunbären zu erlegen. Eine absolute Ausnahme, den niemand in der Forstverwaltung oder bei den Mounties sah es gerne wenn angetrunkene Freizeit Jäger in den Wäldern umherstreiften und sich für Trapper und Fallensteller wie Daniel Boone hielten.
Tatsächlich war es wohl zum größten Teil Ruth, Chuck´s Schwester, zu verdanken das ihr Mann sich für das Permit eingesetzt hatte. Frauen können echt hartnäckig sein, zumindest wenn sie fast ein Jahr haben um ihren Willen durchzusetzen.
„Mir graut schon davor wenn Ruthie kommt und den Gefallen erwidert haben will“ Chuck verdrehte die Augen und machte sich die dritte Dose Bier auf, „ wahrscheinlich müssen wir zehn Wochenenden auf ihr Balg aufpassen während mein Schwesterherz nach Toronto düst um Alfred´s Kohle auszugeben“
Conners Miene hellte sich schlagartig auf als die Männer ein ebenso lautes wie schief gesungenes „Chuckster wir danken dir“ anstimmten um den Einsatz des Kameraden angemessen zu huldigen. Es war wieder Jagdsaison in British Colombia und einmal im Jahr war die Welt in Ordnung.
Ja, die Jagd hatte begonnen. Aber nur einem Teilnehmer an dieser Hatz war klar wer der Jäger und wer die Gejagten waren. Mit einem Brüllen das die Blätter in seiner unmittelbaren Nähe von den Ästen riss machte der Wendigo seiner Gewissheit über den Ausgang des Treibens Luft.
„Uh oh da schreit jemand nach seiner Mama, würde ich sagen„ rief Bill Geary, selbsternannter Spurenleser und Hundeführer der Hobbyjäger über die Köpfe des zwölf Mann starken Trupps hinweg. Er versuchte seiner Stimme diesen tollkühnen Klang zu geben den er letzte Woche bei Gregory Peck gesehen hatte als dieser im Turner Classics Network seine Crew zum Tanz mit dem weissen Wal gebeten hatte....Das Gro der Freunde schmunzelte,allerdings eher weil keiner der Männer den jungen Tankwart auch nur annähernd für so tollkühn wie Peck hielt.
Seine vorläufiger Höhepunkt an Tollkühnheit war letzten Sommer gewesen als er sich geweigert hatte der alten Dorf Zicke Miss Winters noch mehr Tabak für sich selbst und Futter für ihre Scheiss Hasen auf Pump raus zu rücken.
„ Nur komisch das deine Köter das irgendwie anders sehen , was Billy Boy“ ? Thomas Roper , seines Zeichens Wirt der einzigen Kneipe im Umkreis von 80 Meilen lenkte die Aufmerksamkeit der Truppe auf die zwei Rottweiler, welche letzlich dem kühnen Bill den Platz an der Spitze dieser Expetition eingebracht hatten. Ab morgen würden die Tiere wieder das Lebensmittellager von Bill´s Drugstore and Gas Station bewachen.
Tatsächlich gingen die beiden Tiere bei Fuß statt sich, wie auf den anderen Ausflügen bisher, selbst zu erwürgen indem sie den guten Billy die Berge hinauf zogen.
„ jau ist klar Tom, bist mal wieder dein bester Kunde gewesen wie? „ auf den Killerinstinkt seiner Haustiere lies Bill nun wirklich nichts kommen und er hasste es wenn seine Kumpel seinen Namen mit einer Kondommarke verunglimpften.“ Sly und Chuck hier sammeln sich nur noch mal, was Jungs... jaa wo is er? wo is er ? „
Mit einem leisen Winseln machten sowohl Sly als auch Chuck ihrem Herrchen klar, das sie nicht die geringste Ahnung hatten wo er war.
„ Jungs Jungs ich weiss nicht wie es euch geht, aber ich brauch´ne Pause „ Roper wischte sich den Schweiss aus den Augen und machte anstalten seinen Rucksack von den Schultern zu nehmen. Als verdammt noch mal bester Steak Griller der Gegend hatte er nicht nicht die Puste für diese Art Ausflug.“ Wir sind hier weil wir ein bisschen Spass haben wollen, was Jungs, und nicht um einen neuen Rekord im Bergwandern aufzustellen“ Zustimmendes Gemurmel umgab ihn als die übrigen Männer aufschlossen und ebenfalls ihre Ausrüstung absetzten.
Mit einem erleichterten Seufzer öffnete Robert „Frenchie“ Le Beau seine Stiefel.
Schulterzuckend kehrte auch Bill zu der kleinen Gruppe zurück und lies sich von Tom ein Bier reichen während der den Schweissrand auf seinem neuen Cap bewunderte.
„ Also letztes Jahr..war ich um diese Zeit schon wieder daheim in der Badewanne“ bemerkte Frenchie während er versuchte seine Zehen wieder gerade zu massieren.“ Da sind wir ja auch nur hinter nem Reh und drei verdammten Waschbären her gewesen „ sofort erstickte Thomas das Nörgeln seines Freundes im Keim. „ Aber so ein Bär...das ist doch was anderes...die Viecher sind schlau, was Bill? „
Das war die Aufforderung für Tanke-Bill eine seiner berühmten Schauermärchen über intelligente Bären und verschollene Trapper zu besten zu geben, ein Feuer war rasch entzündet, eigentlich fehlten nur die Marshmellows um die Freunde zurück in ihre Pfadfinder Zeit zu versetzen.
Nachdem das Feuer heruntergebrannt war und einen ansehnlichen Haufen weißer Kohle hinterlassen hatte schlugen die Männer darüber ihren Camping grill auf. Chuck Conners verdiente sich annerkennendes Gebrummel seiner Kameraden als er mit einigen Ästen und seiner Iso-Matte einen Windschutz um die Bratstelle errichtete.“ Danke Mc Gyver ! „ lachte Robert und machte sich daran einige Späne Glut auszuschlagen die sich törrichterweise in seine Nähe gewagt hatten. Niemand aus der Gruppe hatte Lust Sheriff Walsh zu erklären das Sie diejenigen waren die die diesjährige Waldbrand Saison eröffnet hatten weil niemand daran gedacht hatte Funken am Flug in das Unterholz zu hindern.
Schon bald lief jedem das Wasser im Mund zusammen als Roper ein weiteres Mal sein Talent als begnadeter Grillmeister bewies.
Die Abendbrise nahm sich ihren Anteil am Duft der Würste und marinierten Steaks und trug ihn hinab ins Tal damit jeder daheim gebliebene roch was er heute verpassen würde.
Aber weder Josh Welby, der sich sich vor zwei Wochen beim Renovieren seines Wohnzimmers mit mit seinem nagelneuen Bolzenschussgerät selbst an die Dielen getackert hatte noch der alte Ernest O´Maley der dieses Jahr schlicht zu gebrechlich für die beschwerliche Tour geworden war rochen den Duft der Köstlichkeiten.
Stattdessen nahm etwas Witterung auf, das sich so gar nichts aus gebratetenem Fleisch machte.Die Kreatur sog geräuschvoll die Luft ein, jemand der bedauerernswerter Weise daneben gestanden hätte wäre wohl an einen Blasebalg erinnert worden der mühselig eine Matratze aufpumpt.
Der Geruch des Feuers lässt Bilder vor dem Auge des Wesens entstehen, Bilder, so lange Vergangenheit und doch die einzigen Erinnerungen die dem Ding geblieben sind...
Ein anderes Feuer, eine andere Zeit...ein anderes Leben
Flackernd sprangen die Schatten in den Gesichtern der Männer welche sich um eines der großen Lagerfeuer versammelt hatten. Heute Nacht hatten sich der innere Kreis Ihres Stammes versammelt , um zu tun , was getan werden musste.
Einige der Frauen und Knaben der Gemeinschaft schafften weiteres Reisig heran um sicherzustellen das die Flammen bis zum Morgengrauen genug Nahrung haben würden.
Die Stimme von Gahege, dem Schamanen der Algonquin erhob sich gegen das Prasseln und Knacken der trockenen Äste auf ihrer Feuerstatt.
„Wir können nicht länger die Augen vor der Wahrheit verschliessen, meine Kinder. Ebenso wenig können wir noch weiter nach Norden ziehen...das Land wird zu kalt, die Beute immer weniger...unsere Frauen und Kinder werden im Reich der Kälte nicht überleben können...hmmm, und alte Männer wie ich wohl auch nicht.“ Der Medizinmann hustete trocken und sog hörbar die Luft ein bevor er weiter sprach ...
Niemand in der Runde sprang auf und forderte den Kampf aufzunehmen ...Sinnlosigkeit lag wie ein dickes schwarzes Tuch über dem Tal der Algonquin.
„ In wenigen Tagen werden die Siedler-Treks der Engländer und Franzosen auch dieses Tal erreichen meine Freunde...was bleibt zu tun?“
Gahege schaute in die Gesichter seiner Freunde und Verwandten...was nun folgen musste hatten sie in den langen Tagen der Wanderschaft und der Flucht wieder und wieder besprochen...dennoch...jetzt war der Moment gekommen um es dem ganzen Stamm zu verkünden und alle darauf vorzubereiten was die nächsten Monde kommen würde...das Unaussprechliche, der Schrecken. Und so sprach Gahege die Worte welche einem aus ihrer Mitte ein Schicksal bringen würde das nicht einmal der ärgste Feind unter dem weiten Himmelszelt Kanadas verdient hatte.
„meine Kinder, unsere Kraft reicht nun nicht mehr um für unser aller Wohlergehen zu sorgen. Wenige Jäger und noch weniger Krieger sind unserem Stamm geblieben. Der weiße Mann ist wie der Fluss der aus den Bergen herab strömt...wir können ihn stauen gewiss...aber aufhalten lässt sich das Wasser nicht. Es wird solange seinen Weg suchen bis schließlich alles vom Nass bedeckt sein wird.“
Und deshalb legen wir unsere Zukunft in die Hand unserer großen Mutter. Die Erde , die Luft und das Wasser haben seit Generationen für unser Volk gesorgt und auch für die Flut des weißen Mannes gibt es in unserer Mutter Natur eine Antwort.
Heute Nacht wird der Ruf des Wendigo durch dieses Tal eilen...er wird der Karavane der Siedler entgegen hallen und ihnen sagen, wessen Land dies ist. Einer aus unserer Mitte wird seinen vergänglichen Leib tauschen gegen die Urkraft dieser Berge. Er wird ein Zeichen setzen für den weißen Mann und die Angst und den Schrecken in seine Zelte tragen....
Die Stimme des Alten war auch am Rande des Lagers zu hören, die kalte klare Luft trug den Klang seiner Stimme in jedes Zelt und brach sich an den Baumfronten am Waldesrand.
Adahy schaute kurz zurück, sehnsüchtig hing sein Blick am großen Feuer in der Dorfmitte und an den stolzen Schatten der letzten Krieger seines Stammes. Wie gern wäre er jetzt dort, im Kreis der Männer ! Schon war er dem Rock seiner Mutter entwachsen und sicherlich alt genug um gemeinsam mit seinen Brüdern zu jagen und die Stimme im Rat zu erheben....doch Mutter Erde in Ihrer unendlichen Weisheit hatte es für richtig erachtet einen seiner Arme nicht vollends wachsen zu lassen. Verkümmert hing die Gliedmaße in einem Ledersack den er um seine Schultern geschlungen hatte.Mit nur einem Arm war der Junge nicht in der Lage, Pfeil und Bogen zu handhaben oder Im Wettstreit der Krieger zu bestehen.
So war ihm ein Platz in den Gruppen der Frauen und Alten zugeteilt. Dort konnte er seinen Teil für die Gemeinschaft beitragen.
Immer wenn die Verzweiflung in dem jungen Algonquin übermächtig wurde und der Stolz nicht mehr aussreichte die Tränen zurückzuhalten, sprachen ihm die anderen neuen Mut zu. Er gehörte dazu, war Teil des ganzen und ganz gewiss hatte die Allmacht die über sie alle wachte auch für ihn ihre ganz besonderen Pläne !
Und so klar wie noch nie in den dreizehn Sommern die er auf der Welt war wusste Adahy was seine Aufgabe sein würde.
Er lächelte vor Glück als er auf den Kreis der Männer zu schritt, geschickt durch Ihre Reihen schlüpfte und vor den Medizinmann trat.
Der Kreis schwieg verblüfft über diese Ungehörigkeit und der Junge nutzte die Leere um seine Stimme erklingen zu lassen: „ Adahy grüßt den Rat und teilt ihm folgendes mit...“ stark sprach er die rituellen Eröffnungsworte. „Kein Krieger wird kommen und uns von unserem Übel befreien, denn er ist bereits da! Ich werde den Weisshaaren und le francaise entgegen treten und ihnen zeigen, das dies nicht ihr Land ist !“
Alle Blicke schienen plötzlich wie Pfeile von überall her auf den vorlauten Knaben zu schwirren, wo Mut war, waren plötzlich weiche Knie und obwohl er tief im inneren wusste das der Stamm ihn wohl tadeln aber niemals wirklich strafen würde beschlich Übelkeit Adahy und die Stimme versagte nun da alles gesagt war...
Gahege sah den schwächlichen Jungen noch einen Augenblick an dann sagte er:“ Vielleicht soll es sein, das das Schwächste aus unserer Mitte zum Stärksten wird. Du wirst dem Geist mit dem Herzen aus Eis Gefäß sein. So sei es !“
Er trug den Kopfschmuck aller Algonquin-Krieger, in seinem helmartig geformten Haarschopf steckten die Federn des Falken und die Krallen des Vielfrasses, dem kleinen Bruder der Wölfe, der doch so viel grausamer kämpfte und tötete als seine größeren Verwandten.
Davon hatte Adahy geträumt, wie alle Kinder die an den Flußufern herumtollten und für das Leben als Erwachsene probten.Doch etwas war ganz und gar nicht wie in seinen Träumen aus glücklicheren Tagen…
Nasse Lederstriemen hielten ihn auf einer Barre, so eng, das er kaum Luft holen konnte.Sein verkümmerter Arm war freigelegt und das was eine Hand hätte werden sollen, so fest abgebunden das die Stummel sich bereits blau verfärbten.
Ja, er wußte was nun folgen würde, der Schamane hatte ihm seinen Weg erklärt. Einen Frevel musste der Junge begehen um die Macht des Landes in sich zu vereinen und um den Dämon zu rufen. Fleisch von seinesgleichen essen das war das Unaussprechliche was der Dämon verlangte, so sagten es die alten Überlieferungen. Niemand sonst sollte für ihn leiden( oder den Ruhm mit ihm teilen wisperte eine böse Stimme in seinem Kopf ) uns so würde Adahy seine eigene Hand verspeisen! Gahege trat an die Barre des Jungen, nicht zu erkennen in seimem rituellen Gewand, die Trommeln gaben den Rythmus vor und die Kehlen der Männer stimmten in den Gesang ein, einen Gesang den die Berge seit ewigen Jahren nicht mehr gehört hatten: „Wen-di-go, Wen-di-go,Wen-di-go....“
Der Medizinmann zog mit einer schnellen Bewegung sein Messer und trennte einen Finger von der Hand des Jungen ( Wen-di-go, Wen-di-go...) in der gleichen Bewegung stopfte er diesen Finger in den Mund des Gefesselten und Gutes Herz aß für alle die ihm etwas bedeuteten und für sein Land und dessen Zukunft sein eigenes Fleisch. “Wen-di-go,Wen-di-go“ brüllte die Masse und das war das letzte was Adahy in diesem Leben hörte bevor die Nacht sich um ihn hüllte und für viele,viele Jahre nicht mehr loslassen sollte.
„WRRNNN-DIIII—OOOO“ grollte das Ding, schüttelte die Vergangenheit von sich und wandte sich der Beute zu.
Inzwischen hatte die Nacht die Lichtung erreicht und die kleine Gruppe Jäger umfangen.
Noch warm von der geleisteten Schwerstarbeit hing die gusseiserne Pfanne nun wieder an der Seite von Ropers Rucksack, erschöpft, aber glücklich wie es schien.
Ein paar Scheite Holz machten aus dem Grillplatz im Nu ein Lagerfeuer welches sich ebenso gierig an den herbei geschafften Holzstämmen labte wie die Männer an ihren Getränken.
Bills gestenreich vorgetragenen Geschichten hielten die Wanderer in Ihrem Bann. Und das musste man sagen, er machte seine Sache gut. Mal die Stimme anhebend, mal flüsternd und immer wieder die Spannung durch einen derben Spruch auflockernd unterhielt der junge Tankwart seine Freunde prächtig.
Jeder spürte das es im Grunde um das Geschichten erzählen ging seit die ersten Urmenschen sich um eine Feuerstelle geschart hatten und anfingen ihre Grunzlaute mit Fingerfarben an die Wände ihrer Höhlen zu schmieren. All die Errungenschaften, angefangen vom Pergament über die Buchpresse bis hin zum großen Zeitfresser Fernsehen – sie alle machen nur das eine, den Menschen Geschichten erzählen. „Und vielleicht“, dachte Robert Le Beau während er ein wenig von der heißen Flamme abrückte, ist das Sitzen um ein Feuer und das Lauschen auf die Stimme eines Erzählers die ursprünglichste all dieser Unterhaltungsformen und deshalb kann sich niemand dem Zauber entziehen.
Einzig die beiden Tiere der Gruppe interessierten sich nicht für die Schwänke ihres Herrn und Meisters. Endlich hatten die beiden Rottweiler auch ihren Anteil am Festmahl erhalten und stritten nun, brüderlich wie es schien, um die letzten Stücke aus der Hand Thomas Ropers. Immer neue Sechser Familien Budweiser wanderten aus den Rucksäcken der Männer und so langsam erreichte die Stimmung den Punkt wo man sich gegenseitig schwor, im nächsten Jahr auf jeden Fall wieder dabei zu sein.
„WRRNNN-DIII-OOOO“
wie ein fernes Gewitter rollt der Ruf des einzig wirklichen Jägers in die Lichtung, aber nicht von fern. Nah viel zu nah, ist die Quelle jenes unheimlichen Lautes.
Einem Hühnerhaufen ähnlich, der soeben von der Ankunft des Fuchses erfahren hat sprangen die Männer auf, jemand fluchte lauthals über verschüttetes Bier, Robert starrte verwundert auf Billy Boy , ganz so als wäre dieser der Urheber des Schreis gewesen vielleicht um seine Geschichte passend zu untermalen. „der Bär ist da, der Bär latscht uns einfach so vor die Flinten“ Bill Geary rief aus was die anderen auf der Stelle als eine akzeptable Wahrheit annahmen und so etwas erklären konnten was vor Augenblicken noch nicht zu erklären war.
Sofort machten geflüsterte Kommandos die Runde, niemand dachte daran das Flüstern nach der vorherigen Aufruhr absolut nicht mehr nötig war. Ein leiser Pfiff von Bill lies Sly und Chuck ihre schlanken Hälse recken und sollte sie wohl an ihre Aufgabe erinnern. Winselnd und den Kopf immer wieder zu ihrem Herrchen drehend schlichen die Hunde auf die Bäume zu ( geh nur vor Bruder, ich bin direkt hinter dir ), der innere Widerspruch zwischen Gehorsam und kreatürlicher Angst war fast zuviel für die beiden Tiere. Aber das, was sich bisher im Dickicht vorborgen gehalten hatte, dachte nicht daran zu warten bis die Hunde es erreichten, ein weiteres Mal spannte sich der gewaltige tonnenförmige Brustkorb, donnernd brach sich ein Laut seine Bahn der den Tieren und den Menschen hinter ihnen eine Ahnung vermittelte was sie da auflauerte Mit einem gewaltigen Satz sprang der Wendigo aus seiner Deckung, die Rottweiler schossen auf die Bestie zu wie zwei schwarze Torpedos auf ein dem Untergang geweihtes Schiff. Instinkt und Blutdurst hatten jetzt die beiden Hunde übernommen und sich die Angst untertan gemacht.
Hätte das menschliche Auge der schnellen Bewegung folgen können, dann wäre es Zeuge geworden wie ein gewaltiger Arm des Monsters vorschnellte und Klauen, zehn Zentimeter lang und messerscharf, den Rottweiler Sly noch im Sprung vom schlanken, schönen Hals bis zu den Lenden aufschlitzten.
Noch ehe sein erstaunter Körper zu Boden ging hatte die andere Pranke Chuck erfasst und knackte seinen Schädel wie ein kräftiger Mann eine Walnuss am Weihnachtsabend bricht. Aber das Auge der Menschen war nicht dafür gemacht, ebenso wenig wie sein Verstand dafür gemacht war diese Ungeheuerlichkeit der Natur als real anzuerkennen.
Das Begreifen was dort auf sie zukommt war bereits unterwegs in die Köpfe der Männer aber die Bestie war schneller. Der Tod war da um sie mit sich zu nehmen. Mehr würden die Jäger nie erfahren.
Einige der Männer hätten gerne die Floskeln „ alles spielte sich in Zeitlupe ab“ oder „im Moment der Gefahr war die Angst wie weggewischt“ bis hin zu „ich sah mein Leben an mir vorrüber ziehen“ gebraucht. Tatsächlich kann nichts, gar nichts, beschreiben was der kleinen Gruppe Wanderer und Jäger widerfahren, nein, über sie herein gebrochen war. Der Schrecken blieb ohne Namen.
Ein weiterer Schrei des Dings lies alles in Hörweite erstarren und überall dort wo der Schall die Welt berührte schien die Zeit still zu stehen.
Der Wendigo bewegte sich wie ein Tänzer durch die erstarrten Männer, ein Balett aus Blut, Klauen und Tod.
Instinkt steuerte den Koloss, kein Funken Verstand unterbrach den Rausch des Schlachtens, keine Überlegung über das wie oder gar das wieso regte sich in dem Monster...nur das wilde Strömen des eigenen Blutes, der eigenen Bestimmung : Aufhalten, was das Land verseucht , zurückschlagen was aus der alten Welt vor viel zu vielen Jahren in sein Land gesickert war.
Dieses Tier jagt nicht. Es muss nicht jagen um sein eigenes Überleben zu sichern. Uralte Dinge haben es geschaffen, Dinge die heute als Magie umschrieben werden und in vielen Jahrhunderten vielleicht einmal als Wissenschaft, die damals noch keiner verstanden hat.
Keine Schreie mehr, kein hilfloses hervorziehen einer Waffe, das gute erleichterte Gefühl, etwas getroffen zu haben und dann den eisigen Stein im Magen als man erkennt das getroffen in diesem speziellen Fall ganz und gar nicht getötet heißt.
Alle sind sie gefallen, liegen und winden sich in ihrem Saft, einem Fass Lachse nicht unähnlich, aus dem Wasser gerissen und mit zerfetzten Kiemen und Mündern.
Der Wendigo hockte sich hin, stieß ein Wolke Dampf aus seinen Nüstern, als ob der Druck des Blutes so aus seinem Innern weichen würde. Die, die noch lebten würden es vielleicht zurück in ihre Dörfer schaffen und dann erzählen vom großen weissen Dämon mit dem Herzen aus Eis der über sie gekommen ist.
Mache werden sterben auf dem Weg, die es schaffen landen im Krankenhaus und anschließend im Sheriff-Department. In dieser schönen neuen Zeit ging man schließlich nicht mit zwölf Männern in die Wälder und kam allein wieder heraus, nein Sir, so geht das nicht.
Sie werden Fragen gestellt bekommen die sie nicht beantworten können und wenn sie antworten, werden die Antworten den Fragestellern nicht gefallen. Sie werden dann vielleicht auf ihren Geisteszustand hin untersucht und vielleicht lange Jahre in einer Anstalt verbringen.
Aber neben den ganzen Dingen die diesen Menschen vielleicht widerfahren werden gibt es eines das bereits jetzt sicher ist: Jeder von ihnen wird keine Nacht mehr schlafen, ausser der Körper kann nicht mehr anders und verfällt für drei, vier stunden in einen Tiefschlaf. Aber dann werden sie wieder schweissgebadet aufwachen und die Schreie hören, die Ihrer Freunde und die der Bestie die ihnen das alles angetan hat. Und dann werden sie wünschen, selbst gestorben zu sein in dieser Nacht.
Er richtet sich halb auf, stemmt die Knöchel in den Morast vor ihm, belustigt stellt Billy das Jäger –As fest das ein Teil des Morastes aus seinem Poker Kumpel und bestem Steak Griller Thomas Roper besteht. Der Junge erkennt, das der Gedanke was die Überlebenden dem Sheriff erzählen werden und ob man ihnen Glauben schenken wird absolut keine Rolle mehr spielt. Denn außer Bill Geary, Tankwart aus Fort Nelson und einem Rudel Ameisen lebte auf dieser Lichtung nichts mehr.
Er,es, das...richtete sich also auf und verlies ruhig die Lichtung, als ob alle Energie in die eine tödliche Attacke geströmt wäre...und dann hielt es noch einmal inne. Schnaufte, Geifer tropfte von seinen Fängen in sein Fell und dann wendete es den gewaltigen Kopf und sah Billy an.
Vielleicht ist da wieder ein Rest des Jungen der seinen Stamm beschützen wollte und der einfach nur müde geworden war, nach einhundert Jahren.Vielleicht war es aber auch nur ein Programm in seinen Genen, ähnlich dem Käfer der genau wusste wo er seine Larven ablegen muss oder dem Vogel der nach Süden zieht wenn der Winter kommt.
Was es auch ist, jetzt blickte es Billy an und er sah in schwarze Augen, schwarz wie eine Lache Öl, so schwarz das er sich darin spiegeln konnte.
Die Todesangst überlegte es sich auch noch einmal und machte mit dem Monster kehrt, kam auf Billy zu. „Jetzt muss ich sterben“ , dachte er, und „es gibt nichts was ich dagegen tun kann“, seine Gedanken sind eine Einbahnstrasse STERBEN und NICHTS DAGEGEN TUN KÖNNEN hämmerte es wieder und wieder und im Rythmus in seinem Kopf. Das Hirn gefangen in einer Spirale aus diesen beiden Gedankenfetzen....der Körper reagierte panisch, Schweiss und Tränen überall...dann war da ein beißend scharfer Geruch, wie damals im Zoo von Ontario , als der kleine Billy kotzend aus dem Löwenhaus geschleppt werden musste....dann ist das Ding da und der Schmerz erlöste Billy aus der Sackgasse seiner panischen Gedanken, die Tatsache, das der Wendigo gerade sein Ohr abgerissen hatte holte den Mann kurz wieder in die Realität. ( nützliche Sache so ein Schmerz ! )
Alle seine Sinne sind so scharf, alle Warnehmung so deutlich..ganz wie nach einem langen Sonntags Schlaf wenn sich alles an dir erholt hat...Billy sieht in diese großen schwarzen Seen, riecht das Fell des Monsters, rot und feucht vom Blut seiner Freunde, beobachtet die Fliegen die an seiner riesigen Schnauze kleben und schließlich die feinen Haare an seinem eigenen Ohrläppchen die Bill jeden Sonntag gewissenhaft weg rasiert damit diese umso prächtiger wieder nachwachsen. Das Ding hält ihm sein Ohr hin...Billy-Boy ist soeben auf ein Gefühls-Lager gestossen und die Hoffnung schiest daraus mich unglaublichen Druck und in rauen Mengen...ich bin noch nicht tot ich bin noch nicht tot ich bin noch nicht tot....
„Ich habe mal mit meinem Neffen ein Modell Auto zusammengeklebt, da habe ich den winzigen Aussenspiegel auch so gepackt wie... wie er mein Ohr, klein und schrumplig in zwei Fingern dieser riesigen menschenähnlichen Pranke.“
Der Wendigo schiebt das knorplige Fleich in Billys Mund und begleitet es mit einem Geräusch das Billy sehr gut versteht, obwohl er verdammt noch mal kein wendigoisch spricht. Es heißt „spuck es aus und ich reisse dir alles ab was es zum abreissen an dir noch gibt“ und Billy kaut unter Tränen sein Ohr und schluckt es runter.
„Mir müsste kalt sein“, denkt Billy so früh am Morgen und nur mit zerissenen Klamotten am Leib. Ist es aber nicht. Nebel liegt über der Lichtung, die Nacht ist vorüber und der Tag macht sich bereit seine Schicht zu übernehmen. Es ist, als ob die Sonne nur vorsichtig um die Ecke lugt, weil sie das Bild nicht sehen will welches sich ihr bietet.
Dort am Rand liegt Stephen, scheinbar ist sein abgetrennter Kopf wie ein Steinschlag auf einen Ameisenpfad gekracht, die fleissigen Gesellen stört das aber nicht weiter und so marschieren sie einfach über sein bleiches Gesicht drüber, hier und da an einer Wunde haltend und auf Brauchbarkeit testend.
„Ich dürfte die Viecher von hier aus gar nicht sehen. Ich sehe sie aber. Und ich rieche Stephens Blut und das der anderen, schwer und voller Eisen.“ Die Welt ist voller neuer Wunder für Bill Geary.
Zeit wurde nach einer Weile etwas anderes als er es von seinem vorherigen Leben kannte. Er stellte nicht ohne Erstaunen fest, daß man durchaus stundenlang auf seine Schuhe starren kann. Ein Blinzeln der Augen, sein eigener, immer kräftigerer Atem und die Schatten der Wipfel rund um die Lichtung verrieten Bobby das überhaupt etwas geschah.
Er sah von seinen Schuhen auf und kehrte mit einem Mal in die Welt der normalen Wahrnehmung zurück. Der Schmerz in seinen Eingeweiden war weg, erleichtert stellte der junge Mann fest das das einzige was ihn noch drückte seine Blase war.Billy kam auf die Füße und entledigte sich dabei seines Problems. Mit noch unsicheren Schritten ging er über die Lichtung. Wie ein Krieger aus längst vergangener Zeit schritt er das Schlachtfeld ab und schaute ungläübig auf die Reste seiner Gefährten.
Aber etwas war nicht richtig. Wo blieb die grenzenlose Erleichterung überlebt zu haben ? Ein Weinkrampf, ein hysterisches Lachen irgendeine Gefühlregung.. Billy legte den Kopf schief, als müsse er auf eine innere Stimme hören, nein, da war nichts.Kein Erleichterung, Freude, nichts.Kein Gefühl.In diesem Moment wusste Billy was geschehen war, er erkannte es mit der selben Klarheit mit der das Monster wusste was zu tun war als es ihm sein Ohr zu essen gab:
Da waren keine Gefühle mehr, würden nie wieder welche sein. Denn Gefühle waren eine menschliche Eigenschaft und Bill Geary, Hundebesitzer, Tankwart und Wanderfreund erkannte soeben das er diese Menschlichkeit abgestreift hatte wie eine Raupe ihren Kokon.
Es füllte seinen neuen,mächtigen Brustkorb tief mit Luft und schrie das was er für Verzweiflung hielt aus sich hinaus. Es schrie, dann brüllte es...und am Ende war es der Ruf
Eines neuen Wendigo der aus der kleinen Lichtung hinaus alles zu Eis erstarren lies was er berührte.
Für einen Moment schwieg die Natur, wie aus Scham etwas hervorgebracht zu haben was es nicht in dieser Welt geben durfte.
Ende