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Der Schlüssel

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31.05.2004
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Der Schlüssel

„Wenn der Verstand zu viel versteht, wird er sich erheben und alles an sich messen. Er wird der ganze Mensch werden. Er wird Gott töten und die letzte Frage fragen, die Frage nach dem Sinn. Daran wird er zerbrechen. Denn der Mensch wird sterben, die Sonne wird implodieren. Irgendwann sind alle Spuren verwischt und mit ihnen verschwindet jeder Sinn. Der Tod raubt den letzten Sinn. Die Frage nach dem Sinn ist die Hürde an der er scheitert, an der er zerbricht und stirbt. Nur auf eine Weise kann er die Hürde umgehen. Den ganzen Menschen muss er töten. So beginnt vor der Hürde die letzte Schlacht. Verstand gegen Tier.“
Das erzählt er, wenn man nach seiner Vergangenheit fragt. Auch er betrat das letzte Schlachtfeld, aber das Tier in ihm war durch eine Schwäche stark. Die Todesangst besiegte den Verstand. Fragt man weiter, fährt er folgend fort:
„Alles ist sinnlos.
Ja, das kann ich jetzt durchaus so sagen. Führt es doch zu der Frage und der Antwort nach dem, was Sinn macht und was nicht. Hier könnte man dann den Schluss ziehen, dass alles oder nichts Sinn macht, was dazu führen würde, dass man die Welt ausschließlich lieben oder hassen müsste. Was aber durch die Ausschließlichkeit reine Willkür wäre. Denn ist alles sinnvoll kann man nicht mehr zwischen sinnvoll und sinnlos unterscheiden. Beides würde zum gleichen Schluss führen: Es ist so wie es ist.
Man könnte ebenso sagen, manches macht Sinn und manches nicht. Man könnte sich als Grenzgeber sehen. Man könnte dann Grenzen setzen wo es keine Grenzen gibt. Man könnte natürlich auch sich selbst als Autorität betrachten und somit könnte man keine Grenzen falsch setzen. So könnte man dann das sinnlose ausgrenzen, würde sich dann aber auch selbst ausgrenzen, da man sich um das sinnlose kümmern müsste und sich um sinnloses kümmern sinnlos ist. So muss man sich also mit dem Sinnvollen ausgrenzen, was wiederum zu dem Problem führen würde, dass man nicht mehr wissen kann, was sinnlos und sinnvoll ist, wenn man nur von Sinnvollem umgeben ist. So müsste man die Grenze überschreiten um herauszufinden, was sinnlos ist, so wäre das Sinnlose nicht mehr sinnlos, weil es ja dazu dienen würde, dass sinnvolle zu erkennen und so einen Sinn hätte. Die Grenze würde sich stets verschieben. Bis alles wieder Sinn machen würde, aber würde alles Sinn machen, könnte man wieder nicht von sinnvoll und sinnlos reden. Dann könnte man wieder sagen alles ist sinnlos, oder besser es ist beides zugleich. Aber wenn es beides zugleich ist, ist es keines von beiden. Ein Widerspruch. Der Widerspruch löst aber den Gegensatz von sinnvoll und sinnlos auf, denn sinnvoll ist dann sinnlos und umgekehrt. Doch ohne den Gegensatz, kann der Widerspruch nicht mehr bestehen. Gegensatz und Widerspruch lösen sich auf. Was wieder dazu führt, dass die Dinge so sind wie sie sind.“
Manchmal erzählt er auch, dass alles falsch ist oder alles gut ist, aber es ist eigentlich das Gleiche.
Er hatte eine unerschöpfliche Hoffnung und deshalb erzählte er es auch obwohl er wusste, dass all seine Worte meist umsonst waren. Denn den Schlüssel besaß schon jeder Mensch, und viele hielten ihn bereits in der Hand, benutzen ihn aber nicht. Nur weil der Schlüssel aussieht wie die absolute Sinnlosigkeit und sich anfühlt wie der Tod. Aber den springenden Punkt konnte auch er den Menschen nicht sagen. Ob einfach oder in unendlich Worten, jeder musste den Schlüssel doch selbst benutzen.
Nur einmal sagte er etwas anderes. Als er auf einer Brücke einen Mann, die Augen Trüb vor Verzweiflung und über das Geländer gebeugt, traf fragte er ihn: „Was ist der Sinn des Lebens?“, als Antwort bekam er nur: „Es macht doch alles keinen Sinn!“. „ Teufel! Sieh dich selbst!“ schrie er und ging davon.
Der Mann auf der Brücke blieb eine Weile starr stehen, dann ging er freudig heim. Der Schlüssel selbst war der Tod für den Verstand, er hielt ihn schon die ganze Zeit in der Hand, und jetzt hatte er ihn benutzt. Das Gebäude des Verstandes, Zuflucht und Kerker zugleich, bracht zusammen, das Getrennte wurde wieder das Eine, die Gegensätze verschmolzen.
Er hatte ihn benutzt und jetzt wusste er es auch. Der Tod ist der Schlüssel zum Leben.

 

Salut EinMensch,

Relativ häufig les ich hier in der Rubrik Texte, die keine Geschichten sind. Dein Text hat schon etwas an Handlung, aber bis auf den unteren Teil ist es fast eine Art von Monolog. Du hast eigentlich eine angenehme Sprache, allerdings ist sie durch die ganzen Symbole etc. die du verwendest oft schwer verständlich. Eigentlich ein Text zum Nachdenken mit dem man sich befassen könnte... nur gibt es da nicht viel mit dem man sich befassen kann. Du wirfst kaum Fragen auf und wenn, dann beantwortest du sie. Was ich eigentlich richtig finde... also in einer Geschichte eine Antwort auf eine Frage zu geben. In einem Teil deiner Geschichte ist die Hauptaussage "alles ist sinnlos". Dennoch wird das noch begründet. Ich denke der Satz steht für sich - und ist begründen denn folglich nicht auch sinnlos? ;)

Der letzte Satz gefällt mir am besten, weil er so wahr ist. Aber ist er auch philosophisch? Deine Geschichte lässt mich mit recht gespaltener Meinung zurück, ich wäre gespannt was andere dazu sagen...

So könnte man dann das sinnlose ausgrenzen, würde sich dann aber auch selbst ausgrenzen, da man sich um das sinnlose kümmern müsste und sich um sinnloses kümmern sinnlos ist
Bei dem Satz musste ich ein wenig schmunzeln :)

lieben Gruß
Thorn

 

Hallo Thorn

Das es keine wirkliche Geschichte ist, kann gut sein. Bin mir nicht sicher wei genau Kurzgeschichten definiert sind. Kann gut sein, dass meine bisherige Vorstellung davon etwas weit gefasst ist.
Die Stelle nach dem "Alles ist sinnlos" stellt eigentlich keine Begründung dar und sollte das auch nicht als Aussage haben.
Ich gebe die meisten Antworten, denke ich. Mein Plan war, dass man nicht darüber nachdenkt, was die Antwort ist, sondern über das Warum der Antwort. In wie weit mir das gelungen ist, würde ich doch auch ganz gerne wissen.

Gruß
EinMensch

 

Jo...

Hi auch hier EinMensch,

die ersten paar Zeile bestätigen mich irgendwie, weil sie ähnlich dem sind, was ich auch unter deinem anderen Text palawert hab.

Du schreibst ähnlich den alten griechischen Philosophen wie Platon, sie geben die Antwort bereits. Du machst alles sehr klar und durchsichtig. Das ist gut und richtig. Es ist dir gelungen, dass der Leser - sofern er denn denkt und denken will und denken muss - sich mit dem Warum der Antwort beschäftigt.

Mich würd ja mal interessieren, wie alt du bist.

Grüße auch hier,
fallen

 

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