Der Sonnenstrahl
Zwischen zwei grauen Wohnblockriesen schien die Sonne hindurch und traf mich warm - nur kurz, denn schon fraß der nächste grässlich graue Betonvegetierkomplex ihr Licht wieder auf und kotzte seinen schwarzen Schatten über mich, sodass mir ganz kalt wurde im Herzen. Es war also Tag, und den Himmel gab es noch. Sie, die Sonne, kam demnach immer noch zu diesem schrecklichen Ort, auch wenn sie weit weg blieb, wie in sicherer Entfernung und immer in Bewegung. Wie lange würde sie wohl unseren Anblick noch ertragen? Die S-Bahn fuhr weiter und zog mich und die Anderen durch den schmalen Lichtstreifen wie Waren über den Strichcodescanner. Ich hoffte auf eine weitere Lücke in der dreckigen Mauer, in der dicht gedrängt stinkende Kreaturen hausten, die nur fraßen und nicht fragten warum, die ihre Löcher verbarrikadierten, wenn sie denn falsch gelegen waren, damit die Sonne nicht zu ihnen vordringen konnte und sie wärmen, sie ablenken von ihren Nichtigkeiten und ihrem Hass, ihnen echtes Licht schenken konnte. Sie mochten es kalt, dunkel und steril, nein, sie liebten es wie Nazis. Sie liebten nicht die Sonne, so wie ich. Immer neue Leichenhäuser schossen vorbei, dicht an dicht, dass kein Baum hätte hineingepasst in diese tiefen Schluchten, die alles verschlangen und töteten, was schön war. Einige der Toten glotzten aus ihren engen Scharten wie Plastikpflanzen, die man an blanke Fensterscheiben auf kalten Marmor stellte, um sich daran zu erfreuen, weil man sie für ein gelungenes Zitat der Natur hielt. Es saßen vereinzelte Zombies um mich herum, mit finsteren Mienen und leeren Blicken, die Kontakte wie einen Stromschlag mieden. Schöne Blumen waren selten in dieser kargen Seelenlandschaft, aber sie strahlten oft schon von weit her. Wie ich sie liebte, diese Blumen, ihre warmen Blicke, die wunderschöne Liebe darin! Sie liebten auch die Sonne, dass sah ich sofort, denn sie waren wie die Sonne, hell und warm, und sie schienen bis hinein in mein Herz, wo ich ihr Licht nicht sterben ließ, es gar nicht gekonnt hätte. Zu sehr brauchte ich es.