Der Sprung
Ingo stand da. Ganz oben, und er blickte hinunter, er sah den Boden.
Eigentlich ging es ihm ganz gut, bis ihn vor drei Tagen Angela verlassen hatte. Nun war am Boden zerstört. Seine Eltern, er war jetzt 17, meinten immer, dass würde schon wieder werden. Aber die hatten ja gar keine Ahnung! Es schmerzte. Zu sehr. Wie konnte sie ihm das nur antun?
Sie ging ihm in keiner Minute aus dem Kopf.
Was würde sie wohl sagen, wenn sie ihn jetzt sehen könnte? Er wusste es nicht. Es war ihm auch egal.
Wieder blickte er hinunter, sah den Boden, bekam Angst. Sollte er es wirklich tun? Ja. Ihm blieb keine andere Wahl, es gab keinen anderen Weg. Vorher war er sich so sicher gewesen: Es ist nur ein Sprung, dann ist alles vorbei. Aber jetzt hatte er Angst. War es jetzt wirklich der einzige Ausweg? Ja. Er blickte um sich, schaute auf Die Menschen, die unten liefen. Sie alle beachteten ihn nicht im Geringsten. Er hatte sich schon immer so ein bisschen Anerkennung gewünscht, würde er sie jetzt bekommen? Wie konnten die Leute ihn nicht beachten? Er stand da, kurz vor dem Sprung, und es interessierte niemanden. Wieder ließ er seinen Blick nach unten schweifen, langsam. Hinunter in die Tiefe.
Er dachte daran, wie es sich wohl anfühlen würde. Würde es schmerzen? Vielleicht. Wer weiß das schon.
Steif. Plötzlich fühlte er, wie er sich nicht mehr bewegen konnte, die Spannung fuhr ihm durch den Körper wie ein Blitz. Er zuckte zusammen. Nein, er wollte es nicht tun. Oder doch? Schließlich war es doch der einzige Weg!
Was würden seine Eltern sagen? Seine Freunde? „Vielleicht freuen die sich sogar“, schoss ihm durch den Kopf, und sein Entschluss verfestigte sich. Er würde es tun. Jetzt. Hier. Dieser schöne Augusttag sollte es sein an dem die Sonne schien, es war ein wolkenloser Himmel. Und doch fror es ihn in der Höhe, es windete stark. Aber er war sich sicher: Dies war der Zeitpunkt, an dem es geschehen sollte.
Angela wäre es sowieso egal, die wollte nichts mehr von ihm wissen. Die scherte sich jetzt einen Dreck um ihn.
Langsam beugte er sich nach vorne, blickte noch einmal hinunter in die Tiefe. Wieder fragte er sich, wie es sich wohl anfühlen würde, der Aufprall. Er hatte Angst, dass es schmerzte.
Dann schloss er die Augen. Er versuchte, Angela für nur einen Moment zu vergessen. Plötzlich rief Stimme von hinten: „Jetzt spring endlich!“. Gut, er würde es tun. Jetzt. Er ging einen Schritt vorwärts und merkte, wie er in die Luft trat. Und er fiel. Immer tiefer, das Gefühl war toll. Er dachte wieder an den Aufprall, und hatte Angst vor den Schmerzen. Als er unten ankam, waren keine Schmerzen da. Er tauchte sacht in das kühle Nass ein und genoß das Gefühl, das erste mal von einem zehn-Meter Turm gesprungen zu sein.
Er würde über Angela hinweg kommen, schließlich gab es noch mehr Mädchen auf dieser Welt.