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Der Staub auf dem Kamin

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30.06.2001
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Der Staub auf dem Kamin

Maria schaute auf den Staub, der auf den Bildern eine filigrane Struktur bildete, sich wie eine feine Schicht über den ganzen Kamin verteilte und ohne Spuren, wie frisch gefallener Schnee, bewies, dass die Welt sich weiterdrehte, die Zeit nicht stehen blieb.
Sie lehnte den Krückstock an das Gitter des Kamins, in dem das letzte Feuer bereits vor vielen Jahren verloschen war, wie das Leben in diesem Haus. Die Wärme des Feuers konnte ersetzt werden, die Wärme der Menschen, die das Haus einst mit Leben erfüllten, war unersetzlich.
Maria setzte sich behutsam in den Sessel, ihre Hüfte schmerzte, aber dieser Schmerz ließ sich aushalten, im Gegensatz zu dem Schmerz des Verlustes. Sie lehnte sich zurück und seufzte schwer, nein, sie wollte sich nicht beklagen, es war ein gutes Leben, das Erik und sie geführt hatten. Der Schmerz in ihrer Hüfte ließ nach, sie schloss die Augen und sah die Gesichter ihrer vier Kinder vor sich. Es war still im Haus geworden, nachdem auch der jüngste Sohn ausgezogen war, um eine eigene Familie zu gründen, dafür umso lauter, wenn die Festtage kamen, und zwei Generationen versuchten, die Meute der dritten im Zaum zu halten. Der Trubel, das Gelächter, die kleinen Streitigkeiten und das Band der Familie wärmten das Haus für viele Monate, bis der nächste Festtag kam und das stille, gemächliche Leben eines alten Ehepaares abermals aufwühlte.
Das sporadisch pulsierende Leben konnte nicht die Zeiten ersetzen, als die Wärme noch täglich wie die Hitze des Kaminfeuers durch das Haus zog, die Tage noch ihre Ordnung hatten, das Essen immer pünktlich auf dem Tisch mit den sechs Stühlen stand, und es nie leise war, es sei denn das Haus schlief.
Maria hätte das Erwachsenwerden so gerne verhindert, oder hinausgeschoben, egal wie, denn es hinterließ eine Lücke, die Erik und sie nur schwer schließen konnten.
Die Kreuzfahrt, die vielen Tage auf dem Ozean, auf einem Traum von einem Schiff, die Lücke blieb. Exotische Städte, fremde Kulturen, das Heimweh war immer da, stärker als jede Faszination, und das Gefühl blieb noch lange nach der Heimkehr.
Die Reisen hörten auf, als Erik krank wurde. Trotz des Schocks und der Ängste war sie froh, zu Hause bleiben zu können, sich um Erik zu kümmern und die häufigen Besucher zu empfangen, die sich alle um ihren Vater und Großvater sorgten. Ein trauriger Anlass, der die Familie zusammenbrachte, aber zu der Zeit lag noch kein Staub auf dem Kamin.
Nachdem ihr Mann sie in diesem Haus für immer alleine ließ, wurde die Einsamkeit in dem großen Haus zu einer Qual, die Feiertage fanden nicht mehr in ihrer gewohnten Umgebung statt, Maria wurde abgeholt, verköstigt und nach Hause gebracht, zurück in die Stille.
Die Wärme in den Häusern ihrer Kinder war eine angenehme Wärme, aber es war nicht ihre, sie war fremd, sie gehörte einer anderen Familie, in der sie liebevoll aufgenommen wurde, jedoch immer nur für kurze Zeit.
Um dann wieder in die Kälte ihres beheizten Hauses zurück zu kehren.
Nach drei Weihnachten ohne ihren Mann kam der Sturz, nach dem Sturz die neue Hüfte, und damit kam der Staub. Sie konnte nicht mehr abgeholt werden, die Fahrt war zu schmerzhaft, zu anstrengend, die Besuche wurden weniger und kürzer, die Feiertage vergangen ohne gemeinsame Mahlzeiten.
Der Staub breitete sich aus, man bezahlte ein Putzfrau, die das Nötigste erledigte.
Nicht den Kamin, bat Maria, um den kann ich mich noch selbst kümmern.
Die Staubschicht wuchs, eine vierte Generation brachte vorübergehende Wärme in das Haus, die durch das Babygeschrei noch viele Tage anhielt; Maria wickelte sich darin ein wie in eine Decke.
Sie öffnete die Augen und betrachtete das Bild mit der dünnsten Staubschicht. Ein Lächeln umspielte ihre Lippen, sie spürte noch einen Hauch dieser schwindenden Wärme, es würde lange Zeit keine neue mehr kommen.
Sie wurde müde, sie hatte alle Sehnsüchte aufgegeben, nur eine ist geblieben.
Am folgenden Tag wurde der Kamin entstaubt.

 

Hello odrees,

eine kleine, traurige Momentaufnahme ist Dir da gelungen, die melancholische Stimmung hast Du bruchlos durchgehalten. Aber - kann Staub wirklich eine 'filigrane Struktur' zeichnen?

'...Sie lehnte den Krückstock an das Kamingitter. Das letzte Feuer darin...' - Das Feuer im Kamingitter?

Ich meine, solche Satzkonstruktionen wie diese solltest Du überdenken:

'Sie betrachtete die Falten, die sich wie Furchen über ihre Hand zogen, die Altersflecken, die sich wie Farbspritzer über die gesamte Handfläche verteilten, die feingliedrigen Finger, die vor Jahrzehnten trotz harter Arbeit immer gepflegt und schön aussahen, und nun wie dürre Äste wirkten, die an einer Trauerweide hingen.'

Nicht nur wegen der Verschachtelung und der 'dies', auch wegen der Beschreibungen, die einfach unnötig und weitschweifig sind, weil sie Selbstverständlichkeiten aufzählen - so sehen alte Hände bekanntlich aus. Du würdest ja auch keine gewöhnliche Kuhmilch in epischer Breite beschreiben.

An einigen Stellen verstolperst Du Dich in den Zeiten, Du solltest konsequent unterscheiden zwischen der Erzählzeit in einfacher Vergangenheit und den Dingen, die schon früher passiert waren.

Viele Grüße vom gox

 

Hallo odrees,

auch ich mag den melancholischen Ton der Geschichte, finde diese aber leider etwas zu pauschal in der Innenansicht. Maria bleibt als Hauptfigur seltsam blass für eine Chronologie. Und auch die Stationen sind zwar in gewisser Weise für solche Geschichten vorgezeichnet, dürften aber für mein Gefühl gern mal über den Strich gemalt werden.
Problematisch finde ich die starre Erzählzeit, da sie nicht nur falsch, sondern auch verwirrend ist. Dabei könntest du für die Rückblicke doch gut in der Vergangenheit bleiben, wenn die Grundzeit in der Gegenwart geschildert wäre.

Das letzte Feuer darin verlosch bereits vor vielen Jahren,
Tempus: Wenn die Erzählzeit schon Vergangenheit ist, muss hier der Perfekt gewählt werden.
Gilt auch für die nächsten Sätze.

Lieben Gruß
sim

 

Hallo gox,
hallo sim,

vielen Dank für die Kommentare und Anregungen.

Der Versuch der Überarbeitung gestaltete sich schwieriger als erwartet.
Die Fehler in den Zeiten waren Schludrigkeit von mir, aber bei der Bearbeitung fiel mir auf, dass die von mir gewählte Erzählzeit wirklich eine gewisse Problematik darstellt. Werde den kompletten Text noch einmal umschreiben, der Vorschlag mit der Erzählzeit in der Gegenwart scheint nicht nur merh Sinn zu ergeben, sondern dem ganzen Bild die richtige Perspektive zu geben.

@gox:
Ein paar deiner Anregungen sind bereits in die erste Überarbeitung eingeflossen. Vielen Dank für die Vorschläge, stimme dir in allen Bereichen zu.

@sim:
Für deine Anregungen und Vorschläge benötige ich etwas Zeit, aber werde den Text nochmal komplett ändern, und sehen, was er noch hergibt.

Vielen Dank euch beiden für's Lesen und die Mühe beim Kommentieren.

Gruß
odrees

 

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