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Der suizidgefährdete, fette Fisch
Gunther beglotzte diesen langweiligen, fetten Fisch, der in einem viel zu kleinen, mit unnützem Krimskrams geradezu voll gestopften Aquarium trostlos vor sich hin blubberte. Früher sah er dem Fisch oft dabei zu, wie er voller Frohsinn durchs Wasser schwamm. Jetzt dümpelte er nur noch vor sich hin. Resignation hatte sich breit gemacht im Aquarium.
„Scheiße, ist das langweilig, und fett bin ich auch geworden“, dachte sich Wiglaf und schwamm zur Wasseroberfläche, weil das Wasser selbst bereits leer geatmet war. Er fühlte sich mies. In einer Ecke des Aquariums befand sich eine Holztruhe, die durch den Druck kleiner Luftbläschen auf und zu klappte. Aus ihr lugte ein Totenkopf hervor. Wiglaf deutete ihn als Vanitasmotiv. Wiglaf war ein Schwarzmaler. Er fühlte sich oft sehr einsam. Manchmal wünschte er sich eine sexy Goldfischin oder anders geartete Ablenkung.
„Was ist aus dem bloß geworden?“, dachte sich Gunther. Der Frohsinn früherer Tage war dem Fische zweifelsohne entfleucht. Schmoddrige, grüne Algenmasse durchsiffte bereits das gesamte Behältnis. Fahl beschimmerte das Licht der billigen Glühlampe die schimmligen Wasserpflanzen. Der Fisch selbst sah bleich aus. Früher war er bunt und schillerte im Licht. „Irgendwie muss ich ihn loswerden“, dachte sich Gunther und besah sich den fetten Fisch. „Diesen Anblick ertrage ich nicht länger.“
Wiglaf hasste diese hässliche Fratze, die immer hinter der Glasscheibe erschien. Das war doch kein Leben. Er empfand es zudem als Demütigung, in seinem eigenen Kot herumzupaddeln. Wiglaf war suizidgefährdet. Manchmal wünschte sich Wiglaf eine Wumme. Oder ein Seil. Aber nicht mal das gab es in diesem vermaledeiten Aquarium.
„Ich werde ihn verspeisen“, beschloss Gunther. „Zum Monatsende werde ich diesen Scheißfisch verspeisen. Das wird ein Spaß. Haha.“
Wiglaf fasste schließlich den Entschluss, sich tot zu fressen. Er sah keinen anderen Ausweg, als sich voll zu stopfen. Mit einem lauten Knall wollte er platzen und seinem traurigen Leben somit ein Ende setzen. Gierig fraß er in den kommenden Tagen sämtliche Algen und Wasserpflanzen auf, verputzte diese olle Wurzel, die in der Ecke lag. Wiglaf wurde fetter und fetter, bald füllte er das ganze Aquarium aus. „Scheiße, warum platze ich nicht?“, fragte er sich.
Es war kurz vor dem Monatsende, als Olaf aus dem Urlaub zurückkam. Sein Hund kam ihm nicht wie sonst entgegengeflitzt, als er die Türe öffnete. Olaf betrat den Wohnraum. Dort sah er seinen Kläffer. Abwechselnd hechelnd und jaulend saß dieser vor Olafs Aquarium. Sabbernd begaffte er den Fisch. Als Knabe hatte Olaf den Fisch von seinem Opa geschenkt bekommen. Vor Freude war er damals nackt durchs Dorf gehüpft und hatte gerufen: „Ein Fisch, endlich ein Fisch.“
Jetzt war der Fisch langweilig und fett geworden. Mensch, war der Fisch fett. Und der Hund war auch irgendwie komisch. Sie ließ sich gar nicht ablenken, die Scheißtöle, vom Fisch, gaffte nur blöd vor sich hin. Es war ein trauriger Anblick, den Olaf nicht weiter zu ertragen gewillt war. Ohnehin war es viel zu anstrengend, sich um diesen Dreckshund und den fetten Fisch zu kümmern.
Olaf beschloss, seinen Hund zum Monatsende zu verspeisen. Der Fisch würde ja sowieso bald platzen.