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Der Superstar-Ficker

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04.03.2004
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Der Superstar-Ficker

(The making of >Bitches n`Sync<)

„Mensch, ich glaube ich muss gleich ganz fürchterlich kotzen,“ würgt der Pop- und Volksmusik-Komponist und Produzent Dee Major hinter zusammen gebissenen Zähnen hervor. Er sitzt in verkrümmter, beinahe embryonaler Haltung hinter dem gewaltigen Audiomischpult in seinem Tonstudio und starrt mit leerem Kokserblick durch die schalldichte Scheibe in den angrenzenden Aufnahmeraum, in dem sich gerade der berühmte und bekannte Volksmusik-Interpret Hansi Hinterlader mit dem Gesangspart seines neuesten Standart-Hit-Aufgusses herumschlägt. Dee Major hat plötzlich die erheiternde Vision, dass der mächtige Kopfhörer auf Hansis sonnenstudiogebräuntem, langhaarigem Naturburschen-Blondschädel sich endlich in eine pneumatische Roboterzange verwandelt hat, die jeden Moment absolut unbarmherzig mit tonnenschwerem Druck zupacken wird.
Wütend knallt er mit der flachen Hand auf den Knopf des Talkback-Mikrophons.
„Verdammt noch mal, Hansi, so geht das nicht! Wie oft soll ich dir das denn noch sagen, du bist nicht zum Singen hier und du sollst dir vor dem Mikro gefälligst keinen `runterholen, sondern immer schön lieb und brav daran herumlutschen. Den dicken Rocker-Pimmel kannst du dir meinetwegen woanders aus der Jeans hängen lassen, hier jedenfalls ist die offene Lederhose mit aufgesticktem Herzer’l angesagt, kapiert? Wir wollen nur eines: dass die Muttis und älteren Fräuleins beim gemütlichen Schunkeln weiterhin verlässlich feuchte Augen und Höschen bekommen, weil das Bübchen mit den roten Wangen und den treublickenden braunen Äuglein so herzerweichend schön singen kann, stimmts?“
Hansi nickt betreten. Er wirkt irgendwie ein wenig frustriert.
„Na also, das Ganze nochmal von vorne!“
D. Major schaltet das Mikro ab, stützt beide Hände auf das Mischpult und blickt seinen Kompagnon finster und herausfordernd an, bevor er den sündteuren Harddisk-Rekorder erneut startet.
Der Songtexter P.C. Winword beschränkt seinen Kommentar auf ein bedeutungsfreies Räuspern, weil er sich in seiner Haut immer ein wenig unwohl fühlt, wenn Major in seiner Gegenwart auf jemand anderen wütend ist. Aus langer Erfahrung weis er, dass er selbst dabei am Ende auch nie so ganz ungeschoren davon kommt. Mit diesem vorbeugenden Räuspern mobilisiert der Texter intuitiv die Schaltkreise seiner semantischen Abwehrstellungen.
Major schnaubt vernehmlich durch seine kokszerfressenen Nasenlöcher.
„Mann, was für ein kotzlangweiliger Scheiß diese Productions geworden sind. Kann man die Stimme von diesem Kerl nicht einfach sampeln, ihn endgültig nach Hause schicken und dann die einzelnen Töne mit Hilfe eines automatischen Computerprogramms wiederverwerten? Wär doch geil, wir könnten alle zu Hause bleiben oder rund ums Jahr auf den Bahamas ’rumhängen und feiste Titten und geile Ärsche anglotzen! Keiner von den Fans schnallt was, die Kohle rauscht endlos weiter herein und ich müßte mir diese gottverdammte Wixmusik nicht mehr wochenlang `reinziehen. Übrigens, mit deinen Texten für dieses Album hast du dich ja wirklich mal wieder selbst übertroffen, Mann! So ein absoluter Vollquatsch wie das zum Beispiel muss einem erst einmal einfallen:
>die zarte Liebe meines Herzens / vergeht beinah‘ vor Sehnsuchts-Schmerzen / im wunderschönen Alpenglüh’n<
Würg, Spei, Kotz, kann ich da nur sagen, gratuliere! Muss ja `ne ziemlich krasse Scheißdroge gewesen sein, die du beim Texten nebenbei eingepfiffen hast! Vielleicht solltest du einfach nicht so viel saufen, großer Meister des gepökelten und kastrierten Wortes!“
„Jetzt mach aber mal `nen Punkt,“ empört sich P.C. Winword ehrlich entrüstet.
„Bei deiner Musik kann man ja gar nicht besoffen genug sein, um diesen ganzen stumpfsinnigen Katzenjammer überhaupt zu ertragen! Bei so einer banalen musikalischen Vorlage würde selbst einer wie Bob Dylan oder der nervigste Neger-Quatsch-Rap-Daddy-Dödel nach fünf Minuten das Handtuch in hohem Bogen aus dem Ring schmeißen, das sag ich dir! Du solltest froh sein, dass mir überhaupt noch ein paar Worte dazu einfallen, Mann. Gib mir einen anständigen Song und ich bring dir einen anständigen Text, so einfach ist das. Außerdem, DU wolltest doch so schnell wie möglich Millionär werden, auch wenn du dabei knietief in der Scheiße herumwaten müßtest, wie du einst so schön verkündet hast. Also, was willst du nun eigentlich wirklich?“
Dee Major, dem es zu seiner heimlichen Befriedigung wieder einmal gelungen ist, seine miese Laune erfolgreich auf den Kompagnon und den armen Schlagersänger zu übertragen, lenkt nun versöhnlich ein.
„Was ich wirklich will? Endlich mal eine andere Scheiße produzieren, was denn sonst! Etwas, das wieder ein bißchen Spaß macht. Was wir hier treiben, ist ja mittlerweile schlimmer als zehn Jahre Marienhof und Lindenstrasse zusammengenommen!“
„Ja gut, damit sprichst du mir aus der Seele. Und was wäre das, bitte schön?“
Dee Major bohrt sinnend und starren Auges in seiner gepeinigten Nase, während Hansi Hinterlader vor dem Mikrophon hinter der dicken Glasscheibe eine stumme mimische Vorstellung zu geben scheint, weil Dee einfach die Lautsprecher im Regieraum ausgeschaltet hat.
„Was das wäre? Eine deftige All-Chicks-Band produzieren mit heißen, jungen Miezen, Mann, was denn sonst? Nie wieder diese schwulen Lederhosen- und Trachtenjanker-Sänger, keine depperten Dirndljäger mehr, sondern vier oder fünf scharfe, junge und erfolgsgeile Mädels mit dicken Titten, strammen Ärschen und endlos langen Beinen!“
„Klingt toll, aber wo willst du so eine Mädchen-Band denn auftreiben?“
„Wieso denn auftreiben, Junge? Wir bauen sie einfach selber auf! Nichts leichter als das, die Monkees haben das ja schon im Paläolithikum des Showbiz bewiesen. Is natürlich viel mehr Arbeit als nur eine einzelne, hirnamputierte, in deutsch singende Dumpfbacke zu einem Star aufzublasen, aber mit Sicherheit werden wir dabei mehr Spaß haben, denn diesmal lassen WIR uns einen blasen, und zwar reichlich, bevor wir auch noch die Kids draußen im Lande musikalisch genauso prima verarschen wie bis jetzt ihre Mütter und Großmütter, oder? Ha,ha!“
P.C. Winword scheint keine Lust zu haben, darüber mitzulachen.
Dee Major inspiziert mit Interesse einen gewaltigen Nasenpopel, den er durch seine Bohrarbeiten zu Tage gefördert hat. Dann frißt er ihn einfach auf, weil er mindestens zu 90% aus teurem Kokain besteht. Durch diesen schamlosen Akt des Recycling-Konsums angeregt, tastet P.C. Winword verstohlen nach dem silbernen Flachmann in der Tasche seiner ausgebeulten Möchtegerne-Schriftsteller-Cordjacke.
„Klingt ziemlich verlockend,“ gesteht P.C. „aber wer soll so’ne Musik für Kids denn produzieren? Das hast du alter Sack doch gar nicht mehr drauf! Du weist doch, was heutzutage so alles als Musik bezeichnet wird und du kannst wahrlich nicht behaupten, dein Ohr noch am Puls der Zeit zu haben, Alter!“
„Ho, Ho, warum denn nicht? Wo siehst du das Problem, Mann? Ich hole mir einen oder zwei junge Lohnknechte und fertig ist der Joint! Wenn ich geschnallt habe, wie man den zeitgemäßen Schrott produziert, kriegen die Jungs ein paar Scheine und fliegen wieder `raus auf die Strasse, so geht das. Mann, Pisi, stell dir doch einfach mal diese geballte Pussipower in unserem kleinen Studio vor, steigt dir da nicht auch gleich die Tinte in den Füller?“
„Doch, schon,“ schwindelt P.C. mit schwacher Stimme und holt mit leicht zittrigen Händen, aber nunmehr fest entschlossen den Flachmann aus der Tasche, schraubt den Verschluß ab und läßt den Schnaps endlich befreit durch seine Kehle gluckern.
„Soll ich dir was verraten?“ sagt Dee Major und öffnet dabei mit eiskaltem Blick ein neues Koksbriefchen.
„Du wirst in Zukunft keine einzige Zeile Text mehr schreiben müssen. Ich habe ein neues Computerprogramm angeschafft, das die Lyrics aller bekannten Disco- und Pophits in englisch gespeichert hat und aus diesem Fundus in jedem gewünschten Metrum neue Reime und Textzeilen generieren kann!“
„Is ja irre,“ antwortet Winword absolut ton- und freudlos, während schlagartig der letzte Rest Farbe aus seinem Gesicht weicht.
„Und was soll ich dann biddeschön mit meiner Zeit anfangen? Oder soll das etwa bedeuten, dass du mich aus dem Geschäft drängen und ausbooten willst? Dann muss ich dich leider daran erinnern, dass zwischen uns immerhin ein notarieller Vertrag besteht. So leicht lasse ich mich nicht vor die Türe setzen, nicht von so einer verdammten Koksnase wie dir! Warum versuchst du eigentlich dein Glück nicht zur Abwechslung mal als Fussball-Trainer, du grosses Allroundgenie!“
„Dazu muss ich dir leider sagen, dass auf diesen tollen Vertrag im Streitfall sowieso ausgiebig geschissen ist, mein Freund. Du solltest vielleicht in Zukunft doch öfter mal auch das Kleingedruckte lesen oder dir einen Anwalt leisten, bevor du irgendwelche Sachen unterschreibst. Es ist immer dasselbe mit den Alkoholikern. Also bitte, auch wenn du es nicht glauben willst: Hiermit bist du mit sofortiger Wirkung als Texter gefeuert!“
Schwer geschockt leert P.C. Winword erst mal in einem Zug seinen silbernen Flachmann, während sich Major mit fahrigen Händen einen halben Teelöffel Kokain in die Nase schaufelt. P.C. wischt sich mit dem Ärmel über den Mund, atmet zweimal tief durch, rülpst einmal dezent und zieht dann unerwartet heftig vom Leder.
„Übrigens, wenn du mit den Kids von heute mithalten willst, dann musst du auch auf synthetische Drogen umsteigen, Alter. Das schaffst du doch sowieso nie. Und ohne Viagra und Koks kannst du dir doch sowieso längst keinen mehr blasen lassen! Bin mal neugierig, wie die Yellow-Press und deine magersüchtige, blondierte und geldgeile Alte zu hause auf solche delikaten Neuigkeiten aus dem Nähkästchen des erfolgreichen Machos und Schlagerproduzenten reagieren, mein Lieber!“
Mit schneeweiss umrandeten Nasenlöchern starrt Dee Major den plötzlich frech und mutig gewordenen Textdichter einigermassen überrascht und erstaunt an. Sieh mal einer an, denkt er, der Kerl entwickelt ungeahntes Stehvermögen!
Im selben Augenblick platzt Hansi Hinterlader mit einem beleidigten Naturburschen-Gesicht in den Regieraum.
„Wos is‘n los mit eich, Buam? Des Liadl is scho lang aus und koana hört mi do draußn! Hob i des jetz richtig gsunga oda ned? Und übahaupts mecht i jetz langsam wieda hoam fahrn zu meiner Muatta auf’d Oim. Wia lang wead’n des heit no dauern?“
Dee Major nimmt ihn sofort dankbar unter Feuer.
„Jetz bas amoi auf, Hansi. Deina Muatta und dir, eich geht’s doch ganz guad, seitsdu bei mia an Haffa Geid vadienst, hob i recht oda ned?“
„Ja freili,“ antwortet der Hansi zögerlich.
„Wea zoid, dea schafft o, des host g‘wiß a scho moi ghörd, oder?“
„Ja freili“.
„Oiso, dann hoit’s Maul, vaziag di und sing gfälligst so lang weida, bis i sog, dass’s gnua is füa heid, host mi?!“
„Ja freili hob i di. I geh ja scho,“ murmelt der Hansi kleinlaut, wischt sich verlegen die Hände an seiner Krachledernen ab und trollt sich wieder aus dem Regieraum.
„Seit wann sprichst du denn bayrisch,“ fragt P.C. scheinheilig, um etwas vom Thema abzulenken.
„Oh, ich besuche einfach regelmäßig zwei Crashkurse, einen auf dem Oktoberfest und einen am Chinesischen Turm im Englischen Garten.“
Dee Major fummelt an den Presets des digitalen Mischpultes herum und täuscht Geschäftigkeit vor, während P.C. Winword stumm, wütend und unentschlossen erst mal wie ein Idiot herumsteht und im Geiste fieberhaft mehrere, den Umständen angemessene Racheaktionen durchspielt. Für einen kleinen Augenblick erwägt er sogar, ob es im Sinne eines starken Abgangs angebracht wäre und auch genügend nachhaltigen Eindruck hinterlassen würde, wenn er seinem plötzlichen Harndrang jetzt gleich hier an Ort und Stelle nachgäbe und beispielsweise in aller Seelenruhe ausgiebig auf Majors neue Mixerkonsole, sein offenes Koksbriefchen und den 24-Spur-HD-Recorder pissen würde. Weil er aber nicht riskieren will, sich von 220 Volt Wechselstrom den Pimmel verschmoren zu lassen, trollt er sich erst einmal auf’s Klo um wenigstens konventionell zu pinkeln. Vielleicht bringt ihn ja diese schlichte, aber trotzdem katharsische Ersatzhandlung sogar einer diplomatischen Problemlösung näher. Auf die erste Option, nämlich spontan den fiesen Kompagnon ohne jede Vorwarnung mit aller Kraft in dessen breitgesessenen Produzenten-Arsch zu treten, hat P.C. wegen seiner um diese Tageszeit bereits etwas eingeschränkten Kontrollfähigkeit über Zielgenauigkeit, Motorik und Gleichgewicht ohnehin verzichten müssen.
Der Weg zur Toilette führt durch Dee Majors protziges Büro, dessen Wände über und über mit goldenen Schallplatten und handsignierten, persönlich gewidmeten Starfotos tapeziert sind. Auf dem Schreibtisch steht ein kleines Fläschchen, das bis obenhin mit kleinen, blauen, rautenförmigen Pillen gefüllt ist. Winword kneift seine Augen zusammen und entziffert trotz unzureichender Fokussierung das Etikett.
VIAGRA FORTE. Ahaaa!
Winwords Rache fällt zwar zugegebenermassen etwas dürftig, wenn nicht sogar infantil aus, aber es macht ihm trotzdem eine Menge Spaß, die feinsäuberlich auf den Rand der Kloschüssel ausgelegten Potenzpillen möglichst geschickt so anzupinkeln, dass sie eine nach der anderen in’s Wasser plumpsen. All die schwimmenden, blauen Rauten sind nun Kriegsschiffe einer stolzen Armada, die unter dem Kommando des heimtückischen Admirals Major stehen und allein deshalb ohne jeden Pardon dem vollständigen Untergang geweiht sind.
„Tschüß Jungs,“ sagt P.C., „aus eurem Nahkampfeinsatz wird leider nichts!“
Dann drückt er kräftig die Spülung und latscht mit offenem Hosentürl zurück in den Regieraum. Unterwegs fällt ihm plötzlich ein gewichtiges Argument gegen seine fristlose Kündigung ein.
„Hey Mann, du kannst mich gar nicht feuern, denn du brauchst mich mit Sicherheit noch `ne ganze Weile!“
„Das kann ich mir jetzt aber weniger gut vorstellen,“ brummt Dee Major verhalten und wendet dabei keine Sekunde seinen starren Blick von den Knöpfen und Reglern auf seinem blöden Mischpult.
„Du hast unseren europaweit angekündigten Wettbewerbsbeitrag vergessen! Den Job kannst du nicht einfach platzen lassen, Mann!“
Widerwillig dreht sich der Komponist und Produzent in Personalunion zu seinem Texter um, der nun wieder zunehmend Oberwasser gewinnt.
„Was denn für einen verdammen Wettbewerb?“
P.C. Winword gestikuliert jetzt wie ein aufgeregter, ziemlich schwuler italienischer Kellner.
„Mensch Meier, ich meine unseren Schlagerhit für die Teilnahme am Grandprix nächsten Monat!“
Dee Major blickt ihn immer noch verständnislos an.
„Welchen verdammten Schlager denn?“
„Ich spreche von dem verdammten Schlager, den du extra für diese niedliche, gehörlose Sängerin komponieren wolltest und zu dem ich auf ihren ausdrücklichen Wunsch den Text schreiben sollte! Was is damit? Hat dir das Coke schon ein Loch in’s Hirn gefressen oder wolltest du ihr mit dem Schmäh nur an die Wäsche gehen?“
„Also hör mal,“ entrüstet sich Major, „das Mädel hat doch überhaupt keine Titten. Was soll ich denn mit sowas?“ Dann grinst er plötzlich so scheinheilig wie ein Haifisch und legt dem überrumpelten Dichter versöhnlich die Hand auf die schmale Schulter.
„Eyh, hör ma Alter, das von eben tut mir echt leid. Ich hab’s nicht so gemeint, weist du. Das kommt von diesem Scheißkoks, das bringt mich manchmal ziemlich schräg drauf, du kennst das doch langsam, oder?“
„Na klar kenn ich das, aber gefeuert hast du mich heute zum ersten Mal,“ entgegnet P.C. Winword erleichtert.
„Ok, vergiss den dummen Spruch von mir, wir machen natürlich zusammen weiter. Äh, willst’n Kaffee?“
„Hm – ach nö.“
„Willst’n Kaffee mit Cognac?“
„Nö. Cognac mit Kaffee!“
„Na siehste,“ lacht Dee Major ein wenig gekünstelt und fischt in seinen Taschen nach einem neuen Koksbriefchen, „es geht doch. In meinem Schreibtisch rechts ganz unten is `ne Flasche, glaub ich, wenn’se der Putzfrau noch nich in die Hände gefallen ist. Bedien dich!“
Plötzlich steckt Hansi Hinterlader seinen Blondkopf durch die Türe zum Aufnahmeraum und deutet verzweifelt auf seinen riesigen Kopfhörer.
„Was is’n jetz scho wieda los, Buasch’n? I hör‘ überhaupts nixn und ohne Musi kon i a net singa, vaschdäsd?“
Dee Major blickt erst stirnrunzelnd auf seine Rolex und dann mit einem schiefen Grinsen auf den frustrierten Schlagersänger.
„Ach geh weiter, das macht doch fast gar nix, mit Musik klingt‘s auch nicht recht viel besser. Ok, Hansi, das war’s dann für heut, du kannst jetzt meinetwegen nachhause zu deiner Mamma fahren. Oiso nachad, pfüadi und Servus und sog an scheena Gruaß dahoam auf da Oim!“
Hansi Hinterlader schaut erst ein bisserl deppert, dann knallt er wütend die Türe zu und macht sich eiligst auf den Weg zum Münchner Hauptbahnhof, um seinen Zug nach Jodelhausen noch zu erwischen. Weil es draußen Winter ist und schnell recht kalt an den Ohrwascheln, behält er einfach Majors gepolsterten, sauteuren Studio-Kopfhörer auf seinen Lauschern und zieht den ganzen Weg lang völlig unbekümmert das Anschlußkabel samt Stecker durch Matsch, Dreck und Schnee hinter sich her.

„So, den Dödel sind wir erst mal los,“ sagt Dee Major und räkelt sich in seinem Drehsessel. „Hast du den Cognac gefunden?“
P.C. kommt strahlend und beschwingten Schrittes mit der Flasche unter dem Arm aus dem Büro zurück.
„Alles klar, Mann. Also, was is, arbeiten wir jetzt mal ein Stündchen an dieser Schlagerkiste? Ich meine, ganz so wie früher halt. Wir lassen den Recorder laufen, du hockst dich an dein Klavier und improvisierst so vor dich hin und ich suche nach Phrasen für die interessantesten Melodieschnipsel oder Riffs.“
Majors Antwort besteht erst einmal nur aus einem langezogenen Doppel-Schniefer, mit dem er eine mindestens dreißig Zentimeter lange, weisse Zickzack-Linie Koks vom Mischpult-Paneel saugt.
„Aaaaah! Also, jetzt pass mal auf, P.C., das Schlagerding ziehen wir später durch, so `nen abgewichsten Standarttitel klopfen wir doch in einem halben Tag auf’s Band, mach dir keinen Kopf deswegen. Jetzt, mein Lieber, ist erst einmal etwas ganz anderes angesagt und wenn du willst, kannst du mir dabei helfen. Ich versprech dir, dass du und ich heute noch `ne Menge Spaß haben werden!“
„Wieso, was denn für’n Spaß?“
„Ich hab’s dir heute schon mal kurz angedeutet, wenn ich mich recht erinnere, dass mir diese Musikantenstadel-Produktionen langsam gemein auf den Sack gehen. Ich muss einfach mal was Anderes, was Neues anfangen, bevor mich die Jungs mit den weissen Turnschuhen abholen, weil ich Karl Moik während einer Liveübertragung im Fernsehen mit vorgehaltener Pumpgun auf der Bühne dazu gezwungen habe, eine komplette Konzert-DVD von Jane Manson zu spielen und dabei gleichzeitig seine Lieblings-Lederhose zu verspeisen. Dieses Ding mit der Weibergruppe, das ist wirklich mein voller Ernst! Ich hab‘ da auch schon längst was angeleiert und letzte Woche war hier die erste Audition und Fleischbeschau. Mann, ich sag dir, da war echt was los hier. Fast sechzig junge Weiber sind hier angetreten, die nach der ersten Brief- und Fotoaktion in die engere Wahl gekommen sind. Achtundvierzig von den Chicas habe ich dann am Ende wieder nach Hause geschickt. Mann, war das ein Geheule und Geflenne, vor allem bei denen, die wirklich gut singen konnten. Aber was nützt mir ein Mädel mit einer Stimme wie Mariah Carrey oder Barbara Streisand oder gar einer Röhre wie Anastasja, wenn sie kurzbeinig, fettärschig und pickelig ist, vielleicht sogar noch `ne Zahnspange trägt und sich auf der Bühne ungefähr so temperamentvoll wie ein Pandabär bewegt? Was mir vorschwebt, ist so’ne richtig abgezupfte Nutten-Gang-Appearence, fünf oder sechs tötowierte, scharfe Schlampen in schwarzen Dessous und mit mörderischen Stilettos; Riesenmöpse, pralle Ärsche und ständig die Hand im Schritt oder das Mikro im Mund, lauter solche anstössigen Sachen halt! Auf jeden Fall lauter unanständige, exhibitionistische Pornoluder, die jede andere Girlgroup wie `ne Kapelle der Heilsarmee aussehen lassen.
Na ja, jedenfalls isses so, dass die endgültige Auswahl für dieses Bandprojekt heute abend noch stattfinden wird und deshalb werden hier jeden Augenblick zehn oder zwölf mörderheiße Chicks einlaufen, alle frisch geduscht, sparsam bekleidet und zu allem bereit. Nur zur Vorwarnung, dass du mir nicht gleich mit offenem Maul vom Hocker fällst, oder die Fliege machst, wenn die Türe aufgeht und die Amazonen einlaufen!“
P.C. Winword findet diese Aussicht einerseits zwar reizvoll, auf der anderen Seite aber durchaus auch bedrohlich. Selbstbewußte Frauen mit starkem Auftritt jagen ihm nämlich Angst ein und ein Mann, der Angst hat, kann keinen Ständer mehr kriegen. Das macht ihm dann noch mehr Angst. Prophylaktisch nimmt er deshalb schon mal einen extragroßen Schluck aus der jungfräulichen Cognac-Pulle.
„Sauf nicht so viel, du Knallkopf, du musst mir nachher noch helfen, verstanden?“
Genau so etwas in der Art hat P.C. schon befürchtet. Ärger befällt ihn.
„Das musst ausgerechnet du mir sagen. Dein verdammtes Paranoia-Pulver wird dich noch früher in’s Grab bringen als mich die Flasche, da kannst du sicher sein. Oder in den Knast oder die Klapse, Mann! Irgendwann wirst du einfach mal völlig durchknallen, da bin ich mir sicher.“
Dee Major gibt keine Antwort, sondern kramt ungeduldig in einem Flightcase voll mit alten und neuen Karaoke- und Halbplayback-CDs verschiedenster Stilrichtungen.
„Verdammt, wo ist diese Scheibe denn,“ schimpft er dann. Kannst du dich noch an diesen Hit erinnern, My Baby-Baby Ballaballa? Von wem war dieses Ding überhaupt?“
„Keine Ahnung. Aber der Texter war mit Sicherheit ein noch größerer Misanthrop als du. Er muss die Menschen wirklich verachtet haben!“
„Ach Quatsch, der war vermutlich in irgendeinem Dilirium und hat erst später zu seinem Erstaunen bemerkt, wie leicht der deutsche Popmusik-Hörer schon damals zu unterhalten war. Das hat sich seitdem auch kein bißchen geändert, glaub mir. Ahh, da is ja das gute Stück!“
P.C. Winword entkorkt vorsichtshalber wieder seine Kognac-Flasche und stellt sie in Griffweite auf einer Lautsprecherbox ab, weil er jetzt schon wieder Schlimmes vermuten muss. Das supertolle neue Projekt würde sich auf exakt dem gleichen künstlerischen Niveau abspielen wie bereits ein dutzend Produktionen zuvor, also Anspruchsebene Null. Die Null stand bis jetzt vorwiegend für superseichte, ewigfade und uninspirierte _-Takt-Schunkel-Scheisse oder 4/4tel-Takt-Liedchen, geeignet für den gefürchteten Deutsch-Klatscher, was soviel bedeutet wie: ordentlich zackig und korrekt auf die Taktschläge Eins und Drei abschmettern, ohne Rücksicht auf eventuelle Backbeat-Betonungen oder gar die armen Musiker-Schweine einer Life-Band, denen deswegen der Rock’n-Roll-Groove unweigerlich abhanden kommt.
„Jetzt sag bloß, du willst die Mädels Baby Ballaballa singen lassen!“
„Na klar, Mann, wieso denn nicht? Ich überspiel die Scheibe jetzt auf meinen Sampler, leg `nen satten Dampfhammer-Stampfgroove auf die Eins und die Drei und dreh‘ das ganze Ding auf 120 beats pro Minute hoch! Dann ein kleiner Psychedelic-Remix und die Kids von heute werden es lieben, wirst schon seh‘n. Für’s Erste ist das mehr als okey und später komponieren wir dann schnell noch’n paar geile Titel dazu!“
Der Produzent scheint absolut überzeugt zu sein von sich und dem was er da sagt. Das Ungerechte daran ist in Winwords Augen, dass er damit wahrscheinlich recht und wie immer ziemlich großen Erfolg haben wird.
Dee Major rammt ungeduldig die träge CD-Schublade in das Computerlaufwerk. P.C. Winword rammt sich grimmig den Flaschenhals in den Mund.
„Äh, sag mal, Pisi, macht es dir was aus, wenn du `mal schnell `ne Kanne anständigen Kaffee aufbrühst und dann drüben im Aufnahmeraum sechs Galgenstative mit einfachen Shure-SM-58-Mikros aufbaust? Das mit den Kabelanschlüssen mach‘ ich dann selber, wenn ich hier mit dem Remix fertig bin. Das wär echt cool Mann! Ach ja, und wenn du noch schnell die Tassen von gestern abspülen und das Büro ein wenig aufräumen könntest? Du weist ja, wie eigen die Weiber mit solchen Kleinigkeiten oft sind, sogar die vermeintlichen Schlampen. Und mach endlich deinen verdammten Hosenladen zu, sonst verdorrt dir noch der Pimmel bevor die Mädels ankommen! Wenn du allerdings so weitersäufst, wirst du spätestens in einer halben Stunde sowieso keinen mehr hochkriegen!“
P.C. Winword zuckt zu Tode erschrocken zusammen. Dee hätte ausgerechnet sowas jetzt nicht sagen dürfen, auf gar keinen Fall! Sein Hals ist plötzlich ganz eng und er muss sich erst drei mal heftig räuspern, bevor er überhaupt wieder einigermaßen verständlich sprechen kann.
„Äähämm - du glaubst doch nicht im Ernst, dass wir die Mädels – ich meine, dass die mit uns – also, dass die sich heut‘ abend von uns alten Knackern vög...äääh..eventuell einfach so ein wenig betatschen lassen würden? Sind die denn überhaupt schon volljährig?“
Der Produzent lacht heiser und so dreckig, wie eben nur dreckige alte Männer und perverse Produzenten lachen können.
„Volljährig? Das vielleicht gerade nicht, aber auf jedenfall sind sie 100% vollbusig und absolut heiß auf den Job. Blowjob auf’m Klo oder unter’m Tisch garantiert mit eingeschlossen!“
Auch das hätte Dee Major so jetzt auf keinen Fall sagen dürfen. Sofort ergreift heimliche Panik die arme, gehemmte Librettisten-Libido. Winwords Stimme klingt irgendwie erstickt.
„Aha. Und was macht dich da so verdammt sicher? Nicht jede, die wie eine Nutte aussieht, ist auch unbedingt eine.“
„Da hast du vielleicht ausnahmsweise sogar recht, aber nicht in diesem Fall. Die zwölf Mädels, die hier gleich antreten werden, sind nämlich tatsächlich waschechte Nutten, Voll- oder Teilzeitprofis vom Club- und Diskostrich. Und das Beste daran; keine ist älter als achtzehn, Mann!“
Wieder dieses schmutzige Lachen eines schmutzigen, alten Impotenzlers! Eine ganze Sekunde lang überlegt P.C. ernsthaft, die Cognac-Flasche am besten jetzt sofort auf einen Zug zu leeren. Sich einfach aus dem Verkehr ziehen, um sich einem bedrohlichen Verkehr anderer Art zu entziehen! Der Poet in ihm ist sofort entzückt von diesem unverhofften Wortspiel und Winword entspannt sich immerhin soweit, dass er auf den Turbo-Vollrausch für’s erste verzichtet.
Mit einem Mal wird es auf mysteriöse Art ausnahmsweise taghell in seinem arg ramponierten Kurzzeit-Gedächtnis. Einer höheren Erleuchtung gleich kommt ihm plötzlich die ganze ungeahnte, wunderbare Tragweite seiner kleinen Sabotageaktion auf der Toilette zu Bewußtsein. Schlagartig erfüllt ihn das süße Gift grenzenloser Schadenfreude, eine Freude, die ihm wieder Kraft verleiht. Soviel Kraft sogar, dass er es spielend fertig bringt, den Korken wieder in den Flaschenhals zu treiben, den Cognac umgehend zurück in’s Büro zu tragen und entschlossen in die unterste Schublade von Majors ausladendem Schreibtisch zu verbannen.
„Alles klar, Boss. Ich fang schon mal mit dem Kaffee an!“
P.C. fühlt sich wie ein Jedi-Ritter. Die Macht ist nun mit ihm.
In seiner Hosentasche reiben sich heimlich und wollüstig zwei unscheinbare, blaue, rautenförmige Pillen aneinander.

Die erste Hälfte der Audition ist sowohl ein köstliches Spektakel als auch ein echtes Drama. Dee Major thront wie ein Mafiapate hinter dem Schreibtisch in seinem Büro. Die goldene Rolex mit Brilli-Besatz an seinem Handgelenk, eine kubanische Zigarre als Nebelwerfer, die dicke Goldkette um den Hals, der Rubin im Ohr, der Zweikaräter am Kleinen Finger, schmale Augen und schmale Lippen bei grimmig nach vorne geschobenem Unterkiefer – all diese äußerlichen Attribute sind in der augenblicklichen Situation zwar nur bedingt hilfreich, aber sie weisen Dee Major in den Augen seiner ungebetenen Gäste immerhin als erfolgreichen Geschäftsmann mit Geschmack und Beziehungen aus. Wie weitreichend und welcher Natur diese Beziehungen sind, müßte eigentlich das gerahmte, handsignierte und persönlich gewidmete Foto von Frank Sinatra, das hinter dem Musikproduzenten an der Wand hängt, selbst dem dümmsten Zuhälter sofort klar machen.
Vier ziemlich muskulöse Exemplare dieser stolzen Gattung lümmeln nämlich augenblicklich unflätig und respektlos auf seiner schwarzledernen Couchgarnitur herum und fragen sich lauernd, ob der Typ mit den weissen Nasenrändern nicht vielleicht doch heimlich `ne dicke Harley und einen tiefergelegten Camaro in seiner Garage versteckt hält und in Wahrheit nur ein durchtriebener Lude und eiskalter Zocker ist, der in einem Anfall von Grössenwahn versucht, ihnen die renditestärksten Teenie-Pferdchen abspenstig zu machen.
Einer der Typen, der nicht nur so aussieht wie Stefan Raab, sondern auch die selben doof-langweiligen Klamotten trägt und sogar den gleichen eigenwillig-kreativen Zahnarzt zu konsultieren scheint, spult nun schon zum Drittenmal als Sprecher der Gruppe in etwa den gleichen Text ab.
„Ey Alter, ich glaub‘ ich trau‘ dir immer noch nich‘! Du wills‘ doch hier nur irgend `n schwaches Ding abziehen und erzähls‘ uns die Geschichte vom Pferd. Nich‘ ma‘ wenn‘s Knast gab ham unsre braven Mädels gesungen und du wills‘ne echte Schollpladde mit den‘ mach’n? Die könn‘ dir gern wat blasen oder wat geigen, solang du ordentlich löhnst, aber vom Singen ham’se doch keine Ahnung, Mann!“
„Jo, genau,“ assistiert der Bursche mit der Bicolor-Gel-Design-Frisur, „und glaub ja nich‘, dass du mit so’ner schwulen Nummer bei unsern Mädels Freistösse rausholen kanns‘! So läuft das nich‘, Checker! Also wat iss – drückste nu‘ wat ab oda nich‘?“
Dee Major verliert seine Geduld und beschließt, ein wenig auf’s Tempo zu drücken, um die Knilche in ihren Jogging-Anzügen endlich los zu werden. In seiner Rolle als arroganter und mächtiger Mafioso-Produzent läuft er nun zur Höchstform auf. Ganz in bester Marlon-Brando-Manier erhebt er sich gravitätisch aus seinem Ledersessel, stützt vornübergebeugt und mit vorgerecktem Kinn die gespreitzten Arme schwer auf die Schreibtischplatte und mustert seine Gäste finsteren, aber irgendwie gleichgültigen Blickes.
„Meine Herren,“ sagt er dann mit leiser und müder Stimme, „es macht mich traurig zu sehen, dass ihr als Geschäftsleute scheinbar absolute Nieten seid. Ihr gebt euch gerne mit Kleingeld zufrieden? Bitteschön, kein Problem! Ihr kriegt eure Mäuse, kriegt eure Schlampen wieder mit und ich mach das große Geschäft mit den Albanern oder mit freischaffenden Mädels! Habt ihr überhaupt die leiseste Ahnung um was es hier geht? Wisst ihr, dass die erste international erfolgreiche deutsche Girlgroup, die NO PIMPELS, schon im ersten Geschäftsjahr fünfundzwanzig Millionen Euro eingespielt haben? Und glaubt mir, keine von den Weibern in dieser Gruppe kann wirklich singen!
Also, Jungs, ihr entscheidet euch jetzt sofort und auf der Stelle, welche Option euch lieber ist. Haben wir uns verstanden? Und ganz egal, wie ihr euch entscheidet, ich möchte auf jeden Fall, dass ihr euch anschließend mit euren zwar vielleicht vollkorrekten, aber leider verdammt häßlichen, elektrostatischen Nike-Turnschuhen zügig aus meinem Studio entfernt und mir nicht weiter die empfindliche Elektronik hier durcheinander bringt. Ihr habt genau zwei Minuten!“
Die wackeren Jungs aber brauchen höchstens zehn Sekunden für ihre Entscheidung; genau so lang wie es eben dauert, bis vier Menschen mit identisch gelagerten Interessen vielsagende beziehungsweise eindeutige Blicke miteinander getauscht haben. Und Dee Major ist froh, dass er keine drei Minuten später endlich die verdammte Zigarre wieder ausmachen kann. Das Bild des lässig grinsenden Frankie-Boy lässt er allerdings aus absolut niederen Beweggründen vorerst noch über seinem Schreibtisch hängen.

Als Major nach einer kleinen intranasalen Erfrischung in den Regieraum zurückkehrt, bietet sich ihm ein Anblick, der ihn ungemein erheitert. P.C.Winword sitzt schweißüberströmt, mit hochrotem Kopf und stocksteif aufgerichtetem Oberkörper auf dem Coproduzenten-Sofa. In seinen Augen, die wegen der beschlagenen Brillengläser nur teilweise zu sehen sind, liegt ein Ausdruck purer Not und Verzweiflung.
Zwei hübsche, spärlich bekleidete Mädels haben den schmächtigen Texter von beiden Seiten so in die Zange genommen, dass er noch dünner und länger aussieht als er ohnehin schon ist. Die eine krault seine feucht glänzende Halbglatze, presst ihm eine ihrer strammen Brüste wie eine Faust in die knochige Seite und flüstert ihm dabei etwas in’s Ohr, vermutlich ein ausgewachsen obszönes, unsittliches Angebot. Das andere Mädel hat eines ihrer langen, wohlgeformten Beine über seine zitternden, fest aneinander gepressten Knie gelegt und greift ihm gerade zielbewußt und mit routinierter Hand an den Hosenlatz.
Dee Major klatscht laut in die Hände und macht ein strenges Gesicht.
„Also, Kinder, auf geht’s. Erst kommt die Arbeit, dann das Vergnügen. Jeder ernst gemeinte Versuch, die Entscheidungen der Juroren handgreiflich zu beeinflussen, wird zwar dankbar angenommen; ob es euch für die Endauswahl was bringt, das ist allerdings völlig ungewiss. Also, wenn ich bitten darf, meine verehrten Damen....“
Die beiden Mädels machen ein Schmollmündchen und stöckeln mit provokativem Hüftschwung in den Aufnahmeraum zu ihren Kolleginnen und Mitbewerberinnen zurück. P.C. Winword, der lebensbedrohlichen Umklammerung endlich ledig, sinkt mit einem Gefühl unendlicher Erleichterung langsam in sich zusammen, bis sein Oberkörper wieder die gewohnte, bucklig-krumme Haltung eingenommen hat. In dem Raum hinter der schalldichten Glasscheibe tummeln sich nun zwölf kichernde Girlies, die zwar alle naturgeile Nutten sind und auch so aussehen, aber genauso aufgeregt und albern durcheinander schnattern wie ein Haufen Klosterschülerinnen vor einer Tanzstunde, an der zum ersten mal auch Jungs teilnehmen dürfen.
Dee Major schnappt sich dasTalkback-Mikrophon und gibt seine Anweisungen. Winword glotzt nun unverholen lüstern aus dem Schutze des abgedunkelten Regieraumes mit meterlangen Stielaugen durch die Scheibe und fühlt sich wie der weise Kalif Harun Machmit al-Onani, der bekanntermaßen lieber heimlich seine Haremsdamen durch Löcher in den Wänden beim Duschen belauerte, als sich auf irgendwelche heterosexuellen Experimente einzulassen. Behutsam tastet P.C. in seiner Hosentasche nach den kleinen, blauen Pillen, die ihm heute in möglicherweise unausweichlichen Situationen als einzige buchstäblich die Stange halten würden. Aber, so gründlich er auch mit vor Aufregung feuchten Fingern seine Tasche durchsuchen mag, da sind keine Pillen mehr! Alles, was er zutage fördern kann, sind ein paar winzige, blaue Krümelchen, undefinierbare Schmutzbrösel und jede Menge bläulich eingestaubteTextilfussel.
Das wirft den Texter samt seiner Libido natürlich sofort gnadenlos weit zurück – zurück bis zu dem Schreibtisch im Büro, wo die Cognac-Flasche ohnehin schon die ganze Zeit geduldig und siegesgewiß auf ihn gewartet hat.

Nun beginnt die dramatische Phase der Popgruppen-Genesis, die letzte und endgültige Auswahl der geeignetsten Talente. Um Zeit zu sparen, entscheidet sich Dee für eine etwas aus der Mode gekommene Produktionsweise, nämlich die bewährte Mehrspur-Synchron-Aufnahme-Technik.
„Hey, P.C., geh doch mal `rüber zu den Weibern und stell noch mal sechs Mikros mit Stativen auf. Dann gib jeder einen Kopfhörer und vergiß nicht, die Kabel anzuschließen, ok?“
Der Texter folgt ängstlich und angespannt diesen Anweisungen. Wer betritt schon freiwillig einen Raubtierkäfig? Major justiert derweil die Regler der Mischpultkanäle und schaltet dann sein Regie-Mikro ein.
„Wie sieht’s aus Kinder, könnt ihr mich jetzt alle hören?“
Die Mädels nicken unter ihren Kopfhörern oder halten einfach die Daumen hoch. Alle zwölf Grazien sind spätestens jetzt hochgradig aufgeregt und hibbelig.
„Also, meine Schönen, die Sache ist ganz einfach. Den Titel, zu dem ihr singen sollt, den kennt ihr alle bereits, wie wir festgestellt haben. Jede von euch kriegt jetzt noch’n Zettel mit dem Songtext in die Hand, für den Fall, dass ihr ihn schon wieder vergessen habt. Wenn die Musik läuft, dann hört ihr sie nur in euren Kopfhörern, also die Dinger erst abnehmen, wenn ich euch das sage, klar? Die ersten vier Takte sind das Intro, dann fangt ihr an zu singen. Wer nich‘ weis, was‘n Intro is oder wer mit dem Taktezählen nich‘ klar kommt, der guckt einfach durch die Scheibe zu mir her! Ich geb‘ euch dann ein Zeichen für euren Einsatz. Singt gefälligst laut und deutlich, sonst hört man nacher nix auf dem Band, habt ihr verstanden? Und vergesst nicht zu moven, das ist genauso wichtig wie das Singen, Mädels. Tanzt, bewegt euren Arsch, macht meinetwegen einen guten Strip oder `nen geilen Tabledance. Zeigt, was ihr drauf habt, meine Süssen! Ok dann? Und los geht’s!
Major startet den Recorder, zählt wie ein Dirigent mit den Händen die vier Takte Einleitung vor und gibt das Zeichen zum Einsatz. Vorsichtshalber stellt er eine Sekunde vorher noch die Monitore leiser, um den zu erwartenden psychoakustischen Schock für Mensch und Material abzumildern.
Dann drücken Winword und Major ihre Nasen an die Scheibe des Regieraums und beobachten die Sängerinnen, um sich auch gleich einen optischen Eindruck davon zu verschaffen, welche Showqualitäten und Bühnentauglichkeit die Girls besitzen. Schon nach einer Minute weis P.C. natürlich nicht mehr, wo er mit seinen lüsternen Stielaugen zuerst hingucken soll. Der Gesangspart läuft derweil erwartungsgemäß deutlich weniger professionell ab und klingt streckenweise von >harmonisch gewagt< über >voll daneben< bis hin zu >einwandfrei kakophonisch<.
Das macht aber nix, denn als der Song nach drei Minuten zu Ende ist, haben dafür etliche der schwer atmenden Sängerinnen außer ihren Tatoos und Stilettos nichts mehr am Leib, was als Kleidungstück zu bezeichnen wäre. Dee Major reibt sich erfreut die Hände und P.C. Winword seine brennenden Augäpfel.
„Das war für’s erste schon ganz anständig, Mädels. Wir machen den ganzen Take jetzt noch zwei mal gleich hintereinander, damit ihr richtig warm werdet!“
Bei diesen Durchläufen schaltet Dee Major der Reihe nach jedes der Mikrophone für kurze Zeit auf Solo-Wiedergabe, um die Gesangsstimmen einzeln beurteilen zu können. Dabei stellt sich heraus, dass zwei der Damen nur eine Art rudimentären Sprechgesang in einer gänzlich unbekannten Tonart anbieten und weitere vier der Mädchen erstaunlich konsequent entweder den Rhythmus mißachten, die Tonart oder gleich beides zusammen.
Da in solchen Fällen der Aufwand an Zeit, Technik und Knowhow enorm groß ist, verzichtet Dee in der Regel möglichst auf eine Zusammenarbeit mit unmusikalischen Sängern. Ausnahmen bilden da höchstens singende Spitzensportler, Schauspieler, Kabarettisten und potente Barzahler, letztere allerdings nur gegen Vorkasse.
Die Qualität der Gesangsstimmen der sechs verbliebenen Künstlerinnen lässt zwar ein wenig zu wünschen übrig, aber Major ist mit seiner Ausbeute einigermaßen zufrieden. Die kleinen Unzulänglichkeiten lassen sich mit Hilfe der Digitaltechnik und entsprechend ausgeklügelter Computersoftware schnell und unauffällig gerade biegen. Damit war die Audition eigentlich gelaufen. Major stoppt aufatmend den Recorder und schnappt sich das Talkback-Mikrophon.
„Das war echt cool Mädels, echt super! Wir machen jetzt mal ne kleine Pause, Kaffee und Cola und so gibt’s hinten in der Küche an der Bar. Wenn ihr was braucht, dann wendet euch vertrauensvoll an P.C., meinen Assistent-Engineer. Aaaah – da wär noch `ne Kleinigkeit! Also – äh, Lolita, Britney, Babydoll, äh – Dilda, richtig? Ornella und äh – du da, die Madonna im Lederoutfit, wie heißt du gleich? Ah ja, und Domina Burana, ihr sechs bleibt bitte noch `ne Minute hier im Aufnahmeraum. Ich komm‘ dann gleich `rüber zu euch, wir müssen kurz noch was besprechen, ok?“
Der Assistant-Engineer P.C. Winword ahnt bei den letzten Worten seines Auftraggebers sofort wieder Schlimmes.
Nicht ohne Grund nämlich erfolgt die Bekanntgabe der Auswahlergebnisse diverser Auditionen vorzugsweise schriftlich und auf dem Postweg, aber Dee Major will Zeit und Geld sparen. Außerdem kann er Briefe jeglicher Art ohnehin nicht ausstehen, weil er weder vernünftig lesen noch schreiben kann; so wie die meisten seiner erfolgreichen Kollegen aus der Unterhaltungsbranche übrigens.
Jedenfalls handelt der Schlagerproduzent ein wenig unbedacht, um nicht zu sagen unprofessionell, als er kurz entschlossen in den Aufnahmeraum hinübergeht und den erwartungsvollen Mädchen in geschäftsmässigem Tonfall mitteilt, dass sie den Sängerkontest leider nicht bestanden haben und deshalb am besten sofort wieder nach hause oder zu ihren Luden zurück gehen sollten. Dass professionelle Nutten allerdings so überraschend viel echtes Temperament und ungezügelte Leidenschaft freisetzen können, damit hat er wahrscheinlich nicht gerechnet.
P.C. Winword jedenfalls, in seiner ständigen Eigenschaft als heimlicher Chronist und Beobachter, steht wie angewurzelt vor der Scheibe im Regieraum und beobachtet fasziniert und mit wachsender Begeisterung, wie sich sechs ausgerastete Amazonen die waffenscheinpflichtigen Pumps von den Füssen reißen und mit den bleistiftdünnen Absätzen wütend auf den Kopf des Produzenten einhämmern, bis ihm das Blut in den schmierigen Kragen läuft. Dabei belegen sie ihn kreischend unablässig mit bis dato größtenteils unerhörten Schimpfworten und schmutzigen Beleidigungen; so unerhört, dass P.C. geistesgegenwärtig den Multitrack-Recorder wieder startet, um diese beeindruckenden Wortschöpfungen zu konservieren und später in aller Ruhe literarisch auswerten zu können.
Nur durch eine beherzte Flucht zurück in den Regieraum kann Dee Major sich und seine Birne vor größeren Schäden bewahren. Während ihm P.C. hinter verriegelter Türe erste Hilfe angedeihen lässt und mit schadenfrohem Grinsen etliche Heftpflaster auf die lädierte Halbglatze klebt, schnappen sich die sechs so ungalant gefeuerten Damen ihre Pelzmäntel und verlassen wutschnaubend das Tonstudio, allerdings nicht ohne heimlich vorher noch einige von Majors teuersten Kondensator-Mikrophonen in ihren Handtaschen verschwinden zu lassen.
„Oh Scheisse Mann, die Schlampen war’n aber echt voll sauer, was? Wer hätte denn gedacht, dass die gleich so ausrasten! Na ja, Hauptsache, wir sind die schnell los geworden, wenn auch nicht ganz schmerzlos,“ grinst Dee leicht gequält seinen Librettisten an. „Dafür beginnt jetzt dann für uns beide der interessantere Teil des Abends, alter Freund. Die anderen sechs Weiber sind nämlich logischerweise ganz anders drauf und diese kostenlose Ernte, die werden wir heute nacht noch genüßlich einfahren, das verspreche ich dir. Man braucht wohl nicht besonders viel Fantasie, um sich auszumalen, auf welche Art eine Nutte am besten ihre Dankbarkeit gegenüber einem Mann ausdrückt, oder?“
Dee Major lacht schmutziger als je zuvor und den Textdichter befällt erneut abgrundtiefe Panik. Seine edle, aber scheue Dichterseele will und kann einfach nicht verstehen, warum sich letztlich alles in dieser Welt immer nur um das EINE dreht. Noch bevor er diesen trostlosen Gedanken in Worte fassen kann, öffnet sich langsam die Türe zum Aufenthaltsraum und sechs pudelnackte, scharfe Weiber mit ausgeprägten anatomischen Geschlechtsmerkmalen und knallrot geschminkten Lippen betreten verführerisch lächelnd die Regie. P.C.‘s sublimierter Fluchtreflex manifestiert sich in Form eines unverzüglich einsetzenden Dauerschluckaufs und auch Dee Major fährt ein kleiner Schreck durch die Glieder, weil er sich buchstäblich noch keineswegs im Stande fühlt, ungeniert offenen oder handfesten oder gar oralen weiblichen Dankbarkeitsbezeugungen mit gebührend aufrechtem Mannesstolz zu begegnen, von der erdrückenden Überzahl solcherweise zu Dank bereiten Damen ganz zu schweigen. Mit Winwords Hilfe ist in solchen Situationen erfahrungsgemäß ohnehin nicht zu rechnen, also bleibt dem Schlagerproduzenten nur die Flucht nach vorne. Er muss unbedingt etwas Zeit gewinnen, um sich angemessen für so einen Ansturm pharmakologisch präparieren zu können. Früher, als die Weiber noch einen Funken Schamgefühl hatten, da war das alles noch aufregend, aber heutzutage, mit diesen emanzipierten jungen Zicken, die ständig ungefragt und überraschend irgendwelche Initiativen ergreifen, da kommt selbst der abgebrühteste Callboy, Sexgangster oder Macho-Hurenbock erheblich in’s Schleudern! Verkehrte Welt, denkt Dee Major, setzt sein coolstes Playboy-Party-Grinsen auf und quatscht wie immer einfach drauflos.
„Ohlala, was haben wir denn hier für Leckerpacketchen? Das ist aber eine nette Überraschung von euch, Mädels, das muss ich schon sagen. Feste soll man feiern, wie sie fallen, und wir haben allen Grund für eine kleine, intime Feier, will ich meinen. Immerhin werdet ihr in Kürze die Charts der Musiksender stürmen und Viva und MTV werden sich um eure Videos reissen! Ihr werdet alle reich und berühmt werden, schön seid ihr ja sowieso schon. Allerdings muss ich euch noch um `nen Augenblick Geduld bitten, Kinder. Der Job ist noch nicht ganz zu Ende, P.C. und ich müssen noch schnell ein paar wichtige Kleinigkeiten erledigen, Archivierung, Datensicherung und so’n Kram. Also, wir verschwinden schnell für zehn Minuten im Büro. Holt euch inzwischen noch was zu trinken, meine Süssen. Ach ja, fast hätt‘ ich’s vergessen – hier is’n Tütchen Koks für eure hübschen Nasen und in dem Döschen da hinten findet ihr was zum Kiffen, falls gewünscht. Alles klar?“
Natürlich war für die Mädels jetzt alles klar.
„Na gut, ihr beiden Prachthengste,“ raunt eine dunkelhaarige Sexbombe mit rauchiger Stimme, "„aber lasst uns nicht so lange warten!“
Unmißverständlich und provokant streckt sie ihre gewaltigen Brüste heraus, deren aufgerichtete Nippel drohend wie dunkle Revolvermündungen auf den blassen, schwitzenden Textdichter gerichtet sind. P.C. würde am liebsten sofort aus dem Studio türmen, denn der Rückzug in’s Büro wird ihn nur vom Regen in die Traufe bringen; spätestens dann, wenn Major entdeckt, dass seine Potenzpillen verschwunden sind.
Erwartungsgemäß dauert es nur wenige Sekunden, bis der cholerische Produzent diesen Umstand entdeckt. Mit wutverzerrtem Gesicht reißt er sämtliche Schreibtisch-Schubladen auf und durchwühlt sie hastig. Schließlich rastet er aus.
„Gottverdammte Scheiße, welche linke Drecksau hat mir meine Pillen geklaut, hä? Das gibt’s doch gar nicht, ich weiss genau, dass ich das Fläschchen hier auf den Tisch gestellt habe. Hey P.C., wenn das ein kleiner Scherz von dir sein sollte, Alter, dann ist er dir hiermit voll gelungen. Aber jetzt rück‘ verdammt nochmal die Pillen wieder `raus, bevor ich dir die sexbesessenen Weiber auf den Hals hetze, du verklemmter Flachwichser!“
Das ist eine entsetzliche Drohung, aber P.C. kann seine Sabotageaktion weder eingestehen noch rückgängig machen. Also legt er im Ton der Entrüstung sofort eine falsche Fährte.
„So ein kompletter Unsinn, warum soll ich denn deine blöden Pillen geklaut haben? Wenn du mich fragst, dann waren das diese linken Zuhälter, als sie bei dir im Büro herumgehangen sind. Das liegt doch auf der Hand, oder?“
Normalerweise hätte selbst eine derart plausible Schuldvermutung nicht ausgereicht, um seinen Arsch vollständig aus der Schußlinie des tobenden Schlagerproduzenten zu retten, aber der Zufall kommt ihm wieder einmal zu Hilfe.
Jemand läutet plötzlich Sturm an der Eingangstüre zum Studio. Major aktiviert die Überwachungskamera und starrt erst ungläubig und dann feindselig auf den kleinen Bildschirm.
Draußen vor der Türe haben sich tatsächlich die abgewiesenen Nutten mit ihren bösartig drein blickenden Luden versammelt. Das waren genau die selben ungezogenen Kerle, die vor Stunden schon in Dees Büro herumgelungert waren und ihm nicht nur die Zeit, sondern auch noch sein Viagra-Fläschchen gestohlen haben! Außer sich vor Wut brüllt Major in das Mikro der Gegensprechanlage.
„Was wollt ihr denn schon wieder hier, ihr verfluchtes Rattengesindel! Ihr habt mich schamlos beklaut, ihr hinterfotzigen, ehrlosen Drecksäcke!“
Die Mädels, welche aus Rache Majors teure Mikrophone gestohlen haben, werden bei diesen Anschuldigungen sofort unruhig und versuchen, die verblüfften Luden beschwichtigend von der Türe wegzuziehen. Der überforderte Lautsprecher der Sprechanlage scheppert und kreischt unter dem Ansturm von Majors erneutem Gebrüll.
„Und glaubt bloß nicht, dass ich so dämlich bin, die von euch bestochenen Bullen vom nächsten Polizeirevier anzurufen! Das könnte euch so passen! Wisst ihr, was ich tun werde, ihr Diebesgesindel? Ich werde die FAMILIE verständigen, habt ihr gehört? Wenn ihr nicht innerhalb einer Minute von meiner Türe verschwunden seid, werdet ihr schon merken, was es heißt, sich mit der FAMILIE anzulegen!“
Dann gibt die Sprechanlage mit einem kläglichen Piepston ihren Geist auf. Erstaunt beobachtet P.C., wie der schrille Haufen den geordneten Rückzug antritt. Kaum zu glauben, aber der Mob ist tatsächlich auf diese völlig aus der Luft gegriffene Drohung Dee Majors hereingefallen!
Für die Dauer einer Minute zeigt die Kamera nur den verwaisten Gehsteig vor der Tür, dann erfasst die Optik die einsame Gestalt eines Mannes, die sich zielstrebig nähert. Der Kerl trägt eine oberbayrische Trachtenjoppe und auf dem Kopf anstelle eines Filzhutes einen großen, dick gepolsterten Kopfhörer.
„Servus, Burschen, i bin’s, der Hinterlader Hansi! I hob mein letzd’n Zug nimma derwischt und a Geld für’s Hotel hob i a koans dabei. I muaß jetz bei eich übanacht’n, vastäht’s mi!“
„Mensch, der Hansi,“ ruft P.C. arglos und drückt auf den Knopf des Türöffners, bevor Major das verhindern kann.
„Du Idiot, wieso lässt du diesen Dödel einfach so rein?“
P.C. versteht diesen Vorwurf nicht.
„Ja, aber, wieso denn nicht?“
„Wieso? Deshalb, du blödes Rindvieh,“ antwortet DeeMajor resigniert und öffnet einen spaltbreit die Bürotüre zum Regieraum, den Hansi gerade von der gegenüberliegenden Seite her betritt.
Unter den kichernden Mädchenstimmen kehrt zunächst verblüfftes Schweigen ein, dann erschallt ein beinahe hysterischer Aufruf.
„Mensch Kinder, ich glaub ich werd verrückt! Seht ihr denn nicht, wer das ist? Das ist doch der Hansi Hinterlader!“
„Wahnsinn! Hansi, Hansi – oh Gott, ist der süß!“
Sechs splitterfasernackte Prachtweiber stürzen sich kreischend auf den verdutzten Schlagersänger und reissen ihm unverzüglich die Lederhose herunter
„Wow Mädels,“ sagt dann eine der Damen ehrfurchtsvoll, „jetzt seht euch bloß mal diese unglaubliche Teil an. Habt ihr schon mal so `nen Hammer geseh’n?“

Und während im Regieraum anschließend stundenlang und unermüdlich der große Tanzbär steppt, sitzen P.C. Winword und der Komponist Dee Major schweigend im Büro, tun so als wär nichts und versuchen diskret zu vermeiden, dass sich ihre Blicke begegnen. Der eine nuckelt erleichtert an seiner Schnapspulle, der andere streut geduldig komplizierte Mandalamuster aus Kokainpulver auf seine Schreibtischplatte und schnupft sie von Zeit zu Zeit wieder weg.

Keiner von Beiden verspürt auch nur die geringste Lust, nach nebenan in den Regieraum zu gehen, um wenigstens ein bißchen beim Hoolahoop zuzugucken.

 

Na ja, kurze Texte, so scheint mir, werden hier genauso wenig gelesen, es sei denn, man ist etablierter Monsterposter. *Lol*

Die Satire war quasi eine Spontanreaktion auf die Produktion "Deutschland sucht den Superstar", und da ich aus der Musik-Branche bin, weiss ich, dass es da gelegentlich mehr als ordinär abgeht. Trendy zu schreiben war übrigens gar nicht meine Absicht.

Allerdings ist mir nicht ganz klar, wie ich die Nutten-Gang durch ein Wortspiel ersetzen könnte - mit den Mädels steht und fällt doch der ganze Plot.

Danke schön für's Lesen und Kommentieren. Ich weiss das zu schätzen; der Text ist wirklich verdammt lang!

Gruß Cantalupo

 

auch wenn ihn, seiner Länge wegen, kaum jemand lesen wird.
Dann will ich nur mal sagen, daß mir der Text nicht zu lang war. Ich hab ihn zwar gelesen, aber er sagt mir nicht dermaßen zu, daß ich helfen wollte, ihn zu verbessern, und er regt mich auch nicht so auf, daß ich mich aufregen müßte.
Kurzum: Eine Geschichte, die bei mir bestenfalls ein Schulter- und Augenbrauenzucken hervorruft, danach ein Klicken auf die Maus, zur nächsten Geschichte.

Tut mir Leid, aber ich wollte da auch keine Mißverständnisse entstehen lassen. - Es werden viele Geschichten trotz solcher Länge gelesen und kommentiert...

Das Thema hättest Du vielleicht besser rübergebracht, wenn Du als Protagonistin eine Frau gewählt hättest, der es tatsächlich um Anerkennung einer künstlerischen Leistung geht und die mit all dem nicht gerechnet hat... - Nur so als Vorschlag.

Liebe Grüße,
Susi :)

 

Na ja, ich geb's ja zu, es ist nicht eine von meinen besten Geschichten. Dass sie vor allem bei den Damen auf wenig Wohlgefallen stösst, ist mir auch klar. Aber wie gesagt, die Macher in der Branche sind meist profane Menschen.

Schönen Dank für deine Meinung, Susi.
Grüße
Cantalupo

 

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