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Der Tragödie letzter Teil

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09.08.2006
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Der Tragödie letzter Teil

So sehe ich die Normalität heute: Eine Illusion. Ein dünnes Seidentuch gespannt über einen bodenlosen Abgrund des Wahnsinns. Nicht einmal das – denn ein Tuch, wie dünn auch immer, ist doch wirklich. Normalität ist eine Übereinkunft, eine Einbildung, ein Name – nichts als Rauch und Schatten.
Normalität ist vor allem eine Frage der Perspektive.

Die dumpfen Stimmen in meinem Kopf verrauchen, als ich erwache und ich weiß, dass ich allein bin. Mein Körper ist ganz Schmerz, mein Geist auf Tod getrimmt.
Doch ich lebe noch. Das spüre ich. Ich spüre es brennend, als ich graue Asche und schwarzen Ruß aushuste und ausspucke. Ich reibe mir die tränenden Augen, das Ergebnis: Sie brennen nur noch heftiger. Zu viel Ruß an meinen Händen.
Heftig fühle ich, wie mein Herz mir den Lebenssaft durch Venen und Arterien hämmert. Hör doch auf, denke ich, es hat sowieso keinen Sinn mehr.
Trägheit in allen Gliedern. Mir ist, als habe mich jemand mit rostigen Nägeln am Boden festgeschlagen.
Doch es hilft nichts: Ich muss irgendwie auf die Beine kommen. Als ich es endlich geschafft habe, kommt es mir vor, als sei ich gerade einen Marathon gelaufen.
Scheint, als hätten meine Augen alle Tränen vergossen, langsam klärt sich mein Blick. Ich sehe: Schwarz und aufgeplatzt sind die Wände des kleinen Raumes; Asche segelt zu Boden.

Szenen des Kampfes – Schlaglichter des Todes. Sie überraschen uns: Walther sieht aus dem Fenster, Janine steht direkt bei der Tür, ich in der Mitte des Raumes. Ich halte die Karte.
Neues Bild: Die Tür fliegt auf, Auftritt der Infizierten – ein Knäuel aus kalten schlagenden Gliedern.
Schüsse, Schreie, es fließt Blut. Dieses Stöhnen und Ächzen. Sie hauen ihre Nägel und Zähne in Walthers Glieder, ich falle. Donner und Feuer zerreißen alles.

Ich lehne an der Wand. Ja – da liegt Walther. Er hat die Viecher immer „Vampire“ genannt. Jetzt liegt er zwischen zweien von ihnen. Er hat die beiden erwischt – dann haben sie ihn erwischt.
Er sagte immer, er würde es nicht ertragen können, als Infizierter herum zu irren. Er muss es nicht. Hat sich noch rechtzeitig das Hirn heraus gepustet, es klebt dort hinten an der Wand, rutscht langsam runter.
Das Widerliche ist – ich kann den Anblick nicht mal schlimm finden. Hier mein bester Freund auf dem Boden, da sein Hirn an der Wand. Und ich fühle mich nur – wie altes Laub.
Wo ist Janine? Sie liegt nicht hier – ergo: Sie ist jetzt eine von denen. Diesmal versetzt es mir einen leichten Stich. Einen zu leichten Stich. Das Leben ist so abstoßend.
Ich schaue durch die zerbrochene Fensterscheibe nach draußen. Das Licht der Sonne ist milchig gelb, Gott hat die Sparlampe rein gedreht. Grauer Beton, ausgebrannte Autowracks, da liegt die Leiche einer Frau – ein Kopftuch verdeckt ihren zerschmetterten Kopf, nur hier und da quillt etwas hervor, das entfernt nach verschimmelter Götterspeise aussieht.
Wenn ich es mir recht überlege, sah es in diesem Viertel auch bevor es damals anfing nicht groß anders aus. Die Feuer haben hier kaum gewütet, deshalb bin ich ja jetzt hier: Wir waren auf Nahrungssuche.
Früher war das hier ein Problembezirk, heute ist es eine Goldgrube.

Die ersten Berichte im Fernsehen. Wir kennen die Ursache: Eine amerikanische Forschungsanstalt ist hoch gegangen. Die Chinesen waren es. Die Islamisten waren es. Die Russen waren es. Gott selbst war es.
Am Abend des ersten Tages: Es waren doch die Islamisten. Aber ich möchte wetten, dass Gott ihnen geholfen hat.
Am zweiten Tag: Der Innenminister diskutiert in einer Quatschsendung, ob es ethisch vertretbar sei, auf einen Infizierten zu schießen. Würde des Menschen. Leben gegen Leben abwägen. Und überhaupt: Dürfte die Bundeswehr für einen solchen Zweck im Innland eingesetzt werden?
Am dritten Tag: Bleiben sie zu Hause. Verschließen Sie Türen und Fenster.
Am vierten Tag: Wir kriegen die Lage in den Griff. Es wurde ein Mittel entwickelt, das den Virus tötet, also auch die Infizierten außer Gefecht setzt.
Am fünften Tag: Teile der Infizierten-Population sind offenbar immun gegen das Mittel.
Am sechsten Tag: Kein Fernsehen mehr.

Weit, weit hinten am Ende der Straße kauert ein Vampir an einem Baum. Sein Körper schaukelt gemächlich vor und zurück, er sieht ausgemergelt aus.
Ich darf nicht länger ausruhen. Obwohl es sich anfühlt, als bearbeite jemand meinen Körper mit einer Kreissäge, zwinge ich ihn, sich zu bewegen. Das Unangenehmste sind noch fast die Kopfschmerzen. Als habe man meinen Kopf mit munter hin und her schwappender Salzsäure gefüllt.
Walthers Rucksack: Ich nehme einen Schoko-Riegel – Teil unserer Beute – heraus und beiße hinein. Schmeckt nach Staub.
Es wäre vernünftig, den Rest auch mit zunehmen. Es wäre vernünftig, Walther umzudrehen, um an seine Schrotflinte zu kommen. Aber ich bin nicht vernünftig. Ich bin am Ende, ich bin wandelndes Elend. Der Riegel und meine 44er Magnum werden reichen müssen.
Die drei Stockwerke das Treppenhaus hinab schaffe ich, indem ich am Geländer hinab rutsche. Vorsichtiger Blick die Straße rauf und runter: Alles verödet. Sie sind weiter gezogen. Oder sie schlafen in den Kellern. Sie schlafen die meiste Zeit des Tages. In meinem verdammten Schädel gibt es ein Trommelkonzert wie im Sarg eines lebendig Begrabenen.
Ich schleppe mich die Straße hinunter, für Vorsicht habe ich nicht die Kraft.
Autowrack reiht sich an Autowrack, rechts von mir ziehen Alleebäume vorbei. Ihre Blätter beginnen gerade zu wachsen. Es ist Frühling. Was für eine scheiß Jahreszeit, was für eine gottverdammte Parodie auf Hoffnung und Neubeginn.
Mir fällt der Refrain eines Liedes ein: Kling, Klang du und ich – die Straßen entlang. Von wem war das noch mal? Mir egal, ich habe das Lied sowieso nie gemocht.
Schließlich stehe ich vor der toten Frau mit dem Kopftuch. Ich lege den Kopf schräg, schaue sie an. Ich überlege, ob ich etwas sagen soll. Ob ich etwa schreien soll: Wer hat euch Moslems eigentlich ins Hirn geschissen? Was habt ihr euch bei dem Mist gedacht?
Dann könnte ich ein wenig manisch lachen und…
Ich entscheide mich dagegen. Was soll ich meine Energie verschwenden? Mein Kopf bringt mich jetzt schon um, also weiter, Kling, Klang… Es ist ärgerlich, wenn man feststellen muss, dass man langsam irre wird. Jetzt will ich wirklich lachen, doch davon hält mich ein Gefühl ab, das jemand haben muss, dem ein kleiner Mann die Kehle von innen mit Schmirgelpapier bearbeitet und es bleibt beim krampfhaften Husten. Wieder spucke ich Ruß aus, diesmal ist auch ein wenig Blut dabei.
Ich überquere eine Kreuzung, klettere mit Mühe über die zusammengepressten Reste eines Toyota und frage mich zum ersten Mal, was ich eigentlich vorhabe. Klar, ich muss mich irgendwie orientieren und hoffen, dass ich es zurück zum Lager schaffe. Der Boss dürfte zwar nicht gerade erfreut sein, dass ich nichts Essbares mitgebracht habe, aber hey, immerhin sind zwei Drittel unserer Gruppe ausgelöscht worden… Wieder stößt es mich ab, wie leicht ich den Tod der beiden nehme. Okay, der Schock und außerdem ist es heutzutage eher eine Überraschung, wenn man am Abend noch lebt, aber trotzdem…
Ein heiseres Fauchen in meinem Rücken lässt mich herum fahren. Der Vampir, den ich etwa fünfzehn Meter von mir entfernt entdecke, ist kein schöner Anblick, er muss schon eine ganze Weile zu denen gehören: Das Fleisch an seinem Kopf ist bereits weitgehend abgefault, die ausgetrockneten Augen haben sich zu kleinen Rosinen zusammen gezogen. Er hat eine gebeugte Haltung eingenommen, als wolle er einen Urmenschen darstellen – sein Rücken ist zerfetzt, sodass seine Wirbelsäule frei liegt.
Ich kann sehen, wie sich die dünnen Sonnenstrahlen in den scharfen Kanten des Metallrohrs widerspiegeln, das er über dem Kopf schwingt. Dann stürmt er auf mich los, wobei seine deformierten Füße auf dem Bürgersteig ein abartiges Flatschen verursachen.
Die Welt um mich bewegt sich nur noch mit lähmender Langsamkeit. Ich habe zu viel gesehen und erlebt, bin zu ermattet, als dass ich noch wirklich schockiert sein könnte. Nur ein Gedanke ist in meinem Kopf: Er darf dich nicht beißen…
In Zeitlupe nähert sich der Vampir, ich kann sogar sehen, wie dabei die Reste seiner Wangen auf und ab springen. Ebenso langsam fährt meine Hand zu dem Revolver an meinem Gürtel, mein Arm mit der Waffe bewegt sich nach oben – ein Schuss löst sich, kein Knall für mich, nur ein dumpfes, weit entferntes Geräusch.
Die Kugel zerreißt die fleischige Masse, die den Hals der Kreatur darstellt, ein rötlicher Nieselregen erfüllt die Luft. Der Kopf des Infizierten kippt nach rechts weg, sein Körper stürzt nach vorn wie ein gefällter Baum.
Als der Kopf das harte Pflaster trifft, zerplatzt er wie eine Wassermelone. Deshalb sind Fahrradhelme so wichtig, schießt es mir durch den Kopf.
Auch das Rohr fällt zu Boden, Kling, Klang…
Das hätte sich in einem Zombie-Film echt gut gemacht, denke ich, schade, dass es kein Fernsehen mehr gibt – dann muss ich mich übergeben, ich kotze auf den Korpus des Infizierten.

Vom ersten Tag an weiß ich, dass der selbsternannte „Boss“ das ist, was man gemeinhin als einen Hurensohn bezeichnet. Schon sein Äußeres scheint es einem verraten zu wollen: Dieser fleischige, kahle Schädel, die kleinen primitiven Augen – der ganze Mann sieht aus wie ein Schwein.
Der unangefochtene Herrscher im Lager – dank ausgeklügeltem Spitzelsystem, Vetternwirtschaft und gelegentlichen Erschießungen „zur Wahrung der Disziplin“. Oft genug habe ich mich gefragt, ob die Wälle, die Gräben, der Stacheldraht und die Maschinengewehre wirklich dazu da sind, die Vampire draußen oder eher uns drinnen zu halten.
Der Boss ist wahnsinnig. Oft schrecke ich aus dem Schlaf hoch, in Schweiß gebadet und wieder mit den Bildern der „Säuberungen“ der ersten Tage vor Augen. Die Flammen…
„Damit dieses Islamisten-Pack uns nicht die Vorräte vergiftet.“

Es ist nicht viel, was ich da auf den Bürgersteig erbreche – schließlich gab es in letzter Zeit auch nicht gerade viel zu essen. Benommen sehe ich mich noch einmal nach allen Richtungen um. Gut, er scheint allein unterwegs gewesen zu sein. Immerhin etwas.
Trotz stetig zunehmender Kopfschmerzen eile ich nun schneller durch die Häuserschluchten – das Erlebnis eben hat mir Beine gemacht, vielleicht haben die Kampfgeräusche auch weitere Infizierte angelockt.
Die Landschaft um mich wandelt sich: Die Häuser zeigen jetzt häufiger die Spuren von Kampfhandlungen. Viele liegen ganz in Trümmern; Wände sind eingestürzt, Dächer weggesprengt. Schutt versperrt stellenweise die Straße, das Vorankommen wird mir immer schwerer.
Doch ich muss weiter. Mittlerweile weiß ich, dass ich – zumindest ungefähr – auf dem richtigen Weg bin.
Etwa zwanzig Minuten später bin ich mir schon nicht mehr so sicher – dieses verfluchte Trümmerfeld sieht einfach überall gleich aus!
Völlig erschöpft lasse ich mich gegen eine schmutzige Hauswand sinken. Mein Atem geht schwer, ich frage mich, ob ich nachher noch aufstehen kann – meine Beine fühlen sich wie etwas an, das definitiv nicht mehr zu meinem Körper gehört. Die Explosion vorhin hätte mir fast das Licht ausgepustet.
Ich sitze im Schatten. Fast überall ist jetzt Schatten. Die Sonne ist aufgespießt auf dem zackigen Horizont der zerstörten Stadt. Sie ist rot. Sie blutet.
Es ist keine gesicherte Tatsache, dass die Vampire nachts aktiver sind. Dass eine Begegnung mit ihnen dann aber deutlich überraschender kommen kann, schon. Es schüttelt mich, mir ist so hundeelend, ich könnte weinen – wenn ich wüsste, was ich zuerst beweinen sollte.
Allein in einer zerbombten, ausgebrannten Stadt zu sein, voller verrottender Gestalten, die alles, aber auch wirklich alles und jeden umbringen, ist eine Sache – wenn man dabei aber noch solche Kopfschmerzen hat, als liege man unter einem Schlagbohrer, dann ist wirklich alles vorbei.
Ich starre auf die andere Straßenseite. Neben einen dunkel klaffenden Hauseingang hat jemand das Wort Zombie! an eine Wand geschmiert. Sehr kreativ, du Wichser.
Was ist das? Hinter einem kleinen Schutthügel mache ich eine Entdeckung. Sieht aus wie eine große Holzkiste – kann das sein?
Neugierde und Überraschung geben mir noch einmal die Kraft mich aufzuraffen. Vampire und abgeschlachtete Kameraden sind für einen Moment vergessen, als ich meine Vermutung bestätigt sehe. Auf der Seite der Kiste prangt der Union Jack, daneben kann ich die verwitterten Reste eines Fallschirms ausmachen. Sie ist noch verschlossen – ein Wunder, dass die noch keiner gefunden hat!
Während ich im Schutt nach etwas suche, dass ich als Brechtstange verwenden kann, erinnere ich mich, wie ich die Dinger in den ersten Wochen nach der großen Katastrophe vom Himmel segeln sah. Irgendwann hörte es dann auf – was müssen die Briten überrascht gewesen sein, festzustellen, dass die Infizierten doch Gewässer überwinden können!
Ich habe mich einer rostigen Eisenstange bemächtigt; die bringt prompt die Erinnerung an den Vampir von vorhin wieder und damit auch das körperliche Elend – aber nein, davon darf ich mich jetzt nicht aufhalten lassen.
Es gelingt mir, die Kiste aufzustemmen, gierig fische ich eine Dose heraus – Vollkornbrot! Ungeschickt öffne ich die Dose und stopfe mir das Zeug in den Mund. Gut ist es natürlich lange nicht mehr. Und um ehrlich zu sein, schmeckt es auch nach Staub, aber es kommt auf den Fund an sich an.
Aber nun muss ich wirklich weiter. Ich weiß, dass mir die Kraft ausgehen wird, wenn ich jetzt noch länger warte, also noch einmal hoch die müden Knochen.
Wieder schleppe ich mich gut eine halbe Stunde durch die ausgehende Dämmerung und irgendwann ist mir doch klar, dass ich sterben werde. Hat der milde Abendwind mir diese Erkenntnis sanft eingegeben oder war es doch dieses tote Gefühl in meinen Beinen? Meine Augen brennen wie frisch angesteckte Scheiterhaufen. Noch ein paar Minuten und ich breche zusammen.
Es ist eine widerliche Sache, einsehen müssen, dass man nur noch totes Fleisch ist. Dunkel erinnere ich mich einiger Worte, die vielleicht von Marc Aurel stammen, vielleicht aber auch ganz woanders her: Der Mensch ist ein beseelter Leichnam. Ja, Mann…
„He!“
Gerade hatte ich mich entschlossen, aufzugeben, meinen Leichnam auf das schmutzig graue Pflaster stürzen zu lassen, als ich die Stimme höre. Mühsam drehe ich mich um.
Zunächst ist es, als blockiere mein Gehirn – ich kann es nicht fassen. Doch da steht sie, ein Stück die Straße runter, die Totgeglaubte, da steht Janine. Da steht sie, mit einem Ausdruck im Gesicht, der dazu geeignet wäre, meine Verwunderung annähernd auszudrücken.
Ich will etwas sagen – dass ich geglaubt hätte, sie sei von den Infizierten erwischt worden, dass ich froh bin, sie zu sehen, dass wir hier schleunigst verschwinden sollten. Doch ich bringe kein Wort über die Lippen, und das nicht wegen der Überraschung oder der Erschöpfung.
Etwas ist… komisch, ja, höchst bizarr. Die ganze Szene erscheint mir surreal, völlig unwirklich. Und während die letzten Sonnenstrahlen sich langsam aus der Welt zurückziehen und der kühle Abendwind Staub durch die tote Ödnis treibt wird mir bewusst, dass nichts mehr stimmt. Dass mit mir nichts mehr stimmt.
Auch in Janines Gesicht lese ich nun den Schrecken des Erkennens.

Schlaglichter des Todes – die Infizierten Fluten in den Raum. Schreie, Schüsse, es fließt Blut…Durcheinander des Kampfes, glühende Geschosse durchschlagen kaltes verfaultes Fleisch. Walther geht zu Boden sie zerren und reißen ihn nach unten. Reste von Zähnen werden in sein Fleisch geschlagen – ich verliere ihn aus den Augen, als gnadenlose Klauen meine Arme fixieren, hohl klingen meine Schreie in meinen Ohren wider.
Ein Vampir haut mir seine Zähne in die Schulter, ich stürze. Bevor ich das ganze Grauen erfasse, die Explosion, alles wird schwarzer Schmerz.

Herr im Himmel – ich würde Schreien vor Entsetzen, doch damit ist es nun nichts mehr. Etwas anderes verdrängt mein Bewusstsein, lässt keine Panik mehr zu, keine menschliche Regung.
Mein Blick schränkt sich ein, ich sehe nur noch Janine. Sehe sie auf eine viehische Weise, die nicht die meine ist. Ich stürze auf sie zu, reiße das Maul auf –
Wie göttlicher Donner rollt der Knall des Schusses durch die Straße der Totenstadt. Der kurze Moment des Schmerzes ist nichts verglichen mit der Gnade der Auslöschung.

 

Hallo Abdul,

Jepp, und wieder eine von diesen Zombie-Geschichten. Was ist nur los mit den Leuten, dass sie von diesen Visionen nciht genug bekommen?
In Ordnung, jetzt hast du dich also auch mal an eine Version der Resident-Evil-Endzeit-Splatter-gaga-story zum besten gegeben.
Klar, man kann nicht mit jeder kg das Rad neu erfinden. Aber derart abzukupfern finde ich teilweise schon ziemlich dreist. Wobei mehr 28 days later gecovert wird als resident evil. Sei´s drum, die Idee ist schon soetwas von breit gelatscht wurden, wie die klassischen Vampirgeschichten à la Anne Rice, dass es schon einer großartiger Idee bedarf, um sich an solch gängige Visionen ranzuwagen. Zumindest sollte man die haben, wie ich finde, sonst ergeben die Zeilen nur den einschläfernden Code 0815.
Leider wartest du hier auch nicht mit Innovation auf. Die Idee, dass dein Prot selbst ein Infizierter ist (sogar den Namen musstest du mitnehmen), birgt nicht viel Ressourcen in sich. Das war mir schon am Anfang klar.
Auch dein Schreibstil rettet die Geschichte dieses Mal keinesfalls. Er liest sich unentschieden. Teilweise wohl formuliert, dann wieder wild bestückt, ergibt keine Einheit. Es kam für mich kein Lesefluss zustande.
Gelungen finde ich den kursiven Einstieg der Kg. Da habe ich mich auf eine richtig gute Horrorstory gefreut. Der Rest, nun ja...
Nichts für Ungut, das kannst du besser ;)

grüßlichst
weltenläufer

 

Hallo Abdul,

Ja, auch mich hat es nicht wirklich vom Hocker gerissen. Ich kenne den Film "Night Of The Living Dead", den ich schon immer rotz-langweilig fand und fühlte mich beim Lesen deiner Geschichte genauso mitgerissen, wie damals beim filmschauen.
Also die Idee ist ausgelutscht, wie es weltenläufer schon sagte.

Aber dein Schreibstil ist sehr gut, das hat mir gefallen, bis auf den hier:

davon hält mich ein Gefühl ab, das jemand haben muss, dem ein kleiner Mann die Kehle von innen mit Schmirgelpapier bearbeitet und es bleibt beim krampfhaften Husten.
Häää? Das versteh ich jetzt nicht. Also entweder formst du es um, oder benutzt eine andere Metapher.

Bin trotzdem gespannt auf weitere Geschichten von dir.

Gruß
Bantam

 

Hallo Abdul,

So sehe ich die Normalität heute: Eine Illusion. Ein dünnes Seidentuch gespannt über einen bodenlosen Abgrund des Wahnsinns. Nicht einmal das – denn ein Tuch, wie dünn auch immer, ist doch wirklich. Normalität ist eine Übereinkunft, eine Einbildung, ein Name – nichts als Rauch und Schatten.
Normalität ist vor allem eine Frage der Perspektive.
Das ist wirklich gut, aber ein Seidentuch ist immer „dünn“. Ein seidenes Tuch vielleicht? Oder nur: Ein Seidentuch.

Die dumpfen Stimmen in meinem Kopf verrauchen als ich erwache
verrauchen,

Ich spüre es brennend als ich graue Asche und schwarzen Ruß aushuste und ausspucke.
Hier wieder: Temporalsatz mit „als“ gehört abgetrennt.

Gott hat die Sparlampe rein gedreht.
Sehr schönes Bild.

Die ersten Berichte im Fernsehen. Wir kennen die Ursache: Eine amerikanische Forschungsanstalt ist hoch gegangen. Die Chinesen waren es. Die Islamisten waren es. Die Russen waren es. Gott selbst war es.
Am Abend des ersten Tages: Es waren doch die Islamisten. Aber ich möchte wetten, dass Gott ihnen geholfen hat.
Richtig guter Absatz.

Schließlich stehe ich vor der toten Frau mit dem Kopftuch.
Das „schließlich“ raus, ist keine Stelle für einen sauberen Übergang, muss unmittelbarer kommen.

, aber he, immerhin sind zwei Drittel unserer Gruppe ausgelöscht worden…
Hey stat „he“

außerdem ist es heutzutage eher eine Überraschung wenn man am Abend noch lebt
, wenn

In Zeitlupe nähert sich der Vampir, ich kann sogar sehen, wie dabei die Reste seiner Wangen auf und ab springen. Ebenso langsam fährt meine Hand zu dem Revolver an meinem Gürtel, mein Arm mit der Waffe bewegt sich nach oben – ein Schuss löst sich, kein Knall für mich, nur ein dumpfes, weit entferntes Geräusch.
Der Horror in „28 Days Later“ entsteht dadurch, dass die Infizierten sich wie „wild“ bewegen. Damit bedienen sie eine Urangst des Menschen, die vor Raubtieren, und gerade die ist in unserer zivilisierten Zeit durchaus vorhanden.
Dadurch dass du hier nur eines dieser wilden Worte hast „stürmt“ und jetzt schon in die Zeitlupe gehst, minderst du die Situation ab, bevor sie gefährlich werden konnte. Diese „Infizierten“ scheinen mir nicht sehr gefährlich zu sein.

Dass eine Begegnung mit ihnen dann aber deutlich überraschender kommen kann schon.
Das kleine Wörtchen „schon“ bildet den Hauptsatz, an dem der „dass“-Inhaltssatz dranhängt. Denn das „schon“ ist eine Ellipse für „ist im Gegensatz dazu eine Tatsache“, also Komma vor schon.

die alles, aber auch wirklich alles und umbringen,
alles und jeden?

Doch, doch ich fand’s ziemlich gut. Spielt natürlich schon damit, dass der Leser „28 Days later“ gesehen hat und baut praktisch auf diesem Szenario in modifizierter Weise auf. Was mir gut gefallen hat, war die Sache mit den Islamisten und wie es dargestellt wird. Im Verharren auf der Müdigkeit und Ausgebranntheit wurde es ein wenig zäh, das ging mir zu lange, im Nachhinein wird klar, dass es die Pointe war, die da ihren Platz beansprucht, von daher hat es wieder was.
Den Schreibstil fand ich gut und flüssig, die Gedankengänge hatten was. Ich hätte mir nur vielleicht eine richtige Action-Szene gewünscht, die reale Begegnung mit dem Viech wird mir da zu lustlos abgehandelt. Der angedeutete Rahmen mit dem „Boss“, der so ein bisschen Apocalpyse Now verspricht, bleibt leider nur Fassade.

Aber doch: Mir hat es gut gefallen. Wirklich
Quinn

 

Hallo weltenläufer,

Ja, richtig begeistert war ich von der Geschichte, nachdem sie fertig war, auch nicht. Aber nach deiner Kritik weiß ich erst, was sich wirklich nachteilig auf die Geschichte ausgewirkt hat: Ich habe nicht genug Zombie-Filme gesehen.
Nur deshalb konnte ich diese Geschichte wohl schreiben, ohne das mir das Ausgelutschte an ihr selbst auf den Nerv fiel. Resident Evil kenne ich zum Beispiel nicht.

Die Idee, dass dein Prot selbst ein Infizierter ist (sogar den Namen musstest du mitnehmen), birgt nicht viel Ressourcen in sich.
Ist das mit den Infizierten aus "28 Tage später"? Ist schon eine Weile her, dass ich den Film gesehen habe und auch da nur mit einem Auge...
Nichts für Ungut, das kannst du besser
Komisch - was ähnliches dachte ich auch, als ich die Geschichte das erste mal gelesen hatte.
Na ja, dann danke ich für die ehrliche Kritik, freue mich, dass immerhin der Einstieg gefiel und entschuldige mich für den Rest. Da habe ich doch tatsächlich plagiatiert, ohne es zu wissen.


Hallo Bantam,

Also die Idee ist ausgelutscht, wie es weltenläufer schon sagte.
Ich bin ja immer der Meinung, dass Klassiker, wie Zombie-Sachen, nie ausgelutscht sind, wenn man sie ansprechend präsentiert - was mir, deiner Reaktion nach zu urteilen, aber wohl nicht gelungen ist.

Aber dein Schreibstil ist sehr gut, das hat mir gefallen
Danke, danke. Die von dir zitierte Stelle werde ich mir noch mal ansehen. Die Satzkonstruktion ist wohl wirklich suboptimal.

Danke für die Kritik!


Hallo Quinn,

Diese „Infizierten“ scheinen mir nicht sehr gefährlich zu sein.
Na ja, sie haben immerhin die Zivilisation ausgelöscht! :D Nein, ist schon klar was du meinst. Die Action-Szene gefiel mir auch noch nicht - nur wusste ich bisher nicht, woran das lag.
Interessant übrigens, dass auch du an "28 Tage" denkst. Kam mir beim Schreiben wirklich nicht in den Sinn.

Doch, doch ich fand’s ziemlich gut.
Mein Gott, was dürfen meine müden Augen da lesen? Freut mich wirklich, dass die Geschichte doch kein völliger Schuss in den Ofen war.

Spielt natürlich schon damit, dass der Leser „28 Days later“ gesehen hat
Mittlerweile glaube ich es ja selbst... Ha, jetzt habe ich mich ertappt! Ich habe beim Schreiben doch kurz an den Film gedacht! Genauer, an zwei Dinge, die mich bei dem Film unglaublich gestört haben und die ich besser machen wollte: Zum einen gab es, als der Kerl zu Anfang durch London lief, kaum (zerstörte) Autos, die irgendwo herum standen. Zum andern war London relativ intakt, wobei ich davon ausgehen würde, dass bei einer so rasanten Zombie-Invasion an zig Stellen Feuer ausbrechen.
Danke fürs Lesen, danke für die hilfreiche und aufmunternde Kritik und noch einmal für die Fehlersuche.


Gruß,
Abdul

 

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