Der umgekippte Maikäfer
Es war an einem späten Montagvormittag. Ich stand am Beckenrand des städtischen Hallenbades und absolvierte meine Lockerungsübungen. Danach setzte ich mir die Schwimmbrille auf und glitt mit einem Kopfsprung elegant ins Wasser. Um diese Zeit war nicht viel los, ich hatte eine Bahn für mich allein. Gut gelaunt kraulte ich hin und her, meine Muskeln jubilierten, meine Körper freute sich, durchs Wasser zu preschen.
Nachdem ich etwa 500 Meter geschwommen hatte, sah ich eine Frau aus dem Duschraum in die Halle treten. Komm bloß nicht auf meine Bahn, hoffte ich. Die Frau trug einen geblümten Badeanzug. Eigentlich konnte sie noch gar nicht so alt sein, auf um die dreißig, schätzte ich sie, kaum älter als ich. Ein geblümter Badeanzug allerdings ist ein sicheres Erkennungsmerkmal für eine lahme Ente.
Sollte die doch bei der Oma dort vorne auf der ersten Bahn schwimmen. Aber bloß nicht bei mir!
Die Geblümte ging am Beckenrand entlang. Verdächtig näherte sie sich meiner Bahn. Geh woanders hin! Bleib, wo du bist! Oder geh von mir aus ins Planschbecken, da gehört eine lahme Ente doch hin.
Plumps, ließ sie sich mit dem Po auf den Beckenrand fallen, die Beine baumelten im Wasser. Und das alles geschah auf meiner Bahn! Ich hatte es ja geahnt, dass sie mir das antun würde. Ihre blonden langen Haare hingen angeklatscht bis auf die Brüste. Lange Haare! Konnte die sich keine Kappe aufsetzen? Bestimmt löste sich das eine oder andere Haar und ich hatte die Stratzen zwischen den Fingern hängen. Passiert ständig bei solchen Frauen.
Kurz, bevor ich den Rand erreichte, klatschte sie ins Wasser und paddelte los. Typisch! Konnte die nicht warten, bis ich durch bin? Die muss doch gemerkt haben, dass ich schneller bin als sie.
Ich startete ein Überholmanöver. Wusch, und die Geblümte dümpelte hinter mir. Auf dem Rückweg kam sie mir diagonal entgegengewankt. Die Wut in mir begann zu brodeln. Kann die nicht gerade schwimmen?
Beim nächsten Überholmanöver sah ich ihren dicken Po schon von weitem im Wasser schwabbeln. Ich drängte mich an ihr vorbei. Doofe Kuh! Meine beschwingte Laune war dahin. Was für ein scheußlicher Start in die Woche! Die Frau verdarb mir nicht nur den Spaß am Schwimmen, den ganzen Tag versäuerte sie mir. Ach, was rede ich! Die ganze Woche über würde ich an diese tumbe Fregatte denken müssen.
Ein paar Runden weiter hatte Madame den Stil gewechselt. Sie schwamm jetzt auf dem Rücken. Wie ein umgekippter Maikäfer strampelte sie breitbeinig vor sich hin. Meine Güte, das hier ist ein Schwimmbad! Du musst die Beine nicht so weit von dir strecken, als säßest du beim Frauenarzt auf dem Untersuchungsstuhl.
Ich merkte, wie der blanke Hass in mir hoch stieg. Ja, ich hasste diese Person, die es gewagt hatte, in mein Leben einzudringen und mir alles zu verderben. Verflucht, warum tut sie das? Ich ergriff ihr linkes Bein und zog sie unter die Wasseroberfläche. Erschrocken starrte sie mich an. Dabei strampelte sie noch mehr als zuvor. Wie toll versuchte sie, ihren Knöchel aus der Umklammerung zu lösen.
Aber strampele nur! Je mehr du dich verausgabst, desto schneller ist es vorbei.
Die Bewegungen verlangsamten sich und hörten schließlich ganz auf. Ich ließ sie los, schnappte kurz nach Luft und tauchte dann einmal quer durch auf die andere Seite. Ich kletterte aus dem Wasser. Lässig schlenderte ich ums Becken und gesellte mich zu der Menschengruppe, die sich um die Tote gebildet hatte. Ein Bademeister bemühte sich, die Frau wieder zu beleben. Zwecklos.
. Kompliment.
