Was ist neu

Der verirrte Jockey

Mitglied
Beitritt
30.01.2006
Beiträge
5
Zuletzt bearbeitet:

Der verirrte Jockey

Manchmal lasse ich es darauf ankommen. Wenn ich dann mit dem Fahrrad fahre und die Ampel rot wird und Rage Against The Machine läuft, im Walkman oder nur im Kopf, dann fahre ich trotzdem weiter. Es ist nicht so, dass ich mich nicht nach links und rechts umsehe. Doch es ist kein Umsehen im Sinne von Vorsehen, kein Umsehen, das auch Erkennen und entsprechende Reaktionen mit sich bringen soll. Vielmehr ist es Beobachten. Ich bin dann wie gelähmt und beobachte nur was passiert. Ich kann nicht reagieren. Will ich reagieren? All das ist nie geplant und ich habe keine Folgen oder Vorstellungen all dessen im Kopf, im Sinn, vor Augen. Angst ist es nicht und Freude ebenso wenig, kein Nervenkitzel, kein Abenteuer, keine Mutprobe. Wie der Rest ist auch das ein großes Nichts, Lethargie, Stillstand, der aber nicht existieren kann, denn was soll schon still stehen, wenn nicht einmal etwas da ist?

Abends um 11, wenn es schon dunkel ist noch einmal im Wald laufen gehen. Durch die Geschäfte schlendern und etwas einstecken: Joghurt, Schuhcreme, Schampoo, eine Kondolenzkarte. Deine Telefonnummer wählen. Hören. Nichts sagen. In der U-Bahn böse Menschen ansehen, ihre Blicke einfangen, fixieren und von oben bedrohlich anstarren, bis etwas passiert. Aber sie sind es, die zuerst wegsehen, auf den Boden, aus dem Fenster, einfach zur Seite. Es passiert nichts. Es passiert nie etwas. Nicht auf dem Fahrrad, nicht im Wald, nicht im Supermarkt, nicht in der U-Bahn. Es macht alles so unecht, was mich wiederum zwingt es immer und immer wieder von neuem zu versuchen, in der Hoffnung, dass vielleicht doch etwas geschieht, was den konsequenten Weg der Geraden auf der Null-Achse durchbricht, egal in welche Richtung und zu einem Graphen macht, der seinen Verlauf ändert, nach oben oder nach unten, was Hauptsache eine Veränderung bewirkt, diesem elenden Vegetieren in die Quere kommt und es mitreisst, zu irgendetwas, wovon ich keine Vorstellung habe.
Die kleinste Störung, der kleinste Schlag würden schließlich reichen, um zu beweisen, dass da doch noch Existenz ist. Leben. Atmen. Wach sein.

Mein Lieblingsbild von Rene Magritte ist keines der bekannten. Es sind nicht die Männer mit Hüten und Äpfeln im Gesicht, es ist nicht die Pfeife, die keine ist und auch nicht das Haus, dessen Fassade dunkel beleuchtet scheint, dass aber im Vordergrund eines taghellen Himmels steht.
Es ist ein Jockey auf einem Pferd, der zwischen riesigen Bäumen durch eine verschneite Landschaft reitet. Das Pferd rast, der Jockey heizt es mit einem Stock an, rastlos, furchtsam geduckt, getrieben von etwas. Aber da ist nichts. Bis zum Horizont erstreckt sich die verschneite Landschaft, kein einziges Blatt auf den kahlen identischen Bäumen, die weit in den Himmel ragen und deren enorme Größe den Jockey und das Pferd nichtig erscheinen und beinahe verschwinden lässt. Keine der Figuren wirft einen Schatten. Nicht die Idee eines Windhaus berührst einen Ast.
Es muss leise sein dort, kein Laut ist zu hören außer dem wahnsinnigen Galopp des Pferdes, vom Schnee gedämpft. Alles steht still. Nichts bewegt sich. Nur Jockey und Pferd rasen vor etwas weg. Wie ausgeschnitten und eingeklebt passen sie nicht in das Bild, als hätten sie sich verirrt. Doch das hieße, dass es eine Pferderennbahn geben müsste irgendwo. Die gibt es nicht, dass weiss ich genau, die Schneelandschaft hat weder Anfang noch Ende. Endlos ziehen sich die identischen Bäume bis zum Horizont. Das Pferd rast weiter. Der Jockey atmet schnell. Sie hinterlassen keine Spuren.

Nachdem du ans Telefon gegangen bist und dich meldest legst du immer gleich auf. Du wartest niemals ab, ob am anderen Ende vielleicht doch noch jemand etwas sagt, diese Option scheint für dich schlichtweg nicht existent. Unwichtig, wer anruft. Weil du es sowieso weisst. Du meldest dich und sofort erklingt das bekannte Tuten. Es ist, als hätte nie jemand angerufen. Es ist, als wäre nie etwas gewesen. War was?

 

Ich habe den Eindruck, als hättest du den Inhalt in in einem Gedicht vielleicht besser verdeutlichen können. Mir fehlt ein wenig der rote Faden. Es ist mehr ein einfaches Aufzählen von Gedanken die alle im Zusammenhang mit der Lethargie stehen. Vielleicht hättest das Telefonat auch am Anfang einleiten können oder ähnliches.

Weiß nicht, bin auf jeden Fall nicht besonders begeistert. Es ist ein bischen wie mit dem Inhalt - man hofft das einfach irgendetwas passiert.

Aber mit RATM über die rote Ampel fahren fand ich gut, denn es hat mich an einen ähnlichen Moment erinnert, nur dass ich gerade gedacht hätte das ein wenig Nervenkitzel als Ausbruch aus der Leere/Lethargie der Anlass dafür wäre...

 

Letzte Empfehlungen

Neue Texte

Zurück
Anfang Bottom