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Der verlorene Glanz des Jackolo Petrov

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28.12.2023
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Anmerkungen zum Text

https://eo-vmw-jwpa.ku.de/journalis...ltsanalyse-auswertungsverfahren-nach-mayring/ vielleicht besteht genug Interesse um es zu analysieren.

Der verlorene Glanz des Jackolo Petrov

In den stillen Straßen Münchens, wenn die Nacht sich über die Stadt legt und die Lichter in der Ferne flimmern, hallt das knatternde Echo eines alten Motorrads wider. Jackolo Petrov fährt durch die kühle Herbstluft, sein treuer Begleiter – eine abgenutzte Harley – sein einziges Hab und Gut. Nur wenige wissen, dass dieser obdachlose Mann einst zu den angesehensten und reichsten Persönlichkeiten Italiens gehörte. Doch heute ist er ein Schatten seiner selbst, ein Wanderer ohne Ziel, dessen Herz von einem Rätsel gefangen ist, das ihn weder schlafen noch vergessen lässt.

Es war nicht immer so. Vor wenigen Jahren war Jackolo noch ein Name, der in den Villen der italienischen Riviera Ehrfurcht hervorrief. Er war der Inbegriff von Erfolg: charmant, intelligent, und mit einer überbordenden Leidenschaft für das Leben. Seine Frau Sofia war seine Muse, eine strahlende Schönheit mit einem Herz so tief wie das Mittelmeer. Sein kleiner Sohn Lorenzo war das Licht seines Lebens – ein kleiner Junge mit wilden Locken und einem Lachen, das die Sorgen des Tages fortzuwischen schien. Sie lebten ein Leben, das von Luxus und Exzessen erfüllt war, aber auch von Liebe und Leichtigkeit. Ihre Yacht, die „Sofia’s Traum“, war nicht nur ein Symbol ihres Wohlstands, sondern auch ein schwebender Palast, der ihr Glück auf den Wellen trug.

Doch das Schicksal brach über sie herein wie ein Sturm, dessen Ankunft niemand voraussehen konnte.

An einem warmen Sommerabend, als die Wellen sanft gegen die Bordwände schlugen und das Abendrot den Himmel in flammendes Gold tauchte, machte sich eine Unruhe breit. Sofia, die den Abend allein auf dem Deck verbracht hatte, verschwand spurlos, während Lorenzo in seiner Kabine friedlich schlief. Der Himmel verdunkelte sich, und ohne Vorwarnung brach ein Sturm über das Meer herein. Die Yacht geriet in wilde Bewegung, die Wellen brachen gegen die Fenster, während Jackolo sich verzweifelt auf die Suche nach seiner Frau machte. Inmitten des Chaos hörte er einen fernen Schrei – doch als er ins Freie stürzte, sah er nur das gähnende Nichts. Sofia war fort. Und als er zu Lorenzo zurückkehrte, fand er nur eine leere Kabine. Es war, als hätten das Meer und die Nacht ihm alles genommen.

Am nächsten Morgen erwachte Jackolo allein auf einer winzigen Felseninsel. Die Yacht war fort, seine Familie verschwunden. Keine Wrackteile, keine Spuren – nur Stille. Niemand konnte ihm erklären, was geschehen war. Es war, als hätte das Meer ein dunkles Geheimnis verschluckt, und Jackolo blieb mit der bohrenden Frage zurück: Warum war er der Einzige, der überlebt hatte?

Dieser eine Moment war der Wendepunkt. Jackolo verlor nicht nur seine Familie, sondern auch seinen Verstand, seinen Reichtum und sein Leben. Freunde wandten sich ab, sein Unternehmen zerfiel, und die Medien schürten Spekulationen, dass er selbst etwas mit dem Verschwinden zu tun haben könnte. Bald war er nicht mehr Jackolo Petrov, der gefeierte Geschäftsmann – er war ein Mann auf der Flucht vor seiner Vergangenheit, seinen Erinnerungen und vor den schrecklichen Fragen, die ihn jede Nacht heimsuchten.

Heute ist er ein obdachloser Wanderer, der die Straßen Deutschlands durchquert, getrieben von einer Sehnsucht, die er nicht benennen kann. Er erzählt seine Geschichte den Menschen, die bereit sind zuzuhören, oft an einem Lagerfeuer oder in den dunklen Winkeln von Bars, in denen sich verlorene Seelen treffen. „Das Meer“, sagt er oft, „ist eine Macht, die wir niemals begreifen können. Es gibt und nimmt, ohne dass wir es verstehen.“

Während er diese Worte spricht, sucht sein Blick das Weite – nicht die endlosen Straßen, sondern das unsichtbare Meer in seinem Inneren, das ihn immer wieder zurückzieht. Er glaubt, dass das Meer Antworten hat. Manchmal träumt er davon, es erneut zu befahren, um die Wahrheit zu finden, aber tief in seinem Inneren weiß er, dass manche Dinge im Leben für immer verborgen bleiben.

Auf seinem Motorrad ist Jackolo frei und doch gefangen. Jede Stadt, durch die er fährt, bringt ihn den Schatten seiner Vergangenheit näher, aber nie der Erlösung. Er findet Trost in der Unbeständigkeit, in der ständigen Bewegung. „Die Straße hält dich wach“, sagt er, „aber sie gibt dir auch Zeit zum Nachdenken.“ In seinen Geschichten spricht er oft von Sofia und Lorenzo, von den strahlenden Augen seines Sohnes, die das Licht der Welt in sich trugen, und von Sofias sanfter Stimme, die ihn immer beruhigte. Doch diese Erinnerungen, so schön sie sind, schneiden tief in seine Seele.

In den Gesprächen mit Fremden findet Jackolo Momente des Friedens. Die Menschen hören ihm zu, spüren seine tiefe Trauer und den Verlust, den er nie ganz in Worte fassen kann. Doch in seiner Geschichte finden sie auch etwas anderes – eine seltsame Art von Weisheit, eine Lehre über das Leben. Jackolo spricht von der Vergänglichkeit der Dinge, von der Illusion des Reichtums. „Reichtum“, sagt er mit heiserer Stimme, „ist kein Gold oder Geld. Es sind die Momente, die wir nicht sehen – bis sie verschwinden.“

Jackolos Reise ist keine, die von einem Ziel bestimmt ist. Es ist die ständige Suche nach dem, was unerreichbar bleibt. Er glaubt nicht mehr daran, seine Familie zurückzubekommen, aber tief in seinem Inneren, verborgen hinter all den Narben, bleibt die Frage: Was geschah in jener Nacht? War es nur das Meer, oder verbarg sich etwas Dunkleres, das er nie sehen konnte?

Und so fährt er weiter. Die Straßen Deutschlands werden ihm zur Heimat, das Dröhnen des Motors sein einziges Lied. Er lebt in einem Zustand zwischen Vergangenheit und Gegenwart, einem Zwischenreich, in dem er nie wirklich ankommt, aber immer weitergeht.

 

Hallo @Luna Lovegood,

dir gelingt es durch deinen Schreibstil, dass man bis zum Schluss aufmerksam ist. Die Atmosphäre ist wirklich gut.
Spannung ist jedoch für mich in einer Story, in der nach dem tragischen Ergeignis zu Beginn rein gar nichts passiert, ein Fake-Tag.

Ich interessiere mich sehr für Handlungen, auch wenn ich mir sicher bin, dass du viele Leute mit deiner Welt fesseln wirst

Bei mir wäre das nur gelungen, wenn du mehr aufgelöst hättest oder, Giacomo, wie ich ihn in meinem Kopf nenne, auf seiner Motorrad Tour etwas erlebt hätte.

Aber das ist Geschmackssache.
Du hast einen guten Schreibstil. Chapeau.

VG
Jizzle

 

Hallo Luna Lovegood, Du erzählst die Geschichte von Jackolo Petrov, der einst ein erfolgreiches, luxuriöses Leben führte, dann aber einen Schicksalsschlag erlitt, denn er verlor Frau und Kind beim Untergang seiner Jacht. Nun ist Jackolo lediglich ein Schatten früherer Tage und cruist als Obdachloser mit seiner Harley durch Deutschland.

Der Ablauf der Ereignisse ist zwar nicht gerade originell, aber das ist okay. Das Problem besteht darin, wie diese Ereignisse erzählt und interpretiert werden.

Im Grunde beschreibst Du das existenzielle Phänomen der Unbeständigkeit aller Dinge und Verhältnisse. Auch wenn ein Mensch heute glücklich und erfolgreich ist, bedeutet das nicht, dass es sich morgen noch genauso verhält. Das ist ein wichtiges Thema, allerdings kann man sich schnell daran verheben, wenn man es sich mit der Herleitung zu leicht macht:

Erstens erzählst Du das Ganze in einer zusammenfassenden und zurückschauenden Perspektive. Das ist ein zuverlässiger Spannungskiller. Wenn Deine Leser nicht das Gefühl haben, bei den Ereignissen direkt dabei zu sein, können sie auch nicht mitfiebern. Sie lesen dann lediglich ein Resümee, einen Abschlussbericht – die Sache, um die es geht, ist schon längst vorbei.

Zweitens interpretierst Du die Ereignisse in einer Art und Weise, die den Leser für begriffsstutzig hält. Der Erzähler sagt beispielsweise:

»Dieser eine Moment war der Wendepunkt. Jackolo verlor nicht nur seine Familie, sondern auch seinen Verstand, seinen Reichtum und sein Leben.«

»Doch in seiner Geschichte finden sie auch etwas anderes – eine seltsame Art von Weisheit, eine Lehre über das Leben. Jackolo spricht von der Vergänglichkeit der Dinge, von der Illusion des Reichtums.«

Damit wiederholt der Erzähler das Offensichtliche. Es ist immer besser, den Leser zu überfordern, als ihn zu unterfordern. Wenn Du den Leser mit einer Fragestellung konfrontierst, die ihn zum Nachdenken zwingt, weil es dazu eben einfach keine simple Lösung gibt, dann hältst Du ihn in Bewegung. Lass Interpretationsspielraum, erkläre nicht, was die Moral oder die Bedeutung einer Geschichte ist – das ist der Job des Lesers. Außer Du willst Deine Leser unterweisen, dann bist Du aber nicht auf Augenhöhe mit Deinem Publikum.

Ein Gegenmittel gegen dieses Problem ist, wenn man als Leser den Eindruck hat, dass die Geschichte den Erzähler ebenso überrascht, dass man die Ereignisse zusammen mit dem Erzähler erlebt und darüber nachdenkt. Man will als Leser nicht vorgekaut bekommen, wie etwas zu interpretieren ist.

Ich versuche bei meinen Geschichten, Interpretationen komplett wegzulassen oder höchstens anzudeuten, gewissermaßen Deutungsvorschläge zu machen.

Drittens trüben abgegriffene sprachliche Wendungen den Gesamteindruck Deiner Geschichte: eine strahlende Schönheit, ein warmer Sommerabend, das gähnende Nichts, ein dunkles Geheimnis, die bohrende Frage … Überhaupt gibt es ein Übermaß an Adjektiven, die den Text verwässern.

Zusammengefasst: Schreibe szenisch, vermeide Zusammenfassungen und Interpretationen. Nimm deinen Leser ernst, er ist kein Kind, dem man alles erklären und ausdeuten muss. Vermeide abgenutzte Wendungen und spare mit Adjektiven!

Ich wünsche Dir beim Schreiben viel Freude!

Gruß Achillus

 

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