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Der versaute Urlaub

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25.02.2009
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Der versaute Urlaub

Der versaute Urlaub

„Schatz!, Schatzi...?
Schau mal vorsichtig nach links!
Hey, nicht so auffällig,“ zischte Ina ihren Mann zu, der auf der Sonnenliege neben ihr lag und vor sich her düste.
„Gott, ist die Alte da fett. Hast du schon mal so einen dicken Arsch gesehen?
Jochen, schau doch mal! Die Tochter sieht auch schon wie ne Qualle aus!
Kommt voll nach der Mutter. Die ist doch bestimmt erst zwölf oder so?
Kannst du verstehen aus welchen Land die kommen?“ , flüsterte sie.
Doch ihr Mann senkte wieder gelangweilt den Kopf auf das Badehandtuch.
„Ach, ist das schön hier. Das war seit langen die beste Idee von dir,
hierher zu fahren.“
Ina griff mit der Hand in die Leinentasche und kramte die Sonnencreme hervor.
„Los, dreh dich um. Ich schmier dich ein. Du bist hinten schon ganz rot und deine Arme sind noch ganz weiß. Das sieht vielleicht bescheuert aus.“
Inas Mann, der auf der Sonnenliege neben ihr lag, reagierte nur mit einem leisen Grunzen. Äußerst widerwillig drehte er sich um und sah mit halbgeschlossenen Augen dabei zu, wie sie eine dicke weiße und kalte Cremewurst auf seine Brust drückte. Diese verteilte sie recht unsanft bis runter an seinen schwabbeligen Bauch, der durch die Reiberei, hin und her wackelte. Den Rest rieb sie über seine rotgefärbte Glatze und über seine dicke pellige Nase.
Zwei kleine Kinder, die ein paar Meter weiter eine Sandburg bauten, beobachten das Schauspiel und kicherten leise in die Hände.
„Wie wär’s wenn du mal ein bisschen Sport treibst? Du bist immer nur am Essen. Denk an deinen Bruder. Seit wann hat er Diabetes? Und der ist nur drei Jahre älter als du.“
Als sie mit der Prozedur fertig war, trocknete sie ihre Hände am Hotelhandtuch ab, schob die Sonnenbrille von der Stirn auf die Nase und richtete ihren Oberkörper auf, damit sie das Strandgeschehen besser verfolgen konnte. Sie sog die salzige Atlantikluft tief in sich ein und schaute hinaus auf das funkelnde Meer.
„Oh, ich liebe die Kanaren. Es ist einfach herrlich hier. Die Sonne, die Palmen und das blaue Meer. Hah..., und zu Hause schieben die jetzt Schnee. Hast du das gelesen? Stand heut morgen in der Zeitung! Minus zehn Grad. Ich werd heut Abend gleich mal ein paar SMS’s schreiben. Oh, die werden uns beneiden, wenn wir braungebrannt wieder zurück kommen.“ sagte sie gutgelaunt und streckte ihr Gesicht für einen Augenblick der Sonne entgegen.
Von weitem kam lautstark ein Mann heran. Er hatte eine riesige Kühltasche über der Schulter und versuchte mit den Touristen Geschäfte zu machen.
„Lecker, Lecker Eis, Cold Drinks, Iceream, Icecream, “Hey, Hey Baby, uh, ah”, sang er.“
Er war rabenschwarz, sehr drahtig, unglaublich muskulös und trug rote Boxershorts sowie lange Rastatzöpfe. Sofern junge Mädchen seinen Weg kreuzten, schwatze und schäkerte er mit ihnen in mindestens vier verschiedenen Sprachen.
Ina konnte ihren Blick nicht von ihm lassen. Er erinnerte sie ein bisschen an frühe Jahre, als sie noch Leistungssport betrieb. Damals galt sie als hoffnungsvolle Schwimmerin, die so manchen Wettbewerb gewann und zusammen mit einem Freund trainierte, der fast so gebaut war, wie dieser Eisverkäufer. Doch das war lange her. Als die Aufbaupillen ausgingen und sie mehr schlecht als recht abtrainierte, nahm sie rapide zu und lies es einfach geschehen.
„Hallo Senorita, was kann ich ihnen Gutes tun?“
Ina wollte gerade loslegen, doch ihr Mann machte nur diese eine Handbewegung, die darauf hindeutete, dass er sich verdrücken sollte.
„Sei nicht so unhöflich. Er wollte uns doch nur etwas verkaufen.“
Beleidigt, legte sie sich zurück und schielte dem Eismann noch hinterher.
Doch bald beruhigte sie sich wieder.
„Ah, ist das schön hier. Wir werden die Urlaubstage genießen.
Mit dem Hotel haben wir auch Glück gehabt. Obwohl? Hast du mal gesehen, wie heute unser Bad aussah? Überall waren Flusen und der Wasserhahn total fleckig. Und hast du dir mal die Fliesen angesehen? Alles uneben. Unglaublich schlampig, wie die hier bauen. Der Handtuchhalter fällt auch bald ab. Also, die Handwerker waren garantiert Russen oder so. Was meinst du? Soll ich mal mit der Rezeption reden? Vielleicht kriegen wir ja ein besseres Zimmer! Vielleicht sogar mit Meerblick?
Du? Und die Kellner sind auch nicht gerade freundlich! Gestern hat einer sogar die Augen verdreht, als ich ihn ansprach. Ich wollte doch nur wissen ob der Fisch auch Fangfrisch ist. Aber Trinkgeld wollen sie alle. Aber weißt du was Schatz? Wir lassen uns den Urlaub nicht versauen oder?“
Ina lehnte sich wieder zurück, schloss die Augen und schwatzte weiter auf ihren Mann ein.
„Und gestern auf den Markt. Hast du gesehen, wie das Fleisch aussah?
Null Hygiene, sag ich dir. Die ganzen Fliegen drum herum. Wer isst denn so was? Und trink hier bloß kein Wasser. Dann kommst du von dem Klo nicht mehr runter.
Kai-Uwe ging es auch schon so. Weist du noch? Der war nach seinem Urlaub zwei Wochen krank und wer durfte seine Arbeit erledigen? So ein Blödmann!
Du, und die Souvenirs hier? Ne! Garantiert alles aus China! Also kaufen kannst du hier nichts.“, schnatterte sie immer weiter.
Inas Mann wurde es jetzt wohl etwas zu bunt. Er erhob sich langsam von der Strandliege, stöhnte kurz auf und murmelte etwas unverständliches. Dann stolperte er langsam durch den glühendheißen Sand in Richtung Meer.
„Willst du ins Wasser Schatzi? Schwimm nicht soweit raus. Denk an die Strömungen. Und wenn du einen Hai siehst, nicht bewegen. Wer weiß, was hier so alles rumfleucht.“ rief sie ihm noch hinterher.
Doch er drehte sich gar nicht erst um, sondern ging wachsam, die Augen nach unten gerichtet, durch den Sand, der voll mit schwarzen spitzen Steinen übersäht war.
Als die erste Welle seine Füße umströmte, schrie er auf. So kalt hatte er es sich gar nicht vorgestellt. Doch als er ringsherum die Kinder im Wasser rumtollen sah, wollte er sich keine Blöße geben und stieg bis zu seiner „empfindlichsten Stelle“ mutig in die Fluten. Eine junge Frau schwamm graziös wie ein Delfin auf ihn zu. Als sie in seiner Höhe war, stand sie plötzlich auf . Sie war sehr schlank, braungebrannt und „Oben ohne“. Da zog er schnell seinen Bauch ein, tat so als wenn es ihm nichts ausmacht und sprang ins kalte Nass, wie ein Held.
Ina saß auf ihrer Sonnenliege und verfolgte von dort aus alles. Sie wäre am liebsten mit ihm ins Wasser gegangen. Aber sie hatte Angst, dass man ihre Strandtasche klauen könnte. Im Ausland war sie stets auf der Hut. Das Fernsehen berichtete oft genug darüber. So richtete sie ihr Gesicht in die Sonne und schloss die Augen und döste vor sich hin. Aber ihr Gesicht brannte schon von der heißen Mittagssonne. Sie überlegte ein Weilchen, was sie tun könnte. Dann fiel ihr ein, dass sie noch das kleine Taschenradio mit genommen hatte. Sie drehte an allen Knöpfen und fand einen einheimischen Sender, der spanische Gitarrenmusik spielte. Zufrieden sah hinaus auf die See und entdeckte ihren Mann, der auf den Rücken liegend immer weiter hinaus schwamm.
„Ha, gut, dass ich daran gedacht habe.“, murmelte sie und wühlte aus der Tasche eine kleine Videokamera heraus. Sie klappte das Display auf und zoomte sie ihren Mann gut dicht wie es ging heran.
„Also, wir sind jetzt am wunderschönen Strand, in der Nähe von ..., Äh, keine Ahnung und mein Schatzi hat sich übermütig ins Wasser gestürzt.“
Dann schwenkte sie ihre Kamera viel zu schnell nach hinten.
„Es ist herrlich warm hier. Mindestens 28 Grad und überall sind wunderschöne Palmen. Seht ihr sie, dahinten? Wir haben heute bis um elf gefrühstückt und sind dann gleich runter zum ...“
Plötzlich wurde ihr Kommentar von lauten Stimmen, die vom Ufer des Strandes kamen, unterbrochen. Sie schwenkte die Kamera und zoomte langsam zu einer Menschengruppe, die sich an der Brandung angesammelt hatte. Durch das kleine Display sah sie, wie die Leute aufgeregt hin und her liefen.
Was ist denn da los?, dachte sie und drückte die Pausentaste. Die Kamera war nicht billig und besaß ein großzügigen optischen Zoom. Sie benutzte es wie ein provisorisches Fernglas und erkannte deutlich, dass einige Männer voller Hast ihre Kinder aus dem Wasser holten.
Auf einmal vernahm sie ganz deutlich Schreie, die gleich darauf röchelnd wieder verstummten. Ah, Hilf.... Sie kamen vom Wasser und vermischten sich mit weinenden Kinderstimmen, Motorengeräuschen, Möwengeschrei und dem Wind.
Da wieder!
Obwohl die Hilferufe von weit draußen kamen, erkannte sie sofort die Stimme.
Ina bekam eine Gänsehaut. Mit einem Mal ergriff sie eine düstere Vorahnung. Plötzlich wurde ihr im Magen ganz flau. Da wusste sie, dass etwas schreckliches passiert sein musste. Sie riss die Kamera runter und sah hinaus auf das Meer. Von ihrem Mann keine Spur. Geschockt schnellte sie hoch und suchte mit den Augen nun genauer. Aber sie konnte nichts sehen, weil die Sonne sie frontal blendete. Das einzige was sie in der Weite des Ozeans erkennen konnte, waren schwarze Schatten, die ab und zu mit jeder Welle auftauchten und wieder verschwanden.
„Oh Gott, der wird doch wohl nicht abgesoffen sein?“, rief sie und nahm eine Zeitung als Sonnenschutz vor ihre Stirn. Sie scannte mit den Augen das Meer ab und endlich konnte sie, vielleicht tausend Meter vom Ufer entfernt, zwei Hände ausmachen, die ihr zuwinkten. Sie atmete auf.
„Gott sei Dank. Er lebt.“
Sie beobachtete, dass er hastig und mit unregelmäßig Zügen in Richtung Land schwamm. Ina wusste, dass sie ihm helfen musste, denn es sah aus, als wäre er in großer Panik. Jedes mal, wenn eine Welle kam war sein Kopf unter Wasser. Er musste schon jede Menge Wasser geschluckt haben.
„Schatz halt durch. Ich bin gleich bei dir!“, rief sie und rannte los.
Zur gleichen Zeit hatten sich große oder kleine Menschengrüppchen am gesamten Strandufer gebildet. Alle liefen chaotisch an ihr vorbei. Was zum Teufel, war nur geschehen?
Am Horizont donnerten zwei Jeeps mit Blaulicht und Sirenen über die hohen Sanddünen, genau in ihre Richtung.
„Was ist denn passiert?. Was ist denn hier los?“ schrie sie die Leute an, die sie begegnete. Aber sie redeten nur aufgeregt und mit den Händen wild gestikulierend in „Spanisch“ auf sie ein. Ina verstand kein Wort. Eine von den Frauen zeigte immer mit der Hand in Richtung Meer und schrie „Muertos, Muertos“.
Was immer es war. Es musste was etwas lebensgefährliches sein.
Ina entledigte sich im Laufen ihrer Badelatschen und wollte sich gerade in Wasser stürzen, als sich ihr der Eismann in den Weg stellte.
„Halt, bleiben sie hier. Sie nicht ins Wasser dürfen.“
Aber Ina schob ihn unsanft zur Seite und schrie ich an:
„Aber mein Mann. Ich muss zu ihm, sonst ertrinkt er. Holen sie Hilfe. Aber schnell.“
Schon stürzte sie sich in die Wellen, tauchte durch sie hindurch und kraulte so schnell sie konnte in die Richtung, wo sie ihren Mann zuletzt gesehen hatte.

Die Brecher waren größer, als sie dachte. Ab und an drang salziges Meerwasser in ihren Mund, wenn sie einatmete. Sie spukte es wieder aus und musste dabei würgen. Ihre Augen brannten und obwohl sie sich so sehr anstrengte, dachte sie, dass sie durch die starke Strömung nicht so recht voran kommt.
Irgendwann hielt sie inne und machte sich im Wasser ganz gerade. Sie hob den Kopf soweit wie ging nach oben, damit sie besser sehen konnte.
„Schatz, wo bist du?“, rief sie und drehte sich dabei im Kreis.
Aber die Wellen waren bestimmt zwei Meter hoch und verdeckten die Sicht.
Scheiße, ich muss ihn finden, dachte sie und kraulte weiter in die offene See. Dabei rief sie immer wieder:
„Wo bist du? Sag doch was! Ich hole dich raus!“
Eine riesige Welle raste auf Ina zu. Mit aller Kraft schwamm sie voll drauf zu. Als sie ganz oben auf dem Wellenberg war, drehte sie sich noch mal schnell herum und entdeckte ihren Mann tatsächlich, vielleicht so vierzig Meter fast auf der selben Höhe, nur viel weiter links.
„Schatz, halt durch. Ich bin gleich bei dir.“
Nach endlosen zwei oder drei Minuten erreichte sie ihn und erschrak. Er hatte die Augen weit aufgerissen und bewegte sich nicht. Er trieb einfach so im Wasser und es sah aus, als wäre er gelähmt. Aber er hielt den Kopf über Wasser und atmete.
„Oh Schatz, was ist los? Kannst du dich nicht bewegen?“
Oh Gott, hoffentlich hat er keinen Schlaganfall, schoss es ihr durch ihren Kopf und rüttelte ihn an den Schultern. Aber aus seinem Mund kam nur ein verzweifeltes Röcheln. Jetzt bekam sie richtig Angst. So hatte sie ihn noch nie gesehen. Er musste so schnell wie möglich ans Ufer. Sie tauchte unter ihm durch und untersuchte seine Gliedmaßen. Aber körperlich schien alles in Ordnung zu sein. Sie drehte ihn auf den Rücken, so dass sein Gesicht gen Himmel zeigte und seine Nase frei war. Dann klemmte sie ihre Hände unter seine Achseln und schwamm rücklings in Richtung Land. Wenn eine Welle kam hob sie sein Gesicht hoch, damit er nicht noch mehr Wasser schlucken musste.
Dass hier nicht mal ein Scheiß Rettungsschwimmer ist, dachte sie wütend und paddelte mit den Beinen weiter, so schnell sie konnte.
Bis zum Ufer war es noch ein ganzes Stück und sie sah hinauf zum Himmel und bettete:
„Oh Gott, lass alles wieder gut werden.“
Ihr Mann war im Wasser vielleicht nur halb so schwer, aber er hing an ihr wie ein nasser Sack.
Wie konnte das nur geschehen? Er war doch eigentlich ein guter Schwimmer, dachte sie immer wieder.
„Schatz halt durch! Gleich haben wir es geschafft!“
„Autsch... was ist das denn?“
Voller Wucht knallte Ihr Kopf knallte an einen Gegenstand. Erschrocken, drehte sie sich um. Es war ein großer schwarzer und schwerer Balken, der da im Wasser trieb und ihr den Weg und die Sicht versperrte.
„Gott, was schwimmt hier für ein Dreck rum?“, rief sie verwundert und lies vor Schreck ihren Mann los. Schnell nahm sie ihn wieder unter die Arme und versuchte drum herum zu schwimmen.
Das war gar nicht so einfach, denn das was da im Meer trieb, war bestimmt sechs oder sieben Meter lang und die Wellen drückten sie immer wieder an die raue und scharfkantige Oberfläche. Doch sie ließ sich nicht beirren und stieß sich mit einer Hand immer wieder ab. Ihren Mann im Schlepptau, schwamm sie rücklings mit aller Kraft und so schnell es ging, am Hindernis entlang.
Endlich! Sie drehte sich kurz nach vorne und entdeckte das Ende des Balkens. Noch ein paar Züge und dann wäre sie vorbei.
Wieder stieß ihr Kopf an etwas. Dieses Mal war es eher weich. Ein eigenartig süßlicher Geruch stieg in ihre Nase. Erschrocken drehte sie sich um und erstarrte, denn sie sah in ein verwestes und von Fischen zerfressenes Frauengesicht. Die Strömung drückte den toten Körper so dicht an sie ran, dass ihre Lippen die kalten, blassen Wangen des Leichnams berührten. In diesem Moment entwich ihr ein lauter Schrei, der durch das Wasser, dass in ihren Mund eindrang, je unterbrochen wurde. Sie verschluckte sich, bekam keine Luft, schüttelte sich voller Ekel und ließ ihren Mann los. Die nächste Welle schoss über ihren Kopf hinweg, die ihn mehrere Meter von ihr fort spülte. Sie wollte hinter her schwimmen aber irgendwie hatte sie sich mit ihrer Uhr in den kurzen lockigen schwarzen Haaren der Frauenleiche verheddert. Die Ertrunkene hatte lange, schwere Kleider an und zog sie erbarmungslos mit in die Tiefe. Vor Schreck verlor sie fast die Besinnung, strampelte mit den Füßen in Leere, riss die Augen auf und versuchte sich zu orientieren. Sie sah nach oben. Über ihr, vielleicht nur zwei Meter krachten die Wellen zusammen und wie ein Sarg schwamm dort der große dunkle Schatten.
Unter ihr war die tote Frau, die sie immer tiefer ins dunkle Grau zog. Mit aller Kraft paddelte sie mit den Füßen und versuchte sich los zu reißen.
Aber das gelang ihr nicht. Als der weiße Meeresboden immer näher kam, geriet sie in Panik. Sie wusste, dass sie irgendwie loskommen musste, sonst wäre sie verloren. Mit einem Ruck zog sie brutal am Kopf der Frau. Dieser bewegte sich unnatürlich hin und her. Ein Auge löste sich vom Schädel und trieb gespenstisch an ihr vorbei. Sofort stürzten sich Dutzende kleine bunte Fische darauf. Jetzt konnte sie direkt in die Augenhöhlen des Schädels sehen. In Zeitlupe schwamm die Leiche mit den Beinen nach oben und der dunkle Stoff wickelte sich wie ein Leichentuch und Inas Körper.
Das war zuviel. Sie schrie in sich hinein und riss mit aller Kraft das dicke Metallarmband ihrer Uhr vom Handgelenk.
Der Schmerz ging ihr durch Mark und Bein. Rotes Blut schoss in einer dicken Wolke an ihr vorbei.
Aber sie war wieder frei. Beim Hinaufgleiten sah sie, wie ihre goldene Uhr mit dem Leichenhaar langsam auf den Meeresboden glitt und im Schlick verschwand.
Mit letzter Kraft tauchte sie auf und durchstieß wie ein Delfin die Wasseroberfläche.
Tief atmete sie ein. Dann bekam sie einen schmerzhaften Heulkrampf. Sie hätte nie im Leben gedacht, dass ihr so etwas zustoßen würde. Ina war mit den Nerven am Ende und völlig verzweifelt. Die Sonne blendete und ihre Augen brannten gnadenlos. Eine große Welle hob sie langsam hoch und für wenige Sekunden hatte sie freie Sicht nach allen Seiten. Vom Schock geschwächt, sah sie um sich und erst jetzt erkannte sie, dass der vor ihr treibende Balken der Rumpf eines gekenterten Bootes war. Genau davor tauchten plötzlich zwei Hände und dann ein Kopf auf. Es war ihr Mann, der sich an den glitschigen Holzplanken hoch hangeln wollte und immer wieder zurück ins Meer abrutschte.
Ina zwang sich zur Ruhe und rief mit gebrochener Stimme:
„Jochen, ich bin hier! Halt durch! Ich komme!“
Sie war bestimmt so zwanzig Meter abgetrieben und kraulte kraftlos zum
kopfüber dahin treibenden Boot. Immer wieder musste sie Wrackteilen aus Holz und Gegenständen ausweichen, die zahllos um den Rumpf herum trieben. Mal war es eine offene Holzkiste oder übelriechende Stoffreste, Kunststoffkanister und irgendwelcher Müll. Voller Ekel schwamm sie langsam durch eine Brühe, die fürchterlich nach Benzin und Öl stank. Sie hob den Kopf so weit wie möglich nach oben, als sie merkte wie der braunschwarze Ölfilm bis an ihr Kinn hoch schwappte.
Sie musste würgen und alles tat ihr weh. Sie hasste diesen Benzingeruch, den sie nicht einmal an den Tankstellen ertrug. Aber sie musste zu ihm hin, koste es was es wolle.
Mit den Armen umklammerte sich ihr Mann an den Holzplanken und seine Fingernägel bohrten sich ganz fest in das von Holzwürmern zerfressene und vom Meerwasser aufgeweichte Holz. Mit einem lautem Aufschrei hievte sich Ina auf den obentreibenden Kiel und musste erst mal einige Sekunden verschnaufen.
Dann krabbelte sie auf den Knien zu ihm hin. Doch sie musste aufpassen, damit sie nicht von den hohen Wellen, die manchmal über den glatten Schiffsboden schossen, wieder ins Meer gespült wird. Durch die große Risswunde am Arm schoss das rote Blut auf die Planken und machten sie so glitschig wie ein Ölfilm. Doch Ina spürte nicht mehr die Schmerzen.
„Oh Gott, Schatz, hier nimm meine Hand! Ich zieh Dich rauf! Bitte! Du kannst jetzt loslassen. Jochen?“
Doch er regte sich nicht. Er hatte seine Augen weit aufgerissen und atmete regelmäßig aber schwer.
Sie beschloss ihn nie mehr los zu lassen.

Von weitem steuerte ein großes Motorboot auf sie zu. Ina griff ins Wasser fischte einen hellen Stoffletzten aus dem Wasser und winkte mit den Armen. Ein paar Minuten später dröhnten schmerzhaft hell, die Rotorblätter eines Hubschraubers über ihre Köpfe. Er flog viel zu dicht an sie ran, so dass der Wind sie fast vom Boot drückte. Sie sah hinauf und entdeckte einen Mann, der mit einer großen Kamera direkt auf sie zielte.
„Haut ab, ihr Idioten!“, schrie sie mit weinerlicher Stimme.
Das Motorboot tuckerte langsam auf sie zu und bahnte sich seinen Weg durch die im blauen Wasser treibenden Wrackteile. Sechs oder sieben Männer in Uniform standen am Bug und schrieen auf sie ein. Ina sah mit Entsetzen, wie das Marineboote beim Heranfahren langsam zwei weitere dunkle Wasserleichen unter sich begrub.
Dann wurde ihr schwarz vor den Augen.

 

Hallo MuKuSa,

wie ich sehe bist Du auch noch recht neu hier, genau wie ich, und es ist wohl immer sehr frustrierend wenn man kein Feedback bekommt.

Allerdings muss ich leider sagen, hat mir Deine Geschichte nicht so gut gefallen. Am Anfang fährst Du ein Klischee nach dem Anderen auf. Also, laute und primitive Ausländer, dicke, fette Urlauber am Strand, russische Handwerker, weil schlechte Arbeit etc. Das klingt für mich am Anfang eher wie eine Satire, da es aber keine ist, ist es nur bedingt unterhaltsam.

Ganz merkwürdig wird das Ganze dann als Jochen im Meer zu ertrinken droht. Erst lässt sich Ina jede Menge Zeit und sagt noch zu sich selbst "Na, der wird doch wohl nicht absaufen" um dann einige Zeit später in die totale Panik zu verfallen. Anschließend passieren noch abstrusere Dinge. Leichen schwimmen durchs Wasser, ebenso wie Augen einer Wasserleiche, weil sich Ina in den Haaren verfangen hat.

Das alles klingt ungewollt komisch und skurill.

Aber ich möchte mich nicht zu weit aus dem Fenster lehnen, denn ich selber bin auch Anfänger, und es ist ja bekanntlich noch kein Meister vom Himmel gefallen. :)

LG
Gesamtrechnungsbetrag

 

Hi MuKuSa!
Was hat es denn da aus den bedrohlichen Tiefen von Kg.de nach oben gespült?
Was mir an deiner Geschichte gefallen hat, war die Idee, diese normalen Urlausbsärgernisse gegen eine echte Grenzsituation zu kontrastieren, schön war auch, dass die Frau ihren Mann dann doch so "romantisch" verteidigen will, obwohl sie eigentlich so langweilig und durchschnittlich sind.
Da die Geschicht in Alltag gepostet ist, finde ich es schade, dass zumindest ich mir gar keinen Reim darauf machen kann was da genau im zweiten Teil passiert. Der einzige Google-Eintrag zu Muertos, war:http://de.wikipedia.org/wiki/Tag_der_Toten und im Spanischen gibt es das Wort laut Leo gar nicht, außer in festen Redewendungen.
Aber auch dann macht die Geschichte in Alltag wenig Sinn.
Du hast in deinem Text ein paar Vertipperer und Rechtschreibfehler drin. Mir hilft es da immer mir den Text selber laut vorzulesen.

kopfüber dahin treibenden Boot
Hat ein Boot einen Kopf?
Rotes Blut
Na, blau wird's nicht sein, v.a. da du es zweimal verwendest klingt es komisch
vor sich her düste
vor sich hin döste würde etw. mehr Sinn ergeben
Sie beschloss ihn nie mehr los zu lassen.
Soweit der Leser weiß hält sie ihn gar nicht fest.

Ich hoffe du kannst etwas mit meiner Kritik anfangen.
Sonnige Grüße
Cathy

 

evtl. Spoiler

Hallo zusammen,

ich geh mal schwer davon aus, dass es sich hier um afrikanische Bootsfluechtlinge handelt, die hier (wo war's noch, auf den Kanaren?) angespuelt werden und den Urlaub versauen. Da hilft eher die Tageszeitung als wikipedia weiter. ;) "Muertos" heisst uebrigens einfach nur "Tote". Dass das Ganze satirisch umgesetzt ist, sieht man ja schon am Titel, insofern ueberrascht es mich auch nicht, dass die Touristen klischeehaft ueberzeichnet sind. Wenn Du es noch in die richtige Rubrik verschieben liessest, gaebe es da wahrscheinlich weniger Irritationen.
Insgesamt muss ich aber sagen, dass mich das mit den Klischees am Anfang auch etwas genervt hat - zumal es sehr lange dauert, bis die action losgeht. Waere es nicht viel verstoerender, wenn so etwas Figuren zustossen wuerde, mit denen man sich vorher identifiziert hat, anstatt da so eine ueberlegene Arroganz des Lesers den Figuren gegenueber aufzubauen?
Kuerzen waere auch noch ein Tipp. Die zweite Haelfte hat mir insgesamt besser gefallen als die erste.

lg
fiz

 

hallo mukusa,

ich kann es nur so ausdrücken: mir kommt das ganze vor wie eine fahrt in der geisterbahn auf irgend einem volksfest: du reihst einigermassen sinn- und bezugslos ein "schreckensszenario" ans andere. durch die fülle wirkt alles höchstens noch komisch, mehr nicht.

mein tipp: VIEL weniger ist viel mehr! versuch doch eine entsprechende variante deiner eigenen geschichte zu machen und vergleiche dann die wikung. du wirst erstaunt sein!

herzliche grüße
ernst

 

Hallo, hey, Danke für die Kritik. Jo, ich werd's nochmal überarbeiten. Die Fehlerchen müssen natürlich raus. Ich hab's in die Rubrik "Alltag" reinkopiert, weil ich nicht wusste wohin und weil die Story riesen real ist. Schaut in die Zeitungen. Voll der Alltag. Ich habe mich mit den Klischees noch sehr, sehr zurück gehalten. Ich reise viel und beobachte die Leute. Was soll ich sagen? Genauso hat es sich abgespielt. Nur viel, viel "härter". Hat schon mal einer ne Wasserleiche gesehen? Ich ja. Genau das Ding ist mir passiert. Hab es nur in diese kleine Geschichte verpackt. Nur viel zu human. LG, Mukusa

 

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