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Der Vogel

Seniors
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24.08.2003
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Der Vogel

Ich war gerade aufgestanden, es war ein Sonntag. Durch das Veluxfenster konnte ich einen Vogel in den Zweigen der Birke sitzen sehen, die immer ihre Samen in mein Zimmer rieseln ließ. Er zwitscherte.
Irgendwie berührte mich seine Silhouette, die sich dunkel vor dem hellen Strahlen der Sonne abhob. Ich öffnete das Fenster einen Spalt, um vielleicht sein Singen zu hören, aber er flog davon. Das Geräusch des klappernden Fensters musste ihn erschreckt haben.
Während ich mich anzog, konnte ich draußen das Krakeelen der Vögel hören. Ob sie bereits Eier gelegt hatten? Sicher, es war spät im Jahr. Ich drückte die Kontaktlinsen in meine Augen, blinzelte die überschüssige Flüssigkeit fort und ging dann nach unten.
Meine Mutter war gerade dabei, das Essen in Schüsseln zu füllen. Ich half ihr, es draußen auf den Tisch auf der Veranda zu tragen. Als ich die Schüssel mit den Nudeln abstellte, sah ich den Kater. Er lag im Schatten, blinzelte mir aus grüngelben Augen zu.
„Hallo Katze“, sagte ich. Der Kater rollte sich auf den Rücken und schnurrte, als ich ihn kraulte.
Dann rief meine Mutter zum Essen, und als wir alle unsere Teller geleert hatten, setzte ich mich in die Küche und aß ein Eis am Stiel. Der Kater kam gewohnt lautlos durch die Tür geschlichen, hatte etwas im Maul, was verzweifelt flatterte.
“Schnell, er hat einen Vogel, nimm ihm den weg!“ Meine Mutter wollte wohl keine Blutflecken auf ihrem weißen Teppich.
Ich folgte der Katze. Sie drapierte den Vogel sorgfältig auf dem Teppich, mit schief gelegtem Kopf, wie ein Dekorateur es tun mochte. Ich legte ein paar Blätter Papier daneben und schob den Vogel darauf, mochte ihn nicht in meinen Händen nach draußen tragen.
Er bewegte sich nicht, sein Kopf hing kraftlos auf seinem Hals, die Katze musste ihm das Genick gebrochen haben. Ich fühlte seine winzigen Federn an meinen Fingern. Er war ganz weich.
„Wirf ihn in die Hecke“, sagte meine Mutter, dann schimpfte sie mit dem Kater, sagte ihm, er solle nie wieder einen Vogel mitbringen, er würde genug teures Katzenfutter bekommen und hätte es nicht nötig, draußen zu jagen.
Der Vogel war ein Grünfink. Er war unversehrt, sah beinahe aus, als schliefe er auf dem Blatt Papier in meiner Hand. Sein schwarzes Knopfauge war stumpf. Ich strich wieder über ihn, wunderte mich, wie irgendetwas so tot und so flauschig sein konnte.
Irgendwie freute ich mich, dass ein roter Fleck auf dem Teppich war, denn auch, wenn der Vogel tot war, schimpfte meine Mutter doch nur mit der Katze, weil sie getan hatte, was Katzen seit Jahrtausenden tun. Wenigstens würde eine Spur von dem Vogel zurückbleiben.
Ich verließ das Haus durch die offene Terrassentür, wo der Vogel das letzte Mal mit den Flügeln geschlagen, verzweifelt versucht hatte, der Katze zu entkommen, ging vor der Hecke in die Knie und ließ den Vogel vorsichtig vom Papier gleiten. Er lag dort, ein kleiner Fleck, grüngelb wie die Augen des Katers.

Später, ich saß vor meinem Computer, begann es zu regnen. Dicke Tropfen fielen auf das schräge Dachfenster, riesige Wasserkugeln zerplatzten auf dem Asphalt auf der Straße. Ich konnte vor meinem inneren Auge sehen, wie die Tropfen durch die Hecke fielen und den kleinen Körper des Vogels trafen.
Wie sie seine grüngelben Federn durchnässten und sie an seinen zerbrechlichen Körper mit dem gebrochenen Genick klebten.
Er würde nie wieder trocknen.

 

Ergreifend, das erinnert mich daran wie ich als kleiner Stubenmax einen toten Vogel fand und meinen Vater fragte ob der Vogel wieder aufwachen würde. *schnief*
Das kann an die Substanz gehen

Aber eine Kleinigkeit:
"...schimpfte sie mit der Katze, sagte ihm, er solle nie wieder einen Vogel mitbringen..."
Der Kater oder?
oder sie schimpft mit "ihr"

ansonsten bin ich mit dieser Geschichte voll und ganz zufrieden. Kurz, knackig tiefgang = eine vollendete KG nach meinem Geschmack.;)
nice

 

Hi Nice,

danke für das große Lob und für die Kritik... normalerweise versauern meine Geschichten (gerade hier in Alltag) mit einer oder zwei Kritiken und einer oder zwei Antworten von mir - also sag deinen Freunden, sie sollen vita lesen ;)

Die Anmerkung ist berichtigt - eigentlich ist die Katze ein Kater, aber alle sagen Katze zu ihm, so war das gemeint. Aber du hast schon Recht, es ist ein Stolperstein beim Lesen!

dank dir

vita
:bounce:

 

Hallo Vita,
eine nette kleine Geschichte über den Lauf der Natur.
Sprachlich gesehen sind mir einige Wortwiederholungen aufgefallen, die du bestimmt noch ändern kannst:

"„Hallo Katze“, sagte ich. Die Katze rollte sich auf den Rücken und schnurrte,..."
Katze - Katze

"Dann rief meine Mutter zum Essen, und als wir alle aufgegessen hatten,..."
Essen - aufgegessen

"Ich folgte der Katze, als sie den Vogel auf den Teppich legte, legte ich ein paar Blatt Papier daneben..."
legte - legte

LG
Blanca :)

 

Hi Blanca,

danke für die Kritik - die angekreideten Wortwiederholungen habe ich editiert, freut mich, dass dir die Geschichte gefallen hat!

Gruß
vita

 

Hallo vita,

Eine Katze, die einen Vogel auf einem Teppich drappiert, hört sich irgendwie komisch an. :D
Warum schreibst du nicht einfach "auf den Teppich fallen ließ" ?

LG
Blanca

 

Nein, Katzen tun so etwas! Sie legt den Vogel da hübsch hin und schiebt ihn extra noch ein bisschen hin und her :D

gruß
vita

 

Der Vogel,

Hi meine Vita,

der Tod gehört zum Leben.
Die meiste Zeit, gerade wenn man jung ist, macht man sich keine Gedanken darüber.
In deiner Geschichte, fängst du mit dem Leben (singender Vogel) an und beendest sie mit dem Tod.
Die Katze folgte ihrem Trieb. Der Mensch bemitleidet den Schwächeren, den Vogel.
Eine Ursache und Wirkunggeschichte.
Du reagierst auf den Vogel, der Vogel auf dich. Die Katze auf einen Vogel, deine Mutter auf die Katze. Du auf deine Mutter ...
Die Natur reagierte mit "Tränen". (hab wohl meinen Moralischen) :confused:
Also, das mußte ich jetzt so aufschreiben, weil es mir beim lesen, entgegensprang.

Eine schöne, traurige Geschichte, die viel mehr aussagt, als du vielleicht beabsichtigt hast,oder?

Schön, dass du hin und wieder auch mal nicht Fantasy schreibst.
Nicht das ich die nicht mag, aber Kommentieren kann ich sie nicht, weil ich keine Ahnung von all den Trollen u.s.w. hab.
Könnte nur darunter schreiben: Eine schöne KG, habe sie gerne gelesen.
Könnte mir vorstellen, dass du dann nach meinem zweiten Komm., fletschend vor dem Monitor sitzt. ;) :shy:

umarme dich
deine col. :)

 

Hallo Vita,

eine schöne alltägliche Geschichte. Vorallem der letzte Satz hat mir gut gefallen. :)

Eine sprachliche Ungereimtheit ist mir aufgefallen: "Hallo Katze“, sagte ich. Der Kater rollte sich auf den Rücken und schnurrte, als ich SIE kraulte" Es müsste IHN heißen.

Gruß,
Ellen

 

Hi col,

danke fürs Lesen, für das Kritisieren.

Du hast Recht, als junger Mensch ist man auf den Tod nicht vorbereitet, aber ich spiele gern mit Gedanken der Vergänglichkeit, dann kann ich das Leben besser genießen. Wenn ich weiß, dass der Sommer vergeht, dann genieße ich ihn doch, so lange ich kann? Wenn ich weiß, dass ich altere und sterbe, dann freue ich mich doch über meine Jugend? Hin- und hergerissen bin ich gerade zwischen Trauer und Glück...

Hin- und hergerissen auch der Prot, zwischen der Weichheit des Vogels und der Sympathie zur Katze. Hin- und hergerissen die Mutter, zwischen Ärger über die Flecken auf dem Teppich und der Trauer um das tote Tier. Hin- und hergerissen die Katze, zwischen dem Instinkt zu töten und der Verwirrung, warum wollen die Menschen den erbeuteten Vogel nicht, wo sie sich so viel Mühe gegeben hat?

Ich habe versucht, alle Seiten zu beleuchten. Und auch, wenn der Vogel weich war - meine Sympathie gilt der Katze, sie hat es schließlich nur gut gemeint.

Lieben Gruß
deine vita

 

Hallo vita!

Hat mir gut gefallen - stilistisch wie inhaltlich.
Du schreibst rund und flüssig, das ist sehr angenehm zum lesen.
Inhaltlich: Die Betrachtugn des Vogels am Anfang, das Singen, und der Schluss passen m.E ausgezeichnet und machen den Text rund.
Eine Anmerkung: Kater und Katze. Wenn Du anfangs von Kater sprichst, bringt es mich persönlich durcheinander, wenn Du dann plötzlich Katze schreibst - was denn nun, Kater oder Katze? Ich weiß schon, Katze als Oberbegriff - für mich war das dennoch ein Stolperstein. Wiederholunge könntest Du übrigens vermeiden, indem Du der Katz/dem Kater einen Namen gibtst, was ich schöner finden würde.
Ansonsten einfach schön zum lesen.

schöne Grüße
Anne

 

Hallo vita.

Irgendwie berührte mich seine Silhouette
Irgendwie freute ich mich,
Irgendwie finde ich "irgendwie" ganz schwach. Aber das ist nur eine Nebensächlichkeit. Was ich nicht mag an der Geschichte, ist eine gewisse aufgesetzte Gefühlsbetontheit. Tut mir leid, aber so kommt sie bei mir an. Ich glaube dir, daß du die Geschichte selbst erlebt hast, und ich kann auch dein Mitleid für den Vogel nachempfinden. Aber warum schreibst du das nieder?

Gruß
marquee

 

@ marquee

Aber warum schreibst du das nieder?

Diese Frage könnte man theoretisch unter jede Geschichte setzen.
Dich hat diese hier eben nicht angesprochen.

@ vita

Mit deinem Prot konnte ich gut mitfühlen; außer Vögeln bekommen wir fast täglich auch noch Mäuse serviert ;) und ich warte noch auf eine Blindschleiche, die sich hier auch tummeln...

Es sind die kleinen Momente im Alltag, in denen ich mich immer wieder kurz wie das kleine Mädchen von früher fühle und denke :).

Lieber Gruß
ber

 
Zuletzt bearbeitet:

Blindtext...sorry...
(wollte eigentlich nur den alten bearbeiten...)

 

Hallo Maus,
das tut mir Leid, ich habe dich nicht absichtlich ignoriert *schäm* du weißt ja, wie hier in Alltag die Postings purzeln, wahrscheinlich war die Geschichte schon auf Seite 2, als ich reingeguckt habe.
Das mit dem Kater und der Katze habe ich ein bisschen verändert. Die Prot sagt "Katze" zum Kater, aber das tut sie nur einmal, den Rest der Zeit ist vom Kater die Rede. Ich hoffe, so ist es klarer.

Hallo marquee,
das irgendwie habe ich jetzt mal dringelassen, weil es das Ganze ein bisschen relativiert. Es ist immerhin ein Mensch, der schreibt, und der Tote ist "nur" ein Vogel. Deshalb finde ich, dass das Wort hier richtig ist. Ein toter Vogel ist ja kein Grund, sich die Augen auszuheulen.
Die "aufgesetzte Gefühlsbetontheit", von der du sprichst, kann ich nicht nachvollziehen, ich finde sie in der Geschichte nicht. Ich hatte sie nie als aufgesetzt geplant, höchstens als ein bisschen... ich weiß das Wort nicht. Banal, vielleicht. Weil es trotz allem ja "nur" ein Vogel ist.
Warum ich es aufschreibe? Weil es für mich ein Stück Alltag war, das festgehalten werden konnte. Warum also nicht?
Trotzdem danke fürs Ausgraben.

Hallo ber,
danke für die Kritik, und schön, dass du das nachvollziehen konntest. Ich finde es immer nett von der Katze, wenn er mir Geschenke bringt... :)

Hallo groper,
ich finde keine schiefen Bezüge, kannst du mir anhand von Textstellen rauskramen, was du meinst? Und ich finde die Reihenfolge durchaus sinnvoll. Die Prot schiebt ihn auf das Papier, dabei muss sie ihn ja wohl berühren, meinst du nicht? Telekinese kann ich leider trotz intensiver Studien nicht, und ich schließe da immer von mir selbst auf meine Prots.

Danke fürs Feedback euch allen!

gruß
vita
:bounce:

 

hello vita,

da hast Du einen längeren Moment gut eingefangen, ebenso wie eine traurige Stimmung. Allerdings ist Dir der Einstieg mißraten, da hattest Du Dich wohl noch nicht warmgeschrieben. Vorschlag:

'Sonntagmorgen, ich war gerade aufgestanden. Über mir, in den Zweigen der Birke, die ihre Samen immer auf mein Veluxfenster fallen ließ, sah ich einen Vogel sitzen. Er zwitscherte.'

Ich finde, in Deiner Version stehen der 'Vogel' und das 'Er' im Folgesatz zu weit auseinander - da kriegt man den Bezug nur schwer zu fassen.

Viele Grüße vom gox

 

Hey gox,
danke für die Kritik - endlich mal was Konkretes ;)
Ich werde den Anfang noch mal überbügeln. Der ist wohl wirklich etwas holprig geworden.

gruß
vita
:bounce:

 

...endlich mal was Konkretes ;)...

Ich bin immer ganz doll konkret!!! :)

 

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