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Der Wassernicker

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08.07.2002
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Der Wassernicker

Ich seh dich, mein Kleines.
Ich seh dich in all den Wassern die mich umgeben.
Wo lebst du nun? Kann ich dich erreichen?
Will ich dein Gesicht berühren, so verzerrt es sich und schwindet davon, fließt hinab aus der Realität, hinein in eine andere.
Du bist nun in seiner Welt, richtig?
Ist er bei dir?
Hab nicht so viel Angst, ich werde dir ins schwarze Wasser folgen.
Lass mich nur ein wenig Mut sammeln ...


*
Valerie lauschte den unzähligen Tierlauten, die aus dem schmutzigen Weiher vor ihrem Fenster drangen. Frösche, Grillen und Zikaden hatten sich zusammengeschlossen und komponierten eine Kakophonie der Natur, die Val den letzten Nerv raubte. Wie so oft hatte sie es mit der Wahl ihres Zimmers am schlechtesten getroffen. Gut zwanzig Meter vor ihrem Schlafzimmerfenster lag dieser schreckliche, zugewucherte Tümpel, der einen süßen, fauligen Geruch von Wasser und Erde verströmte und der nun damit begann ihr die Nase herauf zu kriechen. Seufzend drehte sie sich im Bett umher und schlug aufgebracht die Decke beiseite. Ob ihre Schwiegermutter nebenan wohl weniger Probleme mit dem Schlafen hatte? Sascha und Kevin jedenfalls waren noch wach. Ab und zu konnte sie hören, wie die beiden unten herumliefen und miteinander flüsterten. Für sie war so ein Kurzurlaub am Meer natürlich sehr aufregend und Val wusste nur zu gut, dass ihre beiden Kinder jetzt am liebsten noch runter zum Strand gelaufen wären, um Krebse, Muscheln und Seesterne zu sammeln.
Val zuckte zusammen, zischte ein knappes „Aua“ in die Dunkelheit und presste sich die Hand auf den Bauch.
„Kannst auch nicht schlafen, was?“, flüsterte sie ihrem Ungeborenen zu und wartete abermals auf Bewegungen und Tritte. Aber es blieb ruhig. Dann drehte sie sich auf die Seite und streichelte die leere Betthälfte. Wie gerne hätte sie ihren Kersten jetzt bei sich. Für ihn wäre so ein ruhiges Wochenende an der Nordsee genau das Richtige gewesen. Er ließ sich nicht von kräftigen Windböen und gelegentlichen Schauern aus der Ruhe bringen. Die junge Frau musste lächeln. Ihr Mann wäre sogar über den Froschgesang hinweg sofort eingeschlafen. Während sie an ihn dachte, spürte sie ein elektrisierendes Kribbeln zwischen ihren Beinen. Seit ihrer Schwangerschaft war Kersten sehr vorsichtig geworden, wenn es um Sex ging. Tatsächlich taten sie es eigentlich kaum noch miteinander und wenn sie es machten, dann klopfte er eigentlich nur an ihren Eingang, anstatt hereinzukommen.
Val´s Schmunzeln nahm in der Dunkelheit immer mehr zu. Seine grundlose Besorgnis während der Schwangerschaften hatte sie an ihm immer sehr süß gefunden, obwohl sie dabei natürlich über lange Strecken hinweg unbefriedigt blieb.
Während Valerie langsam in ihre erotischen Fantasien abtauchte, in denen nicht nur Kersten eine Schlüsselrolle spielte, heulte der starke Seewind am Fenster und rüttelte gelegentlich kräftig am Cottage. Der Mond war von schweren Wolken behangen, die wie schwarze Wetterballons träge am Himmel klebten und das Licht in sich aufsaugten, während auf der Erde eine pechschwarze Nacht herrschte.
Valeries bewusste Gedanken wurden immer schwammiger und ungeordneter als der Schlaf sie umfing. Das es draußen still geworden war und alle Streichinstrumente und Bläser urplötzlich aufgehört hatten zu spielen, bekam sie nicht mehr mit ...


*
Kevin verharrte auf den Holzdielen und kicherte seinem Bruder mit einer Mischung aus Angst und Abenteuerlust entgegen, als die starke Windböe am Haus entlang fegte und die Inneneinrichtung erzittern ließ. Der neunjährige Sascha rieb sich die Ohren, die zu viel Druck abbekommen hatten und lief danach an der Treppe, die nach oben führte, vorbei ans Fenster. Behutsam legte er seine Finger um den Griff der Hintertüre und drückte sie runter. Protestierend aufgrund von soviel Geheimniskrämerei knarrte sie laut auf, was Kevin dazu veranlasste seinerseits die Hände auf die Ohren zu pressen.
„Abgeschlossen“, sagte Sascha enttäuscht.
Kevin war schon an seine Seite getreten und kniff die Augen zusammen, als er draußen was erspähte.
„Was siehst du?“, wollte der jüngere Bruder wissen, wartete aber nicht auf eine Antwort, sondern presste sein Gesicht dicht vor die Fensterscheibe. Dann sahen sich beide Brüder erschrocken an und warfen sich hastig auf den Boden. Wild plapperten sie durcheinander und rekonstruierten das Bild für den jeweils anderen, um sicher zu gehen, das auch beide dasselbe gesehen hatten. Kevin wollte mutig sein und reckte seinen Kopf nach oben, damit er über den Fenstersims schauen konnte.
Sascha zupfte ihm am Schlafanzug, um kontrollieren zu können, das sein Bruder auch ja nicht zu viel von sich preisgab. „Ist es noch da?“, fragte er neugierig und kaum ängstlich.
Kevin nickte hastig, ohne seinen Blick abzuwenden.
Ein kurzes, aber relativ steiles Gefälle der Wiese führte seinen Blick zu dem wild umwucherten Weiher, der hinter ihrem Haus lag. Er war nicht sonderlich groß, aber umringt von dichtem Geäst und sterbenden Bäumen, die vor dem Himmel verdreht und krüppelig ihr Haupt neigten und auf das schwarze, stinkende Wasser hinunterblickten. Am Ufer sammelte sich ein dichtes Netz aus Algen und Seegras, das einen langen und breiten Teppich aus einer schmierigen Patina formte.
Und inmitten dieses Tümpels erblickte Kevin einen schmalen Schatten auf dem Wasser. Bei näherer und längerer Betrachtung formte sich daraus die Kontur eines dürren, verkrümmten Holzes, welches erschreckend menschliche Züge annahm. Von den langen Ästen, die als Gliedmaßen dienten einmal abgesehen. Kevin konnte sich nicht entsinnen, dieses Ding vorher schon gesehen zu haben. Auch nicht, als er den Weiher zusammen mit seiner Mutter und Oma aus der Nähe betrachtet hatte. Mittlerweile war auch Sascha aus seinem Versteck hervorgekommen und versuchte das Ding auf dem Wasser zu identifizieren.
„Ein gruseliger Baum?“, fragte er seinen Bruder und war ein wenig enttäuscht darüber, nichts spannenderes darin sehen zu können.
„Ja, wahrscheinlich“, sagte dieser und stand auf. Für einen Moment war er missmutig darüber, weil das prickelnde Gefühl der Anspannung von ihm abfiel.
Was aber dennoch blieb, war Unbehagen, als er sich in dem großen, fremden Raum umsah, der ihn umgab, und Küche und Wohnzimmer zweckmäßig vereinte. Der Wind heulte und rüttelte noch immer am Haus und die Dunkelheit baute sich wie eine undurchdringbare Wand vor den Brüdern auf.
„Gehen wir hoch zu Mama“, schlug der jüngere vor.
Kevin ließ sich nicht lange bitten und schon flitzten sie die kurze Treppe hinauf ...


*
Adele war aus einem leichten Schlummer erwacht, als sich vor ihren Augen langsam die Konturen schärften und sie ihre beiden Enkel Kevin und Sascha erblickte, die sie mit wachen Augen vom Fußende des Bettes aus anschauten.
„Was macht ihr denn so spät noch auf?“, fragte sie mit gebrochener Stimme und rieb sich die Stirn.
„Wir haben Angst. Der Wind bläst so laut und Mama wacht nicht auf“, sagte Sascha, der von seinem älteren Bruder zum Sprecher erklärt worden war.
Adele schlug die Decke beiseite und setzte sich auf die Bettkante, griff dann nach ihrem Funkwecker und nach dem Glas Wasser auf ihrer Nachtkommode. Sie nippte nur kurz an dem Glas, stellte es wieder weg und griff sich stattdessen ihre Brille. Dann richtete sie sich auf.
„Nun will ich euch mal wieder ins Bett bringen“, sagte sie erheitert und streichelte den beiden kurz durchs Haar.
„Aber Oma, wir können nicht schlafen“, protestierte Kevin, der sich nun nicht mehr dafür schämte Angst zu haben.
Adele war schon in den Flur getreten und legte den Kopf leicht in den Nacken um die beiden aufzufordern hinterher zu kommen.
Kevin griff seinen Bruder am Arm und beide folgten verärgert, hatten sie doch gehofft bei ihrer Mama oder Oma im Bett schlafen zu können.
Auf dem Flur fiel Kevin sofort das Fenster ins Auge, neben dem das Zimmer seiner Mama lag.
„Der Weiher macht uns Angst“, sagte er und hoffte insgeheim, seine Oma doch noch umstimmen zu können. Es schien zu klappen, denn sie blieb stehen und drehte sich zu ihm um. Er nahm diese Gelegenheit natürlich sofort wahr, um ihr den gruseligen Baum zu zeigen, der dem Wasser so urplötzlich erwachsen war. Er ging voraus ans Fenster und prüfte kurz, ob der Ausblick von hier oben auch genügte. Und ob er das tat. Kevin konnte nun geradewegs das ganze Areal überblicken und musste den Baum nicht lange suchen. Er hatte seine Position nicht verändert, stand etwa in der Mitte des Weihers.
Adele gesellte sich zu ihm, mit Sascha an der Hand.
„Der war doch vorhin noch nicht da“, versuchte Kevin sie zu überzeugen.
Adele rückte die Brille auf ihrer Nase zurecht und suchte das dunkle Wasser ab, auf dessen Oberfläche sich nun ein mattes Mondlicht spiegelte und weiße Funken tanzen ließ. Das Wolkendickicht hatte sich ein wenig aufgeklärt und begünstigte die Sicht.
Auch ihr fiel der ungewöhnliche, viel zu dürre Baum ins Auge, aber sie schien die Lösung schon gefunden zu haben.
„Wahrscheinlich haben Ebbe und Flut auch Auswirkungen auf die Teiche und Weiher dieser Gegend. Und dieses hässliche Stück Holz ist nun einfach an die Oberfläche gekommen“, mutmaßte sie.
Sie drehte sich um, legte die Arme um die Schultern der beiden Kinder um sie so zum Mitgehen zu bewegen, aber ein plötzlicher Schrei von Sascha ließ sie zusammenfahren.
„Sei still Junge, du weckst noch deine Mama auf“, sagte sie böse und erregt vom Schreck.
„Es hat sich bewegt. Es hat sich bewegt“, sagte der Kleine und schluckte dabei hastig.
„Echt jetzt“, sagte er aufgeregt und zupfte seiner Oma am Nachthemd. Kevin klebte mit dem Gesicht längst vor der Scheibe.
Auch Adele schaute nun aus dem Fenster, fand das Holz aber unverändert vor. Starr und leblos. Gruselig einzig und allein durch seine Form.
„Hör jetzt aber auf dich darein zu steigern, Sascha“, sagte Adele erbost.
„Bitte, nur noch kurz“, bettelte Sascha, als seine Oma gerade im Begriff war, sich wieder abzuwenden.
Adele sagte nichts, schaute nun aber zusammen mit ihren beiden Enkeln konzentriert aus dem Fenster hinaus. Eine Windböe heulte am Fenster vorbei und rüttelte am Glas.
Als hätte es nur darauf gewartet das wieder Stille herrscht, setzte sich das Holz in Bewegung.
Wie ein langes, dünnes Insekt löste es sich innerhalb eines Bruchteils von Sekunden aus seiner Starre und lief mit langen Schritten, die Adele an eine Mischung aus Spinne und Stabheuschrecke erinnerten, auf dem Wasser in Richtung Haus.
Die alte Frau zuckte zusammen und taumelte zurück, auf ihrem ganzen Körper hatte sich eine kalte, schmerzende Gänsehaut ausgebreitet. Sascha und Kevin schrien, drückten sich aber vor lauter Neugierde die Nasen am Fenster platt.
Dann ließen sie urplötzlich davon ab und sprangen aufgeregt um Adele herum.
„Es kommt über die Wiese zum Haus“, kreischte Sascha panisch. Kevin rieb sich nervös die Finger und drehte sich ein paar Mal um sich selbst.
Adele streifte ihre Paralyse ab und öffnete ohne einen weiteren Gedanken zu verlieren die Türe zum Zimmer ihrer Schwiegertochter ...

*
Hallo du da, am Wasser. Ist es nicht kalt da draußen?

Adele schüttelte Valerie so kräftig sie nur konnte und gab ihr leichte Ohrfeigen, aber dennoch war die Frau nicht wach zu kriegen. Dann fühlte sie entsetzt ihren Puls, doch er war da, stark und regelmäßig.
„Was ist mit Mama los?“, fragte Sascha weinend.
„Ist sie tot?“, fragte der andere schluchzend.
Adele war immer noch ganz starr vor Schreck. Was ging hier bloß vor sich? Wieder und wieder schlug sie ihrer Schwiegertochter ins Gesicht, immer kräftiger, bis Kevin aus der Ecke des Zimmers schrie: „Oma, du tust ihr weh.“

Komm doch her, lass dich anschauen.

Adele stürmte aus dem Zimmer, aber als sie merkte das Sascha ihr folgte blieb sie stehen.
„Oma ruft jetzt die Polizei. Bitte bleibt hier oben bei Mama.“
Dann kontrollierte sie rasch das Zimmerschloss und atmete tief durch, als sie den Schlüssel darin stecken sah. Sie lief zu Kevin und streichelte ihm über den Kopf.
„Schließ die Tür hinter mir ab, ja? Nur zur Sicherheit.“
Der neunjährige nickte tapfer, wartete bis Adele auf dem Flur verschwunden war und drehte den Schlüssel um. Als er neben der Tür den Lichtschalter sah, kam er nicht herum sich ein wenig Angst zu nehmen ...

Ach so, die Türen sind ja verschlossen. Stimmt ja.

Adele schlich den dunklen Flur entlang und harrte an der obersten Treppenstufe aus. Sie lehnte sich ein wenig nach vorne, konnte aber nur einen Teil des Fußbodens am unteren Ende sehen. Ihre Gedanken schlugen Purzelbäume. Noch immer sah sie dieses riesige Insekt vor sich. Die flinken Bewegungen. Die Vier grotesken, spindeldürren Gliedmaßen, mit denen es sogar auf dem Wasser laufen konnte. Ihre Augen spielten der alten Frau nun Streiche. Überall huschten Schatten umher und Adele kribbelte der Rücken, als sie imaginär eines der langen Gliedmaßen auf ihrer Haut spürte.
Aber noch war keine Scheibe zu Bruch gegangen. Keine verdächtigen Geräusche von unten. Und so fasste sie mehr Mut, als sie hastig die Treppen hinunterschlich.
Sie vermied es, sich unten länger als nötig aufzuhalten und hastete zum Telefon. Trotzdem konnte sie nicht umhin, durch die großen Küchenfenster nach draußen zu spähen, während sie das Telefon ergriff und sich unter den Ecktisch kauerte. Sie hatte noch nicht angefangen zu wählen, als von oben zwei markerschütternde Schreie ertönten. Adele blieb fast das Herz stehen, aber sie drückte tapfer die drei Tasten auf dem Telefon und betete, das die Polizei rechtzeitig hier wäre.

Na dann komm doch einfach rauf zu mir. Durchs Fenster. Du siehst jedenfalls sehr akrobatisch aus.

Das grelle Licht der Deckenlampe offenbarte das Grauen für Kevin und Sascha auf einen Schlag.
Wie eine Spinne auf Beutefang schnellte das Wesen mit den Vorderläufen voran aus dem Fenster hervor. Noch nicht eine Sekunde später folgten der hagere Leib und die noch dünneren Hinterläufe.
Wie ein biegsamer Ast rollte sich das Wesen übers Bett und aus den Vorder- wurden plötzlich die Hinterläufe. Dann richtete es sich auf. Die zwei langen Gliedmaßen katapultierten den Leib in Schwindelerregende Höhen und bildeten nun ein stabiles Beinpaar. Mit den langen Armen tastete es zuerst über die Wand, fand dann halt und streckte einen Arm aus, um nach Valerie zu greifen.
Sein scheußliches Antlitz aber war direkt auf Sascha und Kevin gerichtet, die beide wimmernd in der Zimmerecke kauerten. Sascha musste seinen Blick abwenden und wühlte sich mit dem Kopf in Kevins Schlafanzug. Dieser hielt dem Schrecken stand, weil sein kleiner Verstand gar nicht fähig war auf irgendeine andere Weise zu reagieren als zurück zu starren.
Das Gesicht der Kreatur war entfernt menschlich. Zwei milchig weiße Augenpaare schienen dem Jungen direkt ins Herz zu blicken. Die Haut war schrumpelig wie die eines Greises und sumpfgrün. In langen, breiten Streifen hing ein noch dunkleres Haar hinunter. Klebrig hing es auf dem Kopf und davon hinunter. Mal dunkelgrün und beschaffen wie Algen, mal pechschwarz und durchaus menschlich. Der Mund war seltsam verzerrt und maskenhaft. Wie ein umgekippter Halbmond zog er sich von einem Ohr zum anderen. Das Gewebe an der Oberlippe war nach hinten wegverkümmert und legte eine gelbe Zahnreihe frei. Ebenfalls nur ein schmaler Streifen inmitten von braunem Zahnfleisch.
Wie ein Affe hangelte sich das Wesen nun durchs Zimmer. Seine dürren, langgezogenen Gliedmaßen schnellten unbeholfen hin und her.
Mit einer Hand aus der Astlange Finger ragten, griff er sich Valerie und hievte sie hoch, bis sie gut anderthalb Meter über dem Bett schwebte.

Nicht so stürmisch, Großer. Zeig mir nochmal deine Hände. Oh, Jesus. Du hast so große Hände.
Besorg´s mir damit ...

Dann kam es näher an sie heran um ihren Bauch zu beschnuppern. Ein pfeifendes Geräusch entwich dabei dem Maul. Es nahm die andere Hand von der Wand und kratzte sich an zwei fleischigen Brüsten, die schlaff und ohne Form wie zwei Fleischlappen an dem völlig ausgemergelten Körper hingen. Kevin schaffte es, den Blick zu senken, als er hörte, wie Adele an die Zimmertüre hämmerte. Aber er hatte keine Kraft mehr in seinen Beinen. Sie fühlten sich an wie zwei Felsbrocken, schwer und leblos.
Das Wesen richtete nun seine Hand in die Luft und spreizte die Finger, nur um sie sofort wieder anzuwinkeln. Die Hand hatte nun die Form eines riesigen Rosendorns. Mit einem Mal hatte es das Nachthemd der Frau durchtrennt und es fiel sanft zurück aufs Bett.

Warum willst du dann in mir sein? Warum bist du dann überhaupt hier? Du bist ein Traum, jawohl. Bloß eine Fantasie. Wage es ja nicht ...


*
Der Schrei, mit dem Valerie aus dem Schlaf aufschreckte, zeriss ihr Traumgewölbe bis in den letzten Winkel. Die Realität hatte sie wieder und damit auch die Gewissheit, das es ihr eigener Schrei gewesen war, der sie zurückgeholt hatte.
Der Schmerz in ihrem Unterleib war zerschmetternd stark. Noch nie zuvor, selbst wenn man alle Schwangerschaften auf einmal nahm, hatte sie je einen solchen Schmerz verspürt. Er hatte sofort ihren ganzen Körper vereinnahmt. Wie ein brennender Dolch durchschlug er ihre Schädeldecke und nahm ihr abermals das Bewusstsein ...

Kevin und Sascha schrien ebenfalls, als sie mit ansehen mussten, wie die Hand der Kreatur komplett im Unterleib ihrer Mutter verschwand. Ein Sturzbach mit einem Gemisch aus Blut und Wasser ergoss sich augenblicklich über den Boden und brandete an den dürren Stelzen vorbei, die dem Wesen als Beine dienten.
Mit einem kräftigen Ruck zerrte die Kreatur einen rosafarbenen Fleischklumpen aus dem Körper der Frau hervor und hielt ihn wie eine Trophäe nach oben in die Luft um ihn zu begutachten.
Dann fing es an zu kichern.
Den beiden Brüdern wurde eiskalt, als sie diesen einen Laut hörten, der sie zusammen mit den Bildern ein Leben lang verfolgen würde. Erschreckend menschlich. Eine seltsame Mischung aus Mann und Frau. Und das Wesen grinste die beiden an, während es sie verhöhnte. Der schmale Halbmond in seinem Gesicht schwoll augenblicklich an und legte noch mehr Zahnfleisch und neue Zahnreihen frei.
Dann drehte es sich um und war so schnell wieder aus dem Zimmer verschwunden, wie es gekommen war.
Erst jetzt konnten Sascha und Kevin neben den Schreien der Oma und weit entfernten Polizeisirenen, auch noch das schrille und laute Kreischen eines Säuglings vernehmen ...


ENDE

 

Moin Anima!

Ich bin der Ansicht, dass der Inhalt der direkten Rede und der Kontext, in dem sie steht, eigentlich ausreichend klären sollten, wie etwas gesagt wird. Somit sind jegliche genauere Beschreibung der direkten Rede überflüssig. In dieser Geschichte wird nichts einfach nur gesagt, alles wird "ängstlich", "neugierig", "böse" oder "erregt" gesagt. Auf mich hat das einen unfreiwillig komischen Effekt, vor allem wenn jemand "neugierig und gar nicht ängstlich" fragt, ist der Bogen, meiner Meinung nach, überspannt. Wenn diese Emotionen wichtig sind, sollten sie geschickter in den Handlungen und in dem Inhalt der direkten Rede verpackt werden. Wenn sie unwichtig sind, einfach ersatzlos streichen. Alles anderen erinnert mich immer an Groschenromane.

Gut gefallen, hat mir hingegen die Beschreibung des Weihers. Speziell am Anfang malst du ein stimmungsvolles Bild, das mich eigentlich erst veranlasst hat, die Geschichte zu lesen. Auch die Beschreibung des "Baums" konnte mich stellenweise überzeugen.

Leider stimmt irgendwie die innere Logik der Geschichte nicht. Im ersten Absatz wird noch sehr breitgefächert erzählt, der Leser bekommt mehrere lose Fäden in die Hand, von den einige jedoch gleich wieder fallen gelassen werden können. Kersten beispielsweise hat eigentlich keine Bedeutung für die Handlung, einzig sein Umgang mit der Schwangerschaft könnte im Kontext mit der Vergewaltigung am Ende stehen.
Auch der Schluss kommt für mich zu unmotiviert. Val ruft das Baumwesen im Traum, es kommt und reisst ihr Ungeborenes aus ihrem Leib. Ja und?, fragt sich der geneigte Leser. Es gibt eigentlich keinen Spannungsaufbau; der Baum bewegt sich und wenige Zeilen später steht er schon im Schlafzimmer, es gibt noch nicht einmal die Illusion der Rettung.
Auch wirkt das Ganze etwas mager, nach dem warum will ich gar nicht fragen, man muss nicht immer alles erklären, aber irgendwelche Hintergründe würden der Atmosphäre doch gut tun.

So, Anima, tut mir Leid, aber die Geschichte hat mir wirklich nicht so gefallen. Vor allem da sie nach dem Anfang stark abbaut.

Jorgo

 

Hallo ANiMA,

atmosphärisch gefällt mir deine Geschichte gut. Der Wald nahe am Meer, der Tümpel, auch die Urlaubssituation bei der Großmutter, die kleinen Kinder in ihren Ängsten, das hast du gut eingebracht.
Vom Plot her finde ich deine Geschichte etwas undurchsichtig und es fehlt mir an Informationen.
Wenn ich es richtig verstanden habe, beschwört die junge Frau das Baumwesen (das mich irgendwie an eine überdimensionierte Stabheuschrecke erinnerte) durch ihren erotischen Traum. Warum dieser Traum aber zum Albtraum wird, der mit dem realen Diebstahl des Embryos endet, das ist mir leider nicht klar geworden.

Vielleicht überarbeitest du ja noch einmal, verlängerst die Geschichte ein bisschen und gestaltest sie in ihrer Auflösung etwas schlüssiger.

Lieben Gruß, sim

 

Hallo Anima,
ich fand die Einleitung deiner Story sehr interessant und vielversprechend, allerdings habe ich dann keinen Bezug zu der Geschichte gefunden. Deine Beschreibungen der Umgebung und des wesens finde ich toll, mir fehlen aber mehr Informationen um mich für die Story richtig zu begeistern. Was sind die Motive dieses wesens? Wo kommt es her und wofür braucht es das Baby? Warum ruft Val, wenn auch unbewusst, es herbei?

Gruß
Roland

 

Hallo ihr drei :)

Habt Dank für die Kritiken und Anregungen.

Jorgo, das mit den Adjektiven ist mir durchaus bewusst, es ist ein Problem, das ich wie es scheint nur langsam in den Griff bekomme. Das es dir auffällt, ist nur wieder ein Beweis dafür ;)

Was alle drei Kritiken verbindet ist die Tatsache, das ihr die Geschichte für nicht geschlossen betrachtet bzw. wie Roland sagte, den Bezug verloren habt.

Mhhh, ich kann es verstehen, wollte aber eigentlich nur eine atmosphärische Monstergeschichte schreiben, in der ruhig einige Fragen offen bleiben dürfen. Wie es scheint, ist das aber zum Problem geworden!

Mir war der Weiher wichtig, die Beschreibung des Ferienhauses und der Umgebung und natürlich das Monster selbst.
Vielleicht waren die Träume der Frau schlicht überflüssig und störend.

Das Monster verschleppt Babys, genau. Wohin? Ins Wasser. Warum? Keine Ahnung (vielleicht braucht es was zum kuscheln).

Trotzdem versteh ich eure Kritiken und werd gucken, das ich die Story dahingehend umbaue, das ich die Frau nicht träumen lasse. Sollte nen mysteriösen Touch in die Geschichte bringen, aber hat wohl nur verwirrt ;)
Dann holt sich der Nicker das Baby eben einfach mit Gewalt und nimmt die Mutter gleich mit, oderso!

schöne Grüße
*Chris*

 

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