Der Weg
Der Weg
leise
leise kam die antwort
keine Fragen, stell mir keine Fragen
nicht wenn es dunkel ist
du wirst schon sehen was du davon hast
Susan gehörte nie zu der Sorte Mensch, welche sich grämten, weil es Montag war. Als sie letzten Sommer den Job in der Kanzlei antrat, war sogar das Gegenteil der Fall. Ja, es war Montag. Ein schöner Tag, ein neuer Tag in einem neuen Beruf.
Es ist eben eine herausfordernde Aufgabe... genau das richtige. Egal, wen interessiert da noch die kleine Schummelei im Examen. Klar, als Anwältin sollte man eigentlich ehrlich sein und das war Susan ja auch. Susan war ehrlich zu sich selbst. Sie gestand sich ihre Fehler ein... warum nicht ein paar Examensantworten kaufen? Frau sollte eben flexibel sein.
Die erste Bahnunterführung der Nord-West-Route hatte Susan bereits hinter sich gelassen. Es wäre falsch zu behaupten, sie würde viel joggen, viel sport treiben... aber Susi war auch keineswegs faul und so sollten es heute mehr werden, mehr als die drei Meilen letzte Woche.
Der Zug fuhr mit einem lauten hupen in den Tunnel ein. Es dämmerte bereits und Susan hielt kurz inne für einige Dehnübungen. Der Wald am Hang des Tales hatte noch eine saftig grüne Farbe, obwohl es schon Ende September war. Eigentlich mochte Susan diesen Feldweg nicht besonders zum joggen, schließlich waren ständig diese penetranten Hundeausführmenschen unterwegs. Susan mochte diese Leute nicht, nein, sie hasste sie sogar. „Sie brauchen keine Angst zu haben, mein Hund tut nichts“, oder „er will nur spielen“... pah... natürlich macht der Hund nichts wenn er tagtäglich froh ist aus Herrchens Hand einen Napf Trockenfutter zu erhalten. Aber einer armen Joggerin... die knackigen Waden, wunderbar! Ein Festmal für einen durchschnittlichen Strassenkreuzer. Doch nicht an diesem Tag. Heute war es ruhig... ok, es war schon später Abend aber... keine Menschenseele unterwegs?
Susan streckte ihr linkes Bein gerade nach hinten und bildete mit dem rechten einen neunzig-grad-winkel. Ihr Blick streifte über die Bergspitzen und blieb an zwei roten Lichtern hängen. „Siehe da“ sagte sich Susan, „Es ist doch tatsächlich noch das Riesenrad zu sehen“. Eigentlich rannte Susan selten diesen Weg und Heute hat sie nach der Unterführung auch noch den linken Feldweg eingeschlagen. Das Dichte Fichtenwäldchen durch das dieser Weg führt lässt kaum Licht auf den Boden. Aber was soll´s, vielleicht ist die Route ja ganz interessant.
Langsam wurde die Dämmerung zur Dunkelheit und Susan beschloss ihren Weg fortzuführen. Susan löste noch mal ihren Haargummi, welcher ihr goldblondes Haar zusammenhielt um ihn erneut und diesmal fester um den Pferdeschwanz zu legen und rannte los.
Ssssssss... sssssss... ssssss... warum siehst du dich um?
Es fiel Susan schwer gegen den Wind anzukämpfen, der ihr um die Ohren pfiff direkt auf ihre Front. Sechs Meilen hatte sie bereits geschafft und sie war zufrieden, ja eigentlich stolz auf sich. Doch auch aller Stolz änderte nichts an ihrer Erschöpfung, die sich immer mehr einstellte. Susan starrte noch einmal in Richtung Riesenrad.
Was bitte war da los? Warum waren die Lichter grösser zu sehen als zuvor? Dieser Weg führt immer noch weg von Brownsville, die Lichter mussten kleiner werden.
Susi schweifte kurz ab mit ihren Gedanken und musste an den Zeitungsartikel denken, in welchem geschrieben stand, dass eine Frau ihren Mann verlies, weil dieser heimlich den Kater kastrieren lies. „Geschieht ihm recht, diesen Katzenhasser“, dachte Susan.
„Aber... wie kann das sein?“ Susan erinnerte sich, sie erinnerte sich an den kleinen Artikel neben der Katzenhassergeschichte. Es stand dort geschrieben... eindeutig. Susan rief die Zeilen zurück in ihr Gedächtnis „...wird das Volksfest in Brownsville Sonntag Abend mit einem Feuerwerk enden.“
„Ok, was ist hier los... diese Lichter, sie sind so... rot... woher sind sie?“. Als Susan auf den Berg schaute wurde ihr klar, das Brownsville doch eigentlich östlich von ihr liegen müsse... diese Lichter sind aber im Westen und... „das Volksfest ist bereits abgebaut?“
sssssss... ssssseeeeh... diiiiiich…
„Rote Lichter... was sind das für Lichter...ich... ich muss jetzt... ich muss schnellstens heim...“. Susan´s blaue Augen wahren weit geöffnet, bei fast jedem Schritt bewegte sich ihr Blich spähend in alle Richtungen. Das Rascheln im Busch vor ihr überhörte Sie zuerst, da ihr Atem immer schwerer wurde, aber kurz vor dem Gestrüpp gebat ihr ihre Angst einhalt. Es war kein Rascheln mehr zu hören, sondern ein tiefes knurren... nein, eher ein klagendes stöhnen...
du siehst du mirrr?
Ich kann dich sehen… kann dich… riechen… du bissst hier…
„LASS ES, LASS MICH IN RUHE“, Susan schrie auf als sich das Gebüsch öffnete. Mit langsamen taumelnden Bewegungen torkelte ein kleines Mädchen aus dem Dickicht. Sie trug ein weisses Kleid und war ohne Schuhe. Das blonde Haar hing über ihr Gesicht und sie war schmutzig... sie war dreckig und ihr Kopf gesenkt in den Boden
Siehst du mirrr?
Ich bin dein Leben, bin dein Wille, bin dein Tod...
Mit einem Ruck hob das Mädchen den Kopf und ihre entstellte Fratze zeigte sich Susan. Die Augen des Mädchens leuchteten feuerrot und ihr Mund war mit dicken Hanfschnüren zugenäht.
„lass es lass es... lass mich in Ruhe... geh weg.... weeeeeg!“.
Susan erwachte verschwitzt und um sich schlagend. „Alles in Ordnung, ist ja gut, ich bin bei dir“.
„Silvia, meine Tochter... ich habe geträumt, böse geträumt.“ Susi legte ihren Kopf auf ihre Knie und versank in Tränen.
Da öffneten sich Silvia´s glutrote Augen... „Mama... keine Angst... du bist in Sicherheit“