Mitglied
- Beitritt
- 03.09.2006
- Beiträge
- 3
Die Abreise oder die Rückkehr
Wiedereinmal stehen wir am Gleis 13. In genau fünf Minuten trifft der Zug ein und gleichzeitig mit ihm der Höhepunkt meiner Traurigkeit. Er hält mich fest im Arm und ich versuche das Gefühl der letzten Momente von Nähe und Geborgenheit in mir zu speichern. Ich drücke meinen Kopf fester gegen seine Brust, so, als ob ich dadurch seine Abreise verhindern könnte. Seine Hand fährt mir zärtlich übers Haar und verleiht mir eine leichte Gänsehaut, begleitet von ein paar Tränen die mir in die Augen steigen. Doch ich reiße mich zusammen, schlucke die Tränen runter. Er hasst es mich weinen zu sehen. Sanft spüre ich seine Lippen auf meiner Stirn. Ich schaue hoch in sein Gesicht und blicke in diese wundervollen Augen. Wie ich diese Augen liebe. Der Glanz, dieses Funkeln. Stundenlang könnte ich in diese Augen sehen und alles um mich herum vergessen. Leider bleiben mir dafür jetzt nur noch 3 Minuten.
„Sei nicht traurig, mein Schatz!“, flüstert mir Jo leise zu und streichelt dabei über meine Wange. „Ich bin doch bald wieder bei dir.“
Ich muss lächeln. Es scheint so, als würde es ihm nichts ausmachen wieder nach Hause zu fahren. Ich weiß aber, dass es ihn innerlich genauso traurig stimmt wie mich. Ich nicke kurz und gebe ihm einen Kuss.
„Liebe Fahrgäste, in wenigen Minuten hält ein Zug auf Gleis 13. Vorsicht bei der Einfahrt.“, dröhnt es aus den Lautsprechern des Bahnhofes. Oh Gott, wie ich diesen Satz hasse! Langsam löst sich Jo von mir und setzt sich seinen Rucksack auf. Er hält meine Hand und am liebsten würde ich sie nie wieder loslassen. In der Ferne hört man Zug, der langsam auf den Bahnhof zusteuert. Ein letztes Mal nimmt Jo mich fest in den Arm und küsst mich liebevoll.
„Bald bin ich wieder da!“, flüstert er mir erneut ins Ohr.
Der Zug hält nun und ich begleite ihn noch bis an die Tür. Schnell drückt er mir noch einen Kuss auf die Wange und verschwindet dann im Wagon. Ich bleibe eine Weile stehen, als ob ich de Hoffnung hege, dass er es sich anders überlegt und wieder zu mir raus kommt. Ich schüttele den Kopf und gehe in Richtung Treppe. Genau dann ist das Gefühl der Traurigkeit am schlimmsten. Dann wenn ich die Treppe hinuntersteige. Niedergeschlagen durchquere ich den Bahnhof. Während ich laufe schweifen meine Gedanken ab. Ich denke an die letzte Woche, wo ich gemeinsam mit Jo aus dem Alltagstrott geflohen bin. Jetzt, wo mein Freund weg ist, setzt dieser wieder ein. Menschen rennen hastig durch die Gegend um ihren Zug zu erwischen oder laufen mit konzentriet gesenktem Blick einem Ziel entgegen. Von Liebe und Freude ist für mich kaum etwas spürbar.
Ich gehe einen Schritt schneller. Ich will nur noch nach Hause. An der Treppe zu Gleis 4 bleib ich jedoch stehen. Hier hat damals alles angefangen. Genau hier unten hatten wir uns zum ersten Mal gesehen. Ich lächelte. Er kam damals die Treppe herunter, ich stand unten. Unsere Blicke trafen sich sofort und mir stockte der Atem. Mein Herz rutschte mir in die Hose und gleichzeitig merkte ich es heftig in meinem Hals pochen. Er kam direkt auf mich zu und gab mir die Hand.
Es war ein Blind Date. Im Internet hatten wir uns kennen gelernt. Wir verstanden uns gut und beschlossen gemeinsam uns zu treffen. Es war Liebe auf den ersten Blick!
Ich löste mich von meinen Erinnerungen und lief zu meinen Auto.
Es ist kurz vor neun als ich Daheim ankomme. Es ist dunkel in der Wohnung und ich fühle mich schrecklich einsam. Ich schaltete den Fernseher an, in der Hoffnung das Programm könnte mich ein wenig ablenken. Ich schenkte mir ein Glas Rotwein ein und kuschelte mich in einen Pullover, den mein Schatz mir da gelassen hatte. Sein Geruch macht sich um mich breit und meine Gedanken schweifen wieder ab. Normalerweise würden wir jetzt zusammen einen gemütlichen Abend verbringen. Planlos zappte ich durchs TV, nur um ihn letztendlich doch wieder nach ein paar Minuten wieder geknickt auszuschalten. Ich trink den Wein aus und legte mich in mein großes kaltes Bett. Allein....
Ein sanftes Streicheln über meinen Rücken holt mich aus meinem Schlaf. Zuerst denke ich, ich bilde mir das alles nur ein und schließe meine Augen wieder. Jemand lacht leise neben mir auf dem Bett. Das kann ich mir nicht einbilden. Erschrocken drehe ich mich um. Meine Augen müssen sich erst noch an die Dunkelheit gewöhnen, bis ich erkenne, dass neben mir auf dem Bett Jo sitzt. Ver schlafen reibe ich mir die Augen. Seine Lippen berühren meine und nun bin ich hellwach!
„Ich bin wieder hier. Ich konnte nicht fahren.“, sagt er mit einen Lächeln, so wie er es nur beherrscht., „Die Sehnsucht ist viel zu stark. Drum bin ich auf halben Weg wieder zurückgefahren!“
Ich bin einfach sprachlos. Er nimmt mich in den Arm und ich bin einfach nur glücklich! Sein Geruch, die Nähe und Geborgenheit die er mir bietet, tun mir so gut. Ich weiß das er die Liebe meines Lebens ist!
Noch Stunden liegen wir im Bett, küssen und streicheln uns und sind uns einfach nur nah. Erst als es hell wird schlafen wir Arm in Arm ein.