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Die alte Frau und der Baum
Die alte Frau und der Baum
Hin und wieder strich ein leichter Wind durch die knorrigen Zweige und spielte mit dem schütteren Laub. Die wenigen Blätter reflektierten die Maisonne und es glitzerte, als hätte ein höheres Wesen Gefallen daran gehabt, diesen alten Baum vor seinem Ende mit Smaragden zu schmücken.
Niemand wusste genau, wie alt er war. Er stand seit Ewigkeiten hier an seinem Platz und hatte viele Veränderungen erlebt. Unter ihm waren Felder bestellt worden und Bauern hatten sich in seinem Schatten ausgeruht. Er hatte Kriege erlebt, Mensch und Tier sterben sehen. Gewehrkugeln waren in seine Rinde geschlagen, doch er hatte überlebt
Dann wurden Häuser gebaut und die Felder wichen. Er war alt und sein Blattwerk wurde licht.
Auch die Frau, die auf der Bank unter seiner Krone saß, war alt. Ihre weißen Haare glänzten in der Sonne und umrahmten ein Gesicht, in das die Jahre viele tiefe Falten gegraben hatten.
Es war noch frisch an diesem Morgen und sie hatte sich eine Decke um die schmalen Schultern gelegt. Immer wenn es trocken war und nicht zu kalt, saß sie auf der Bank unter dem Baum. Es war ihr Baum. Er stand auf der Grenze zum Garten ihrer alten Nachbarin, mit der sie sich hier oft getroffen hatte. Handarbeiten hatten sie gemacht, einander vorgelesen, oder nur erzählt.
Es war eine schöne, harmonische Zeit gewesen für die zwei Frauen und den Baum.
Doch jetzt war die Freundin fort, ihr Haus stand leer und bei der alten Frau selbst kamen mit dem Alter die Gebrechen. Sie konnte Papier und Nadeln nicht mehr halten, so dass sie nur noch alleine die Sonne genoss, die die Gräser und Sträucher in ihrem Garten küsste und den frischen Wind, der ihr übers faltige Gesicht strich.
In den letzten Tagen war etwas Unruhe aufgekommen. In dem Nachbarhaus brannte wieder öfter Licht. Die alte Kate hatte wohl neue Besitzer gefunden. Man hörte Hämmern und Sägen und hin und wieder auch Stimmen. Oft die laute, dominierende eines Mannes und manchmal auch eine helle, zaghafte, weibliche.
Es war frisch und die Alte zog sich die Decke fester um die Schultern.
Sie lehnte sie sich zurück, schmiegte sich gleichsam an den Stamm und empfing das Wohlgefühl der Nähe eines vertrauten, innigen Freundes, der sie ihr Leben lang begleitet hatte.
Sie waren beide alt und die Jahre zehrten an ihren Kräften.
Eine Bewegung am Nachbarhaus ließ sie aufmerksam werden. Es dauerte eine Weile, bis sich ihre Augen an die Entfernung gewöhnt hatten. Nur schwach war eine schlanke Gestalt im Schatten des Hauses zu erkennen. Ihre Umrisse hoben sich kaum von der dunklen Tür ab, an der sie lehnte. Eine graue Silhouette vor der schwarzen Wand. Für eine ganze Weile war sie dort mehr zu erahnen, als zu sehen, bis sie sich dann endlich bewegte. Die Frau, die ins Licht trat, war noch recht jung und wirkte in ihrer Haltung scheu, fast ängstlich. Mit zögerlichen Schritten ging sie weiter in den Garten hinein. Die Erscheinung erschreckte die Alte, denn sie drückte eine große Schwermut aus. Traurig hing ihr Kittelkleid am dünnen Körper. Die vollen schwarzen Haare waren im Nacken zu einem Knoten gebunden. Aus einem eingefallenen Gesicht schauten zwei traurige Augen schüchtern zur ihr hinüber.
Eine ganze Weile sahen sie einander wortlos an.
Es war kein neugieriges Abtasten zwischen den Beiden, sondern mehr ein scheues, erstes Kennenlernen. Ein stummes Mitteilen der Gefühle, trotz der Distanz.
Nach einer Weile hob die alte Frau ihre Hand und winkte die Andere mit ungelenken, schwerfälligen Bewegungen zu sich herüber. Langsam und zögerlich kam diese näher, und mit jedem Schritt wurde die Traurigkeit in ihren Zügen deutlicher.
„Setzen Sie sich zu mir.“ Die alte Frau deutete auf den Platz neben sich, worauf die andere sich auf die äußerste Kante der Bank niederließ.
„Ich freue mich, wieder eine Nachbarin zu haben. Es war recht still in den letzten Monaten.“
Die junge Frau hatte ihre Hände in den Schoß gelegt und rieb sich nervös die Finger. Auf die Worte ihrer Nachbarin reagierte sie nur mit einem zaghaften Blick.
„Der Platz auf dem Sie sitzen, gehörte meiner Freundin, die zuvor in ihrem Haus wohnte. Wenn Sie möchten, lade ich Sie ein, diesen Platz ab jetzt einzunehmen.“ Sie neigte sich ein wenig vor, um zu sehen, ob ihre Worte zu der stillen Frau vordrangen.
„Dies ist ein besonderer Ort, hier unter dem Baum. Er gibt Kraft und Mut. Er hilft gegen Einsamkeit und schenkt Zuversicht.“
Wieder herrschte eine Weile Schweigen, bis die junge Frau den Kopf hob und ihre Nachbarin ansah. „Sie sind sehr freundlich, aber ich gehe nicht oft in den Garten.“ Die Alte richtete sich erschrocken auf, denn die Stimme war hell und leise und sie drückte eine große Traurigkeit aus. „Mein Mann und ich leben sehr zurückgezogen, deshalb...“ Weiter kam sie nicht.
Ein Geräusch ließ sie aufblicken, dann sprang sie hoch und lief davon, durch die Tür des Hauses, vor dem ein großer, stämmiger Mann aufgetaucht war.
Die alte Frau kniff die Augen zusammen und nach und nach wurde die Gestalt deutlicher. Er war groß und breit und wohl einige Jahre älter als seine Frau. Sein Arbeitsanzug aus grob gewirktem Stoff war verschlissen und fleckig. Er musterte seine Nachbarin mir starrem Blick.
Die tiefen Schatten seiner Augen wirkten kalt und unfreundlich. Der kahle Schädel unterstrich den Eindruck von Unnachgiebigkeit.
Endlich löste er sich vom Haus und kam näher. Sein Gang war schwerfällig. Sein rechtes Bein schien steif zu sein, und so stützte er sich bei jedem Schritt auf einen dicken, knorrigen Stock, dessen Knauf er mit seiner riesigen Faust umschlossen hielt.
Die alte Frau lächelte ihn an, als er vor sie trat.
„Sie müssen mein neuer Nachbar sein. Seien Sie willkommen.“ Schmale Augen musterten sie und ließen jede Freundlichkeit vermissen. „Entschuldigen Sie, wenn ich Ihnen nicht die Hand reiche“, fuhr die Frau fort, „aber ich habe schon seit langer Zeit Schmerzen darin. Es ist das Alter…“ Wie zum Beweis hob sie ihre Rechte unter der Decke hervor und meinte, das Brennen würde stärker, als er die Hand mit kaltem Blick anstarrte.
Danach herrschte einen Moment Stille, während der Mann die alte Frau weiter herausfordernd beäugte, dann den Baum betrachtete und das weitere Umfeld.
„Ja, wir sind hier eingezogen.“ Die Alte zuckte zusammen, als sie seine Stimme hörte. Tief und rau, geprägt von Rauch und Alkohol. „Meine Frau und ich sind keine geselligen Menschen. Man mag darüber denken, was man will, aber uns geht es gut so.“ Er nahm den Gehstock in die andere Hand und lehnte sich gegen den Stamm. Gleich schien es, als durchzöge ein sonderbarer Strom den Baum. Wie eine leichte, elektrische Aufladung spürte das auch die alte Frau, die mit ihrem Rücken die Rinde berührte.
„Wir haben kein Interesse an Nachbarschaft. So was bringt nur Ärger. Ich werde einen dichten Zaun ziehen, dann kann jeder machen, was ihm gefällt und niemanden stört es.“
Er ließ den Baum los und die Frau atmete schwer auf. „Ich bin alt, wie sollte ich Ihnen Probleme bereiten? Wir habe hier nie einen Zaun gebraucht.“
Der Mann legte wieder seine Hand an den Stamm und wieder war da das seltsame Vibrieren.
„Genau auf die Grenze, da kommt er hin.“ Er veränderte seine Haltung und für einen winzigen Moment schien es, als wirkte der Baum wie ein Magnet auf ihn. Er löste sich von der Rinde und gleich darauf fiel die Hand wieder an das raue Holz. Doch es war wohl nur sein Gebrechen, das ihn kurz aus dem Gleichgewicht geraten ließ.
Doch das seltsame, feine Beben brach für diesen kleinen Augenblick ab und setzte dann wieder ein, heftiger, fast fordernd.
Der Mann trat einen Schritt zur Seite, peilte am Baum vorbei in die Verlängerung in den Garten hinein und verkündete mit einer Stimme, die noch gnadenloser klang als zuvor:
„Der Baum steht auf der Grenze und muss weg.“ Dabei schlug er wieder mit der flachen Hand gegen die raue Borke. Wie eine Entladung zog der Schmerz heftig in die Schulter der alten Frau und ließ sie aufstöhnen.
„In den nächsten Tagen werde ich mich darum kümmern!“ Mit diesen Worten wandte er sich ab und stapfte humpelnd zum Haus zurück.
Die alte Frau saß da, still, allein mit ihren Gedanken, die versuchten das Urteil zu fassen, das gerade gesprochen worden war.
Den Rest des Tages verbrachte sie auf der Bank, an die Rinde geschmiegt, wie eine Liebende, die ihren Gefährten bis in die letzten Stunden begleitet.
Die Berührung brachte Trost und Schmerz zugleich.
Irgendwann war die Sonne untergegangen und der Mond hatte Kälte mitgebracht. Die Frau musste sich von ihrem Freund lösen und ins Haus gehen. Lange saß sie am Fenster, doch auch von dort holte die Müdigkeit sie fort und sie ging schlafen.
Der nächste Morgen war so golden, wie der zuvor. Die Arbeit im Haus verrichtete sie so rasch sie konnte, um dann zeitig in den Garten zu gehen.
Nichts hatte sich verändert. Der Baum stand an seinem Platz und ließ den leichten Wind durch sein Blätterdach streichen. Wieder auf der Bank, spürte die Frau das vertraute Gefühl der Zweisamkeit, das ihr so viel bedeutete. Lange saß sie da, in der Hoffnung, den Nachbarn zu treffen, ihn umstimmen zu können.
Stille lag über dem Nachbarhaus. Erst um die Mittagszeit setzte wieder kurz das Hämmern und Sägen ein, um aber bald wieder zu ersterben.
„Es tut mir sehr leid, dass mein Mann gestern so unhöflich zu Ihnen war.“ Unbemerkt war die junge Nachbarin in den Garten getreten.
„Setzten Sie sich zu mir.“ Die alte Frau rückte schwerfällig ein Stück zur Seite.
„Ihr Mann ist wirklich sehr unbarmherzig.“ Sagte sie dann und die Verzweiflung lag in ihrer Stimme wie ein großer Schmerz. „Er will den Baum fällen, der mir so viel bedeutet wie mein Leben. Ich bin alt und er hat mir all die Jahre Kraft gegeben. Die Natur hat unsere Zeit ohnehin nur kurz bemessen. Ihr Mann braucht doch nur noch wenig Geduld.“
Mit gesenktem Kopf saß die Nachbarin da. Ihre Antwort kam leise. „Ich würde so gerne helfen, wenn ich nur könnte. Aber ich bin selber schwach und kränklich. Mein Mann gibt nichts auf meine Worte.“
Da nahm die alte Frau die Hand der jungen, die viel zu grau und welk war für die wenigen Jahre, und führte sie zum Stamm, bis sie mit der ganzen Fläche die Rinde berührte. „Spüren Sie den Baum? Spüren Sie, dass er seine Kraft mit Ihnen teilt?“ Und tatsächlich ging in ihr eine Veränderung vor. Kaum merklich hatte sich ihre Haltung gestrafft, die Schultern waren ein wenig gerader, ihr Blick voller Erstaunen.
„Geh da weg!“ Der Befehl dröhnte herüber, wie in einer Schlacht der Ruf zum Angriff.
Die junge Frau sprang auf, eilte ohne ein weiters Wort davon und verschwand im Haus.
Mit stampfenden Schritten kam der Mann nähe, Es schien, als würde die Erde immer dann erbeben, wenn er mit Macht seinen gewaltigen Gehstock auf den Boden rammte.
Endlich stand er unter dem Baum, stützte sich auf seinen Stock und musterte die alte Frau mit unverholenem Zorn. „Und darum werde ich den Zaun bauen. Wir legen keinen Wert auf Nachbarschaft. Meine Frau und ich, wir hatten immer ein gutes Leben, gerade weil sich niemand eingemischt hat. Und damit keine Zweifel aufkommen: Der kommt morgen weg.“ Bei den letzten Worten schlug er mit der Faust gegen den Baum, wobei die alte Frau gequält aufstöhnte. Es war so, als ob der Baum ihr seine Pein mitteilte. Im selben Moment kam aber auch von dem Mann ein Aufschrei. Er riss sich von dem Baum los, strauchelte und stürzte. Gebannt starrte er auf die Stelle, wo er gegen die Rinde geschlagen hatte. Nur schwach erkennbar bildete eine leichte Vertiefung genau seine Faust ab. Stöhnend richtete er sich auf. „Morgen kommt der weg.“ Brummte er und humpelte zum Haus zurück.
Wie am Tag zuvor verbrachte die alte Frau die Zeit bis zum Sonnenuntergang auf der Bank. Hatte sie am Vorabend noch die Hoffnung gehabt, ihren Nachbarn umzustimmen, so war sie jetzt nur noch von Trauer um ihren Freund erfüllt, der unschuldig aber unwiderruflich zum Tode verurteilt war. Lange saß sie da. Immer wieder berührte sie mit einer Hand den Stamm. Als Trost für sich und den Freund.
Längst war der Mond aufgegangen. Dunkle Wolken zogen über den Himmel und ließen auf dem Boden schnelle Schatten wandern. Ein kalter Wind wirbelte in den Blättern des Baumes und die, die er abriss, tanzten wild durch die Luft. Die Frau hätte längst ins Haus gehen sollen. Sie war alt und schwach, genauso wie der Baum. Als sie sich endlich löste, war es tiefe Nacht.
Im Haus rückte sie einen Sessel vor das Fenster, so dass sie in den Garten sehen konnte, und als die Müdigkeit endlich siegte, war es früher Morgen.
Der Schlaf brachte keine Erholung. Armeen von Männern, mit Äxten und Sägen bewaffnet, zogen durch ihre Träume, angeführt von einer bizarren Kreatur, die humpelnd, aber dennoch im Gleichschritt, marschierte und mit einem derben, knorrigen Gehstock den Takt vorgab, den sie mit wildem Geschrei einpeitschte.
Es war eine grauenhafte, wortlose Stimme, ein tiefes Gurren, das sich rasend steigerte, um mit anhaltendem hohem Kreischen auszuklingen. Die Stiefel der Marschierenden donnerten auf den Boden und das Brüllen hob wieder an.
Es wurde heller. Der Traum verschwand, wurde vertrieben von erwachendem Bewusstsein. Die Frau blinzelte gegen die gleißende Sonne. Das Trampeln der Stiefel war geblieben. Wieder der gellende Schrei. Ihr Kopf schmerzte. Schwerfällig richtete sie sich auf und beschattete mit beiden Händen die Augen.
Das Bild baute sich nur langsam auf und ebenso langsam, mit jedem kleinen Schritt des Begreifens, schien das Grauen die Kraft aus dem alten Körper zu ziehen.
Der Baum stand da, so wie am Abend zuvor. Im Gegenlicht der gleißenden Sonne war eine Gestalt nur schwer zu erkennen, die in einer sonderbar verkrümmten Umarmung an seinem Stamm hing. Ohne den Boden zu berühren, trommelten die Füße in einem verzweifelten Stakkato gegen die Rinde, begleitet vom Auf- und Abschwellen panischer Schreie. Verzweifelt versuchte die Frau, Panik, gar die Ohnmacht zu unterdrücken. Ihr altes Herz raste. Als sie sich erhob, schoss ein so gewaltiger Schmerz durch ihr Herz, dass sie glaubte, das Bewusstsein zu verlieren. Schwindel stieg in ihr auf und immer wieder musste sie innehalten. An der Tür zum Garten packte sie einen Besen, der an der Wand lehnte, um für die weiteren Schritte Halt zu haben.
Als sie endlich ins Freie trat, wurde sie von Stille empfangen. Unwillkürlich blieb sie stehen und lauschte. Kein Laut war mehr zu hören. Die Schreie waren verstummt, ebenso wie das Trommeln der Stiefel. Kein Wind wehte und kein Tier rührte sich. Stille, nur unterbrochen von den eigenen schnellen Atemzügen. Zögernd schritt sie weiter und als sie endlich vor dem Baum stand, zwang sie eine innere, unterbewusste Kraft zur Ruhe. Eine Ruhe, die sie schützte, die sie das ertragen ließ, was sie sah.
Da war der Mann vom Nachbarhaus. In einer seltsamen Haltung, die irgendwo auch Abwehr erkennen ließ, umklammerte er den mächtigen Baumstamm. Immer wieder drohte der Selbstschutz der Frau zu reißen und das eigentliche Grauen ungefiltert durchzulassen, das, was sie in dem Moment nicht ertragen hätte: Dass der Mann zur Hälfte in den Stamm eingedrungen war, dass seine Hände von Rinde bedeckt, das Gesicht in den Stamm eingedrungen war.
Und… von Sekunde zu Sekunde sank er tiefer, nahm der Baum ihn auf.
Dann brach der Schutz der alten Frau jäh zusammen. Ihr Herz schien vor Schmerz zu explodieren. Verzweifelt rang sie nach Luft, alles um sie her begann, sich zu drehen. Ohnmacht oder Tod, in diesem Moment war ihr jede Erlösung recht. Sie taumelte, fühlte in der Pein eine Kraft, von der sie angezogen wurde. Sie tastete nach Halt und fühlte die kalte, harte Rinde des Baumes, spürte, wie das raue Holz unter ihrer Hand nachgab, weich wurde.
Doch sie tauchte nicht ein. Es war ein intensiver Kontakt, der die Schmerzen nahm und Grauen in Zuversicht wandelte.
Als sie sich nach langen Minuten endlich löste, war die Rinde vollends geschlossen. Konturen am Stamm lösten sich auf und bald erinnerten nur noch Säge und Axt im Gras an das, was geschehen war.
Hin und wieder strich ein leichter Wind durch die knorrigen Zweige und spielte mit dem dichten, saftigen Laub. Die Blätter reflektierten die Julisonne und es glitzerte, als hätte ein höheres Wesen Gefallen daran gehabt, diesen Baum mit Smaragden zu schmücken.
Wie immer, wenn das Wetter schön war, saßen die beiden Frauen auf der Bank im Schatten der mächtigen Krone. Sie machten Handarbeiten und lasen einander vor.
Es war eine schöne und besondere Harmonie zwischen den zwei Frauen und dem Baum.