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Die Angst vor dir selbst

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25.11.2007
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Die Angst vor dir selbst

Die Angst vor dir selbst

Als Tom vor ihrem Haus stand, schlug ihm das Herz bis zum Hals. Das Kribbeln in seinem Bauch hatte sich auf seinen ganzen Körper ausgebreitet und seine Beine schienen sich in weiche Gelatine verwandelt zu haben. Es war lange her, dass er so nervös gewesen war.
Heute war der Tag, an dem er sie fragen würde. Komme was wolle. Seit zwei Monaten arbeiteten sie jetzt Seite an Seite und nie hatte er sich durchringen können, ihr in irgendeiner Weise Avancen zu machen. Er hatte sich einfach nicht getraut. Jetzt jedoch, wo er an nichts anderes mehr denken konnte, musste er es tun. Jedoch wollte er es nicht während der Arbeit machen, also hatte er sich entschlossen, zu ihr nach Hause zu gehen und sie dort zu fragen.
Irgendetwas ließ ihn zögern, als er vor der Tür stand und die Klingel anstarrte. Er zitterte. Peinlich berührt von seiner Nervosität atmete er tief durch und schloss für einen Augenblick die Augen. Gerade, als er dachte, jetzt genug Mut gesammelt zu haben, meldete sich eine leise Stimme in seinem Geist. Es war sein Gewissen. Und es wollte ihm eine Diskussion aufzwingen.
“Du liebst sie, oder?”, stellte es seine erste Frage.
”Du nicht?”
”Natürlich liebe ich sie. Aber das war keine Antwort auf meine Frage.”
”Ja, ich liebe sie.”
”Was fühlst du jetzt? In diesem Moment? Sehnsucht? Das unaussprechliche Verlangen nach ihrer Gegenwart?”
”Ich habe Angst.”
”Ja, das sehe ich. Kennst du den Grund deiner Angst?”
”Sie könnte Nein sagen. Ich glaube, das ist Grund genug.”
”Das ist nur ein Grund. Du musst tief in dich hinein horchen. Deine Angst geht noch viel tiefer, als du dir eingestehen willst.”
”Wie meinst du das? Du denkst, ich werde es nicht schaffen, oder?”
”Ob du es schaffst oder nicht, liegt alleine bei dir. Aber ich meine etwas anderes. Deine Angst geht weit über ihre Antwort hinaus. Du hast Angst davor, was danach kommt.”
”Blödsinn. Wenn ich das erst einmal durch gestanden habe, werden wir zusammen sein und nichts wird uns mehr trennen.”
”Du bist verliebter, als ich dachte. Hast du schon einmal von der rosaroten Brille gehört?”
”Lass mich raten? Ich soll Angst haben, es zu versauen. Außerdem soll ich Angst davor haben, dass alles alltäglich wird und die Liebe sich in Wohlgefallen auflöst.”
”Ich merke schon, du willst es nicht verstehen.”
”Was denn, verdammt? Es kann immer etwas schief gehen, das ist mir ganz klar. Aber deswegen habe ich keine Angst.”
”Also schön, noch mal von vorne. Blicke auf dein Leben zurück. Wie war es?”
”Was willst du jetzt von mir hören, Doktor Freud? Willst du hören, wie ich als Kind traumatisiert wurde, oder vielleicht, wie ich als Teenager zum ersten Mal von einem Mädchen abgewiesen wurde?”
”Eigentlich nicht, aber auch diese Andeutungen werden Faktoren bei deinem Problem sein.”
”Du fängst an mich zu nerven.”
”Dann habe ich mein Ziel schon fast erreicht. Ich werde dir verraten, wovor du Angst hast. Es ist ganz einfach, wenn man dich gut genug kennt. Du hast Angst ihr wehzutun. Du weißt ganz genau - auch wenn du dir das nicht eingestehen willst -, dass du durch die verschiedensten Erlebnisse zu einem Eigenbrödler geworden bist. Du hattest zwar immer Freunde, aber eigentlich hast du lieber die Zeit mit dir allein verbracht. Irgendwann wurde es normal für dich und ganz langsam hast du dich abgeschottet. Gefühle werden nur noch verzerrt aufgenommen und ausgestrahlt und sobald dir jemand näher kommt, versuchst du denjenigen auf Distanz zu halten. Eigentlich bist du ein sturer Egozentriker, der sich der Zuneigung anderer nur bedient, wenn sie ihm nützlich ist. Vordergründig sind dir die Gefühle der meisten Menschen um dich herum egal und dementsprechend handelst du. Aber ich kenne dich. Du hast auch eine andere Seite. Und ich weiß, dass du die Zuneigung von anderen oftmals entgegnen willst, aber es nicht kannst. Also lässt du es ganz bleiben.”
”Und was hat das mit …”
”Dazu komme ich jetzt. Du hast Angst, dass du nicht mehr weißt, wie man liebt. Es ist schon lange her, dass du jemanden uneingeschränkt deine Liebe geschenkt hast. Und nun fragst du dich, ob du den Gefühlen, die jetzt in dir aufwallen, gewachsen bist. Dir wird klar, dass du einiges ändern musst, um sie - und damit auch dich - glücklich zu machen.”
”Ich habe also Angst vor mir selber?”
”Endlich verstehst du. Wenn du sie liebst, musst du erst dir selbst entgegentreten. Stelle dich deinen Dämonen und besiege sie. Erst dann wirst du keine Angst mehr haben.”
”Du hast leicht reden.”
”Du hast die größte aller Motivationen, die dem Menschen gegeben wurde.”
”Die Liebe?”
”Ja. Die Liebe.”
In diesem Moment riss Tom die Augen auf und sah, wie sich die Tür vor ihm öffnete. Erschrocken wich er einen Schritt zurück. Da stand sie. Zuerst mit einem verblüfften Gesichtsausdruck, lächelte sie ihn schließlich an.
Tom räumte alle seine Zweifel beiseite und lächelte zurück.

 

Hallo Valis und und auch von mir ein herzliches Willkommen auf KG.de!

Nach zwei SF-Versuchen schilderstu eine gefällige kleine Geschichte, wie sie täglich vorkommen kann, mit einen inneren Dialog als Tagtraum.

Zwei Schnitzer sind mir aufgefallen:

”Sie könnte Nein sagen. Ich glaube, dass ist Grund genug.”
Das „das“ seh ich nicht als Konjunktion

(obwohl der Duden es geradezu aufnötigt: „Die Konjunktion »dass« folgt meist auf Hauptsätze, die mit Verben wie »denken, …glauben, hoffen« usw. eingeleitet wird“),

sondern als Relativpronomen, da es sich auf den vorhergehenden Satz bezieht.

„Wenn ich das erst einmal durch gestanden haben, …“ Entweder „wir“ statt „ich“, oder „habe“statt „haben“.

Lässt sich leicht lesen und gefällt!

Gruß

friedel

 

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