Die Bank sucht sich seinen Sitzer aus - nicht umgekehrt
Eine Bank sucht sich seinen Sitzer aus - nicht umgekehrt
Manchmal setze ich mich auf eine Bank. Auf eine Bank bei mir im Park. 'Eine Parkbank' würden manche Leute sagen. Aber darum geht's hier ja gar nicht. Ich schaue mir dann immer die Leute an, die an mir vorbeihetzen, laufen, drängeln, quetschen und so gar keine Zeit haben: Dicke, Dünne, Große, Kleine, Männer, Frauen, Leute mit langen Haaren, Leute mit kurzen Haaren, Alte, Junge - da gibt es immer ziemlich viel zu sehen.
Und dann denke ich mir, dass jeder von ihnen seine eigene Geschichte erzählen könnte. Das wären ziemlich viele Geschichten und ich könnte sie mir alle erzählen lassen und sie dann aufschreiben. Ich könnte dann noch Fotos von den Leuten machen und sie dann in ein Buch reinkleben. Das wär dann ein ziemlich großes Buch, daher hab ich das bisher noch nicht gemacht.
Wenn ich das dann gedacht habe, suche ich mir immer irgendwen auffälligen raus und überlege, was er mir erzählen würde, wenn ich ihn nach seiner Geschichte fragen würde.
Gerade schaue ich einem alten Herrn zu, der mit seinem kleinen Hund an mir vorbeiläuft. Der Opa fällt mir auf und ist mir sehr sympatisch, weil er auch alle Zeit der Welt zu haben scheint - genau wie ich. Das ist komisch, weil es ja alle Zeit der Welt nicht doppelt gibt, aber das sagt man halt so.
Ich sehe also diesem alten Mann zu. Vermutlich hat er ziemlich viel erlebt, er ist ja immerhin schon sehr alt. Ich kann mir schlecht vorstellen, was er mir erzählen würde, wenn ich ihn nach seiner Geschichte fragen würde. Vielleicht würde er mir etwas über sich erzählen, als er noch jung war. Oder über seinen Hund. Vielleicht hatte er ja schon einen Hund, als er jünger war. Ich bin auch noch jung und hätte auch gern einen Hund. Am besten einen ganz lieben. Mit braunem Fell und vielleicht auch ein paar schwarzen Flecken. Vielleicht hatte der Mann aber auch einen ganz bösen Hund. Ob man sich wohl aussuchen kann, ob man einen lieben oder einen bösen Hund bekommt?
Der Mann hält seinen Hund an einer Leine. Wahrscheinlich macht er das, damit der Hund nicht wegläuft, denke ich mir. Oder vielleicht möchte er seinem Hund einen Ansporn geben, wegzulaufen, weil er jetzt einen lieben Hund möchte. Ich könnte ihn ja mal fragen, ob er den Hund abgeben möchte. Ich würde zur Not auch einen Hund nehmen, der ein ganz bisschen böse ist. Ist ja vielleicht auch langweilig, wenn einer so total lieb ist.
Böse Hunde haben eigentlich immer weißes Fell, das hab ich mal gelesen. Außerdem hab ich das auch schon bei mir zu Hause gesehen; die weißen Goldfische essen immer am meisten. Allerdings könnte man den Hund ja ein bisschen anmalen, vielleicht ist er dann nicht mehr so böse. Bei Goldfischen funktioniert das nicht, das habe ich schon probiert, aber bei Hunden käme es auf einen Versuch an. Sein Hund hat ganz hellbraunes Fell. Wahrscheinlich ist er ein bisschen böse - ja, das muss es sein.
Ich habe mal gehört, dass der Hund irgendwann so wird wie das Herrchen. Dann ist es ja eigentlich egal, ob ich mir nun einen bösen oder einen lieben Hund hole. Irgendwann wird der sowieso lieb. Ich bin nämlich ziemlich lieb. Besonders zu Hunden. Nur manchmal esse ich meinen Teller nicht leer, aber das weiß der Hund ja nicht.
Der Mann hat mich mittlerweile bemerkt und kommt langsam auf mich zu, während sein kleiner, mittelböser Hund mit hellbraunem Fell um ihn herum hüpft. Er setzt sich neben mich auf die Bank. Er würde wahrscheinlich auch Bank dazu sagen, nicht Parkbank, so wie andere Leute.
"Hallo", sagt er: "Weißt du, manchmal frage ich mich, was Leute mir antworten würden, wenn ich sie nach ihrer Geschichte fragen würde."
"Ja, das kenne ich", antworte ich. Irgendwie musste ich nun das Gespräch auf den Hund bringen. 'Auf den Hund kommen' würden manche sagen.