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Die Berge des Esterel
Der Deutsche schaute auf das Meer, das noch blau vor ihm lag, dann schaute er sie an.
"Ich denke, du solltest es machen."
"Was machen?", fragte Betty.
"Na, gehen", sagte er.
"Gehen? Wohin?"
Er stand auf, ging zur Bar und holte ihnen neue Drinks. Er spürte den kühlen Zug des Deckenventilators und folgte mit den Augen seiner schnellen Drehung.
"Hier. Scotch on the rocks."
"Danke."
"Geld", sagte er, "mit ihm ist es so eine Sache. Man hat es nur einmal."
Sie lächelte verlegen und kreuzte unter dem Tisch ihre Füße. Erneut schaute er auf das Meer und sah die Sonne in ihm verschwinden. Sie war nicht halb so hell wie sonst und er starrte in ihre Mitte.
"Es ist wirklich wundervoll", sagte Betty jubelnd. "Die Terrasse, das Meer, der Ausblick, der Esterel und wir beide."
"Ja, das ist es."
Sie schaute ihm in die Augen. Er erwiderte ihren Blick nur kurz und nahm einen kleinen Schluck.
"Was ist mit dir?", fragte sie.
"Nichts. Was soll denn sein?"
"Denkst du, wir sollten?"
"Ich weiß nicht", sagte er räuspernd. "Ich denke schon."
"Es wäre gut, wenn wir würden. Oder?"
"Das wäre es. Ganz bestimmt. Das wäre es."
In der Ferne, auf halben Wege zum Horizont, sah er ein kleines Fischerboot. Es war so klein, dass nur ein Mann darin Platz fand. Schön muss es sein, dachte er. Er wandte seinen Blick vom Meer ab und dem Esterel zu, dessen grünbraune Berge nach und nach an Farbe verloren und dunkler wurden.
"Wenn du magst, gehen wir morgen durchs Gebirge nach Saint-Raphaël", bot er an. Er wusste, sie würde es wollen. Mehr als das.
"Magst du wirklich?"
"Hätte ich sonst gefragt?"
"Ich mach uns einen Picknickkorb fertig. Mit zwei Flaschen von diesem leckeren Weißwein und einer Flasche Champagner. Und essen werden wir Baguette und Käse", sagte Betty freudig erregt.
Sie wusste genau, welchen Käse sie kaufen würde. Den, den er so gerne mochte. Sie würden wandern, ein wenig trinken, ein wenig essen und dann würden sie sich im Schatten eines Baumes lieb haben. Schon lang hatten sie dies nicht mehr getan.
"Und du willst wirklich?", fragte sie nochmals nach, um sicher zu gehen.
"Wenn du willst, will ich auch."
Sie grinste ihn an und ihre braungebrannten Wangen erröteten leicht.
"Ich hol uns noch was." Er nahm die Gläser und ging zur Bar. Rubert, ein Maler aus Frankfurt, saß drinnen allein an einem der Tische. Sie nickten sich zu und der Deutsche ging zu ihm rüber.
"Rubert, wo ist das Mädchen von gestern? Die Feingebaute mit dem schwarzen Haar."
"Je ne sais pas. Ich weiß nicht. Irgendwo", sagte Rubert mit einigen Pausen. Er war leicht betrunken und seine grünen Augen sahen müde aus. Eine zur Hälfte geleerte Flasche Pernod stand auf dem Tisch und daneben eine Karaffe Wasser.
"Irgendwo", sagte der Deutsche betonend und schmunzelte dabei.
"Setz dich doch."
"Nein, nein, Betty ist draußen. Komm doch zu uns."
"Sie kann mich nicht leiden."
"Ach, was redest du ...", log er.
"Später vielleicht. Vielleicht später."
Er wusste, Rubert hatte nicht vor, sich zu ihnen zu setzen. Es war wegen Betty. Er kam zurück auf die Terrasse und schaute sie an. Sie hatte ihre Schuhe ausgezogen und blickte gelangweilt auf ihre nackten Füße.
"Wo warst du denn?"
"Waren nur fünf Minuten. Hab Rubert getroffen."
"Rubert ist ein Säufer", sagte Betty zornig.
"Er ist nett, Betty."
Sie hasste Rubert, und sie hasste es, dass er soviel Zeit mit ihm verbrachte. In ihren Augen war Rubert nicht mehr als ein Schwindler, Frauenschläger und Säufer.
"Wollen wir zu Bett gehen?", fragte er ihr Gesicht betrachtend. Sie sah einfach toll aus. Das tat sie immer. Ihr braunes Haar war glatt und leuchtend und ihre braunen Augen strahlten eine seltene Ehrlichkeit aus.
"Erst trinken wir aus", antwortete sie bestimmend.
"Morgen wird sicher schön. Nicht Schatz?"
"Das wird es sicher."
Die Sonne war vom Himmel verschwunden. Er zahlte und sie gingen rauf in ihr kleines, gemütliches Zimmer.