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Die Bewerbung

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06.03.2008
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Die Bewerbung

»Beschreiben Sie Ihre Persönlichkeit. Nennen Sie uns Ihre Stärken und Schwächen.«
»Ja, wenn ich es mir so recht überlege, dann -da möchte ich keine langen Umschweife machen- bin ich das, was man einen Winner-Typ nennt. Was ich anpacke, gelingt mir. Manchmal wundere ich mich selbst, mit welch leichter Hand ich Dinge zum Erfolg führe, nicht nur in der harten Business-Welt, auch im Privaten -sie wissen sicherlich, was ich meine.
All meine Stärken aufzuzählen, würde den Rahmen dieses Interviews sprengen. Ich beschränke mich daher auf diejenigen, die ich selbst für meine herausragensden halte: Zielstrebigkeit. Kompetenz, Teamfähigkeit, Gespür für Potential, wie verborgen es auch sein mag, weiter Redegewandtheit, Überzeugungskraft, Charme.
Bei meinen Schwächen muss ich schon länger nachdenken. Da fällt mir eigentlich nur mein Perfektionismus ein. Ich kann einfach nicht aufhören, bis alles meinen extrem hohen Anforderungen gerecht wird.«

»Danke, das genügt«, nutzte die adrette Personalassistentin die Sprechpause des Bewerbers. Dabei blickte sie von ihren Notizen auf, die sie an die vorgesehenen Stellen ihres Fragebogens hingekritzelt hatte. Ich signalisierte ihr, dem Bewerber gerne eine Frage stellen zu wollen. Lächelnd gab sie meiner Bitte statt.

Ich musterte den Kandidaten mit prüfendem Blick von oben nach unten.
»Was ist eigentlich mit Ihrem Selbstbewusstsein? Davon erwähnten Sie vorhin nichts in Ihrer Aufstellung.«
»Sie haben vollkommen Recht. Andererseits dachte ich, meine Ausstrahlung mache die besondere Erwähnung dieser Eigenschaft überflüssig …«
Ich blickte ihn derart finster an, dass er seinen Satz abrupt abbrach.
»Höflichkeit scheinen Sie dagegen weniger zu schätzen. Das vereinfacht die Sache. Dann brauche ich es Ihnen gegenüber nicht an Deutlichkeit fehlen zu lassen.
Sie glauben also, ein Winner-Typ zu sein. Wie kommen Sie nur darauf? Wissen sie was Sie sind? Ein Blödmann!«

»Bitte Herr ... «, fiel mir die Personalassistentin ins Wort.

»Ein Winner-Typ würde sich niemals auf so eine bescheuerte Anzeige für so eine mies bezahlte Stelle mit so überzogenem Anforderungsprofil bewerben.«

Mein Gegenüber suchte unerbittlich Augenkontakt.

»Wollen Sie wissen, wer vor Ihnen auf Ihrem Stuhl gesessen hat?«, wehrte ich mich genervt, »Ich werde es Ihnen verraten. Die Erste hatte einen großen Busen, die Zweite trug einen kurzen Rock und die Dritte einen verflucht gut sitzenden Business-Dress. Mit Ihnen sprechen wir nur wegen der Quote. Das sollten Sie bedenken. Bei solch augenfälliger Konkurrenz glauben Sie, uns mit so billigem Geschwafel beeindrucken zu können? Da hätten Sie sich schon ein bisschen mehr einfallen lassen müssen. Raten Sie mal, welche positiven Eigenschaften Ihre Vorgängerinnen aufgezählt haben Zielstrebigkeit, Kompetenz, Teamfähigkeit, Gespür für Potential, Redegewandtheit, Überzeugungskraft, Charme. Und welche Schwächen? Die Erste meinte Perfektionismus, die Zweite Perfektionismus und die Dritte? Sie raten es? Perfektionismus.«

»Das zeugt doch nur davon, wie professionell sich alle Eingeladenen auf dieses Gespräch vorbereitet haben«, bemerkte die Personalassistentin.

»Pech gehabt«, fuhr ich fort, ohne ihren Einwand zu beachten, »dass sie alle demselben Ratgeber gefolgt sind Top-Strategien für Top-Bewerber, dem Sonderangebot unseres Lieblingsdiscounters von vorletzter Woche.«
Zur Verblüffung aller zog ich ein Exemplar dieses Buches aus einem vor mir liegenden Umschlag und schlug es dem Bewerber auf den Kopf.
»Nur ein Dummkopf wie Sie, glaubt die Lösung seiner Probleme auf dem Wühltisch zu finden.«

»Ich muss Sie jetzt ein letztes Mal bitten, Ihren Interviewstil zu mäßigen. Bemerken Sie nicht, wie sehr Sie mit Ihrem Verhalten dem Image unseres Unternehmens schaden?«, unterbrach mich die Personalassistentin.

»Sie sollten lieber dankbar sein, dass ich zu verhindern weiß, unsere begehrten Arbeitsplätze mit Ignoranten zu besetzen.«

»Das lass ich mir von Ihnen nicht sagen!« Wut entbrannt verließ die Personalassistentin den tageslichtlosen Besprechungsraum.

»OK«, wandte ich mich in sachlichem Ton wieder dem Bewerber zu, »wenn wir zwei nun allein sind, kann ich das Interview ja in meinem Sinne weiterführen. Wie stellen Sie sich Ihre Position in unserem Unternehmen vor? Welche Perspektiven schweben Ihnen vor?«
»Ich steige ein als Trainee, um mich als Kundenberater zu qualifizieren. Ich möchte mein Wissen von der Pike auf erlernen, mich an das Wertpapiergeschäft heranarbeiten, bis ich mein Ziel erreiche: Manager hochspekulativer Fonds.«
»Beachtlich! Wissen Sie, wer Ihre Kunden sein werden,? Ich meine, wenn sie es geschafft haben und Fondmanager sind.
»Mutige Menschen, die das Risiko lieben, Verlust nicht fürchten und Gewinn nicht träge macht. Unter Ihnen werden hoch vermögende Persönlichkeiten sein, aber auch Glücksritter und solche, die keine andere Chance haben, als alles auf eine Karte zu setzen.«
»Zu welcher Gruppe rechnen Sie sich?«
»Ich stehe erst am Anfang.«
»Sprechen Sie es doch offen und ehrlich aus. Sie gehören zu den Habenichtsen, wie es heute so schön heißt. Aber Sie glauben, Menschen, die soviel Geld haben, dass, wenn sie es scheißen müssten, sie den Klodeckel nicht mehr herunter klappen könnten, auf Augenhöhe gegenübertreten zu können. Erkennen Sie, wo Ihr Problem liegt?«
»Bei den meisten mag das ein Problem sein, ich selbst sehe das nicht so. Ich kenne keinen Neid. Ich gönne jedem seinen Erfolg. Ohne erfolgreiche Menschen sähe unsere Welt trostloser aus.«
»Interessant! Bedenken Sie, das Geld, was Ihr Engagement anderen, die längst die Taschen voll haben, zuführt, wird an anderer Stelle fehlen. Ihr Erfolg lässt Kindergärten und Schulen verfallen, Straßen und Schienenstränge verrotten, Ihr Stadtviertel zum Slum verkommen.«
»Ich habe keine moralischen Bedenken, den Rahmen, den unsere Gesetze bieten, in meinem Job optimal auszuschöpfen. Licht und Schatten bedingen nun mal einander.«
»Ah, unser Winner-Typ ist auch Philosoph. Wissen Sie, was Sie sind? Ein Arschloch!«

In diesem Moment riss der Personalchef -die Personalassistentin mit geröteten Wangen im Schlepptau- die Tür zum Besprechungsraum auf. Ich begrüßte ihn mit festem Handschlag. Sein Gesicht entspannte sichtlich.
»Hören Sie sich gut an«, richtete er sich an den Bewerber, »was unser erfolgreichster Fondsmanager Ihnen zu sagen hat. Nur selten nimmt er sich die Zeit, die neuen Mitarbeiter persönlich auszusuchen.«
»Schade, dass Sie erst so spät zu uns stoßen«, antwortete ich an Stelle des Angesprochenen, » unser junger Freund hat gerade eingesehen, dass es keinen Sinn macht, seine Bewerbung aufrechtzuerhalten.«

Als ich den Bewerber über den Flur zum Ausgang begleitete, sprach er mich noch einmal an.
»In dem Ratgeber, den Sie so wenig schätzen stand, dass man sich bei einem missglückten Gespräch nicht scheuen sollte, danach zu fragen, was man besser machen könne. Welche negative Eigenschaft hätten Sie an meiner Stelle erwähnt?«
»Als ich mich vor Urzeiten auf meine Stelle hier beworben habe, wurden einem solche Fragen noch nicht gestellt. An Ihrer Stelle würde ich bei nächster Gelegenheit sagen meine negative Eigenschaft ist, selbst beim Bumsen kurz vor dem Höhepunkt immer den Hörer abnehmen zu müssen, wenn das Telephon läutet. Dann weiß man zumindest, dass Sie Sex haben, der Ihnen offensichtlich fehlt. Derart ausgeglichene Mitarbeiter sind einfach entspannter. Außerdem hätten Sie signalisiert, auf eine große Herausforderung zu warten, die Ihr Leben verändern soll.«
»Meinen Sie wirklich?«, fragte mich der Bewerber.
Ich konnte mir ein Lachen nicht verkneifen, als ich bereits zum nächsten Gespräch gerufen wurde

 

Hallo PitKa,

Deine Geschichte über ein Bewerbungsgespräch der Moderne liest sich für mich viel mehr wie eine Satire, zumindest zeichnest Du an vielen Stellen die Situation satirisch.

Inhaltlich finde ich Deinen Text interessant, der Dialog ist nicht innovativ aber da, wo Du Dich im Rahmen eines vorstellbaren Vorstellungsgespräches bewegst sauber gezeichnet und halt vor allem satirisch.

Du hast weitgehend auf Beschreibungen der Situation oder der Umgebung verzichtet, dadurch wird der Text reduziert auf den Dialog/Monolog und den Inhalt des gesprochenen, die Wirkung bekommt nur bei dem - aus meiner Sicht vermeidbaren oder zumindest besser einzuarbeitenden - Wortwechsel zwischen dem Topverkäufer und der Personalrefferentin ein wenig mehr Raum, da nimmst Du Dir die Zeit, auch mal einen Satz zur Umgebung und Interaktion zu schreiben.

Als Stilmittel und um die Situation zu untermalen ist die Reduktion interessant, doch so betonst Du halt aus meiner Sicht einen Nebenstrang, den Zwist von Personalerin und Trader, statt das Gespräch mit dem Bewerber zu illustrieren.

Ich beschränke mich daher auf diejenigen, die ich selbst für meine herausragensten halte:
herausragendsten
»Danke, das genügt«, nutze die adrette Personalassistentin die Sprechpause des Bewerbers.
nutzte
Ich signalisierte ihr, dem Bewerber gerne eine Frage stellen zu wollen. Mit einem mir zugewandten Lächeln gab sie meiner Bitte statt.
mindestens der 2. Satz hiervon macht das Konstrukt unnötig schwerfällig und umständlich, zudem ist der doppelte Ich-Bezug unschön (mir zugewandt, meiner Bitte)
Ich musterte den Kandidaten mit prüfendem Blick von oben nach unten. Unerbittlich hielt er am Augenkontakt fest.
unsaubere Fornmulierung, denn der Augenkontakt ist ja einseitig und damit kein Kontakt der Augen miteinander, warum also sieht er ihn dabei nicht einfach weiter fest an, oder betrachtet ihn aufmerksam, ...
»Bitte Herr ?«, fiel mir die Personalassistentin ins Wort.
wenn, dann Auslassungspunkte; doch generell finde ich die Namensunsicherheit, die Du ja noch auf eine Spitze treibst im Folgenden, vermeidbar, bringen sie doch die Geschichte nicht voran.
»Ein Winner-Typ würde sich niemals auf so eine bescheuerte Anzeige für so eine mies bezahlte Stelle mit so überzogenem Anforderungsprofil bewerben.
geht alles und wirkt authentisch, Ausnahme : bescheuerte, wenn das Unternehmen mit Börsenwerten handelt, dann wird eine CD-Vorlage bestehen, das wiederum bedingt, daß auch die Stellenanzeige dem CD entspricht, und damit wäre die Denunzierung desselben auch für den erfolgreichsten Fondsmanager ein Entlassungsgrund. Würde ich also zu streichen, ersatzlos zu streichen empfehlen
»Herr ?, ich bitte Sie«, meldete sich die Personalassistentin erneut.

»Lernen Sie bitte erst einmal meinen Namen, bevor sie mich erneut unterbrechen«, antwortete ich in betont freundlichem Ton.

den Einschub würde ich auch komplett rausnehmen
»Pech gehabt«, fuhr ich fort, ohne ihren Einwand zu beachten, »dass sie alle demselben Ratgeber gefolgt sind Top-Strategien für Top-Bewerber, dem Sonderangebot unseres Lieblingsdiscounters von vorletzter Woche.«
gefolgt sindKOMM; gibt es wirklich in einer größeren oder großen Stadt einen Lieblingsdiscounter ? Lass es doch einfach einen Discounter sein, ohne Steigerung

Und den Schluss... Mein spontaner Gedanke war, raus nach dem er ihm im rausgehen mitteilt, was eine adäquate schlechte Eigenschaft wäre. Weil ich den Text halt als Satire lese und einen ebensolchen Schluss dann erwarte. Doch auch in Gesellschaft kann und darf es ein knackigeres Ende sein, knackiger als Dein letzter Satz. Willst du wirklich die stellenweise auf hohem Niveau geführte Unterhaltung zwischen Theorie und Praxis wirklich mit einem so relativ billigen Grinser beenden ?!

Hat mir trotz der Kritikpunkte gefallen.

Grüße
C. Seltsem

 

Hallo Pitka und ein nachträgliches Willkommen!

Die Geschichte gefiel mir nicht besonders, muss ich gestehen. Ich schließe mich da Seltsem an, die Story tendiert zur Satire und sollte auch eher dahin ausgebaut werden. Und sie scheint schlampig oder gar nicht Korrektur gelesen worden zu sein - da sind einige Flüchtigkeitsfehler drin.

Beste Grüße

Nothlia

 

Danke Nothlia für den Komentar und vor allem C.Seltsem für die ausführliche und hilfreiche Auseinandersetzung mit meinem Text.

CD hin oder CD her, die Alltagswirklichkeit übertrifft in weit höherem Maße die in meiner Geschichte zitierten Redewendungen. Ein wirklich gutes Rennpferd kann sich in seinem Stall alles erlauben und eine hohe Position verhindert noch lange nicht, Abhängige mit eindeutigen Sprüchen restlos zu verunsichern.

Gruß
PitKa

PS
In meinem Freundeskreis hat jeder seinen Lieblingsdiscounter

 

Hallo Pitka!

Wenn ich nochmal so über deine Geschichte um ein Bewerbungsgespräch nachdenke und es mit meinen Erfahrungen und den Erzählungen anderer vergleiche, ist deine Darstellung zum Einen von der Wirklichkeit überholt (also nicht überzeichnet genug im Sinne einer Satire) und zum Anderen tatsächlich überzeichnet. Ich persönlich habe bisher nur recht angenehme Bewerbungsgespräche geführt, die in keinster Weise wie hier angedeutet abliefen. Aber auch egal. :)
Vll könntest du auch das mit dem Ratgeber noch ein bisschen ausbauen?
Übrigens finden ich den Ratschlag am Ende mit dem Schwäche nennen gar nicht mal so überzogen. Man soll ja eine harmlose Schwäche aus dem persönlichen Bereich nennen. :)

Noch einen schönen Restfeiertag.

Beste Grüße

Nothlia

 

Hallo PitKa,

ich muss mich meinen Vorrednern leider anschließen: Das Vorstellungsgespräch verlief für mich sehr realitätsfremd, sodass ich mit dem Inhalt nichts anfangen konnte, er geht in satirische Richtung, ist jedoch nicht satirisch genug, und insgesamt für mich eher schlecht umgesetzt, ohne Unterhaltungswert.
Als Titel fände ich "Das Vorstellungsgespräch" passender als "Die Bewerbung" – jedoch sind beide Titel schon zig mal da gewesen, und sie schaffen es nicht, die Neugierde des Lesers zu erwecken.
Schade, dass ich dir kein besseres Feedback abgeben kann ...

Viele Grüße,
Michael

 

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