Die Brücke
Die Erinnerung ist…
…grell…
… strahlen die Dächer im Licht der Morgensonne. Unter meinen Füßen verschwindet das blendende Wasser, um auf der anderen Seite der Brücke matt und klar, vom Glanz befreit wieder hervorzukommen. Der lockere Winterdunst ist durch und durch mit Licht durchflutet. All diese Sinneseindrücke füttern meine Gedanken, regen mich an, endlich diese Stadt zu bauen, die nur von diesem brennenden Fluss gefüttert wird, der unaufhörlich in mich hineinrast. Ich wünsche mir so sehr, all die Gedanken und Gefühle aufzuschreiben, nachzubauen, auf einem weißen Blatt Papier. Aber ich kann die Baupläne nicht lesen, weil sie meinen Gesetzen nicht gehorchen.
Ich bin diese Brücke unzählige Male in die eine und in die andere Richtung gegangen. Und sie hat mir jedesmal eine andere Kulisse gezeigt. Immer in einer anderen Form. Aber es geht nicht darum, nur eine Gedankenstadt zu beschreiben, sondern ein geistiges Reich zu errichten, das ewig bestand hat. Doch ich fürchte, es noch vor der Vollendung durch den Hammer der Banalität und des Kleingeistes zu zerschmettern. Das Gedankenbild verliert sich irgendwo in einem abgelegenen Teil meines Bewusstseins. Die Erinnerung an ein bedrückendes Gefühl steigt in mir auf.
Drei Stunden zuvor ging ich über dieselbe Brücke. Und es war nicht die zeitliche Distanz, die die Szene glanzlos und nebelig machte, sondern die frühe Morgenstunde. Der düstere Horizont hob sich nicht von den Wolken ab. Scheinbar ewiges grau. Der Fluss war still und verschwand dunkel unter meinen Füßen. Ich erinnere mich, dass die Sorge wie ein kalter Nebel aus dem Boden gekommen war. Die Befürchtung, dass mein Geist eines Tages mit Bildern gefüllt sein würde, Bilder, die mir die Brücke bot und Bilder von der Stadt, von allem Erlebten und allen Gefühlen. Es würde zu viel sein. Mein eigenes Reich würde an Überbevölkerung zugrunde gehen. Keine bunten Konstruktionen würden mehr entstehen, sondern lediglich eine graue, formlose Masse.
Ich fürchtete das Alter und den Schmerz der verlorenen Phantasie.
Doch als die Sonne durch die Wolken brach, waren die düsteren Bilder wie weggeleuchtet und der letzte Rest konnte einfach zur Seite geschoben und an geräumigeren Plätzen verstaut werden. Dieser frühe Morgen war auch nur eine Erinnerung, die sich mit anderen Erinnerungen verschmolz. Es entstand nichts Graues und Düsteres, aber auch nichts Großes. Vielleicht war es gut so.
Und ich werde mich einfach gern daran erinnern, wie die Sonne an diesem Morgen hervorkam und die Vögel aus dem Dunkel der Brücke hervorschossen.