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Die demokratische Zigarre

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11.03.2005
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Die demokratische Zigarre

Der Zigarrengenuss ist wie die zenbuddhistische Teezeremonie oder der südeuropäische Weinhandel eine Welt und Wissenschaft für sich. Es geht hier also bei weitem nicht nur um die Frage, wer und vor allem wie man sich in dieser Welt wiederfinden kann. Und doch: Man wird nicht als Zigarrenliebhaber geboren, man muss es erst werden.
Ich möchte Euch hier aus einem nicht ganz ernst gemeinten Dialog zwischen dem Erzähler und seinem Freund Jonathan berichten, wie er sich bei der ersten Auseinandersetzung mit den Gründen des Zigarrenrauchens ergeben haben könnte. Er trägt den Titel:


Die demokratische Zigarre


‚Darfst du?‘, fragte ich Jonathan. ‚Wieso fragst du, ob ich darf?‘. ‚Nun, ich denke, diese Frage gehörte eigentlich aus deinem Munde, noch dazu zum guten Ton!‘ ‚Stört dich denn, wenn ich eins paffe?‘ blickte er mich darauf verdutzt an und meint: ‚Schau, jede Zigarre ist auch eine demokratische Zigarre! Findest du die Mehrheit für deine Opposition, werde ich meinen Glimmstengel sogleich beiseite legen!‘ ‚Was soll das?‘ warf ich zurück, ‚wir sind zu zweit!‘ ‚Siehst du? Während du also auf Stimmenfang gehst, kann ich ja in aller Ruhe mein Stück Cuba geniessen. Feudalismus eben. Alle für einen, eine Zigarre für alle! So läuft’s doch immer in unserem Land.‘
Ich grübelte daran herum und hatte während dieses kurzen Disputs doch glatt schon vergessen, worum es mir eigentlich ging: um eine simple Anstandsfrage. Und plötzlich fand ich mich in einer Rolle wieder, der ich eigentlich gar nicht entsprach: Ich wurde als Gegner des Zigarrengenusses interpretiert!
Das war mir schrecklich unangenehm, denn unter Männern ist eine freundschaftliche Gelassenheit oberstes Gebot. Es gibt da diesen kleinen Unterschied zwischen einer Mann-Frau-Beziehung und einer dicken Männerfreundschaft. Während man in einer frischen Liebesbeziehung verschiedenen Geschlechts eifrig bemüht ist, auf die Bedürfnisse und Signale des Partners einzugehen (Sagt die Frau: ‚Schatz, hast du was gesagt?‘, antwortet ihr Mann: ‚Nein, das war gestern.‘), ist es bei Männern untereinander oft von Beginn an so, dass sie, mit einigen situationsbedingten Ausnahmen vielleicht, gar nicht wirklich allzu viel voneinander zu wissen begehren. (Das beste Beispiel hierfür sind wahrscheinlich nach wie vor die Geburtsdaten. Ein Mann muss sich in der Regel durch seine Agenda oder seinen Sekretär informieren lassen, wann er denn welchem Freund zu gratulieren habe. Aber wehe demjenigen, der das Geburtsdatum seiner Frau vergessen hat..!). Männer möchten viel lieber die aus einer Freundschaft entstehende Selbstverständlichkeit und Nähe geniessen. Darum sollte man eigentlich einen Freund nie an den Pranger stellen und behaupten, er habe eine Anstandsfrage versäumt. Nur, mir rutschte diese Haltung in diesem Moment einfach heraus, denn ich war derart überrascht, dass der junge Jonathan neuerdings Zigarren zu rauchen schien. Es änderte sich damit ja schliesslich auch irgendwie sein gesamtes Erscheinungsbild; etwa so, wie wenn sich ein Mann nach vielen Jahren den Bart abrasiert oder eine junge Frau das erste Mal Absätze trägt.

Ich machte den Test und gab dem Gespräch einen völlig unsinnigen Input: 'Jonathan, ist es eigentlich nachts kälter als draussen?‘ Während sich dieser seine demokratische Zigarre entfachte, stiess tief aus ihm drinnen ein interessiert überlegendes Grummeln empor. Ein klares Zeichen dafür, dass mir dieser überhaupt nicht zugehört hatte, geschweige denn nun wirklich am nachdenken gewesen wäre. Mein Freund war mir aber in einem solchen Moment für diese zusammenhangslose und belanglose Frage durchaus dankbar, weil ich ihm nämlich damit die Möglichkeit bot, sich seine Zigarre nicht einfach nur anzuzünden, sondern ihre Glut der Weisheit rituell zu entfachen, um dann mit ratgeberischem Blicke in den emporsteigenden Rauch zu starren, als würde er mit seinem scharfen Verstand gleich seine Antwort hineinschnitzen wollen.

Natürlich wartete ich auf diese vergebens. Es schien sogar, als ob er sich derart mit seinem Ritual des Anzündens beschäftigen musste, dass sich meine Frage mit seinem Rauch in Luft auflöste.

Man kann mit einem Freund aber durchaus auch seriöse Gespräche führen. Es gibt dazu zwei Möglichkeiten: Man wähle ein Gesprächsthema, welches ihn interessiert, oder man provoziere ihn. Ich entschied mich für beides: ‚Jonathan!‘, meldete ich mich an und wedelte etwas Rauch zur Seite, ‚Nach Tiefenpsychologe Sigmund Freud’s Theorie musst du ja offenbar mit deiner Zigarre einiges in deinem Leben aufarbeiten, hm..?‘ Das sass. Aber nur kurze Zeit, dann sammelte sich seine innere Ruhe wieder und während er sanft etwas Asche wegschnippte, meinte er mit belehrender Stimme: ‚Du kennst den wahren Hintergrund nicht? Es ist kein Geheimnis, dass auch Freud nur zu gerne tabacos paffte. Nun sprach ihn eines Tages ein Student vorsichtig an und meinte, er rauche ja selber gerade eine Zigarre, ob er denn dadurch nicht in einen Konflikt gerate, worauf Freud gelassen geantwortet haben soll: ‚Wissen sie, junger Mann, manchmal... ja manchmal ist eine Zigarre eben einfach nur eine Zigarre!‘

Allmählich wurde die Leidenschaft meines Freundes zum Gegenstand meines Interesses. Ich wollte dem Nutzen einer Zigarre auf den Grund gehen. Stammt die Gier nach dem dunklen Kraut wohl aus der Kindheit? Kürzlich hatte ich gelesen, dass Aromen in Baby-Nahrung den zukünftigen Geschmacksinn eines Menschen prägen würden. Bekommt also ein Kleinkind regelmässig Vanillebrei verabreicht, resultiert daraus viele Jahre später eine tendierende Präferenz zu Vanillearomen. Ist diese Tatsache vielleicht gar auf alle unsere Geschmacks- und Geruchs-Sinneseindrücke aus unserer Kindheit übertragbar? Nach einigem Grübeln allerdings war mir klar, dass ein Zigarren rauchender Vater wohl kaum ausreichen würde, damit sein Junior später intuitiv zu Glimmstengeln greift. Denn sonst müsste ja ich in meinem Fall heute Pfeife rauchen, Meerschweinchen halten, Nagellackentferner sniffen und würde mich in der Brunftzeit für diejenige Frau entschieden haben, welche das Parfum meiner Mutter trägt.

Ich hatte einmal gehört, dass es Erzählungen gebe, wonach besonders edle Zigarrenkräuter durch wunderschöne Afroamerikanerinnen von Hand auf ihren nackten Oberschenkeln gerollt würden. Muss eine tolle Vorstellung sein, eine solche zu paffen! Als ich dann aber im Hinterland von Salvador reiste, der ursprünglich ersten Hauptstadt Brasiliens, besuchte ich die hiesige Dannemann-Fabrik. Was ich dort sah, erstaunte mich: In Trachten gekleidete, junge Frauen sassen an geschnitzten Holztischen vor einem Haufen Tabakblättern, einer kleinen Schüssel Klebegemisch, einer Rollautomatik und der Schablone zum feststellen der Zigarrendicke. An den Wänden zierten gerahmte Bilder mit muskulösen Feldarbeitern inmitten saftig grüner Tabakplantagen die sonst eher hygienisch karge Halle. Ein riesiges Dannemann-Werbebanner darüber wies allerdings darauf hin, dass es sich bei dieser Anlage um eine Showfabrik handeln musste. Die produktiven Umsätze dieses kleinen Saals deckten ja auch wohl kaum den ganzen Weltbedarf an Brasil-Zigarren ab. Die eigentliche Fabrikation fand irgendwo ausserhalb des Dorfes, an einem geheimen Ort in der Agreste, nahe eines Stausees statt. Für Touristen war jedoch jeglicher Zutritt untersagt.

Sind denn wohl etwa exotische Wunschvorstellungen wie die der Afro-Tabak-Nixe der eigentliche Grund für’s paffen?

‚Jonathan, warum rauchst du Zigarren? Geben sie dir Ruhe und Besinnung? Kindheitserinnerungen? Prestige? Demokratie? Halten sie dich wach? Fühlst du dich als Pokerface? Als Philosoph? Liebst du ihren Geschmack? Oder unterstützen sie die Verdauung, fördern das Bewusstsein? Deine Sinne? Was dich nicht umbringt, macht dich stark? Lassen sie dich männlicher wirken? Halten sie unerwünschte Mitmenschen fern? Fördern sie etwa die Intelligenz? Sag schon, Jonathan! Warum denn eigentlich?‘

‚Weisst du.., mein Lieber‘, sprach dieser nach kurzer Pause mit tiefer, ruhiger Stimme, während er beim sprechen den Rauch aus den Lippen gleiten liess und langsam den Kopf zu mir drehte. ‚Weisst du...es mag viele Gründe dafür geben. Aber manchmal, ja manchmal ist eine Zigarre eben einfach nur eine Zigarre!‘ und wir pafften sie in aller Ruhe gemeinsam zu Ende.

 

Hallo strassen,

auch wenn deine Ausführungen über das Zigarre-Rauchen teilweise interessant waren, war es für mich in erster Linie genau das - eben Ausführungen und keine Geschichte mit Handlung. Ich habe auch oft Spaß daran, grundsätzliche Gedanken in einer Geschichte unterzubringen, wichtig ist dann nur, dass man mit Aktion und einem Handlungsstrang ein Gegengewicht schafft.

Und als Botschaft bleibt bei mir hängen, dass manchmal alles philosophieren überflüssig ist und zu keinem Ergebnis kommt, weil man die Dinge zu wichtig nimmt und eine Zigarre einfach nur eine Zigarre ist.

Den Einleitungstext finde ich unglücklich positioniert. Poste ihn doch einfach als separaten Kommentar unter den Text.

Kleinigkeiten:

Stört dich denn, wenn ich eins paffe?
eine
Das sass.
saß. Es befinden sich noch einige ss-ß Fehler in deinem Text.

Liebe Grüße,
Juschi

 

Eine Anmerkung zum letzten Punkt: strassen ist laut Profil Schweizer. Im Schweizerischen gibt es kein "ß". Auch nicht auf deren Tastaturen (soweit mir bekannt).

In diesem Zusammenhang meint der Duden, Bd. 9: "In der Schweiz kann das ß [...] ganz generell durch ss ersetzt werden."

 

Die philosophische Ratte schrieb:
Eine Anmerkung zum letzten Punkt: strassen ist laut Profil Schweizer. Im Schweizerischen gibt es kein "ß". Auch nicht auf deren Tastaturen (soweit mir bekannt).

In diesem Zusammenhang meint der Duden, Bd. 9: "In der Schweiz kann das ß [...] ganz generell durch ss ersetzt werden."

Genau dies ist der Grund! *smile*
Hab dieses Zeichen auch tatsächlich nirgens auf meiner Tastatur. Gibt allerdings bestimmt eine Tastenkombination hierfür. Nun, immerhin schlägt Word mit der eingebauten Rechtschreibekorrektur jeweils die richtige Version vor, kann ich ja mal ändern...


Jedenfalls ein liebes Dankeschön für Deine konstruktive Kritik, Juschi!


Es grüsst der straßen *hihi*

 

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