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Die demontierte Frau
Sie war der Star dieses Abends. Bereits als sie über den roten Teppich wandelte, anmutig, sexy, das moderne Äquivalent einer Victorianischen Prinzessin; als die Blitzlichter, plappernden Pressemenschen, Vertreter der Musiksender sie bedrängt hatten; da wusste sie es. Sie war der Star dieses Abends.
Den ganzen Abend hatte sie ihre perfekten Lächeln gelächelt. Perfekte Zähne gezeigt. Weiß, eben, gerade. Oh - und ihr Kleid. teuer. Ein Designerstück. Sie hatte es natürlich umsonst bekommen. Ihr perfektes, braunes (aber nicht zu braunes) Dekolleté verzauberte die Männer (und auch einige Frauen).
Ihre schlanke Silhouette in dem transparenten Gewebe aus dem Hauch von Nichts richtete sich eindeutig an die Libido des Betrachters.
Ihre langen Haare - golden im Grundton, durchwirkt von Strähnen teurer Farben, ein Kunstwerk stundenlanger Handwerkskunst der Meister - umgab sie wie eine leuchtende Corona Feenstaubs.
Die langen Beine - geschmeidig lang und perfekt - trugen sie über den roten Teppich, die Stufen zum Podest, zur Preisentgegnnahme.
Ein Symbol für Schönheit und Erfolg.
Idol für Millionen junge Frauen.
Sie dachte an diesen heutigen Abend zurück, als sie Abends vor ihrem Spiegel saß.
Zuerst hatte sie die teuren, hippen Stiefel - die mit den versteckten hohen Absätzen, damit ihre Beine gut 10 Zentimeter länger und insgesamt schlanker wirkten (was sie ja auch waren, weil sie stets streng hungerte und an Essen keinem Gefallen fand) - abgelegt und arbeitete jetzt an ihrem Kleid.
Darunter trug sie eine fleischfarbenen Coursage. Nahezu unsichtbar. Sie schnürte den Unterleib auf Wespentaille - und das auch nur, weil sie sich die zwei unteren Rippenbögen entfernen lassen hatte.
Als sie die winzigkleinen Ösen gelöst - und die Coursage entfernt hatte, atmete sie tief ein. Endlich richtig Luft holen.
Ihr trägerloser, ziemlich teurer Büstenhalter kam als Nächstes. Trotz des Silikons in ihren Brüsten - gerade so viel, dass sie rund aber eben nicht zu prall wirkten - hatte er Stützkissen eingearbeitet. Für das perfekte Dekolleté.
Dann das Gesicht.
Sie nahm die Perücke aus echtem Menschenhaar ab, darunter kam ihr kurzes, zerzaustes Kraushaar zum Vorschein. Das Erbe eines, irgendwann in die genetische Linie geratenen Schwarzen. Sie hängte die Perücke an einen extra dafür gebauten Ständer voll anderer perfekter Perücken.
Dann nahm sie die Brücke aus dem Mund, die ihren normalen, kleinen - nicht strahlend weiß, sondern natürlich elfenbeinfarbenen - Zähne versteckte. Tat sie in einen Becher aus Kristallglas mit Evionwasser.
Dann die Wimpern. Echthaareinsätze. Stück für Stück zupfte sie sie aus. Legte sie vorsichtig in die dafür vorgesehenen Behälter aus Straußenleder.
Als nächstes die fleischfarbenen Pflaster hinter den Ohren. Sie zog vorsichtig daran. Löste sie behutsam. Die Pflaster hatten ihre Gesichtshaut leicht nach hinten gezogen. Sie straffer und jugendlicher erscheinen lassen.
Die Wangenknocheneinsätze konnte sie natürlich nicht entfernen. Chirurgische Operation. Sie strich mit dem Finger gedankenverloren darüber.
Dann die Fingernägel. Stück für Stück entfernte sie die künstlichen perfekten Nägel von ihren Fingerspitzen. Sie zog einen Behälter mit mehreren Fächer aus Bernstein heran, legte die Nägel darin ab.
Über ein Stunde war vergangen.
Jetzt das Makeup.
Sie benutzte verschiedene Lotionen, Cremes, Fruchtzusätze - um ihre Brust, den Hals, das Gesicht, die Hände vom Makeup zu befreien. Ihre Haut darunter war Solarium gebräunt, aber keinesfalls perfekt. Die Poren normalgroß, kleinere Pickel (vom täglichen Makeup) verteilten sich überall.
Dann duschte sie ausgiebig. Wusch die Chemierückstände von ihrem Körper.
Und als sie dann im Bett lag, erschöpft, müde - da fühlte sie sich unwohl und nackt und überhaupt nicht mehr perfekt.
Ein normales Mädchen, wie jedes andere auch.
Sie weinte.