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Die Epidemie
Die Epidemie
(für R.)
Dr. König betrachtete seinen Assistenten mit einer Mischung aus Erstaunen und Mitleid. Tiefe Furchen hatten sich in das bleiche Gesicht des jungen Mannes gegraben und ließen ihn um Jahrzehnte älter erscheinen.
“Wann haben Sie zum letzten Mal geschlafen, Andreas?”
Der Assistenzarzt lächelte müde.
“Das habe ich mich eben selbst gefragt, Herr Doktor. Und das lustige ist, ich kann mich nicht erinnern!”
Dr. König nickte und klopfte dem Mann auf die Schulter. Ihm ging es nicht anders. Angestrengt versuchte der Arzt das Zittern der Finger zu unterdrücken, während er den Kaffebecher in seiner Hand zum Mund führte.
“Ist das der Mann?”, fragte König schließlich und begab sich zu einem in die Wand gelassenen, einseitig verspiegelten Sichtfenster.
“Neufeld, Martin. Dreißig Jahre alt.”, antwortete der Assistent. Er überreichte dem Doktor einen dünnen Stapel Papiere.
König rieb sich die Augen. Sein Kopf schmerzte wieder.
“Es hat ihm doch niemand gesagt, oder?”
“Natürlich nicht.”, gähnte der Assistent.
“Und er kann sich an etwas erinnern?”
“So sieht es aus, Herr Doktor. Es ist alles vorbereitet.”
“Gut. Überwachen Sie die Geräte. Und..”
König klemmte sich die Unterlagen unter den Arm.
“..schlafen Sie mir nicht ein!”
Der Doktor leerte seinen Kaffeebecher und betrat den Raum, in dem Martin Neufeld aufgebracht auf seinem Stuhl hin und her rutschte.
“Wo bin ich hier?”, fauchte Neufeld und wies auf die mit Klebestreifen an seinen Schläfen angebrachten Sensoren. “Und was soll dieser Scheiß hier?”
Der Doktor setzte sich dem wütenden Mann gegenüber.
“Beruhigen Sie sich. Es besteht kein..”
“Ich soll mich beruhigen?!” Neufeld beugte sich bebend über den Aluminiumtisch, der die beiden Männer trennte.
“Meine Frau hat versucht mich umzubringen, ich nehme an, das wissen Sie schon? Und jetzt sitze ich mit Drähten am Kopf in einem beschissenen Versuchslabor und soll mich beruhigen?”
Resigniert sank der junge Mann zurück.
“Sie können sich doch gar nicht vorstellen was ich hinter mir habe, Mann!”
Dr. König, der ungerührt zugehört hatte, breitete seine Unterlagen vor sich aus.
“Dann erzählen Sie es mir, Martin. Wie ich hier lesen kann, sind Sie mehrfach von Ihrer Frau angegriffen worden?”
Neufeld betrachtete seinen Gegenüber niedergeschlagen und zupfte dabei an einem der von seinem Kopf herabbaumelnden Kabel.
“Kann ich einen Kaffee kriegen?”
“Natürlich.”
“Es begann gestern, Freitag früh. Ich schaute vom Bett aus fern, Eva schlief noch. Sie zeigten einen Bericht über die Epidemie. Wie immer.”
Dr. König kritzelte eine kurze Notiz in seine Unterlagen.
“Was wissen Sie über die Epidemie?”
Martin Neufeld nippte achselzuckend an seinem Kaffee.
“Nur das, was sie in den Nachrichten sagen.”, antwortete er. “Kommen Sie, Doktor, ich bin nicht völlig verblödet! Warum sonst werde ich hier wie eine Laborratte verkabelt, wenn nicht wegen der Epidemie?”
König schwieg eine Weile, während er seine Notizen durchblätterte.
“Gut. Freitag früh. Ihre Frau schlief noch.”
Neufeld starrte in seine Kaffeetasse hinab.
“Ich sah mir diesen Bericht an. Keine Ahnung wieso, die hatten sowieso nichts Neues zu bieten. Irgendwann hörte ich, wie Eva etwas murmelte und sich zu mir umdrehte. Und plötzlich, aus heiterem Himmel, schrie sie mich an! Sie schrie so laut, dass mir fast das Herz stehen blieb. Zu Tode erschreckt hat sie mich!“
Dr. König sah von seinen Unterlagen auf. Die Augen seines Gegenübers traten fast aus den Höhlen, als dieser versuchte, den Gesichtsausdruck seiner Frau zu imitieren.
“Sie saß stocksteif da, wie paralysiert, und glotzte mich aus aufgerissenen Augen an. Ihre Pupillen waren so groß wie Untertassen! Sie war völlig starr vor Angst!”
Neufeld schüttelte entsetzt den Kopf.
“Ich fragte sie, was sie habe, doch sie wich vor mir zurück, als wäre ich der Teufel oder so was! Ich versuchte Eva zu beruhigen, aber sie kreischte nur und schrie! Sie fing an nach mir zu treten und zu schlagen. Völlig außer sich!”
Dr. König nickte.
“Typische Symptome. Haben Sie nicht...?”
Neufeld schüttelte den Kopf.
“Ich war viel zu geschockt um nachzudenken. Später fielen mir natürlich die Fernsehberichte ein, aber was sollte ich tun? Die Polizei rufen? Die haben momentan sicherlich besseres zu tun.”
Der Arzt hob fragend die Augenbrauen und Neufeld fuhr fort.
“Nein, ich habe Eva gepackt und so lange auf sie eingeredet, bis sie irgendwann zu sich kam. Oh Mann.”
Der junge Mann trank einen weiteren Schluck Kaffee und lachte hustend.
“Wir sind am Abend zuvor ganz normal schlafen gegangen, wissen Sie? Einfach so, trotz all der Warnungen! Ich dachte, uns wird es schon nicht erwischen!”
Doktor König klopfte mit dem Ende seines Bleistiftes auf die Tischplatte.
“Ich will ehrlich zu Ihnen sein, Herr Neufeld. Dieses Gespräch findet tatsächlich im Rahmen von Untersuchungen statt, die sich mit dem befassen, was die Medien ‘Die Epidemie’ getauft haben. Deshalb ist für uns eine Frage von besonderem Interesse: Was hat Ihre Frau geträumt, bevor sie aufwachte?”
Neufeld hob entschuldigend die Hände.
“Eva konnte sich hinterher an rein gar nichts erinnern. Als sie wieder bei Sinnen war fragte sie mich sogar, was los wäre!“
Für eine Sekunde verzog der Doktor enttäuscht das Gesicht, dann lachte er gequält.
“Wie das mit Träumen so ist, nicht wahr? Kaum ist man wach, ist alles wie verflogen!“
Quietschend schob der Arzt seinen Alustuhl zurück.
“Ich bin sofort zurück. Kaffee?”
“Unglaublich!”, bemerkte der Assistent heiser, nachdem König den Raum verlassen hatte.
Der Arzt nahm seine Brille ab und strich sich erschöpft über die Augen.
“Faszinierend, nicht wahr? Haben Sie seine Werte, Andreas?”
“Kommen Sie!“
In einem abgedunkelten, mit Konsolen und Bildschirmen bestückten Nebenraum ließ sich der jüngere Mann ächzend in einen dick gepolsterten Drehstuhl fallen und zeigte auf zwei lange Bögen Druckerpapier, die aus einer der Anlagen ragten.
“Einwandfrei. Neufeld ist von dem was er sagt überzeugt.”
“Gut!”, bestätigte König und schob sich die Brille zurück auf die Nase. “Informieren Sie die Behörde, das hier wird sie interessieren. Und holen Sie uns noch zwei Tassen Kaffee!”
“Ihre Frau hatte noch einen Anfall dieser Art?”, fragte der Arzt und schob einen der dampfenden Becher über den Tisch. Neufeld nahm ihn dankbar in Empfang.
“Nicht dieser Art. Schlimmer.”
König ordnete seine Papiere und lehnte sich zurück.
Sein Gegenüber ließ den Blick sinken. Es dauerte eine Weile, bis Neufeld sich im Stande sah zu antworten.
“Wir blieben gestern den ganzen Tag zu hause. Eigentlich hätte ich arbeiten müssen, aber die Schule blieb wegen der Epidemie geschlossen. Auf den Straßen war es ohnehin schon zu gefährlich. Eva ließ sich weiter nichts anmerken. Sie schien tatsächlich alles vergessen zu haben, und ich sah keinen Grund, es ihr zu erzählen. Verstehen Sie das?”
König brummte ungeduldig.
“Wir schlossen uns ein und setzten uns vor den Fernseher. Oh Mann, Epidemie hier, Epidemie da, es war völlig unmöglich auf andere Gedanken zu kommen. Aber wir waren wohl zu besorgt, um das Ganze einfach zu ignorieren. In der Tagesschau sagten sie, man solle möglichst nicht alleine bleiben. Und dass man die Müdigkeit mit viel Kaffee bekämpfen könnte. Tja, und daran hielten wir uns. Wir hockten auf der Couch und tranken Unmengen Kaffee. Doch dann.. am Abend..”
Trotz seiner immensen Erschöpfung brachte Dr. König einen Anflug von Neugier zu Stande. Martin Neufeld drehte langsam seine Kaffeetasse um die eigene Achse.
“Ich hatte Eva wohl für ein paar Sekunden aus den Augen gelassen. Unverzeihlich, nachdem was passiert war. Sie musste kurz eingenickt sein, denn...im nächsten Moment spürte ich ihren heißen Atem im Nacken! Sie war hinter die Couch gesprungen!
‘Du kriegst mich nicht!’, kreischte sie mit völlig hysterischer Stimme! ‘Du Psycho!!’
Ehe ich irgendetwas unternehmen konnte wickelte sie ihre Arme um meinen Hals und zog so fest sie konnte. Ich war völlig perplex. Mir wurde schlagartig klar, dass Sie mich töten wollte! Oh Gott, und dabei schnaufte und hechelte sie mir ins Ohr! Wie ein tollwütiges Tier! Um Gottes Willen..!“
Neufeld begann zu schluchzen, und König nutzte die Pause um die Taschen seines Kittels nach einem Aspirin abzusuchen.
“Sie war besessen!”, keuchte Neufeld schließlich. “Ich hatte keine Ahnung, wie stark sie ist. Als mir schon schwarz vor Augen wurde schaffte ich es irgendwie, meine Hände unter ihre Arme zu zwängen. Ihr Griff lockerte sich ein wenig und ich knallte meinen Hinterkopf so oft auf ihre Nase bis sie losließ. Ich glaube, ich habe sie ihr gebrochen.”
“Da können Sie mal sehen, wozu man in Todesangst fähig ist, Doktor!”
Der Arzt musterte seinen Gegenüber aufmerksam, welcher sich mit dem Handrücken die Tränen aus dem Gesicht wischte.
“Ich habe meine eigene Frau k.o. geschlagen! Und ich hätte auch... auch..!” Neufeld schniefte und schaute aus flehenden Augen, wie ein Hund, der vor die Tür muss.
“Sie sind doch Arzt, oder etwa nicht? Gibt es denn nichts, was man gegen diese verdammte Epidemie tun kann?”
Dr. König faltete geduldig die Hände.
“Nun, wir sind dabei es herauszufinden. Fahren Sie bitte fort!”
Die langen Kabel schaukelten hin und her, als der junge Mann hoffnungslos den Kopf schüttelte.
“Ich bin müde..”
“Herr Neufeld!”, zischte der Doktor ungehalten. “Sie sagen, dass Sie Ihre Frau gestern Abend bewusstlos geschlagen haben. In dieser Einrichtung hier befinden Sie sich aber erst seit heute Morgen! Was geschah in der Zwischenzeit?”
Martin Neufelds Niedergeschlagenheit verwandelte sich schlagartig in Zorn. Aus verkniffenen Augen starrte er den Arzt auf der anderen Seite des Tisches an.
“Sie glauben mir nicht?”, fragte er mit zitternder Stimme. “Warum hören Sie sich meine Geschichte überhaupt an? Haben Sie nicht schon genug Probleme? Haben Sie nicht genug Fälle von...”
“Ich glaube Ihnen.”, beschwichtigte König und deutete mit einem Finger auf die Drähte an Neufelds Schädel. “Was glauben Sie, was Sie da am Kopf haben? Lametta? Ich weiß, dass Sie nicht lügen.”
Der junge Mann befühlte irritiert die Pflaster an seinen Schläfen.
“Ich habe Ihnen gesagt, dass ich ehrlich zu Ihnen sein will. Uns geht die Zeit aus, Herr Neufeld!”
“Ich trug Eva zurück auf die Couch. Sie war völlig weggetreten und blutete aus der Nase. Mir war klar, dass ich sie irgendwie fixieren musste, bevor sie wach würde. Ich beschloss, sie mit Isolierband zu fesseln. So konnte sie sich und mir keinen Schaden zufügen, wenn sie aufwachte. Die Rolle lag allerdings irgendwo im Keller, und um sie zu holen musste ich Eva allein lassen. Ich hatte gar keine andere Wahl! Also legte ich sie vorsichtig hin, machte das Licht aus und schloss leise die Tür.”
Doktor König nickte, während er einzelne Wörter notierte.
“Ich sprintete in den Keller, griff mir das Isolierband und rannte zurück nach oben. Drei Minuten, länger war ich nicht weg. Es war alles..so ruhig!”
Neufelds Augen weiteten sich.
“Ich... ich bemerkte es erst, als ich auf dem Weg ins Wohnzimmer war. Es war schon fast dunkel, deshalb konnte ich die Wohnzimmertür erst richtig erkennen, als ich beinahe davor stand. Ich hätte das verdammte Licht anlassen sollen!”
Der Arzt blickte fragend auf.
“Sie stand offen!”, stotterte Neufeld und führte Daumen und Zeigefinger vor seinen Augen zusammen. “Nur einen kleinen Spalt. Und dann hörte ich ihr ekelhaftes Keuchen aus dem Schatten!
‘Mörder!’, geiferte sie von irgendwo her.”
Der junge Mann schüttelte sich vor Abscheu. Nach kurzem Schweigen blickte er auf.
“Das ist so ziemlich das Letzte, an das ich mich erinnere. Ein stechender Schmerz am Hinterkopf, dann war alles finster. Ich hatte gar keine Chance, ihr zuvor zu kommen!”
Dr. König hielt plötzlich inne.
“Sie waren bewusstlos?!”, keuchte er. Mit einem Mal war er hellwach!
Neufeld neigte überrascht den Kopf zur Seite und nickte zögernd.
“Ich bin erst hier drin wieder zu mir gekommen. Ja ist das denn kein Krankenhaus...?”
Der Arzt antwortete nicht. Mit einem hölzernen Klappern fiel der Bleistift aus seiner Hand und rollte über die Tischplatte.
“Das ist es!”, krächzte König und schloss fassungslos die Tür hinter sich. “Andreas?”
Es dauerte auffällig lange, bis der Assistenzarzt die Tür seiner Kammer öffnete. Er sah schrecklich aus. Aus roten, halb geöffneten Augen starrte der Assistent in das erregte Gesicht seines Vorgesetzten.
“Machen Sie mir jetzt nicht schlapp, Mann!”, fauchte der Doktor. “Haben Sie die Aufzeichnungen?”
Sein Assistent wies teilnahmslos hinter sich.
König winkte ab.
“Besorgen Sie mir zwei Mann vom Sicherheitspersonal. Jetzt!”
Der Assistenzarzt nickte verwirrt.
“Und trinken Sie noch einen Kaffee!”
Neufeld hatte sich bereits die Elektroden vom Kopf gerissen, als König zurückkehrte.
“Ich will jetzt endlich wissen, was hier los ist!”, schnaubte er.
Lächelnd ließ sich der Doktor auf seinen Stuhl sinken.
“Zunächst einmal möchte ich mich bei Ihnen bedanken.”, sagte er und begann die auf dem Tisch ausgebreiteten Unterlagen einzusammeln.
“Um die Epidemie zu bekämpfen”, fuhr der Arzt fort, “müssen wir sie zunächst einmal begreifen können. Dem haben sie uns heute einen großen Schritt näher gebracht, Martin.”
Aus dem Gesicht seines Gegenübers ließ sich unschwer ablesen, dass dieser dem Doktor nicht folgen konnte. Schließlich zuckte Neufeld die Achseln und schickte sich an aufzustehen.
“Das freut mich, Herr Doktor, wirklich! Aber wenn wir jetzt fertig sind möchte ich eigentlich nur noch nach Hause zu meiner Frau! Eva ist bestimmt längst...”
“Ihre Frau ist tot, Herr Neufeld!”, bemerkte König fast beiläufig.
Der Mann auf der anderen Seite des Tisches erstarrte.
“Wir haben Sie in Ihrer beider Ehebett gefunden.” Wieder blätterte der Arzt in seinen Dokumenten. “Erstickt mit einem Kissen, wenn ich nicht irre.”
Neufeld war unfähig, sich zu bewegen. Seine Augen starrten stumpf auf den Mund des Doktors.
“Typisches Epidemieopfer. Fast siebzig Prozent werden im Schlaf getötet.”
“Sie lügen!”, flüsterte Neufeld schließlich.
König beugte sich eindringlich vor.
“Denken Sie nach, Martin! Was wissen Sie über die Epidemie? Menschen wie Sie und ich schlafen ruhig und friedlich ein und wachen als gemeingefährliche Psychopathen wieder auf. Sehr bedauerlich, vor allem für den, der daneben liegt. Wie Ihre Frau zum Beispiel.”
Martin Neufeld schüttelte fassungslos den Kopf.
“Oh, selbstverständlich können Sie sich nicht daran erinnern!”, beschwichtigte der Doktor und tippte mit einem Finger gegen seine Schläfe. “Und selbst wenn Sie es könnten, würden Sie es für Notwehr halten.”
“Verdammter Lügner!”
Neufelds Augen versprühten blanken Hass. Dr. König streckte ihm seinen linken Arm entgegen.
“Sehen Sie sich meine Uhr an. Heute ist Dienstag, Herr Neufeld, nicht Samstag, wie Sie glauben.”
Der junge Mann zwinkerte, dann zuckte sein Zeigefinger über den Tisch.
“Das ist ein Test, richtig? Sie ziehen irgendwelche perversen Tests ab!”
König schüttelte enttäuscht den Kopf.
“Bei der Epidemie ist der Traum ausschlaggebend für die Symptome, soviel war uns bereits klar. Leider konnte sich bisher kein Befallener an den Traum erinnern. Sie sind tatsächlich der erste, der...”
Neufeld hieb mit der Faust auf den Tisch.
“Das ist doch verrückt! Ich habe meine Frau nicht umgebracht! Sie wollte MICH umbringen! Nach dem Schlag auf den Kopf habe ich vielleicht das Datum durcheinander gebracht, aber..”
Dr. König unterbrach.
“Wenn Sie einen Schlag auf den Kopf erhalten haben, warum haben Sie dann keine Platzwunde?”
Plötzlich schien es, als habe Neufeld aufgehört zu atmen.
“Und wenn Sie gewürgt wurden, wo sind dann die Würgemale?”
Langsam, ganz langsam hob der junge Mann eine Hand zum Hinterkopf.
“Faszinierend, nicht wahr?”, entfuhr es dem Arzt. “Ihre eigenen Worte waren: Wir gingen ganz normal ins Bett! Doch heute morgen erwachten Sie in dem Glauben, Sie wären bewusstlos gewesen, verursacht durch die Tötungsabsichten Ihrer Frau!”
Mit großzügigen Gesten untermalte König seine Ausführungen.
“Und dann sehen Sie die Psychopathin dort neben sich. Unaufmerksam. Verwundbar! Die letzte Chance, ihr zuvor zu kommen! Es ist genau wie sie sagten: Da können Sie mal sehen, wozu man in Todesangst fähig ist!”
Aus glasigen Augen starrte Neufeld ins Leere. Es schien, als habe er die Worte des Arztes nicht mehr wahrgenommen.
“Eine Art selbsterfüllender Prophezeiung”, flüsterte Dr. König, nachdem zwei Wachmänner den paralysierten Neufeld fortgebracht hatten.
Er rieb sich die schwerer werdenden Lider. Wie eine Schlange kroch die Müdigkeit zurück in seinen Körper.
“Nächster Schritt: Fakten analysieren! Analyse! Den Verstand gebrauchen!”
Der Arzt lächelte bei dem Gedanken daran, dass es gerade sein Verstand war, der ihm stetig im Begriff war Abhanden zu kommen.
“Andreas?“, gähnte Dr. König, während er den Raum verließ. “Faxen Sie alles sofort raus, ganz egal wer noch zuhört. Und heften Sie die Sensordaten auch mit an!”
Die blassgraue Tür zum Zimmer des Assistenten flimmerte und tanzte vor Königs gemarterten Augen.
"Andreas?"
Sie stand offen.
Nur einen kleinen Spalt.
“Hab ich dich!”, zischte es aus dem Dunkel.