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Die fünf Worte

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11.11.2007
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Die fünf Worte

Dunkelheit war bereits über den Horizont gekrochen und hatte die Nacht gebracht, als Aeren das schäbige, geduckte Haus erreichte. Lange starrte er es unsicher an, fragte sich, was ihn dazu verleitet hatte, hierher zu kommen. Schwerer Zweifel lastete auf ihm, wollte ihn zu Boden drücken, doch Neugier und das Unbehagen, das er in den verlassenen und dunklen Strassen unter dem schwarzen Himmel fühlte, trieben ihn schliesslich zur Türe. Heftig klopfte er und wartete. Es schien ihm eine Ewigkeit, bis die Tür aufschwang und ein grossgewachsener, schlanker Mann in grauem Anzug vor ihm erschien. Sein Gesicht war schmal und von Runzeln durchzogen, doch trotzdem wirkte seine Erscheinung jung und kraftvoll. Sein kurzes Haar war grau wie seine Augen, die mit undeutbarem Ausdruck fest in Aerens Augen blickten.
"Guten Abend...", sprach Aeren und versuchte das Alter des seltsamen Mannes zu schätzen.
"Willkommen, Aeren.", sagte der Graue nur und starrte weiter in die Augen seines Besuchers, als grübe er nach Erinnerungen, die längst begraben worden waren. Aeren blickte am Grauen vorbei ins Zimmer, nur um dessen Augen auszuweichen.
"Ah, tretet doch ein, Aeren!", sprach der seltsame Mann freundlich, ein warmes Lächeln auf dem Gesicht. Unsicher ging Aeren der Einladung nach. Das quadratische Zimmer war grau und leer, bis auf einen marmornen, runden Tisch in seiner Mitte und zwei Stühlen aus dunklem Holz. Auf dem Tisch lag ein silberner Dolch, daneben eine metallene Schüssel. Der Gastgeber schloss die Tür hinter dem Gast, durchquerte den Raum und liess sich auf einem der Stühle nieder. Aeren setzte sich auf den anderen, ein dunkles Gefühl im ganzen Leib. Der Graue lächelte und streichelte sanft die Schneide des silbernen Dolches.
"So, Ihr wollt also erfahren, was keiner erfahren sollte, Aeren.", flüsterte der Prophet lächelnd. Einige Augenblicke verstrichen, bis der Gast kaum merklich nickte.
"Zunächst einmal muss ich sagen, dass Ihr eine gute Wahl getroffen habt. Ich meine nicht in der Frage, ob Ihr es tun solltet, sonder in derjenigen, wer es tun sollte, denn Ihr habt mich gewählt. Ich bin nicht wie die anderen Hellseher und Weissager, die mit diesen lachhaften Mitteln wie Karten oder Glaskugeln etwas zu sehen vermeinen, das sie nie sehen werden. Ich bin Geschäftsmann, mit solchen Dingen habe ich nichts zu tun." Er grinste und entblösste dabei seine vollkommen weissen Zähnen wie ein hungriges Raubtier. "Ich behaupte nicht, das sehen zu können, was sein wird, doch ich weiss, wie ich an diese Informationen gelangen kann, im Gegensatz zu den meisten anderen kläglichen Zauberern und Hexen." Er schnaubte verächtlich, doch ohne sein raubtierhaftes Lächeln zu verlieren.
"Ich habe mein Wissen aus sicheren Quellen. Alles, was mir gesagt wird, wird auch geschehen, noch nie war es anders, und nie wird dies sich ändern." Aeren nahm all seinen Mut zusammen und fragte misstrauisch:
"Und woher wollen Sie wissen, dass diese Quellen die Wahrheit erzählen?" Das Grinsen des Grauen glich nun dem eines Totenschädels.
"SIE wissen alles, SIE lügen nie. Sie haben auch keinen Grund dazu. Es ist eine Symbiose, ich gebe IHNEN etwas, SIE geben mir etwas zurück." Aeren war verwirrt, seine Gedanken drehten und wanden sich rasend.
"Und... Und wer sind...", fragte er, doch der Prophet unterbrach ihn mit einer gebieterischen Handbewegung und starrte ihm mahnend in die Augen.
"Ich könnte Euch viele Geheimnisse verraten, doch dieses wollt Ihr nicht mit euch herumtragen, es lastet zu schwer. Hier gibt es nur eine Frage, die nie gestellt werden sollte, fragt sie nicht wieder. Das ist der Preis. Zusammen mit dem Geld, natürlich." Er zwinkerte schelmisch, sein Grinsen verwandelte sich wieder zu einem Lächeln "Doch im Augenblick solltet Ihr mir sowieso nur eine Frage stellen." Aeren konnte seine Augen nicht abwenden, ohne zu blinzeln blickte er regungslos in die seltsamen, grauen Augen des Propheten, während seine Augen zu tränen begannen, sein Herz in seiner Brust langsam, doch schmerzvoll hämmerte und sich die Fragen in seinem Kopf verwirrten und verdrehten.
"Was... Was wird sein?", fragte er zögernd, ohne den Augen des Propheten entkommen zu können, die ihn gefangen hielten. Der Graue nickte mit einem Lächeln, das Aeren noch erschreckender fand als das hungrige Grinsen.
"Nun, zuerst will ich das Geld. Manche meiner Kunden würden mich nicht mehr bezahlen wollen, nachdem ich ihnen offenbart habe, was sein wird." Aeren griff in seine Tasche und wollte die schweren Münzen in die kleine, metallene Schüssel vor ihm legen, doch der Graue packte seinen Arm mit unheimlicher Kraft und sah Aeren tief und ernst in die Augen.
"Nicht in die Schüssel. SIE mögen den Geschmack von Geld nicht, das ist alleine mein Interesse." Er nahm Aeren das Geld aus den Händen und liess es in einer seiner Taschen verschwinden. Dann lächelte er wieder. Aeren erwiderte nichts, verwirrt und verunsichert wie ein kleines Kind sass er da, wartete wie gebannt auf weitere Worte des grauen Mannes.
"Reicht mir Euren Arm, Aeren.", befahl der Prophet, und Aeren gehorchte. Der Graue ergriff mit der linken Hand Aerens Arm, mit der anderen nahm er den silbernen Dolch. Er war vollkommen schmucklos. Aus irgendeinem Grund hatte Aeren Verzierungen und geheimnissvolle Runen darauf erwartet. Die Schneide näherte sich. Sein Herz schlug schneller, sein Atem ging unregelmässig und flach. Er fühlte, wie der Schweiss aus seiner Haut drang. Der Dolch war lang und dünn, die Klinge schimmerte matt in Licht ohne Ursprung. Er fühlte brennenden Schmerz, keuchend wollte er seinen Arm zurückziehen, doch der Graue hielt ihn mit festem Griff. Langsam legte er den Dolch nieder. Kein Blut war an der Klinge zu sehen.
Das warme Blut lief dickflüssig seiner Haut entlang, tropfte träge hinab, in die metallene, schmucklose Schüssel. So verharrte er lange, der Graue wartete geduldig und ohne Worte, während Tropfen für Tropfen in die Schüssel fiel. Aeren wollte fragen, welchem Zweck das Blut diente, doch er fürchtete sich vor dem Propheten und erinnerte sich seiner Warnung.
Irgendwann war der letzte Tropfen gefallen, der graue Mann nickte zufrieden. Aeren zog seinen schmerzenden Arm zurück, der Seher ergriff die Schüssel vorsichtig mit beiden Händen und ging auf eine Wand zu. Ein eiskaltes Schaudern jagte durch Aerens Körper, als er dort plötzlich eine seltsame Tür erblickte, das ihm zuvor nicht aufgefallen war. Sie wirkte unscheinbar, verschmelzte beinahe mir der grauen Wand, in die sie eingelassen war, doch beunruhigte sie Aeren, obwohl er nicht hätte sagen können, weshalb sie diese Wirkung auf ihn hatte. Der Prophet öffnete die Tür, ein fahler, roter Schein fiel aus dem Raum dahinter. Aeren hörte ein Scharren und Kratzen, und etwas, das sich wie Weinen anhörte. Schaudernd versuchte er einen Blick in das rote Zimmer zu werfen, doch ausser einem groben Holztisch und einem unebenen, steinernen Grund konnte er nichts erkennen. Die Tür schloss sich hinter dem Prophet, die Laute erstarben, das rote Licht verschwand. Vollkommene Stille lag auf Aeren, lastete schwer auf ihm. Nichts geschah, und das war das Schlimmste. Die Unruhe und die ziellose Furcht wuchsen ins Unermessliche, zitternd sass er da, kalter Schweiss auf der Stirn, die starren Augen auf die Tür gerichtet. Er fürchtete, was dahinter liegen könnte, doch er konnte seinen Blick nicht abwenden. Sein mächtigster Wunsch war, dieses Haus zu verlassen, doch etwas hielt ihn zurück, vielleicht die nackte Neugier, deren Hunger gestillt werden wollte, gleichgültig, welche Schrecken daraus geboren werden würden.
Ein schrilles Kreischen ertönte hinter der seltsamen Tür, schnitt eisig durch Aerens Körper, ein Laut, so kalt und tot wie das Geräusch aneinanderreibenden Metalles, so hasserfüllt und verzweifelt wie der letzte Schrei eines sterbenden Soldatens. Ein schreckliches Grauen erfüllte Aerens ganzen Leib, erstickte jeden anderen Gedanken unter der Flut des Grauens. Er wollte sich erheben, fliehen, doch er konnte nicht. War es die schneidende Furcht, die ihn lähmte, oder die Macht dieses Ortes?
Die Tür schwang auf, der Prophet trat wieder in den grauen Raum. Aeren sah noch einen undeutlichen, blutroten Körper auf allen Vieren, der sich zuckend, ziellos bewegte, bevor die Tür sich wieder schloss und das rote Licht mit sich nahm. Das Gesicht des Grauen war ruhig und gefasst, als wäre nichts geschehen, doch auf seinem Anzug war deutlich ein Fleck zu erkennen, als hätte jemand mit einer verletzten Hand nach ihm gegriffen. In seinen Händen hielt er die schmucklose Schüssel. Als er sie zurück auf den Tisch stellte, sah Aeren, dass kein Tropfen Blut mehr in ihr war. Sie schimmerte feucht. Er wollte etwas sagen, doch fand er keine Worte. Es war, als hätte er nie zu sprechen gelernt. Der Graue setzte sich wieder und blickte seinem Gast lächelnd in die Augen.
"Seid Ihr bereit, zu hören, was ich von der Zukunft offenbaren darf?", fragte er mit ernster Stimme, doch seine Augen schienen fröhlich wie immer. Aeren wusste es nicht, etwas in ihm schrie verzweifelt, dass er nur fliehen sollte, doch die mächtige Neugier war stärker. Er nickte. Mit rauer Stimme sprach er das Wort:
"Ja." Der Prophet grinste raubtierhaft, zeigte sein weisses Gebiss wie ein Hund, der die Zähne fletscht.
"Es sind fünf Worte, die mir auszusprechen erlaubt sind.", sprach er, blickte Aeren nachdenklich in die Augen und sagte dann mit fester Stimme: "Du wirst einen Menschen töten."
Aeren hörte die einzelnen Worte, doch zusammen ergaben sie für ihn keinen Sinn. Verwirrt erwiderte er den ruhigen Blick des Propheten. Ewige Augenblicke vergingen, bis er erkannte, was diese fünf Worte ihm offenbart hatten, und dass kein einziges weiteres Wort auf die Prophezeiung folgen würde. Sein ganzer Leib wurde abwechselnd eiskalt und glühend heiss. Ohne es zu bemerken hatte er seinen Atem angehalten. Dies hatte er nicht erwartet. Er versuchte zu lächeln, atmete tief und zitternd ein, dann sagte er zum zweiten Mal ein einzelnes Wort: "Nein..." Der Prophet grinste noch immer.
"Was ich meinen Kunden offenbare, ist das, was ihre Existenz am schwersten aus ihrer gewohnten Bahn wirft, das Wichtigste, das Bedeutenste, das, was ihr Leben verändern wird. Manchmal sind es gute Worte, doch meistens sind es eher unglückliche...", erklärte der Prophet mit gelassener Stimme und freundlichen, lachenden Augen, als spräche er über das Wetter. "Was auch der Grund ist, weshalb ich leider keine Stammgäste vorweisen kann..."
Aeren schüttelte heftig den Kopf und hob die Hände, um den Grauen zu unterbrechen.
"Wen werde ich denn töten?", fragte er mit einer Stimme, in der sowohl Furcht und Schrecken als auch Spott und Trotz lag.
"Das zu sagen, ist mir verboten.", sagte der Prophet und zuckte bedauernd mit den Schultern, als wäre es eine unbedeutende Kleinigkeit.
"Weshalb?", rief Aeren wütend. "Ich glaube Eure Prophezeiung nicht!"
"Wie Ihr wollt. Doch es ist die Wahrheit. Die Voraussagen sind unumgänglich. Nichts wird sie ändern können."
"Wer hat es Euch verboten? SIE?!", fragte Aeren und wies zitternd auf die Stelle wo das seltsame Tor zum roten Raum gewesen war, doch nun war dort nur die graue, nackte, steinerne Wand.
"Fragt nicht weiter!", befahl der Prophet mit ernster Miene und drohenden Augen. "Auf mir lastet keine Schuld! Ihr wolltet es, es war Euer Wunsch, Ihr musstet die verfressene Neugier füttern, und ich habe Euch den vollen Teller hingestellt, ohne Euch zum Fressen zu zwingen! Wenn Ihr die Wahrheit unbedingt erfahren wolltet, sollt Ihr sie nun nicht leugnen! Ertragt sie und lernt mir ihr zu leben. Viele können dies nicht."
"Ihr lügt!", rief Aeren voller Wut und erhob sich bebend. "Ihr könnt mich mit Euren Zaubertricks nicht in die Irre führen!" Mit zitternden Fingern zeigte er auf die leere Stelle an der Wand. Ohne ein weiteres Wort floh er aus dem düsteren Haus.

Als Aeren endlich sein Zuhause erreicht hatte, fühlte er sich wieder sicherer und ruhiger, doch während die Tage zäh und träge an ihm vorbeiflossen wie ein Fluss ungezählter Fragen und verschwommenen, seltsamen Antworten, die nur weitere Fragen gebaren, überkam ihn eine starke Unruhe. Die meiste seiner Zeit verbrachte er in seinem Haus, im Sessel sitzend, während der Fluss der Fragen zähflüssig an ihm vorbeifloss, doch schnell genug, dass Aeren über keinem Rätsel lange genug brüten konnte, um sie zu lösen. Eine bestimmte Frage trieb immer wieder und wieder an ihm vorbei. War die Prophezeiung wahr? Und wenn sie aus seiner Sicht verschwand, tauchte eine Frage auf, die er auch dem Seher gestellt hatte. Wenn ja, wen würde er töten?
Er dachte an all die Menschen, die er kannte, seinen Vater, seine Mutter, seine Geschwister, seine Freunde... Würde es einer von ihnen sein? Wenn ja, würde es ein Unfall sein? Mit Grauen dachte er an seinen Streit mit einem seiner Brüder, und an seine heftige, brennende Wut, die sogleich nach ihrem verbalen Kampf abgekühlt war. Was, wenn er während eines unbedeutenden, lächerlichen Streites jemanden aus blankem Zorn umbrächte? Wäre das möglich? Er war hitzköpfig und konnte seine Wut nur schwer beschwichtigen oder gar beherrschen. Besorgt und nervös grübelte er lange über dieser Frage, drehte im Kreis, kam zu keinem Schluss. Tagelang konnte ihn der Schlaf nicht finden, für Stunden sass er in seinem Sessel, gefangen in dunklen Gedanken. Wenn die Unruhe in heftig ergriff, erhob er sich und ging im düsteren Zimmer auf und ab.
In manchen Stunden, wenn das fahle Sonnenlicht mit aller Kraft durch die verhangenen Fenster ins Haus gelang, war sich Aeren sicher, dass die Prophezeiung eine Lüge, ein Traum, eine Erfindung war. Wieso sollte er etwas so Unsinniges glauben und sein Leben mit Verzweiflung, Sorgen und Zweifeln zerstören?
Doch sobald er sich der Augen des Grauen und seines hungrigen Grinsens erinnerte, war alle Sicherheit zerschmettert, und die Furcht erwachte wieder tief in ihm, an einem Ort, zu dem er keinen Zugang hatte. Dann sah er wieder die verschwommenen Bilder des roten Raumes vor sich, das schaurige, unnatürliche Licht, das zuckende, rote, nass glänzende Ding... Er hörte das unbeschreibliche Geräusch, dieses schrille, tote, wütende Kreischen, das kein Wesen dieser Welt hätte erzeugen können. In seinen Träumen sah er den roten Raum auch, das seltsame Tor stand weit offen, dahinter konnte er nur den niedrigen Tisch erkennen. Jede Nacht ging er auf das verborgene Zimmer zu, trotz der zerfetztenden Furcht, die mit jedem Schritt schrecklicher wurde, und jede Nacht, wenn er in Todesangst durch die Tür in den roten Raum trat und das kalte Licht ihn einhüllte, konnte er sehen, was sich dort befand, und mit diesem grausigen, unirdischen Schrei in den Ohren erwachte er schweissgebadet in der vollkommenen Schwärze seines Schlafzimmers. Verzweifelt versuchte er sich daran zu erinnern, was er gesehen hatte, doch bei jedem Erwachen hatte er es vergessen. Er wusste nicht, ob er darüber glücklich oder erzürnt sein sollte.
Als sein Vater das Haus betrat, um Aeren zu besuchen, blieb er nicht lange, denn sein Sohn erfand viele Gründe, weshalb er keine Zeit zum Reden und Essen besass. Und als es an seiner Türe klopfte und die Stimme eines Freundes ertönte, antwortete er nicht und tat so, als wäre er nicht zuhause. Erleichtert sank er in seinen Sessel zurück und nahm die Fragen wieder auf, die ihn gequält hatten, bevor jemand in die Schatten seines Heimes treten wollte.
Die Zeit verging, die Rätsel blieben und liessen ihn nicht los. Eine weitere, stechende Frage stieg an die Oberfläche des trägen Flusses: War er wahnsinnig?
Er fragte sich, ob der Prophet bloss ein Lügner und der rote Raum und die zuckenden Körper nichts weiter als Träume gewesen waren. Vielleicht existierten SIE gar nicht. Vielleicht waren sie bloss dunkle Phantasien, die er in Sorge über die Prophezeiung geträumt hatte, und nun dachte er, SIE wären wirklich dort gewesen.
Irgendwann kam er zu einem Schluss, einem einzelnen Gedanken, der ihm sicher und fest wie Stein erschien: Wenn SIE existieren, wird die Prophezeiung eintreffen.
Dieser Gedanke verfolgte ihn über Stunden und Tage hinweg, durch Wachen und Träumen hindurch. Seitdem sein Vater ihn besucht hatte, hatte kein Mensch mehr die Schwelle seines Hauses durchschritten. Solange er alle Menschen fern hielt, konnte er niemanden töten. Doch die ewige Stille lastete schwer auf ihm, machte ihn immer schwermütiger und mutloser, immer mehr verkrallte er sich in die Welt seines Geistes. Die Schlaflosigkeit, Segen und Fluch, liess ihn keinen klaren Gedanken mehr fassen, alles war verschwommen und so unwirklich, dass nichts unmöglich schien. Der Wunsch, die Wahrheit zu finden und die Nebel zu vertreiben, wurde immer mächtiger, doch er fürchtete sich auch davor. Sollte er das Haus verlassen? Was, wenn er nicht wahnsinnig war und es SIE wirklich gab? Was, wenn er bei IHREM Anblick erst verrückt würde?

Aeren wanderte in tiefster Nacht durch die schwarzen Strassen, in seinen Händen hielt er einen schweren Hammer. Er ging langsam, wenn er sich des roten Raumes erinnerte, er ging so schnell er konnte, wenn er an die Prophezeiung dachte, die sich hier draussen in der Finsternis jederzeit erfüllen konnte. Voller Angst blickte er auf seinen Hammer, der einen Schädel ohne Mühe zu zerschmettern vermochte. Alles war still, die Stadt lag in schwärzester Dunkelheit, weder der Mond noch die Sterne waren zu sehen, grauer Nebel hing von den Dächern der Häuser auf die Strassen herab. Die leeren, schwarzen Fenster der Häuser starrten ihn blind an. Aeren blickte sich unruhig um, er fühlte sich beobachtet, doch es war niemand zu sehen. Das seltsame Gefühl verschwand nicht, es war, als spürte er die Blicke körperloser Kreaturen auf seiner Haut wie tastende Hände. Als er das Haus des Propheten erreichte, schienen die unsichtbaren Hände seine Haut durchdringen und sich in sein Fleisch graben zu wollen. Zitternd ging er auf die Tür zu, hielt den Griff des Hammers so fest, dass seine Finger schmerzten.
Das niedrige, unscheinbare Gebäude erschien ihm in der Finsternis der Nacht anders als im Tageslicht. Es besass keine Fenster, und doch schien es mehr zu sehen als die blinden Augen der anderen Häuser. Aeren unterdrückte seine Furcht und horchte an der Tür. Nur sein eigener Atem ertönte in der stillen Dunkelheit. Als er mit dem Hammer ausholte, um das Holz zu erschlagen, berührte sein Fuss sanft die Tür, die langsam aufschwang. Überrascht liess er seine Waffe sinken, hielt seinen Mut so fest wie möglich und betrat das Haus. Nichts hatte sich verändert. Der Raum war noch immer leer bis auf einen Tisch und zwei Stühle, auf dem Tisch stand noch immer der silberne Dolch und die metallene Schüssel, die Wände waren noch immer grau und schmucklos... Ohne das seltsame Tor zum roten Raum. Aeren starrte auf die Stelle, an der es sich einst befunden hatte. Er schloss die Augen und öffnete sie wieder. Nichts hatte sich verändert. Mit langsamen, zögerlichen Schritten näherte er sich der einen grauen Wand, mit jedem Augenblick wuchs sein Widerwillen, doch er kehrte nicht um. Seine Neugier trieb ihn an.
Mit hämmerndem Herz und bebendem Atem presste er sein Ohr an die kalte, steinerne Mauer und lauschte. Nichts.
Endlose Zeit schien zu vergehen, in der er seine Furcht zu bezwingen versuchte. Sie verschwand nicht, doch er unterdrückte sie mit aller Kraft, atmete tief ein, hob den Hammer, liess ihn mit aller Kraft auf die Wand niederschlagen. Die Farbe zerbröckelte, einige der Steine verschoben sich. Wieder schlug er zu, wieder und wieder. Er hatte der Wand eine tiefe Wunde geschlagen. Dunkelheit schien aus ihr zu fliessen wie Blut aus einer tiefen Wunde. Am ganzen Leibe bebend starrte Aeren durch das Loch. Er erkannte nichts, nur Schwärze, doch bestimmt war es ein Raum. Wurde er zugemauert?, fragte Aeren sich, bevor er ein letztes Mal seinen Hammer auf die Steine schmetterte. Das ganze Gebäude stöhnte wie in schmerzvollem Erwachen. Mit grossen Augen blickte er auf die Öffnung, die nun gross genug war. Seine Furcht fand neue Nahrung. Zögernd und vorsichtig spähte er wieder in das dunkle Zimmer, und dieses Mal sah er etwas. Der Raum war klein, die Wände schwarz, als hätten Zungen eines Feuers daran geleckt. Er war leer. Verwirrt starrte Aeren in das Zwielicht. Der Raum war leer. Ungläubig, voller Furcht und Hoffnung zugleich stieg er über die Trümmer hinweg in das kleine Zimmer. Der Boden schien seltsam weich. Unsicher schritt er weiter in den Raum hinein. Der Grund gab nach, Aeren suchte sein Gleichgewicht, fiel beinahe. Langsam ging er in die Knie, suchte mit bebenden Fingern den Boden, und fand ihn nicht. Stattdessen berührte er etwas, das sich wie feiner Sand, Staub oder Asche anfühlte. Es war eiskalt. Mit weit aufgerissenen Augen suchte er nach festem Boden, doch es gab nichts weiter als diese seltsame Asche.
Aeren erhob sich, blieb lange Augenblicke regungslos stehen. Dann warf er den Hammer vor sich auf den weichen Grund. Sofort begann er einzutauchen, immer tiefer, zunächst langsam, dann immer schneller. Er war verschwunden, als hätte die Asche ihn zersetzt und aufgefressen. Fassungslos fiel Aeren wieder in die Knie und begann hastig zu graben. Nach wenigen Augenblicken fand er einen Gegenstand in der Asche. Er hob ihn auf, führte ihn an die Augen heran. Ein langer, dünner Knochen, noch rot und feucht von Blut. Entsetzt warf ihn Aeren von sich. Ein überwältigender Schrecken erfasste ihn, er wollte fliehen, weg von diesem Ort, doch er konnte nicht. Etwas zwang ihn, zu beenden, was er begonnen hatte, er wusste nicht, ob es nun sein verzweifelter Trotz oder ein fremder Wille war, doch es war ihm auch gleichgültig.
Wieder grub er seine Hände in die feine, kalte Asche, warf sie hinter sich aus dem weiten Riss in der Mauer. Es dauerte lange, bis er aufgab. Er keuchte vor Anstrengung, während die Asche langsam wieder zurück ins Loch rieselte. Das ist nicht möglich!, dachte Aeren verwirrt. Meine Grube reicht viel tiefer hinab als der Boden des anderen Raumes! Unter der Asche muss doch ein Boden begraben liegen!
Voller Unglauben stieg er ganz in seine Grube, beugte sich nahe an die Oberfläche und schob seinen rechten Arm langsam in die Asche hinein, immer tiefer und tiefer. Seine Finger suchten nach hartem, festem Grund. Plötzlich berührten sie etwas, doch es war nicht, was er gesucht hatte. Ein eisiges Grauen durchfuhr seinen Körper, liess ihn erstarren. Es war weich, feucht, und schien noch kälter als die Asche, die es umgab. Atemlos versuchte Aeren, seinen Arm herauszuziehen, um das glitschige Ding nicht mehr fühlen zu müssen. Es gelang ihm nicht. Etwas hielt ihn fest. Verzweifelt wollte er sich freireissen, sein Arm schmerzte grauenhaft, doch er zog weiter, mit seiner Kraft, die er aus der Todesangst gewonnen hatte. Endlich kam sein Arm frei. Entsetzt starrte Aeren ihn an. Kaltes Blut klebte auf seiner Haut. Es war nicht seines. Blut in der Form einer Hand, einer unmenschlichen Klaue.
Keuchend lief er auf die Öffnung in der Wand zu, der Schweiss der Todesfurcht klebte an seiner Haut, seine Augen waren in Panik weit aufgerissen. Bevor er den Riss erreicht hatte, fiel er. Asche stäubte auf, schwebte durch die Luft. Er versuchte sich zu erheben, doch er stürzte wieder in die Asche. Der feine Staub in der Luft brannte in seinen Augen, liess seinen Blick verschwimmen, doch als er hinter sich schaute, sah er wie durch Nebel hindurch das blutige Ding, das sein Bein in unbarmherzigem Griff hielt. Die rote, klauenförmige Hand verschwand in der Asche, ohne sein Bein freizugeben. Aeren fühlte, wie er immer tiefer hinabgezogen wurde. In schrecklichem Grauen suchte er Halt, doch es gab nur Asche und Staub. Sein Körper wollte einen Schrei ausstossen, doch als sein Kopf in der schwarzen Masse verschwand und die Asche ihm in Mund und Nase drang, wurde er lautlos erstickt. Er fühlte sich wie in kaltem Wasser, während er immer tiefer hinab in den Abgrund gezerrt wurde. Kalte, glitschige Haut berührte seine Arme, etwas Totes, Feuchtes glitt über sein Gesicht. Aeren zuckte und bebte vor Ekel und Grauen.
Plötzlich schien alle Bewegung zu erstarren, er fühlte kalten, trockenen Atem an seinem linken Ohr, fühlte eine nasse, schleimige Zunge, hörte eine Stimme, so unmenschlich und unnatürlich wie das flüsternde, zischende Wesen selbst. Es klang, als würde die reibende Asche selbst atemlos sprechen. Die Worte klangen deutlich und klar in Aerens Ohren, doch er verstand sie nicht, hatte diese schaurige Sprache nie zuvor gehört. Mit donnerndem Herzen und gelähmtem Geist lauschte er den Worten, fühlte bloss noch Schrecken. Ein schrilles, unmenschliches Kreischen ertönte nahe an seinem Ohr, sein Kopf schien platzen zu wollen. Ohnmacht ergriff ihn, alle rasenden Gedanken verschwanden, die Todesfurcht blieb.

Er erwachte. Als der tobende Schmerz in seinem Kopf langsam verstummte, schlug er die Augen auf. Das graue Zimmer des Propheten. Das Grauen ergriff ihn wieder, so schnell er konnte erhob er sich, alles drehte sich um ihn, wankend blieb er stehen und sah sich angstvoll um. Sein Blick suchte die Spalte in der Wand, aus der jederzeit SIE klettern konnten, befreit und hasserfüllt, mit ihren hautlosen, feuchtglänzenden Leibern und kaltem, toten Kreischen. Erschüttert starrte er auf die Wand. Die Öffnung war verschwunden. Voller Unglauben und Schrecken wandte er sich um, lief aus dem Haus und floh von diesem Ort.

Er verliess sein Schlafzimmer nicht mehr. SIE schienen ihn aus jedem Schatten anzustarren und anzugrinsen. Kein Zweifel an der Prophezeiung lag noch in seinen Gedanken, sie schien unverrückbar, nun, da er SIE und ihr Grauen erblickt hatte. Der Winter kam, und der Fluss der Fragen erstarrte zu Eis. Es existierten keine Rätsel mehr, die er hätte lösen können, nur noch sein Schicksal. Er fand keinen Schlaf mehr, wollte es auch gar nicht. Die Furcht vor dem, was er in seinen Träumen erblicken würde, war zu beherrschend. Die Müdigkeit klammerte sich schwer an ihn und saugte ihn aus, liess die Zeit träge und verzerrt an ihm vorbeifliessen.
Er verlor jedes Zeitgefühl, Stunden und Tage zerrannen wie Asche in seinen Händen, die sich zu seinen Füssen ansammelte. Irgendwann schlief er ein. Er träumte. Als er erwachte, konnte er sich keines Bildes mehr erinnern, doch ein Gedanke blieb, als hätte ihn jemand in seinen Träumen ausgesprochen. Er war besessen von dieser Idee, die Zeit, in der er darüber grübelte, schien ihm unendlich, doch er gelangte zu einem Entschluss. Entschlossen, von neuem Mut ergriffen, verliess er das Schlafzimmer, suchte seinen Revolver und trat durch die Türe seines Hauses auf die Strasse. Es war eine tiefe, klare Nacht. Bald würde sie sterben, da der Morgen kam, doch noch stand der Mond voll und hoch am dunkelblauen Himmel, von Sternen umrahmt. Das Licht blendete Aeren, während er zielstrebig durch Gassen und Strassen wanderte, beobachtet nur von den blinden Fenstern der geduckten Häusern.
Bald hatte er das Haus erreicht, das Haus des Propheten, das schäbig und niedrig im bleichen Mondlicht lag, mit unsichtbaren, starrenden Augen, die tot auf die Strassen blickten. Aeren klopfte an die Türe und wartete. Er hörte Schritte. Die Tür schwang lautlos auf, das Gesicht des Propheten erschien, seine Augen zeigten kein Erstaunen. Er lächelte, als er Aeren sah.
"Ah, Aeren!", sagte er mit undeutbarer Stimme. "Tretet ein!" Aeren betrat das graue Zimmer, starrte lächelnd auf die Wand, in der weder eine Spalte noch eine Türe zu erkennen war.
"Ihr habt gesagt, dass die Prophezeiung unumgänglich sei, dass nichts etwas daran würde ändern können.", sprach Aeren und blickte dem Propheten in die Augen. Seine Hände fühlten das kalte Metall des Revolvers in seiner Tasche.
"Das habe ich, und es ist die Wahrheit.", erwiderte der Seher, seine Augen schienen nun seltsam traurig, doch Aeren konnte es nicht deuten. Der Graue lächelte nicht mehr.
"Es ist nicht die Wahrheit! Ich habe den Weg gefunden!", rief Aeren. "Ich werde weder meinen Vater, noch meine Mutter, noch meine Geschwister, noch meine Freunde töten!" Der Prophet nickte verstehend, als könne er in die Gedanken seines Gastes blicken. Aeren zog seine Waffe.
"Ich habe den Weg gefunden...", sagte er wieder und lächelte, als wäre eine schwere Last von ihm genommen worden. Dann hielt er sich den Revolver ans linke Ohr und drückte ab.

Die Leiche seines Kunden lag vor seinen Füssen, das Blut war überall, sammelte sich langsam und träge um den durchschossenen Kopf. Der Prophet lächelte traurig und schüttelte seinen Kopf. Er stieg über den Toten, blickte durch die offene Tür hinaus auf die Strasse, ob jemand etwas gesehen hatte und schloss sie dann. Seufzend wandte er sich um, blickte auf die graue, leere Wand. Plötzlich fragte er sich: Was geschähe wohl, wenn einst jemand nicht an SIE glauben würde? Er schüttelte heftig den Kopf. Dies würde nie der Fall sein.

Ende

 

Hallo Olifant,

Willkommen auf kg.de! Erst mal noch ein paar allgemeine Hinweise (die du wahrscheinlich schon ein paar mal bekommen hast und auch noch mal bekommen wirst): Es ist hier nicht üblich, die Geschichten in mehrere Postings zu unterteilen. Auch wesentlich längere Geschichten als diese hier werden in einem einzigen Posting veröffentlicht, so dass die anderen sehen können, wie viele Kommentare eine Geschichte schon bekommen hat und wie lang sie ist, bevor sie sie lesen. Außerdem ist es nicht zu empfehlen, gleich sechs Geschichten auf einmal zu posten. Wer soll die denn alle lesen? Wenn du wirklich daran interessiert bist, dass deine Geschichten kommentiert werden und du an ihnen arbeiten willst, dann lass dazwischen einen zeitlichen Abstand, damit sich die Kritik jeweils einer Geschichte ausführlich widmen kann.

Nun zu der Geschichte selbst:

Inhaltlich ist es nichts wirklich Neues. Ich dachte die ganze Zeit, es wäre so eine Art Horror-Adaption von Oscar Wildes Geschichte "Lord Arthur Saviles Verbrechen", wo dem Helden auch vorhergesagt wird, er würde einen Mord begehen. Anders als bei dir tötet er am Ende nicht sich selbst, sondern den Wahrsager.
Ich verlange natürlich nicht, dass jede Geschichte einen neuen, originellen Plot haben soll. Mein Hauptkritikpunkt ist, dass du eine Story, die sich in wenigen Sätzen zusammenfassen lässt, auf diese beachtliche Länge ausgewalzt hast, ohne dass da etwas Inhaltliches dazu kommt. Du beschreibst einfach alles unheimlich ausführlich. Teilweise gelingt es dir dadurch, Atmosphäre zu erzeugen, aber meistens wirkt es ermüdend auf den Leser. Man kann Atmosphäre auch mit wenigen Worten erzeugen - probier das ruhig mal aus. Wenn man zuviele Worte über etwas Angsteinflößendes verliert - und Angst zu erzeugen ist ja das Ziel einer Horrorgeschichte - dann funktioniert es nicht mehr. Der Leser durchschaut den Zaubertrick, und anstatt sich zu gruseln, denkt man bloß noch: Ja, ja, hab's kapiert, da ist ein ganz arg gruseliges Ding in dem verborgenen Zimmer, aber wann kommst du endlich zum Punkt?
Natürlich ist es auch eine Geschmacksfrage. Mir gefällt so ein Stil, bei dem jeder Satz ausgeschmückt und alles mit möglichst vielen Adjektiven beschrieben wird, nicht besonders. Das muss dich nicht kümmern, du sollst natürlich so erzählen, wie es dir gefällt und deinen persönlichen Vorlieben entspricht. Aber wenn du die Geschichte noch einmal durchliest, findest du dann nicht auch, dass viele Passagen sehr überladen wirken und viele Worte in deinen Sätzen überflüssig sind? Es würde die Geschichte mAn deutlich verbessern, wenn du mindestens die Hälfte der Adjektive und Adverbien streichen würdest.
Neben der umständlichen Ausdrucksweise stören mich an manchen Stellen auch die sprachlichen Bilder, die du verwendest. Manche sind schon sehr ausgelutscht ("raubtierhaftes Grinsen" ist zum Beispiel so eins), und manche sind schief, sie passen nicht zu dem, was du beschreibst (zum Beispiel "er holte mit dem Hammer aus, um das Holz zu erschlagen").

Ein paar Detailanmerkungen zu Ausdruck und Rechtschreibung findest du in der folgenden Liste. Da du Schweizer bist, habe ich die fehlenden ß dabei ausgelassen. Insgesamt sind es für eine so lange Geschichte erfreulich wenige Fehler, aber ein paar Kleinigkeiten übersieht eben jeder:

Unsicher ging Aeren der Einladung nach.

Einladungen kommt man eher nach oder folgt ihnen, als dass man ihnen nachgeht.

Aeren setzte sich auf den anderen, ein dunkles Gefühl im ganzen Leib.

Äh ... der Satz wirkt komisch auf mich. Von mir aus kann ein Gefühl ruhig als "dunkel" beschrieben werden, aber das gilt für Gefühle wie eine Vorahnung oder ähnliches - du weißt schon, Dinge, die man psychisch empfindet. Gefühle, die man "im Leib", also physisch spürt, sind für mich so etwas wie Schmerzen, Hunger, Müdigkeit - und solche körperlichen Empfindungen würde ich nicht als "dunkel" beschreiben.

"So, Ihr wollt also erfahren, was keiner erfahren sollte, Aeren.", flüsterte der Prophet lächelnd.

Der Punkt vor den " muss weg. Ich glaube, diesen Fehler ziehst du im ganzen Text durch, am besten die Dialoge noch mal genau durchgehen.
Außerdem frage ich mich, ob der alte Mann wirklich ein Prophet ist? Das ist nämlich im traditionellen Sinne etwas anderes als ein gewöhnlicher Wahrsager - wie man z.B. hier nachlesen kann: http://de.wikipedia.org/wiki/Prophet

Ich meine nicht in der Frage, ob Ihr es tun solltet, sonder in derjenigen, wer es tun sollte, denn Ihr habt mich gewählt

das n fehlt

Das warme Blut lief dickflüssig seiner Haut entlang, tropfte träge hinab

an seiner Haut

Sie wirkte unscheinbar, verschmelzte beinahe mir der grauen Wand, in die sie eingelassen war

Autsch! verschmolz.

Was ich meinen Kunden offenbare, ist das, was ihre Existenz am schwersten aus ihrer gewohnten Bahn wirft, das Wichtigste, das Bedeutenste,

Bedeutendste

Ertragt sie und lernt mir ihr zu leben.

mit ihr

Er war hitzköpfig und konnte seine Wut nur schwer beschwichtigen oder gar beherrschen. Besorgt und nervös grübelte er lange über dieser Frage, drehte im Kreis, kam zu keinem Schluss.

Ein Beispiel für das, was ich mit "umständlichem Ausdruck" meine: beschwichtigen und beherrschen, besorgt und nervös haben jeweils ziemlich ähnliche Bedeutungen. "Er war hitzköpfig" impliziert schon, dass er Probleme hat, seine Aggression zu beherrschen, und "er drehte sich im Kreis" und "er kam zu keinem Schluss" bedeuten im Prinzip auch das gleiche. Indem du so viele Worte um einen Sachverhalt machst, werden die Sätze aufgebläht und es wirkt, als wärst du dir nicht sicher, ob der dumme Leser dich auch wirklich versteht, so dass du vorsichtshalber alles so ausführlich wie möglich beschreibst.

Als sein Vater das Haus betrat, um Aeren zu besuchen, blieb er nicht lange, denn sein Sohn erfand viele Gründe, weshalb er keine Zeit zum Reden und Essen besass

Nee, Zeit "besitzt" man nicht. Ein "hatte" hätte es auch getan.

Als er mit dem Hammer ausholte, um das Holz zu erschlagen

wirkt unfreiwillig komisch.

hielt seinen Mut so fest wie möglich

Also, ich bin ja dafür, auch mal kreativ zu sein und ungewöhnliche Ausdrücke zu verwenden. Aber Mut ist nun mal etwas körperloses. Man kann ihn vielleicht im übertragenen Sinne fest halten, aber "so fest wie möglich"? Nein, ich denke nicht.

Noch etwas: Die Charaktere in der Geschichte sind sehr blass. Zum Teil hängt das vielleicht auch mit der rätselhaften, traumartigen Atmosphäre zusammen, aber mir fällt es wirklich schwer, mich in deinen Protagonisten hineinzuversetzen. Und den Wahrsager verstehe ich auch nicht. Erst wirkt er kühl und geschäftsmäßig, als ginge es ihm nur ums Geld, aber am Ende ist er plötzlich traurig. Da passt etwas nicht zusammen.
So, das war es erst mal von mir.

Grüße von Perdita

 

@ Perdita:

Danke für die Kritik! Bin mit den meisten deiner Verbesserungsvorschläge einverstanden, aber den Teil, in dem er seinen Mut "so fest hält wie möglich" werde ich so belassen, mir persönlich gefällt das Bild. ;-)

Ach ja:

Als er mit dem Hammer ausholte, um das Holz zu erschlagen
Das ist ein Tippfehler, das sollte "zerschlagen", und nicht "erschlagen" heissen. ;-)

Grüsse,
der-Olifant

 

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