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Die falsche Adresse

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31.01.2008
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Die falsche Adresse

Die falsche Adresse


Gehetzt sah Schulz über seine Schulter. Er konnte niemand konkretes ausmachen, aber er wurde das Gefühl einfach nicht los, verfolgt zu werden. „Du bist völlig paranoid. Solche Sachen sind einfach nichts für dich!“, sagte er zu sich selbst, wischte sich den Schweiß von der Stirn und versuchte, sich zusammenzureißen und unauffällig weiter zu gehen. Es gelang ihm immerhin, sich bis zur nächsten Straßenecke nicht umzudrehen, dann zwang ihn wieder dieses unangenehme Gefühl von einem stechenden Blick in seinem Nacken, den Kopf zu wenden. Dieser Kerl dort hinten in dem grauen Mantel, war der nicht schon seit zwei Straßen hinter ihm? „Blödsinn. Reiß dich endlich zusammen!“, versuchte er sich Mut zu machen. Niemand wusste von der Sache, also hatte auch niemand einen Grund, ihn zu verfolgen, oder? Was, wenn Moser beschlossen hatte, den Spieß umzudrehen und jemanden auf ihn anzusetzen? Oder doch zur Polizei zu gehen? Unwahrscheinlich. Dafür war es viel zu sehr auch in Mosers Interesse, dass niemand von der Sache erfuhr. Hoffte Schulz zumindest. Sollte er sich darin getäuscht haben, war sein ganzer Plan ohnehin zum Scheitern verurteilt. Er sollte also diese Möglichkeit einfach nicht in Betracht ziehen und aufhören, sich verrückt zu machen. Eines war sicher, das würde das erste und letzte Mal sein, dass er sich auf so eine Sache eingelassen hatte. Er war einfach nicht für so etwas gemacht. Wenigstens zu dieser Erkenntnis hatte ihm der ganze Schlamassel verholfen. Im Fernsehen sah das immer viel leichter aus. Jetzt kannte er auch die Realität und die gefiel ihm ganz und gar nicht.
Über diese Gedanken hatte er gar nicht mehr an die stechenden Blicke in seinem Nacken gedacht und war endlich an seinem Ziel angekommen. Er sah sich noch einmal um, bevor er den Schlüssel ins Schloss steckte und die Tür zu seiner Wohnung öffnete. Der Mann im grauen Mantel war verschwunden und auch sonst erblickte er keine auffällige Person. Mit einem erleichterten Seufzer musste er sich eingestehen, dass seine blühende Phantasie ihm einen Streich gespielt hatte. Trotzdem, dieser Scheiß würde ihn noch zu einem Herzinfarkt treiben. Hoffentlich war das ganze bald vorbei und der stinknormale Alltag wieder an der Tagesordnung. Er sehnte sich beinahe nach seinem stupiden Bürojob, bei dem jeder Wochentag gleich aussah und es einfach keine bösen Überraschungen gab.
Mit diesem Gedanken zog er die Tür hinter sich zu und ließ sich auf das Sofa fallen. Der erste Teil war geschafft. Jetzt kam es allein auf Moser an. Wenn der sich an den Plan hielt, war die Sache geritzt und Schulz hatte erst einmal für die nächsten Jahre ausgesorgt. Aber irgendwie war er sich da noch nicht so sicher. Vielleicht hätte er nicht persönlich bei Moser auftauchen sollen, vielleicht wäre es geschickter gewesen, einen Mittelsmann zu schicken. Allerdings wäre dann eine weitere Person in die Sache involviert gewesen – und das hätte auch das Risiko erhöht, das etwas schief ging, seiner Meinung nach. Es war wohl doch besser gewesen, dass er alles selbst in die Hand genommen hatte. Wie auch immer, es war geschehen was geschehen war. Er sollte sich jetzt lieber Gedanken machen, wie er sich nach Beendigung der Sache am bestmöglichsten aus dem Staub machen konnte.

Moser lief nervös in seinem Büro auf und ab. Das hatte er nicht erwartet. Das Blatt schien sich gegen ihn gewendet zu haben. Er hatte kaum seinen Augen getraut, als er den Inhalt des Umschlags gesehen hatte. Was, wenn Schultzig davon erfuhr? Der würde ihm sicher die Hölle heiß machen. Er musste versuchen, das alleine gerade zu biegen. Es musste doch eine Möglichkeit geben, als Gewinner aus der Sache raus zu kommen. Wie hatte das alles nur passieren können, wie konnte dieser Brief in die falschen Hände geraten? Moment, genau das war doch vielleicht ein Ansatz: wenn er herausfinden würde, wie dieser Kerl an den Brief gekommen war, konnte er vielleicht auch herausfinden, wer er war – und dann… Nun ja, er hätte auf jeden Fall einen Trumpf gegen ihn in der Hand. Der Bursche hatte nervös gewirkt, das war ihm aufgefallen. Und wenn er es geschickt anstellte, könnte er ihn vielleicht dazu bringen, die ganze Sache aufzugeben. Also, wie konnte er an diesen Brief kommen…

„Nein, nur den Hinflug.“ Schulz wippte nervös mit den Beinen. Warum starrte diese Frau ihn so an? Wusste sie etwas? Quatsch, woher sollte sie das. Es lag einfach an ihm, er verhielt sich viel zu auffällig. Mist, so was kannte man doch aus dem Fernsehen: wenn Moser doch die Polizei alarmieren würde, dann würde sich diese Frau bei einer Befragung sofort an ihn erinnern. Und dann wüsste man, wohin er geflüchtet war. Er musste sich einen anderen Plan überlegen, irgendwas anonymeres. „Wissen Sie was, ich glaube, ich sollte doch noch einmal eine Nacht darüber schlafen. Vielleicht komme ich morgen noch mal vorbei!“ Schulz stand auf, drehte sich um und ging zum Ausgang. Die hochgezogenen Augenbrauen der Dame am Schalter entgingen ihm dabei keineswegs. Mit Sicherheit würde sie sich an ihn erinnern.

Mit einem hämischen Grinsen starrte Moser auf den Zettel in seiner Hand. Das Rätsel war gelöst! Jetzt war der Kerl dran – vorausgesetzt natürlich, er hatte sich nicht geirrt. Aber das war zu überprüfen, und zwar leichter, als Moser zu hoffen gewagt hatte. Wenn wirklich alles so einfach war, wie er glaubte, dann musste dieser Kerl – Schulz, wenn er Recht hatte – ein ausgemachter Idiot sein. Unfassbar. Er verglich die Adresse auf seinem Zettel noch einmal mit der im Telefonbuch. Er war tatsächlich einfach eine Zeile verrutscht – und hatte den Brief an die falsche Adresse geschickt. Jetzt könnte er die Sache doch vielleicht regeln, ohne Schultzig davon erzählen zu müssen. Das war ihm nur mehr als recht. Dieser Mensch war ihm einfach unheimlich.
Moser sammelte sich kurz und setzte ein leidendes Gesicht auf. Dann verließ er sein Büro. „Angelika, ich mach für heute Feierabend, ich fühle mich nicht so wohl“, erklärte er seiner Sekretärin im Vorbeigehen. „Könnten Sie dafür sorgen, dass alles abgeschlossen ist, wenn Sie gehen?“ „Natürlich. Guten Besserung, Herr Moser!“, entgegnete diese mit einem mitfühlenden Blick. Moser stieg in seinen Wagen und machte sich auf zu der Adresse auf seinem Zettel. Wenn er Glück hatte, konnte er diesen Schulz beim Betreten oder Verlassen seiner Wohnung beobachten und feststellen, ob er tatsächlich sein Mann war.

Zufrieden verstaute Schulz sein Ticket in der Tasche. Der Zug war wirklich eine gute Alternative, die Buchung erfolgte viel anonymer über den Automaten und Paris war schon mal ein gutes Stück von hier weg. Von da aus konnte er noch immer einen Flug buchen. Jedenfalls waren so seine Spuren schon ein wenig verwischt. Es war erst acht Uhr. Schulz war so guter Stimmung, dass er beschloss, sich mit einem ordentlichen Essen und ein paar Gläsern Wein zu belohnen. Das hatte er sich wirklich verdient. Er wählte einen Italiener, nichts zu exklusives, denn das ganze war ja noch nicht in trockenen Tüchern und Schulz war nicht der Typ, der sein Geld bereits im Voraus ausgab.
Während er auf sein Essen wartete, malte er sich sein neues Leben aus. Übermorgen um diese Zeit, ja, übermorgen um diese Zeit würde vielleicht schon alles anders sein.

Moser wartete gespannt in seinem Auto und beobachtete den Eingang der Nummer 11. Es wurde bereits dunkel und in dem Haus brannte kein Licht – Mosers Chancen standen also gut, dass dieser Schulz noch unterwegs war.
Nach der ersten Stunde des Wartens ließ seine Anspannung nach. Er wurde langsam ungeduldig. Nach weiteren zwei Stunden begann Moser zu gähnen. Er überlegte, sich ein wenig die Beine zu vertreten, verwarf diesen Gedanken aber mit der Befürchtung, er könnte den entscheidenden Moment, in dem Schulz seine Wohnung betrat, verpassen. Er riss sich zusammen, versuchte sich zu konzentrieren und den Gedanken, dass er vielleicht falsch gelegen hatte und sich hier umsonst die Nacht um die Ohren schlug, zu verdrängen.
Nach einer weiteren Ewigkeit, wie es ihm schien, warf er einen Blick auf die Uhr. Es war mittlerweile zehn und von Schulz keine Spur weit und breit. Verpasst haben konnte er ihn nicht, in seiner Wohnung brannte noch immer kein Licht. Aber vielleicht war der Vogel ja ausgeflogen. Vielleicht war dieser Kerl doch nicht so dumm, wie Moser geglaubt hatte und hatte sich in der weisen Voraussicht, dass er hier aufkreuzen könnte, ein Hotelzimmer genommen. Moser beschloss, bis elf die Stellung zu halten.

Schulz’ gute Laune hatte sich nach dem vierten Glas Wein in eine flammende Euphorie verwandelt und alle guten Vorsätze, sich nicht zu früh zu freuen, waren dahin. Schließlich war alles perfekt durchgeplant: morgen früh würde er seine Wohnung gegen ein Hotel in der Nähe des Bahnhofs tauschen, seine Koffer waren gepackt, das Ticket hatte er in der Tasche und wenn die Übergabe glatt lief – was sollte schon schief gehen? Es musste einfach funktionieren, also warum nicht den kommenden Erfolg feiern? Schulz winkte den Kellner zu sich und verlangte die Rechnung. Er gab ein fürstliches Trinkgeld und machte sich auf den Weg zum nächstgelegenen Club.
Schulz feierte den ganzen Abend und irgendwann gegen ein Uhr morgens ließ er sich erschöpft von einem Taxi nach Hause fahren. Dort fiel er wie ein Stein in sein Bett, vergaß aber nicht, seinen Wecker auf sechs Uhr zu stellen. Er würde morgen todmüde und ganz schön gerädert sein, aber er hatte schließlich im Hotel den ganzen Tag Zeit, den verlorenen Schlaf nachzuholen.

Moser erwachte durch höllische Rückenschmerzen. Er befand sich noch immer in seinem Wagen, er musste wohl eingeschlafen sein. Bei einem Blick auf die Uhr stellte er fest, dass es schon kurz vor sechs war, in einer Stunde erwartete man ihn im Büro. In der Wohnung war noch immer kein Licht zu sehen, aber Schulz konnte ja trotzdem nach Hause gekommen sein, während er geschlafen hatte und jetzt noch im Bett liegen. Moser überlegte kurz, dann kramte er sein Handy aus der Jacke und rief im Büro an. Natürlich war noch niemand dort, aber er hinterließ seiner Sekretärin eine Nachricht, dass er sich noch immer nicht wohl fühle, ein wenig Fieber habe und deshalb zu Hause bleibe. Anschließend starrte er nachdenklich auf die Fenster der Wohnung. Am anderen Ende der Straße gab es einen Imbiss, dort könnte er sich vielleicht schnell einen Kaffee und ein Frühstück zum Mitnehmen holen, vielleicht auch kurz die Toilette benutzen und sich ein wenig frisch machen. Moser zögerte. Was, wenn dieser Kerl genau dann die Wohnung verließ… Aber er konnte nicht länger hier sitzen bleiben, er fühlte sich schwach und seine Blase drückte – nicht die beste Verfassung, um einen Erpresser zu stellen.
Während Moser auf den Kaffee wartete, versuchte er sich Schulz’ Gesicht genau ins Gedächtnis zu rufen. Schließlich wollte er ihn auch einwandfrei identifizieren, wenn er ihm gegenüberstand. Er hatte ihn nur kurz gesehen als er verwundert den Kopf gehoben hatte, nachdem dieser Kerl ihm beim Mittagessen im Restaurant um die Ecke seines Büros einfach einen Umschlag vor die Nase gelegt hatte und ohne ein Wort verschwunden war. Er hatte ihm noch hinterher gerufen, was das solle, aber Schulz war gegangen ohne sich umzudrehen. Moser erinnerte sich trotzdem genau an das Gesicht. Es war ein Mann so Mitte Dreißig gewesen. Er hatte eine Kappe getragen, die er tief in Gesicht gezogen hatte um sich unkenntlich zu machen. Trotzdem hatten sich kurz ihre Blicke getroffen. Moser erinnerte sich genau an die Mischung aus Nervosität und Entschlossenheit, die in Schulz Augen gestanden hatte. Zögerlich hatte Moser nach kurzem Überlegen den Umschlag geöffnet. Beim Anblick des Inhalts war ihm das Herz in die Hose gerutscht. Es war eine Kopie seines Briefes an Schultzig gewesen, anbei eine kurze Notiz, am Computer geschrieben. Sie hatte ihn dazu aufgefordert, bis Samstag, also innerhalb von zwei Tagen, eine gehörige Summe Geld zusammen zutreiben und an diesem Tag an einem bestimmten Platz zu hinterlegen, wollte er nicht, dass weitere Kopien des Briefes an den Vorstand, die Polizei und natürlich die Zeitung gelangten. Moser hatte wie erschlagen an seinem Tisch gesessen und hatte lange gebraucht, um wieder zu sich zu kommen. Dann hatte er sich beeilt, in sein Büro zurückzukehren und darüber nachzudenken, was jetzt zu tun war.
Der Kaffee war fertig und Moser bezahlte und verließ den Laden, den Becher Kaffee in der einen und die Tüte mit zwei belegten Brötchen in der anderen Hand. Als er um die Ecke bog, um zu seinem Auto zurückzugehen, blieb er wie angewurzelt stehen. Dann begann er zu laufen. Vor der Nummer 11 wartete ein Taxi und ein Mann schloss gerade die Wohnungstür hinter sich ab, kam die Treppe herunter und stieg ein…

Schulz war nur widerwillig aufgestanden, als sein Wecker um sechs Uhr klingelte. Seine Arme und Beine waren bleischwer und sein Kopf dröhnte. Er schlurfte in die Küche und machte sich einen starken Kaffee. Das Licht löschte er gleich wieder, nachdem sein Kopf entschieden gegen den grellen Strahl protestiert hatte. Er trank seine Kaffee also in dem spärlichen Schein, der von der Straßenlaterne vor seinem Haus in die Küche drang. Da sein Magen nur bei dem Gedanken an Essen entsetzte Hüpfer machte, ging er ohne ein Frühstück unter die Dusche. Auf viertel nach sechs war sein Taxi bestellt, das ihn zu dem Hotel bringen sollte, in dem er sicherheitshalber den letzten Tag vor dem entscheidenden Wendepunkt seines Lebens verbringen wollte. Er hatte sich für den frühen Aufbruch entschieden, um den neugierigen Blicken seiner alten Nachbarin zu entgehen, die jeden Morgen pünktlich um acht ihren Aussichtsposten am Küchenfenster bezog. Zwölf Minuten nach sechs schleifte Schulz seine beiden Koffer in den Flur und zog sich die Schuhe an. Durch das Milchglas seiner Eingangstür sah er das Scheinwerferlicht des Taxis vor seiner Wohnung zum Stillstand kommen. Er verließ das Haus und schloss die Tür ab. Dann trug er seine Koffer zu dem wartenden Auto. Er bemerkte beim Einsteigen den älteren Mann, der keuchend mit überlaufendem Kaffeebecher die Straße in seine Richtung entlang gerannt kam, nicht.

Fluchend sprang Moser in seinen Wagen. Den Kaffeebecher, der ohnehin durch die Rennerei so gut wie leer war, warf er auf den Bürgersteig, die Tüte mit seinem Frühstück schleuderte er auf den Beifahrersitz. Das musste ja passieren. Aber wenn er sich beeilte, erwischte er das Taxi noch. Und dann würde er es nicht mehr aus den Augen lassen!
Der Wagen sprang nicht an. Moser brach in wüste Verwünschungen aus, dann holte er tief Luft und versuchte es noch einmal. Endlich! Bei dem überstürzten Verlassen der Parklücke streifte er das Hinterteil seines Vordermannes, aber das kümmerte ihn nicht. Seine Gedanken galten nur dem Taxi und seinem Insassen. Es war schon außer Sichtweite, aber Moser gab die Hoffnung nicht auf, es am Ende der Straße wieder zu finden. Und tatsächlich: als er an der dortigen Kreuzung nach rechts sah, entdeckte er gerade noch, wie es links in eine andere Straße einbog. Moser nahm die Verfolgung auf.

Schulz schien nicht den besten Eindruck zu machen, als er in dem Hotel in der Nähe des Bahnhofs eincheckte, jedenfalls sah ihn die junge Frau an der Rezeption recht mitleidig an. Er nahm seinen Zimmerschlüssel entgegen und versuchte ein Lächeln, aber es wollte ihm nicht so recht gelingen.
Oben in seinem Zimmer angelangt, ließ er den Koffer an der Tür stehen und warf sich mit voller Montur auf das Bett. Er hatte gesagt, dass er nicht gestört werden wollte und beschloss, den Tag zu verschlafen. Hier würde ihn niemand finden und wenn dann morgen alles glatt ging, dann war es endlich geschafft!

Als Moser bei dem Hotel vorfuhr, war Schulz bereits in dem Gebäude verschwunden. Moser wollte gerade aussteigen, um sich im Hotel davon zu überzeugen, ob er wirklich seinem Erpresser auf den Fersen war, als sein Handy klingelte. Das Display zeigte ihm einen unbekannten Anrufer an. Für den Fall, dass es sich um sein Büro handeln sollte, meldete er sich mit belegter Stimme: „Moser…“ Ein kurzes Schweigen am anderen Ende der Leitung. Dann eine kalte Stimme: „Ist etwas schief gelaufen?“ Moser zuckte zusammen. Das war Schultzig. Aber wie konnte der – natürlich, wenn Schulz den Brief fälschlicherweise bekommen hatte, bedeutete das natürlich, dass Schultzig keinen Brief erhalten hatte! Daran hatte Moser noch gar nicht gedacht. „Äh, nein, das heißt ja, nicht wirklich – ich bringe das gerade in Ordnung!“, stammelte Moser. Schweiß trat ihm auf die Stirn. Mit Schultzig legte man sich besser nicht an. „Was soll das heißen? Ich hoffe, Sie verschweigen mir nichts, Moser. Das kann ich nämlich auf den Tod nicht leiden!“ Schultzigs schneidende Stimme klang noch kälter als sonst. „Also, wie es aussieht, hat jemand anderes den Brief bekommen und…“ Schultzig fiel ihm ins Wort: „Wie konnte das denn passieren? Waren Sie es nicht, der gesagt hat, dass der Postweg sicherer wäre, weil Ihr E-Mail Verkehr unter Umständen überwacht wird? Haben Sie mir nicht versichert, dass dabei gar nichts schief gehen könnte? Also wie zum Teufel konnte der Brief jemand anderem in die Hände gelangen?“ „Ich… ich…“ Moser brachte es einfach nicht über die Lippen. „Ich was?!“, zischte Schultzig. Moser schluckte. „Ich habe ihn falsch adressiert.“ Verblüfftes Schweigen am anderen Ende der Leitung. Dann brach er los: „Sie haben WAS?! Wie kann denn so etwas passieren? Sie müssen doch ein totaler Vollidiot sein! Wie konnte ich mich nur auf die Arbeit mit so einem Dilettanten einlassen! Sie…“ Schultzig ergoss sich in wüsten Beschimpfungen. Dann war er still. Nach einer Pause, die sich für Moser ins Unendliche zu dehnen schien, fragte er eiskalt: „Und wer hat den Brief jetzt?“

Die Frau an der Rezeption blickte überrascht auf, als ein älterer Mann mit bleichem Gesicht sie ansprach: „Entschuldigen Sie, ich suche einen Freund, der hier abgestiegen ist und den ich gerne überraschen möchte. Sein Name ist Schulz, er müsste heute morgen hier angekommen sein.“ „Tut mir leid, solche Auskünfte kann ich Ihnen nicht geben.“, entschuldigte sie sich. „Hören Sie, er ist nur ein Tag in der Stadt und wir haben uns wirklich ewig nicht gesehen. Können Sie nicht eine Ausnahme machen?“ Er zwang sich zu einem bittenden Lächeln. Die Frau seufzte: „Na schön. Es ist vorhin tatsächlich ein Herr Schulz angekommen. Aber er möchte nicht gestört werden. Ich kann Ihnen die Nummer vom Zimmertelefon geben, dann können Sie ihn anrufen, mehr kann ich wirklich nicht für Sie tun.“ „Ich danke Ihnen vielmals!“ Das Lächeln fiel Moser diesmal erheblich leichter. Er nahm den Zettel mit der Telefonnummer dankend entgegen und verließ eilig das Hotel, dann setzte er sich wieder in sein Auto und wartete. Nach fünf Minuten klingelte wie vereinbart das Handy. Anrufer unbekannt. „Ich habe die Nummer von seinem Zimmertelefon.“, meldete er sich. „Die angehängte Ziffer ist in der Regel mit der Zimmernummer übereinstimmend.“ „In Ordnung, das reicht mir. Ab jetzt werde ich mich um die Sache kümmern. Sie fahren nach Hause und lassen sich das Wochenende über nicht blicken. Ich sorge dafür, dass Sie eine Bescheinigung von einem Arzt erhalten, dass Sie heute bei ihm waren und sich haben krankschreiben lassen. Am Montag gehen Sie dann wie gewohnt zur Arbeit.“ Schultzig war wieder die Ruhe selbst, der Ausbruch von vorhin war vergessen. „Verstanden. Und vielen D…“ Schultzig hatte aufgelegt. Moser trocknete den Schweiß auf seiner Stirn, schnallte sich an und fuhr nach Hause.

Zwei Tage später kam es im Lokalfernsehen: in einem Hotel nahe dem Bahnhof war ein Mann Mitte Dreißig in seinem Zimmer tot aufgefunden worden. Er hatte es nur für einen Tag gebucht und als er am nächsten Morgen nicht zur vereinbarten Zeit das Zimmer räumte, sahen die Angestellten nach und fanden ihn tot auf seinem Bett. Zu den genaueren Umständen hatte sich die Polizei noch nicht äußern wollen, aber allem Anschein nach war es kein natürlicher Tod. Moser hatte den Bericht von seinem Sessel aus gespannt verfolgt. Er atmete erleichtert auf und gleichzeitig lief ihm ein Schauer über den Rücken. Das war alles wirklich verdammt knapp gewesen. Plötzlich meinte er ein Geräusch zu hören und drehte sich um. In diesem Augenblick legte sich eine Hand mit einem chloroformgetränkten Tuch über sein Gesicht. Er wehrte sich nur kurz, dann erschlaffte sein Körper, die Hand mit dem Tuch verschwand vor seinem Gesicht und er wurde sanft zu Boden gebettet. Ein Gesicht beugte sich über ihn und während das Bild vor seinen Augen verschwamm, hörte Moser noch Schultzigs kalte Stimme, als dieser ihn mit eisigem Lächeln tadelte: „Du hast doch nicht wirklich gedacht, dass das so einfach wäre!“

 

Hallo nadandi!

Willkommen auf kg.de!

Ich fange dann mal gleich an.

"Über diese Gedanken hatte er gar nicht mehr an die stechenden Blicke in seinem Nacken gedacht" => Das glaube ich dir nicht. Er ist doch beinahe in Panik, und seine Gedanken haben mit der Ursache dieser Panik zu tun, also kann er die Panik nicht vergessen.

"der Sache" => Es ist für den Leser nicht spannend, immer nur von "der Sache" zu hören, sondern nervtötend. Langsam muss da Butter bei die Fische!

"Warum starrte diese Frau ihn so an?" => Allgemein solltest du, wenn du zu einem anderen Handlungsort überwechselst, auch dazuschreiben, wo sie die handelnden Personen gerade befinden.

"und hatte den Brief an die falsche Adresse geschickt." => Das weiß der Leser schon, seit er den Titel gelesen hat. Also besser einen anderen Titel wählen.

"wenn Sie gehen?" „Natürlich. Guten Besserung" => Allgemein, der Übersichtlichkeit und der besseren Lesbarkeit willen: Immer einen Zeilenumbruch machen, wenn im Dialog die sprechende/handelnde Person wechselt.

"versuchte er sich Schulz' Gesicht genau ins Gedächtnis zu rufen. Schließlich wollte er ihn auch einwandfrei identifizieren," => Was denn, da kommt er erst jetzt drauf, nachdem er schon stundenlang vorm Haus steht?

Du machst mit Wechsel von Schulz zu Moser immer wieder Zeitsprünge (rückwärts). Das finde ich ebenfalls nervig. Warum erzählst du mir einen ganzen Absatz lang, wie Schultz aufgestanden ist, wenn er schon bei Ende des vorhergehenden Absatzes auf die Straße trat? Teilweise werden dabei auch Informationen wiederholt.
Im Übrigen bist du viel zu ausführlich. Was interessiert den Leser die alte Nachbarin, das Milchglas der Eingangstür ... Du solltest den Text straffen!

"Verlassen der Parklücke streifte er das Hinterteil seines Vordermannes" => Das ist was für Bastian Sick.

"bedeutete das natürlich, dass Schultzig keinen Brief erhalten hatte! Daran hatte Moser noch gar nicht gedacht." => Dann ist er ein saudummer Trottel, sorry.

"wie es aussieht, hat jemand anderes den Brief bekommen" => Übrigens, die ganze Situation kann ich mir nicht vorstellen. Schulz bekommt einem Brief für einen Schultzig, der wo ganz anders wohnt? Stand da keine Adresse auf dem Brief? Dann müsste der Brief doch eher zurück an den Absender geschickt werden.
"Ich habe ihn falsch adressiert." => Also falscher Name plus falsche Adresse? Dann ist Moser wirklich der saudümmste Trottel des gesamten Planeten!

"Ihnen nicht geben.", entschuldigte sie sich" => Zeichensetzung bei Dialogen: Der Punkt muss da weg, da der Satz noch weiter geht.

"Und wer hat den Brief jetzt?"
...
"Ich habe die Nummer von seinem Zimmertelefon." => Komisch, den Zusammenhang, also wichtige Dinge, dass Schultzig sich um die Sache zu kümmern verspricht, wenn Moser Schulz ausfindig macht, lässt du weg. Du solltest deine Prioritäten überprüfen, den roten Faden herausarbeiten.

"Die angehängte Ziffer ist in der Regel mit der Zimmernummer übereinstimmend" => Woher weiß er das und wer redet überhaupt gerade?

"und lassen sich das Wochenende über nicht blicken. Ich sorge dafür, dass Sie eine Bescheinigung" => Moment mal, ist Schultzig Mosers Chef, oder was läuft da? Und dann ist Moser so blöd und schreibt 'nen falschen Namen auf den Brief?

„Du hast doch nicht wirklich gedacht, dass das so einfach wäre!" => Und Ende? Ja, und worum, zum Geier, ging es in den Text? Was ist "die Sache", warum werden da Leute gekillt? Wieso wollte Schulz Moser erpressen (wollte er das überhaupt?), was für eine Arbeit sollte Moser für Schultzig erledigen, warum hatte Schultzig so einen Idioten wie Moser engagiert ...
Fragen über Fragen, viel zu viele, als für eine Geschichte gut sind, sorry.

Grüße
Chris

 

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