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Die Formel

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17.02.2006
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Die Formel

Ich lernte sie kennen, da war sie 17. Zu dieser Zeit blühte sie regelrecht auf. Ich sah sie erst Jahre später wieder so unbeschwert wie in der kurzen Zeit vom Sommer, in welchem ich sie kennen lernte bis hin zum Herbst. Danach wusch sich das Glück scheinbar aus ihrem Gesicht, wie das Make-up, das sie nie benutzte.
Sie war eine stolze junge Frau, die geschickt mit Worten umgehen konnte und immer zielsicher wusste, was die Menschen empfanden. Eine Gabe und ein Fluch zugleich, sagte sie mir irgendwann in einem der vielen Gespräche die wir führten. Durch ihre Art mit Menschen umzugehen war sie beliebt und gleichzeitig gefürchtet, denn obwohl sie sehr viel Acht auf die Empfindungen ihrer Mitmenschen gab, war sie aufs grausamste ehrlich. Außerhalb der Schule hatte sie nur mit wenigen zu tun und obwohl sie nie ein Geheimnis um ihre Person machte, wusste kaum einer mehr über sie als ihren Namen und die Kurse, die sie besuchte.
Ich erfuhr durch unzählige gemeinsam verbrachte Minuten mehr und mehr von ihr, den Umständen, in denen sie lebte und den Menschen, mit denen sie lebte oder besser, leben musste. Erfuhr, dass ihre Freunde sie brauchten, dass auch diese viele Probleme hatten und sich deshalb nicht auch noch um die ihren kümmern konnte. Aber sie konnte es. Sie konnte ihre Sorgen beiseite räumen und ihren Freunden zuhören, Ratschläge geben und für sie da sein, egal was auch immer geschehen wollte.
Es war Anfang Januar, als ich merkte, dass irgendetwas nicht stimmte. Sie hatte in den letzten Monaten oft still neben mir gesessen und das weinen unterdrückt. Hatte sich beharrlich geweigert aufzugeben gegen das was sie bedrückte. Ich wusste worum es gib. Wir hatten nicht nur einmal darüber geredet. Nicht nur einmal hatte sie den Kopf geschüttelt und gesagt: „Nur noch ein Jahr.“
Und nicht nur einmal hatte ich fast schon hilflos genickt, während mir das Herz brach.
Und nun stand sie vor mir, konnte nicht lachen und nicht weinen. Traute sich nicht zu sprechen aus Angst dann die Kontrolle über sich zu verlieren. Und ich hatte Angst sie zu zerbrechen, das fragile Geflecht aus Menschlichkeit vollends zu zerstören, das schon beim nächsten Windstoss zusammenbrechen konnte.
Schließlich trennten sich ihre Lippen: „Nur noch…“, dann brach sie ab, schluckte und sprach erst nach einem Blick in meine Augen weiter: „Nur noch ein Jahr.“
Wir Beide wussten, dass diese Formel nun nicht mehr reichte, dass sie bald nicht mal mehr Linderung verschaffen würde, dass es bald nichts mehr geben würde, woran sie sich festhalten konnte.
Den ganzen Tag liefen wir durch die Stadt, machten in kleinen Cafés halt und ließen die Schule und den Rest der Welt sich ohne uns drehen. Es war schon dunkel und hinter den meisten Fenstern brannte kein Licht mehr, als ich sie nach Hause brachte.
„Ist schon okay. Ich komme klar.“
Ich konnte nur nicken, sie in meine Arme schließen und sie zum Abschied auf die Stirn küssen.
Dann ging sie, öffnete die Tür und schloss sie hinter sich, zog den schweren, schwarzen Mantel aus und schlich die Treppe hoch. Ich beobachtete ihren Schatten bis das Licht ausging und wartete dann noch auf der Straße, bis sich ihr Zimmer erhellte. Ich war der Wächter, der auf sie Acht gab und konnte dennoch nicht mehr tun als das, was ich tat.
Wenn wir uns sahen wechselte sie nach diesem Abend meistens das Thema, versuchte Gedanken, die schmerzten aus dem Weg zu gehen, belog mich und sich selbst immer und immer wieder.
Aber was sollte ich tun? Wäre ich ein Prinz mit weißem Pferd gewesen, ich hätte sie gerettet. Ich hätte gegen den Drachen gekämpft, jede Gefahr auf mich genommen und sie glücklich gemacht. Aber ich war kein Prinz und der Feind war kein Drache.
Ich konnte nur da sein. Die Scherben aufkehren, mit ihr reden, den Schaden begrenzen.
Fast ein Jahr nach unserer Begegnung war kaum noch etwas von ihr übrig. Das Lächeln auf ihren Lippen war vollkommen verschwunden, war zugrunde gegangen, auf der Strecke geblieben. Ihre Augen blieben meistens fern, distanziert, kalt und vor allem traurig. Das Mädchen, dass ständig am reden war, ständig über irgendetwas nebensächliches diskutierte war nun stumm.

In den letzten Sommerferien unseres Lebens nahm ich sie mit an einen See, an dem meine Eltern eine Ferienwohnung hatten.
Es war ein lauer Sommerabend, sie saß, in eine Decke gehüllt am Ufer und ich hatte Kaffe gekocht. Mit zwei vollen Bechern setzte ich mich neben sie und folgte ihrem Blick auf den spiegelglatten See.
„Es ist herrlich hier.“, meinte sie und nahm mir einen der Becher ab.
Ich nickte.
„Jetzt dauert es kaum noch ein halbes Jahr.“, wiederholte sie ihren Vers.
Wieder nickte ich.
Sie schwieg und als ich von der Spiegelfläche aufblickte, ihr Profil sah lächelte sie und ich vergoss leise eine Träne.
Es schien als würde sie sich fangen, als würde sie wieder anfangen zu leben. Wieder im Alltag der Schule eingereiht sah ich sie immer öfter schmunzeln, immer beobachtete ich wie die traurigen Augen für einen Moment glücklich wurden, bevor sie schließlich, im Herbst die Realität einholte.
Ich sah es in ihren Augen, in ihrer Haltung, in der Art, wie sie mir sagte, es sei alles okay. Und dennoch tat ich nichts, konnte nichts tun oder glaubte das zumindestens. Wie oft hatte ich mir vorgestellt wirklich etwas zu tun? Wie oft hatte ich daran gedacht zu ihrer Mutter zu gehen und ihr zu sagen, was sie ihrer eigenen Tochter Tag für Tag antat? Und wie oft hatte ich daran gedacht solange zu schreien bis sie es verstehen würde? Aber nie hatte ich etwas getan. Der Grund dafür war die Formel. Sie hatte mich im Griff, legte mir Ketten an und trichterte mir immer wieder ein, dass sich das Problem von selbst lösen würde. Mich hielt sie bei der Stange und ihr gab sie Kraft.

„Nur noch zwei Monate.“, sagte sie vor unserer Abiturprüfung und lächelte gequält.
Ich nickte.

„Nur noch ein Monat.“, versprach sie, als wir Arm in Arm zum Abi-Ball gingen und ich ihre Mutter ins Gesicht lächeln musste.

Und als sie einen Monat und drei Tage dann mit mir am Bahnhof stand, wusste ich, dass ich diese Worte nie wieder hören würde.

 

Mann-oh-Mann ist die lang geworden....Hoffe sie gefällt ein paar Leuten

Black

 

Hallo Black,

hat mir leider nicht wirklich gefallen. Das liegt vor allem in der Langatmigkeit und den ständigen Wiederholungen, die dann endlich auf folgenden Satz zusteuern:

Der Grund dafür war die Formel. Sie hatte mich im Griff, legte mir Ketten an und trichterte mir immer wieder ein, dass sich das Problem von selbst lösen würde.

Dieser ist mir auch bei gutem Willen und mehrfachen Anläufen nicht verständlich.

Tja und da du die Geschichte auf diese Pointe wohl aufbauen willst, würde ich an diesem zentralen Punkt zu etwas mehr Verständlichkeit raten.

LG,

N

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Black,

Ich sah sie erst Jahre später wieder so unbeschwert wie in der kurzen Zeit vom Sommer, in welchem ich sie kennen lernte bis hin zum Herbst.
Komma nach lernte
Danach wusch sich das Glück scheinbar aus ihrem Gesicht, wie das Make-up, das sie nie benutzte.
Hallo Glück. Kannst du dich mal bitte waschen? Möglichst aus meinem Gesicht, ich fühle mich gerade ätzend, da stehst du mir nicht.
Konsequent an diesem Bild ist wenigstens, dass sich weder Glück noch Make-up selbstständig aus etwas waschen können. Make-up verschmiert höchstens.
Tröstend daran ist, dass das Glück, auf welche Weise auch immer, nur scheinbar aus dem Gesicht gewaschen wurde. Es war also noch da, nur nicht mehr sichtbar. Oder meintest du anscheinend?
Die Absurdität, etwas für ein Bild zu verwenden, das die Protagonistin nicht verwendet, ließe sich begründen, wenn diese das Glück auch nicht benutzt hätte. So ist es nur schwafeliger Ballast, anstelle dessen auch simpel wie Make-up gereicht hätte.
Sie war eine stolze junge Frau, die geschickt mit Worten umgehen konnte
Der böse Teil des Rezensenten überlegt nach den ersten drei Sätzen gerade, ob dann nicht ...
Eine Gabe und ein Fluch zugleich, sagte sie mir irgendwann in einem der vielen Gespräche die wir führten.
Die Protagonistin, die geschickt mit Worten umgehen konnte, hätte die Artikel vor "Gabe" und "Fluch" bestimmt weggelassen.
obwohl sie sehr viel Acht auf die Empfindungen ihrer Mitmenschen gab, war sie aufs grausamste ehrlich.
da "aufs" die Kurzform von "auf das" ist, steht ein Artikel vor "Grausamste" und zeigt schon an, es ist ein Substantiv.
Außerhalb der Schule hatte sie nur mit wenigen zu tun
Wenigen groß, da es nicht als Ergänzung zu einem Substantiv steht, sondern selbst Substantiv ist.
obwohl sie nie ein Geheimnis um ihre Person machte, wusste kaum einer mehr über sie als ihren Namen und die Kurse, die sie besuchte.
was natürlich begründet, dass sie gleichzeitig beliebt und gefürchtet war.
Sie hatte in den letzten Monaten oft still neben mir gesessen und das weinen unterdrückt.
Die Protagonistin hätte "Weinen" bestimmt groß geschrieben.
Hatte sich beharrlich geweigert aufzugeben gegen das was sie bedrückte.
und Kommas nach "aufzugeben" und "das" gesetzt. Wahrscheinlich aber hätte sie diesen Satz so gar nicht geschrieben, denn sie hätte gewusst, dass man nicht gegen etwas aufgibt.
Ich wusste worum es gib
und hier hätte sie "worum es ging" geschrieben.

So geht es den ganzen Text lang weiter. Hast du ihn dir auch nur ein einziges Mal angeschaut, nachdem du ihn geschrieben hast?
Es ist nicht die Länge, die abschreckt.

Lieben Gruß, sim

 

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