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Die Frau im Sommerkleid

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03.09.2005
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Die Frau im Sommerkleid

Die Frau im Sommerkleid

Die Bremsen eines eintreffenden Eilzuges quietschen. Die Bahnhofsdurchsage verkündet, dass sich der Zug aus Stuttgart um eine halbe Stunde verspäten wird. Reisende steigen aus Zügen aus, begrüßen Freunde, Verwandte, Bekannte. Eilen zu den Taxiständen und zur Straßenbahn. Ein junges Paar hält sich minutenlang in den Armen, ehe sie in einen ICE einsteigt. Er läuft die Fensterreihen entlang um sie noch einmal zu sehen. Wirft ihr eine Kusshand zu, als er sie entdeckt. Ein alter Mann mit ungepflegtem, wirrem Haar und einer orangefarbenen Jacke sammelt herumliegenden Müll ein. Ein paar Junkies drücken sich vor der Bahnhofstoilette herum. Warten auf den nächsten Schuss. Geschäftsmänner mit schwarzen Aktentaschen und dunkelblauen Nadelstreifenanzügen eilen durch die Menge, diskutieren laut und gehetzt über ihre Handys mit Sekretärinnen, Geschäftspartnern, Vorgesetzten. Eine Frau ruft ihrem sechsjährigen Sohn, der eine rote Schirmkappe trägt, hinterher als er sich von ihrer Hand losreißt. Menschen trängen sich vor einem Kiosk. Kaufen Zigaretten oder die neueste Ausgabe der Zeitung.
Die tausend Einzelgeräusche der Menge vereinen sich zu einem nie abklingenden, monotonen Laut. Die Luft ist heiß, abgestanden, klebrig.
Und mitten drin steht das Mädchen im Sommerkleid. Vielmehr eine junge Frau, doch der einfache, figurunbetonte Schnitt des geblümten Stoffes verbirgt die weiblichen Rundungen ihres Körpers. Unter ihrem ländlich wirkenden Strohhut kringeln sich feuerrote Locken widerspenstig in alle Richtungen. Ihr von Sommersprossen übersätes Gesicht ist blass. Die grünen Augen stechen mit einer besonderen Intensität hervor.
Still steht sie da, vereinsamt, als habe sie niemanden, der auf sie warte und als wüsste sie nicht, wohin. Die Blicke der Vorrübereilenden scheinen zu sagen: “Was willst du hier? Hier in einer Großstadt! Geh zurück aufs Land!“
Und steht sie auch noch so unbeweglich da, ihre Augen wandern rastlos umher, als suchten sie einen Halt, etwas Greifbares, Beständiges. Plötzlich bleiben ihre Augen an etwas hängen. An jemandem. Ein kleiner Junge mit einer roten Schirmkappe. Er steht zwischen all den an ihm vorbeidrängenden Erwachsenen weinend auf dem Bahnsteig. Genauso allein und verlassen wie die Junge Frau im Sommerkleid. Lange sieht sie ihn an. Als erkenne sie ihre eigene Verlassenheit, ihre eigenen Ängste in ihm. Da hört der Kleine auf zu weinen. Er hat ihren Blick bemerkt, erwidert ihn. Sie geht auf ihn zu. Langsam, unentschlossen zuerst, dann jedoch schneller, energischer. Als sie bei ihm angelangt ist, kniet sie sich, ungeachtet des schmutzigen Bodens, vor ihn nieder, lächelt ihn an und fragt sanft: „Hast du deine Mama verloren?“ Durch einen Tränenschleier nickt er zögernd.
„Wie heißt du denn?“ fragt sie und als er weiter schweigt, fügt sie hinzu: Ich heiße Annemarie, aber sag ruhig Anne, das ist einfacher.“
„Lukas“, antwortet da der kleine Junge mit einem Schniefen. Nur Lukas, sonst nichts. Und als sie ihn fragt, ob sie ihm helfen solle, seine Mutter zu suchen und ihre Hand ausstreckt, da legt er schon fast vertrauensvoll seine kleine Hand in die ihre. Und als die beiden, Hand in Hand, den Bahnsteig entlanggehen, sind sie nicht mehr alleine gegenüber der großen, anonymen Menge.
Minutenlang streifen die beiden umher. Da taucht eine Frau aus der Menge auf und schließt den kleinen Jungen in ihre Arme. „Endlich hab’ ich dich gefunden!“
Dann erst bemerkt sie die Frau in dem Sommerkleid und das Kind erzählt eifrig und mit hoher Stimme, dass sie ihm geholfen habe. Die Mutter bedankt sich und heißt ihren Sohn, das selbe zu tun.
Mit kindlicher Zuneigung umarmt das Kind die Frau. Dann drückt es ihr eine Blume in die Hand, die die Frau zuvor gar nicht bemerkt hatte. Und schon sind Mutter und Kind in der Masse verschwunden.
Zurück bleibt die Frau im Sommerkleid, in ihrer Hand eine, von klebrigen Kinderfingern leicht zerdrückte, angewelkte Margarite.
Die Frau lächelt und verlässt das Bahnhofsgebäude. Immer noch allein, doch nicht mehr einsam.

 

So, hallo erstmal zusammen. Bin neu hier.
Ich weiß, dass die Geschichte nicht sonderlich gut ist, ist eine meiner ersten, aber ich erhoffe mir, aus der Kritik einiges erlernen und mich verbessern zu können.
Danke fürs Lesen,
E.M.

 

Hallo Elaine Marley,

ein herzliches Willkommen auf Kg.de.

Warum findest du, dass deine Geschichte schlecht ist. Mir hat sie gut gefallen.
Du hast die Stimmung auf dem Bahnhofsgelände gut eingefangen und auch die junge Frau gut beschrieben.
Es sind Handlung und Dialog vorhanden. Und ich finde das genügt. Spannung braucht es in der Geschichte mE nicht.
Besonders gelungen ist de letzte Satz. Er rundet die Geschichte ab.

Ein paar Kleinigkeiten noch:

Menschen trängen sich vor einem Kiosk.

drängen

Genauso allein und verlassen wie die Junge Frau im Sommerkleid.

junge

..., fügt sie hinzu: Ich heiße Annemarie, aber sag ruhig Anne, das ist einfacher.“

Anführungsstriche vor Ich

Zusammenfassend war es für mich eine gut erzählte Geschichte.

Viele Grüße
bambu

 

Hello Elaine,

ein nettes Stimmungsbild, wenngleich für meinen Geschmack besonders am Anfang mit zu vielen, 'typischen' Bahnhofsimpressionen überfrachtet. Jedenfalls gemessen an der dann folgenden, doch eher sparsamen Handlung.

Vielleicht könntest Du die Satzanfänge ein wenig variieren?

'Die Bremsen eines eintreffenden Eilzuges quietschen. Die Bahnhofsdurchsage...'

'..die neueste Ausgabe der Zeitung.
Die tausend Einzelgeräusche der Menge vereinen sich zu einem nie abklingenden, monotonen Laut. Die Luft ist...'

Dieser Satz ist sehr umständlich konstruiert (und läßt ein Komma vermissen):

'Eine Frau ruft ihrem sechsjährigen Sohn, der eine rote Schirmkappe trägt, hinterher (KOMMA) als er sich von ihrer Hand losreißt.'

Sonst sind die Beschreibungen eher allgemein, woher und warum jetzt das genaue Alter des Kindes?

Viele Grüße vom gox

 

Erstmal danke für eure Kritiken und euer Lob.

@bambu Jaja, die böse Rechtschreibung :D *auf Finger schlag*. Werd mich nächstes Mal mehr darauf konzentrieren. Dankeschön.

@gox Ja stimmt, fällt mir erst jetzt auf, dass viele Sätze ähnlich beginnen. Das Alter des Kindes? Nuna, um ehrlich zu sein schreib ich oft an total unnötigen Stellen unnötige Informationen rein. Warum weis ich nicht und vermutlich ist das auch eher schlecht. Also generell weglassen.

@Angua Stimmt, der Einstieg ist zu lang, einige Beschreibungen sind glaub ich einfach unnötig. Schließlich wissen wir alle, wies auf nem Bahnhof aussieht ;)
Öhm, ja die Blume....nochmal überlegen woher ich sie auftauchen lasse. Jemand einen Vorschlag vielleicht?
Mit der Wortwahl "die Frau" und "das Kind" wollte ich die Anonymität nochmal hervorheben, ist aber warscheinlich zwischen den beiden eher unpassend.

Ähm, also wie läuft das hier nun generell? Ich überarbeite die Geschichte und ersetzte dann die alte Version durch die überarbeitete?

Grüße, EM.

 

Hat mir als Stimmungsbild mit minimaler Handlung ziemlich gut gefallen. Textstellen wurden ja schon herausgekramt. Wie so oft kann ich Angua in nahezu allen Punkten zustimmen, wenn ich auch denke, daß der Text in dieser Form bereits sehr rund auf mich wirkt.

Zwei Detailanmerkungen:

  • wie die Junge Frau - Bereits von bambu angemerkt: "junge"
  • und heißt ihren Sohn - "heißen" führt mein Wahrig zwar noch ("seltener") in der Bedeutung "befehlen" auf, solltest Du vielleicht dennoch durch etwas Hochsprachlicheres ersetzen.

 

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