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Die Gehaltsliste

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08.12.2009
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Die Gehaltsliste

Die Gehaltsliste

Wie jeden Morgen, bevor Eckart sein Büro betrat, atmete er tief durch. So als müsse er sich auf eine Überraschung gefasst machen, die hinter der Tür auf ihn warten könne. Er drückte langsam die Klinke nach unten und öffnete die leise knarrende Tür. Bereits vor Wochen wollte er der Haustechnik Bescheid sagen, dass man sich um dieses Problem kümmern solle. Aber dann hatte er es wieder vergessen.

Die Lichter der Stadt malten ihre Konturen auf die weißen Wände und lichtgrauen Möbel des Büros. Eckart betätigte den Schalter, flackernd gingen die Neonröhren an. Er hing Mantel und Sakko in den Schrank, drückte den „on“-Schalter seines Computers. Unter der Begleitung der Windows-Erkennungsmelodie baute sich das Desktop-Bild auf. Er ließ sich auf den Stuhl fallen und seufzte leise. Wie jeden Morgen in seinem Büro.

Sein Blick glitt über den Schreibtisch. Alles war so an seinem Platz wie er ihn gestern verlassen hatte. Im Eingangskörbchen befanden sich einige Papiere. Ungeöffnete Briefe, Unterlagen in Klarsichtfolie. Hauspostumschläge. Gestern hatte Eckart keine Lust mehr gehabt, die Post in seinem Körbchen durchzusehen. Auch jetzt spürte er, dass er auch heute wieder keine Lust dazu haben würde, er es aber tun müsse. Wieder seufzte Eckart. Lauter, verzweifelter diesmal. Der Gedanke an die unerledigten Vorgänge lähmte ihn. Er stellte sich vor, er stünde vor einem großen Sandhaufen und versuche, diesen mit einer breiten Schaufel wegzuschaufeln. Aber je mehr er schaufele, desto mehr Sand rutsche nach. Aussichtslos! Was würde in diesem Haufen unerledigter Vorgänge auf Eckart warten? Nein, lauern! Telefonnotizen über dringend zu erledigende Rückrufe. Angebotsanfragen die er für Kunden kalkulieren müsse. Wahrscheinlich ohne Aussicht, den Auftrag zu erhalten.
Eckart seufzte. Er schaute sich um. Der Schreibtisch, auf dem PC, Tastatur, Telefon und einige Postkörbchen standen. Ein Kleiderschrank. Hinter seinem Rücken eine Regalwand voller grauer Ordner mit weißen Rückenschildern, die Bretter durch die Last der Vorgänge leicht durchgebogen. Physikalisches Naturgesetz und Symbolik zugleich. An der Stirnseite zwei Fenster in Form auf dem Kopf stehender Rechtecke. Gegenüberliegend mittig die Tür. Mahagoni-Furnier, 60er-Jahre. 18,95 m² Raum, in dem er nun seit vierundzwanzig Jahren arbeitete, Tag für Tag. Kurt hatte einmal gesagt, dass 18,95 m² für einen Sachbearbeiter weit über der deutschen Norm liegen würde. Im Durchschnitt hätte ein Sachbearbeiter nur 11,52 m² Raum für sich, in call-centern sogar weniger als 8 m². Er solle sich glücklich schätzen. Hatte Kurt gesagt!

Trotzdem: Eckart hasste dieses Büro. Hasste diese rechteckige Form, die Nüchternheit des Raumes. Nannte es Legebatterie, Arbeitssilo, Angestelltenkäfig.
Eckart seufzte.
Kurt hatte gut reden!
Kurt hatte es geschafft.
Kurt war in Rente.
Lange hatte Eckart nichts mehr von ihm gehört. Es hieß, Kurt sitze täglich am Fluss und zähle die Schiffe, die sich flussauf- und flussabwärts ihren Weg durch die Fluten bahnten. Fertige Statistiken an, die Auskunft geben würden über die Schiffsbewegungen, getrennt nach Art der Schiffe. Passagierschiffe. Frachtkähne. Reiseziele. Wasserstände vielleicht. Eckart lächelte. So wie Kurt würde er es nicht machen, wenn er einmal in Rente wäre. Er würde sich keine neue Aufgabe suchen. Würde nur Rentner sein. Den Ruhestand genießen im Wissen, dass nun andere „dran“ sind. Eckart lächelte. Zum ersten Mal an diesem Tag, aber er sollte heute noch viel mehr Grund für ausgiebiges Lächeln bekommen. Aber das konnte er nicht wissen in diesem Moment.

Er hatte wieder so einen Arbeitstag vor sich, von dem er sicher war, dass er ihm sicherlich mehr Verdruss denn Freude bereiten würde. Das ahnte er. Bestimmt würde er intensiv arbeiten müssen, am Ende des Tages aber wie immer das Gefühl haben, nichts abgearbeitet, nichts geschafft zu haben. Darüber dachte er einen Moment nach. Er stellte sich vor, er stünde in einem leeren, fenster- und türlosen Raum, auf dem oben ein Trichter angebracht wäre, durch den unentwegt Blätter verschiedenster Größe und Farben fallen würden. Zuerst langsam, dann immer mehr. Wie Schneewehen würden sie um ihn herumfliegen. Er müsse die Blätter in einen Schlitz in einem Stehpult werfen, an dem er stehen und arbeiten müsse. Doch je schneller er dies tue, desto mehr Blätter würden auf ihn fallen, die Flut der Blätter drohe ihn unter sich zu begraben. Aussichtslos! Bald schon würden sie seine Hüfte umspülen, dann die Bewegungen seiner Arme einengen um ihm schlussendlich gänzlich den Atem zu nehmen.

Eckart horchte. Nichts ausser dem monotonen Rauschen der Klimaanlage drang an sein Ohr. Er hatte den Eindruck als wäre dieses Rauschen zum Grundgeräusch seines Körpers geworden, das auch nicht verschwand, wenn er im Sommer in seinem Garten saß. Nichts ausser dem fröhlichen Gezwitscher der Vögel hören müsste, dieses jedoch vom Rauschen der Klimaanlage überlagert schien. Kein Schlagen von Bürotüren, keine Schritte auf den langen Gängen der Büroetage, die sich sternförmig um die Aufzüge gruppierten. Heute schien er der Erste zu sein, würde den Kaffee kochen, den Kopierer anschalten müssen. Bei diesem Gedanken seufzte Eckart.

Eckart spannte seine Armmuskeln an und stemmte sich mit den Armen aus seinem Bürostuhl. Der Teppich auf dem Flur schluckte das Geräusch seiner schlurfenden Schritte. Rechts und links gingen Stichflure ab, ganz links an der Wand leuchtete das grüne Schild, auf dem ein laufendes Männchen abgebildet war. Notausgang. Wie gerne hätte er seinem Impuls nachgegeben und wäre der Beschilderung gefolgt, immer weiter, bis er das Haus verlassen habe. Kurz blinzelte er mit den Augen. Alles nur eine Illusion. Hauch einer Hoffnung, die er nicht würde greifen können. Er müsse hier seine Zeit abdienen, das war ihm klar. Achteinhalb Stunden zuzüglich dreizig Minuten Mittagspause.

Der Kopierraum befand sich in einem kleinen Raum am Ende des Flures. Eckart fluchte auf die Feuerwehr, die das Aufstellen von Kopierern auf den Fluren verbot. So hatte er immer einen langen Weg zurückzulegen, mehrmals am Tag. Eckart stellte sich vor, er ginge einen langen Flur, um zu seinem Ziel zu gelangen. Immer wenn er nur noch ein paar Meter gehen müsse, öffne sich ein weiterer Flur und er stünde wieder am Anfang seines Weges. So würde das immer weitergehen, ohne dass sich etwas ändere.

Eckart betrat den Kopierraum, er vernahm ein leises Knacken in Richtung des Türrahmens. Das Licht ging an. Bewegungsmelder! Vor einigen Wochen hatte er versucht, den dunklen Raum zu betreten, ohne dass der Bewegungsmelder anschlagen solle. Eckart bewegte sich langsam, versuchte, sich in geschmeidigen, fließenden Bewegungen fortzubewegen, doch die Technik war nicht zu überlisten und das Licht war letztlich doch angegangen. Er lächelte, als er über diesen vergeblichen Versuch nachdachte. Selbst er konnte sich nicht so langsam bewegen um dem Bewegungsmelder Bewegungslosigkeit seiner Bewegungen vorzutäuschen. In stillen Stunden in seinem Büro sitzend und innehaltend wäre ihm das vielleicht gelungen, wer weiß?

Eckart drückte den „on“-Schalter des Kopierers. Sogleich begann die Maschine, laute Geräusche von sich zu geben. Das Display leuchtete auf: „Reinigungsvorgang. Bitte warten.“ Eckart lehnte an der Wand, die Angebotspapiere, die er kopieren wollte, in der Hand.
Jetzt war der Kopierer bereit. Eckart legte die Papiere in den Schnelleinzug, drückte „copy“. Nichts tat sich. Das Display meldete: „Vorlage auf dem Vorlagenglas.“ Es dauerte eine Weile bis Eckart verstand. Er war immer noch nicht ganz wach. Eckart seufzte. „Idioten“ murmelte er, „haben wieder etwas liegen lassen.“ Eckart hob den Deckel und nahm das vergessene Papier vom Vorlagenglas.
Während der Kopierer die Arbeitspapiere kopierte, warf Eckart einen kurzen Blick auf das auf dem Vorlagenglas vergessene Papier, das er auf den Tisch neben dem Kopierer gelegt hatte. Wäre Eckart an ein EKG angeschlossen gewesen, dann wären dessen Zeiger in diesem Moment wild ausgeschlagen. Wie erstarrt blickte Eckart auf das Papier, seine Halsschlagader schwol auf die Dicke eines Gartenschlauches an, sein Kopf rot wie eine Tomate. Hastig nahm er seine Papiere und Kopien aus dem Gerät, blickte nach rechts und links den Flur entlang, Niemand da!

Atemlos erreichte Eckart sein Büro, schloß sorgsam die Tür und riegelte von innen ab, nachdem er sich vergewissert hatte, dass ihn niemand beobachtet hatte. Jetzt erst bemerkte er das Zittern seiner Hände. Ein wenig Schwindel erfasste ihn. Krampfhaft umfasste sein Griff die Armlehnen des Schreibtischstuhls. In seinen Handflächen hatte sich Feuchtigkeit gebildet. Noch immer konnte er keinen klaren Gedanken fassen. Hatte er eben richtig gelesen? Stand wirklich „Gehaltsliste Abteilung Verkauf Inland“ auf dem Papier, das auf dem Vorlagenglas vergessen worden war? Hatten ihn diese knappen Worte in die Aufregung versetzt, in der er sich nun befand?
Das war wie ein Lottogewinn. Die Gehaltsaufstellung seiner Abteilung. In wenigen Augenblicken würde er wissen, was sein Chef und seine Kollegen verdienten. Nein, erhielten. Er könnte ihre Leistung und ihr Gehalt mit seiner Leistung und seinem Salär vergleichen. Endlich hätte er einen sicheren Hinweis darauf, was er schon immer erahnte: Er wäre unterbezahlt!
Auf dem Blatt waren in neununddreizig Zeilen neununddreizig Namen aufgeführt, sämtliche Mitarbeiter der Abteilung in alphabetischer Reihenfolge. Mit dem Finger folgte er der Reihenfolge. Suchte seinen Nachnamen. Da! Hansen, Eckhart. Rechts daneben stand eine Zahl. Das aktuelle Brutto-Monatsgehalt. Kurz dachte Eckart nach. Da er seit Jahren nur die tariflichen Gehaltserhöhungen mehr erhalten hatte, hatte er diese Zahl gut im Kopf. Sie stimmte. Die Liste schien aktuell zu sein.

Eckart spürte das Rauschen seines Blutes im Kopf, der harte Schlag seines Herzens schien seinen Brustkorb aufsprengen zu wollen. Gleich würde er Bestätigung dafür bekommen, dass er unterbezahlt sei. Könnte es schwarz auf weiß sehen. Zuerst suchte er die Namen der Kollegen seiner Gruppe. Petersen. Jähncke. Bürger-Rothenbach. Dahlke. Lange schweifte sein Blick über das Blatt, das er in seiner zittrigen Hand hielt. Immer wieder blieben seine Augen lange an den Zahlen hängen. In seinem Gehirn arbeitete es. Er hatte noch nicht begriffen. Eckart lehnte sich in den Stuhl zurück. Seufzte. Atmete tief ein und blies die Luft hörbar aus.
„Mann. Mann. Mann. Das ist ein Ding!.“ Das konnte eigentlich nicht sein, ging es ihm durch den Kopf. Der Zahlenvergleich sagte aus, dass das Gehalt der Kollegen niedriger wäre als das eigene. Unmöglich! Schließlich sei er doch das ärmste, unterbezahlteste Schwein in der Abteilung, wie er immer wieder gerne vor Freunden betonte.
Petersen, der seit 10 Jahren auf den Gruppenleiterposten scharf war und sein Büro immer erst verlies, nachdem auch der Abteilungsleiter gegangen war, hatte ein viel niedrigeres Gehalt als Eckart. Eckart grinste.
Jähncke, der sich in jede Arbeitsgruppe drängte und Präsentationen für zeitintensive und langweilige Selbstdarstellungen nutzte, lag sogar weit unterhalb Eckarts Salär. Wieder grinste Eckart. Breiter als vorhin.
Die Bürger-Rothenbach, die ehemalige Azubine, der man nachsagte, auf ihrem Weg durch die Instanzen zuerst den Gruppenleiter, dann den stellvertretenden Abteilungsleiter glücklich gemacht zu haben, später aber im Vorzimmer des Abteilungsleiters als Zweitsekretärin ihre Karrierepläne ad acta legen musste, erhielt ebenfalls einen weit geringeren Monatslohn als Eckart. Stand hier in der Liste!
Eckart registrierte dies alles mit offenem Mund, aus dem nur noch ein erstickter Laut herausquoll. „Geschieht euch recht. Geschieht euch recht!“ sagte er leise vor sich hin und hielt die geballte Faust vor seinen Mund. Ein knallendes Geräusch drang durch den Raum, als Eckart sich feste auf den Oberschenkel schlug. Er lachte laut auf.
Dahlke, der seit gefühlten einhundert Jahren täglich mit dem Abteilungsleiter in der Kantine essen ging und ihm nach dem Mittagsmahl einen doppelten Espresso spendierte, hatte es gehaltsmäßig auch nicht weiter als Eckart gebracht, wie dieser zufrieden registrierte. Rossbach, Lehmler, Groß. Alles gehaltsmäßige Leichtgewichte gegen Eckart. Wer hätte das gedacht?
Mit einem Ruck sprang Eckart auf. Er konnte nicht mehr stillsitzen. Unmöglich!
„Da arbeite ich jahrelang nach dem Minimalprinzip „bestimmte Leistung für geringes Gehalt“ und stelle erst heute fest, dass mein Gehalt eines der höchsten Gehälter ist! Toll!“ Eckart lachte schallend auf, irre fast.
Langsam verließ Eckart sein Büro, nicht ohne die Liste sorgsam in seiner Schreibtischschublade gelegt und die Schublade sorgsam verschlossen zu haben, kochte sich einen Kaffee, schwärzer und stärker als üblich, setzte sich in den Bürosessel und schloß die Augen. Mit kleinen Schlucken trank er die dampfende Brühe, während er in Gedanken versunken aus dem Fenster sah.
‘Das Leben ist gar nicht so traurig wie ich immer dachte‘ kam ihm in den Sinn. ‘Naja, alles unterliegt eben einer gewissen Gerechtigkeit. Warum soll nicht auch ich einmal Glück haben? ’

Das Glück, im richtigen Moment ins Unternehmen eingetreten zu sein, als das Geschäft brummte und die Gehaltsverhandlungen einfach waren und großzügig üppige Gehälter festgelegt wurden. Jetzt, in schwierigen Zeiten profitierte er davon. ‘Es ist unabänderlich, Gehalt ist Gehalt. Das ist eben so!’ Eckarts Mund verzog sich wieder zu einem breiten Grinsen, das jedem Schurken in einem Wildwestfilm zur Ehre gereicht hätte. Die Liste würde er gut verwahren; immer dann rausholen, wenn er einen Motivationsschub benötigen würde.

Dann fiel sein Blick auf das Körbchen mit den unerledigten Vorgängen. ‘Ein langer, harter Arbeitstag liegt vor mir‘, dachte er. Verdrießlich schaute er auf die angestaute Arbeit und seufzte. Nicht zum letzten Mal an diesem Tag.

 
Zuletzt bearbeitet:

Hey ho Buddy!

Die Geschichte hat was. Der Mensch, zunächst enttäuscht, fühlt sich unbezahlt, nicht anerkannt, fühlt sich kleiner, als er ist. Dann bemerkt er, dass er ja doch vor vielen seiner Kollegen steht - zumindest ist sein Gehalt höher. Und schließlich packt er es an.
Trotzdem seufzt er, aber ich denke, am Ende seufzt er, weil er den Berg sieht, den er bezwingen will, und am Anfang seufzt er, weil er den Berg sieht, ihm aber der Aufstieg sinnlos erscheint.

Was mir gefiel ist deine Sprache. Die steht dem Text nicht im Weg, ich mag deinen Stil. Deine Sätze sind abwechslungsreich aber schlicht.

Woran du nachbessern könntest: Längen. Ich habe das Gefühl, der Text ist gut doppelt so lang, wie er sein müsste.

Paar Beispiele:

Die Beschreibung des Büros mit den Quadratmeterzahlen würde ich streichen. Ich habe den Absatz nur quergelesen, er muss nicht sein.

Auch das mit Kurt muss nicht so ausführlich sein.

Sachen wie das hier:

Er hatte wieder so einen Arbeitstag vor sich, von dem er sicher war, dass er ihm sicherlich mehr Verdruss denn Freude bereiten würde. Das ahnte er. Bestimmt würde er intensiv arbeiten müssen, am Ende des Tages aber wie immer das Gefühl haben, nichts abgearbeitet, nichts geschafft zu haben. Darüber dachte er einen Moment nach. Er stellte sich vor, er stünde in einem leeren, fenster- und türlosen Raum, auf dem oben ein Trichter angebracht wäre, durch den unentwegt Blätter verschiedenster Größe und Farben fallen würden. Zuerst langsam, dann immer mehr. Wie Schneewehen würden sie um ihn herumfliegen. Er müsse die Blätter in einen Schlitz in einem Stehpult werfen, an dem er stehen und arbeiten müsse. Doch je schneller er dies tue, desto mehr Blätter würden auf ihn fallen, die Flut der Blätter drohe ihn unter sich zu begraben. Aussichtslos! Bald schon würden sie seine Hüfte umspülen, dann die Bewegungen seiner Arme einengen um ihm schlussendlich gänzlich den Atem zu nehmen.

Das weiß ich mittlerweile. Dreimal zu erwähnen, dass er einen harten Arbeitstag vor sich sieht, macht es nicht stärker. Und viele Leser wissen, wie ein Büroalltag aussieht. Ich muss zugeben, ich habe diese Absätze nur quergelesen, und sie haben mir nicht gefehlt. Ich hatte auch so einen guten Eindruck von deinem Büromenschen, die Geschichte hat funktioniert.

Kürzen, kürzen!

Er drückte langsam die Klinke nach unten und öffnete die leise knarrende Tür. Bereits vor Wochen wollte er der Haustechnik Bescheid sagen, dass man sich um dieses Problem kümmern solle. Aber dann hatte er es wieder vergessen.

Das ist, vor allem am Anfang, zu dick. Streichs raus.

Und manchmal nimmst du mich als Leser zu sehr bei der Hand:

Ein Kleiderschrank. Hinter seinem Rücken eine Regalwand voller grauer Ordner mit weißen Rückenschildern, die Bretter durch die Last der Vorgänge leicht durchgebogen. Physikalisches Naturgesetz und Symbolik zugleich.

Das Symbol erschließt sich mir allein schon durch die Last der Vorgänge. Den Nachsatz finde ich störend, mir wird was erklärt, was ich alleine rausgefunden habe. Besser ist es, ein Symbol nicht zu verstehen, als es erklärt zu bekommen.

Dann hast du ein Problem mit deinem Konjunktiv. Schau:

So als müsse er sich auf eine Überraschung gefasst machen, die hinter der Tür auf ihn warten könne.

Das muss Konjunktiv II sein (Irrealis). Also "müsste" und "könnte". Grund: Das passiert ja nicht wirklich, es ist eine Annahme.

Das hast du noch öfter im Text falsch.

Ein paar Kommas könnten auch nicht schaden, vor allem bei Einschüben unterschlägst du oft das zweite.

Jetzt, in schwierigen Zeiten(Komma) profitierte er davon.

Bis bald und willkommen hier,

yours

 

Hallo yours truly,

zuerst einmal vielen Dank für Deine Korrekturen und Anmerkungen. Es hat mich sehr gefreut, so schnell eine kompetente Rückantwort zu erhalten, die mir weiterhilft.

Die spannendste Frage hast Du zu meiner ganz besonderen Freude positiv und zustimmend mit "die Geschichte funktioniert" beantwortet. Was gibt es Schlimmeres als lesen zu müssen "die Geschichte spricht mich nicht an" oder "funktioniert nicht"?;)

Danke auch für Dein Urteil hinsichtlich meines Schreibstils. Mein Ziel ist, in einer schnörkellosen, verständlichen Sprache zu schreiben, die es dem Leser leicht macht, sich auf die Geschichte an sich zu konzentrieren.


Das muss Konjunktiv II sein (Irrealis). Also "müsste" und "könnte". Grund: Das passiert ja nicht wirklich, es ist eine Annahme.

Das hast du noch öfter im Text falsch.

Ein paar Kommas könnten auch nicht fehlen, vor allem bei Einschüben unterschlägst du oft das zweite.


Danke! Da merke ich, dass meine grammatischen Fähigkeiten nach gut 30 Jahren des Nicht-Schreibens eingerostet sind. Gut, dass Du das mit den Konjunktiv-Fehlern aufgedeckt hast. Ich hatte beim schreiben gegrübelt, mich dann aber letztlich für die falsche Form "müsse" anstatt "müsste" etc. entschieden. Daran werde ich gerne arbeiten.

Woran du nachbessern könntest: Längen. Ich habe das Gefühl, der Text ist gut doppelt so lang, wie er sein müsste.

Kürzen, kürzen!


Mit diesem Punkt Deiner Kritik habe ich ein Problem. Ich wollte die Geschichte eigentlich nicht so "straight" schreiben, sondern zum Beispiel durch die Geschichte mit dem Trichter, den Gängen auf den Fluren, dem Sand etc. ein wenig ausbauen; das wiederholte Seufzen sollte klar machen, dass er die tägliche Arbeit als Mühsal erachtet, in seinen Augen arbeitet, aber es immer mehr wird.

Ich denke drüber nach, was ich da verbessern könnte. Einfach streichen möchte ich nicht, dann wäre mir die Geschichte zu sehr "basic".

Auf jeden Fall hat mich Deine Erstkritik gefreut und ich freue mich auf weitere nette Zeiten hier unter KG.de.

Gruß, Buddy

 

Salü Buddy

Die Geschichte hat mir sehr gefallen! :-)
War wirklich amüsant, und es ist doch immer wieder interessant, wie solche Sachen die Motivation verändern können. Die Arbeit bleibt ja schliesslich trotzdem genau die gleiche.
Im ersten Teil von deinem Text hatte ich auch etwas Mühe und habe nicht alles gelesen, aber dann ab der Kopiererszene, als er die Liste entdeckt, war ich voll dabei. Hab mich dann noch gefragt über was er denn nun in Zukunft jammern soll, wenn er nicht mehr allen vorklöhnen kann wie unterbezahlt er ist. Oder es müsste doch auffallen, dass er plötzlich nicht mehr jammert, wie sind dann die Reaktionen, und würde er es zugeben, dass er mehr verdient?

Liebe Grüsse,
Siiba

 

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