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Die Geschichte von Camillo

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05.06.2010
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Die Geschichte von Camillo

Ich war in meiner Box. Ich war glücklich, bis sie gekommen sind. Ich habe den Kopf zur Box rausgestreckt und fröhlich gewiehert, als ich die Leute gesehen habe, die mir "Hallo" sagen kamen. Hinter ihnen habe ich Reitschüler gesehen, die geweint haben. Ich habe Wörter gehört, die ich nicht verstanden habe: "Wir können nicht alle Pferde behalten, wir müssen die weggeben, die wir nicht unbedingt brauchen. Camillo hat beim letzten Turnier nicht so gut abgeschnitten."

Camillo, ja das bin ich. Oder besser gesagt das war ich.
Sie haben mich in einen Transporter mitgenommen. In diesem war auch Cadia,ein Pony, das sich letzte Woche beim Reittunier am Bein verletzt hat. Wir haben eine lange Reise gemacht, dann haben sie uns ausgeladen und in einen anderen Transporter gejagt. Es roch seltsam. Nach Blut, nach Tod, nach Mist. Im Laster waren schon ein Dutzend andere Pferde, die wieherten, als sie uns gesehen haben. Doch es war kein fröhliches Wiehern, es war ein Wiehern der Angst, des Schmerzes. Da hab auch ich Angst bekommen, richtige Angst, wie ich sie vorher noch nie gehabt habe.
Im Transporter hat sich der Gestank noch bis zum Rande des unerträglichem verstärkt. Wir waren lange unterwegs und ich bekam Hunger und Durst. Auf der Fahrt habe ich das Pferd neben mir kennen gelernt, Billy. Billy war ein Wallach mit einer Verletzung, die sein Bein stück für Stück infizierte.
Später haben sie weitere Pferde in den Transporter hineingejagt. Sie haben uns geschlagen, so dass wir uns noch enger aneinander quetschen mussten. Da ist Billy gestolpert, und fiel hin. Ein Pferd ist ihm auf das Bein gestanden, so dass er nicht mehr aufstehen konnte. Er litt stundenlang, bis er endlich Frieden gefunden hatte. Es war fürterlich, denn nach einer Weile begann sein Körper zu stinken.
Einer nach dem anderen starb an Verletzungen, verhungerte, oder verdurstete.
Endlich hielt der Transporter an und sie öffneten die Türen. Das Licht blendete mich. Die anderen Pferde drängelten hinaus. Ich habe mir das Bein angeschlagen, aber musste weitergehen. In endlose Gänge des Blutes, der Angst und des Todes. Ich habe ein Pferd wiehern gehört und Cadia wiedererkannt. Meine kleine, mutige Cadia. Wir sind in einen grossen Raum mit weissem Boden gesperrt worden. Ohne Essen, ohne Trinken. Viele Pferde sind unter den bedingungen gestorben. Meine Cadia auch.
Die Tage vergingen und erst als es schon fast um mich geschehen war sind sie uns holen gekommen. Das Wasser, dass sie mir gegeben haben, war das letzte Gute in meinem Leben.
Ich bin in einen neuen Raum gebracht worden. Der Geruch und die Atmosphäre setzten mich in Panik. Ich habe mich aufgebäumt und sie haben mich geschlagen. Da ist er reingekommen. Ich habe gespürt, wie etwas in meinen Hals gedrungen ist. Ich hatte Schmerzen und habe mich schlecht gefühlt. Da habe ich mich hingelegt oder eher, ich bin gefallen.
Nun habe ich es gewusst. Gewusst, dass die Leute, denen ich mein Leben lang treu war, denen ich so viele schöne Momente geschenkt habe und die mich einst so geliebt haben wie ich sie, dass sie mich einfach so töten würden. Einfach so, weil ich nicht mehr gut genug war.

 

Hallo Deyanira,

und Willkommen im Forum.

Mir scheint, Du bist eine sehr junge Autorin und als solche genießt man hier so eine Art "Jugendschutz", wenn man sein Alter im Profil Preis gibt. Sollte ich Recht mit meiner Vermutung haben, so rate ich Dir, das im Profil einzutragen ;).

Du willst eine traurige Geschichte schreiben und das ist sie sicher auch, mit einer Moral am Ende. Mein Problem ist, dass ich sie Dir nicht abkaufen will, da ich sie für unrealistisch halte. Ich glaube einfach nicht, dass es so läuft. Schlächter sind nicht so selten anzutreffen, dass man deswegen tagelang unterwegs wäre und die würden sicher auch nicht in Kauf nehmen, das ihnen die Pferde da so weg sterben. Ich denke auch, das die Tierschutzauflagen eine solche Behandlung verbieten würden.

Wenn Leser das Gefühl haben, der Autor will ihnen an die Tränendrüse, dann werden sie sehr vorsichtig. Denn wer will schon gern traurig sein oder traurig gestimmt werden. Da müssen Autoren einiges Können, um sich das Vertrauen der Leser zu erarbeiten und da muss man ihnen eben auch jedes Wort glauben können.

Von daher ist es immer einfacher, über Dinge zu schreiben, die man selbst erlebt hat oder bei denen man sich gut auskennt. Da können einem solche Dinge nicht passieren. Versuche es mal ;).

In diesem Sinne

Liebe Grüße Fliege

 
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Moi Deyanira,

auch von mir ein herzliches Willkommen auf KG.de! :)

Das ist ein sehr interessanter Text, und ein wirklich selten bearbeitetes Thema. Dafür erstmal ein dickes Lob.

Ich muß Fliege vehement widersprechen: Du hast sicher recherchiert, und weißt offensichtlich, wovon Du sprichst. Deine Darstellung ist realistisch, fast harmlos zu dem, wie solche Tiertransporte ablaufen. Es geht nicht um den nächsten Schlachter, es geht um internationalen Fleischhandel. Von Ungarn, Frankreich, Deutschland per Lastwagen und Schiff in u.a. die Emirate. Weil man z.B. dort kein Gefrierfleisch haben will. Es gibt wenige Auflagen, und selbst die werden mißachtet. Es wird geprügelt, nicht getränkt, nicht gefüttert, und mit Kränen in 10-Meterfall auf Schiffe verladen - es muß nur ein Bein heil bleiben: das, durch das der Haken kommt. Die meisten Tiere werden am Ende mit Elektro-Prods auf drei gebrochenen Beinen durch den Gang im Schlachthaus getrieben.

Soweit dazu.

Was der Härte der Geschichte hier nun etwas Abbruch tut, ist die Innensicht des Pferdes. Um uns zu engagieren, muß das Tier natürlich sympatisch sein. Aber - und da gebe ich Fliege recht, was Dein vermutliches Alter angeht - in einer KG für eine gemischte Leserschaft klingt es auch ein bißchen zu naiv, zu niedlich. Einfach von der Formulierung her, von der Vermenschlichung des Tiere, daher, daß die sich mit Namen 'kennen'. Das mag für jüngere Leser, oder vor allem Leserinnen, sehr gut funktionieren; bei Erwachsenen braucht es bei einem harschen Thema auch eine harsche Sprache. Die gleiche Brutalität im Stil ausgedrückt, die das Thema in sich birgt.

Damit könntest Du eine größere Wirkung erzielen. Die Frage ist nur, ob Du lernen möchtest, so zu schreiben. Oder für welche Zielgruppe Du schreiben möchtest. Auf jeden Fall liegt in einer Haltung wie Deiner sehr viel Potential, das ein bißchen was von aufdeckendem Journalismus hat. Und auch hier wieder Vorsicht: in einer Kurzgeschichte - ähnlich wie bei einer Reportage - haben es Leser lieber, wenn ihnen die Moral nicht auf's Brot geschmiert wird.

Er litt stundenlang, bis er endlich Frieden gefunden hatte.
Das zum Beispiel: Frieden finden ist eine rein menschliche Haltung, die sogar ein esoterisches oder religiöses Konzept erfordert. Sowas hat bei einem Pferd nichts zu suchen.
Sie haben uns geschlagen, so dass wir uns noch enger aneinander quetschen mussten. Da ist Billy gestolpert, und fiel hin.
Das Licht blendete mich. Die anderen Pferde drängelten hinaus. Ich habe mir das Bein angeschlagen, aber musste weitergehen.
Das hingegen paßt zu der Sicht eines Tieres besser. Es ist knapp und hart, und bringt genau die Situation auf den Punkt, macht sie fühlbar für uns Leser. Da wird mir nicht vorgegeben, wie ich das zu beurteilen habe, sondern es ist eine direkte, unverstellte und unverbrämte Sicht der Dinge.

Wir möchten selbst entscheiden, ob wir etwas bedauern; und werden es, wenn die story gut ist, auch tun - aber ohne, daß der Autor uns diese Haltung aufdrückt. Also nicht so oft von 'klein, mutig, stark' sprechen, sondern auf solche Vorgaben an den Leser verzichten.


Eine Sache ist mir noch aufgefallen:

Ich habe gespürt, wie etwas in meinen Hals gedrungen ist.
Was Du hier erzählst, ist übrigens ein Einschläfern durch den Tierarzt; tut mir leid, aber Schlachttiere werden mit Bolzenschuß in die Stirn getötet, oder einem Hammerschlag betäubt & bekommen die Kehle durchgeschnitten - Rinder wie Pferde. Chemikalien sind zu teuer.

Also, schau doch mal, ob Du noch stilistisch ein bissl zulegen magst, es würde sich auf jeden Fall lohnen.

Herzlichst,
Katla

 

Katla schrieb:
Ich muß Fliege vehement widersprechen: Du hast sicher recherchiert, und weißt offensichtlich, wovon Du sprichst. Deine Darstellung ist realistisch, fast harmlos zu dem, wie solche Tiertransporte ablaufen. Es geht nicht um den nächsten Schlachter, es geht um internationalen Fleischhandel. Von Ungarn, Frankreich, Deutschland per Lastwagen und Schiff in u.a. die Emirate. Weil man z.B. dort kein Gefrierfleisch haben will. Es gibt wenige Auflagen, und selbst die werden mißachtet. Es wird geprügelt, nicht getränkt, nicht gefüttert, und mit Kränen in 10-Meterfall auf Schiffe verladen - es muß nur ein Bein heil bleiben: das, durch das der Haken kommt. Die meisten Tiere werden am Ende mit Elektro-Prods auf drei gebrochenen Beinen durch den Gang im Schlachthaus getrieben.

Genau da liegt mein Problem. Aufgrund der Sprache, Anlage und Informationen des Textes war ich mir gar nicht so sicher, dass sich der Text als Kritik auf den internationalen Fleischhandel bezieht.

Das Tiertransporte innerhalb Deutschlands nicht ganz nach Vorschrift verlaufen, ist mir durchaus bewusst. Das sie außerhalb Deutschlands unter katastrophalen Bedingungen erfolgen ebenfalls. Nur fehlt mir hier ein Hinweis darauf, dass wir uns in die Emirate oder sonst wohin bewegen ;).

Beste Grüße Fliege

 

Liebe Fliege,

damit hast Du ganz zweifelsohne recht. :) Ich hab ein Trauma von diesem einen Dokumentarfilm, und bin sofort drauf angesprungen. Es wäre tatsächlich klug, das einzuflechten, im Sinne von: die Fahrt sollte nicht zu kurz erscheinen, auch wenn das Pferd sicher nicht wissen - und daher nicht 'beschreiben' - kann, daß hier Landesgrenzen überquert werden etc. Es würde ja schon Deutschland > Osteuropa reichen.
Teils wird Deutschland wegen der paar mickrigen Kontrollen & Tierschutz sogar umfahren, was die Sache für die Tiere aber schlimmer statt besser macht.

Mich begeistert einfach, daß das Thema mal verwendet wird. Und Innensicht - warum nicht.

Ich zitiere mal Kanes friedvolle Grüße,
Katla

 

Hellow,

Vielen Dank für die wundervolle Kritik & das Lob.
Wie ihr richtig vermutet habt, gehöre ich eher zu den Jüngeren
Generationen, was aber kein Einfluss auf Kreativität oder Talent
hat. ;)
Ich werde mein Best Möglichstes tun, um die Geschichte noch ein
wenig auszubessern.

// Deyanira

 

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