- Zuletzt bearbeitet:
- Kommentare: 5
Die Geschichte von Camillo
Ich war in meiner Box. Ich war glücklich, bis sie gekommen sind. Ich habe den Kopf zur Box rausgestreckt und fröhlich gewiehert, als ich die Leute gesehen habe, die mir "Hallo" sagen kamen. Hinter ihnen habe ich Reitschüler gesehen, die geweint haben. Ich habe Wörter gehört, die ich nicht verstanden habe: "Wir können nicht alle Pferde behalten, wir müssen die weggeben, die wir nicht unbedingt brauchen. Camillo hat beim letzten Turnier nicht so gut abgeschnitten."
Camillo, ja das bin ich. Oder besser gesagt das war ich.
Sie haben mich in einen Transporter mitgenommen. In diesem war auch Cadia,ein Pony, das sich letzte Woche beim Reittunier am Bein verletzt hat. Wir haben eine lange Reise gemacht, dann haben sie uns ausgeladen und in einen anderen Transporter gejagt. Es roch seltsam. Nach Blut, nach Tod, nach Mist. Im Laster waren schon ein Dutzend andere Pferde, die wieherten, als sie uns gesehen haben. Doch es war kein fröhliches Wiehern, es war ein Wiehern der Angst, des Schmerzes. Da hab auch ich Angst bekommen, richtige Angst, wie ich sie vorher noch nie gehabt habe.
Im Transporter hat sich der Gestank noch bis zum Rande des unerträglichem verstärkt. Wir waren lange unterwegs und ich bekam Hunger und Durst. Auf der Fahrt habe ich das Pferd neben mir kennen gelernt, Billy. Billy war ein Wallach mit einer Verletzung, die sein Bein stück für Stück infizierte.
Später haben sie weitere Pferde in den Transporter hineingejagt. Sie haben uns geschlagen, so dass wir uns noch enger aneinander quetschen mussten. Da ist Billy gestolpert, und fiel hin. Ein Pferd ist ihm auf das Bein gestanden, so dass er nicht mehr aufstehen konnte. Er litt stundenlang, bis er endlich Frieden gefunden hatte. Es war fürterlich, denn nach einer Weile begann sein Körper zu stinken.
Einer nach dem anderen starb an Verletzungen, verhungerte, oder verdurstete.
Endlich hielt der Transporter an und sie öffneten die Türen. Das Licht blendete mich. Die anderen Pferde drängelten hinaus. Ich habe mir das Bein angeschlagen, aber musste weitergehen. In endlose Gänge des Blutes, der Angst und des Todes. Ich habe ein Pferd wiehern gehört und Cadia wiedererkannt. Meine kleine, mutige Cadia. Wir sind in einen grossen Raum mit weissem Boden gesperrt worden. Ohne Essen, ohne Trinken. Viele Pferde sind unter den bedingungen gestorben. Meine Cadia auch.
Die Tage vergingen und erst als es schon fast um mich geschehen war sind sie uns holen gekommen. Das Wasser, dass sie mir gegeben haben, war das letzte Gute in meinem Leben.
Ich bin in einen neuen Raum gebracht worden. Der Geruch und die Atmosphäre setzten mich in Panik. Ich habe mich aufgebäumt und sie haben mich geschlagen. Da ist er reingekommen. Ich habe gespürt, wie etwas in meinen Hals gedrungen ist. Ich hatte Schmerzen und habe mich schlecht gefühlt. Da habe ich mich hingelegt oder eher, ich bin gefallen.
Nun habe ich es gewusst. Gewusst, dass die Leute, denen ich mein Leben lang treu war, denen ich so viele schöne Momente geschenkt habe und die mich einst so geliebt haben wie ich sie, dass sie mich einfach so töten würden. Einfach so, weil ich nicht mehr gut genug war.