Die grüne Prinzessin
Die grüne Prinzessin
Die Prinessin mit den grüen Haaren und der blassgrünen Haut hatte ein wirklich bezauberndes Lächeln. Ein Lächeln von smaragdenen Lippen, in das sich jeder in einer uneingeschränkten Erwiederung und Liebe hoffnungslos verlor. Sie war die schönste und einzigste Tochter ihres Vaters, des einst so geliebten Königs und machtvollen Herrschers von der bunten Insel im Farbenmeer.
Eines Nachts ging die schöne Prinzessin fort aus dem Schloss ihres Vaters, in einem knöchellangem Kleid, gewebt as dem Nebeldunst der letzten Herbsttage, das selbstredend grün war, jedoch hier und da mit einer blauen Feder geschmückt. Bei jedem ihrer Schritte, die sie durch den mossübersähten Wald tat, bildete ihr Kleid neue Falten, und die Federn bebten sanft auf und nieder. In ihrer Hand glitzerte ein silberner Dolch.
Eisig ist es, und still in dieser wolkenverangenen Nacht. Prinnzessin fürchtet sich nicht, denn wie es in den heiligen Lehrbüchern steht, weiß sie, dass mitten in der Nacht, wenn nur der Mond am Himmel wacht und alles im süßen Schlafe zu ersticken droht, dass gerade dann, wenn Schatten nur bedrohlich wirken und die Dunkelheit die Sicht versperrt, schläft all das Böse dort, wo es entstehen kann.
Diese Worte lehrte sie einst eine Frau, die sie oft traf und sehr verehrte, und die sehr bald ihr Schicksal verändern und ihre ewige Dankbarkeit ernten würde. Eine Frau mit Runzeln so tief, dass sich Staub darin ansammelte, und einem Rücken, der die Schwerkraft allzu ernst nahm. Sich mit Frauen wie dieser zu treffen war der Prinzessin strengstens untersagt, doch sie hielt sich nicht daran, nicht nur aus dem Drang jugendlicher Rebellion heraus, sondern vor allem, weil sie die gute alte Frau sehr gern hatte. Ob nun Hexe oder nicht.
Doch vor einigen Nächten traf sie die Hexe aus anderen Gründen: Prinnzessin war in unsterbliche Liebe entbrannt. Und das unglücklicherweise unglücklich.
Ihr Auserwählter Prinz Kaltherz lebte im Tränenpalast, hoch obe in den Bergen und befand sich in einem Zustand tiefer Depression. Sein treuer Diener mag es auch als poetische Melancholie bezeichnen, sein Zustand war in jedem Fall sehr ernst. Wie oft mussten sie ihn schon von den schillernden Türmen seines Eispalastes holen, wie oft aus dem Schnee, in dem er zu erfrieren drohte. Glücklicherweiße machte er das ganze immer mit einigem Aufstand, so dass sämtliche Rettungsversuche durchweg positiv verliefen. Doch trotz seines offensichtlichen Aufmerksamkeitsdefizits war er völlig unempfänglich für jegliche Zuneigungsbekundungen.
‚Nur wer sich selbst liebt, kann auch andere lieben!‘ sprach die Hexe weise.
Eine Tatsache, die Prinnzessin durchaus einleuchtete. ‚Was also tun?‘ schluchtzte sie unter grünen Tränen.
Die alte Frau hob die runzligen Augenbrauen und streckte bedächtig schweigend ihre Hand nach einem goldenen verschlossenem Buch aus. Herschaftlich strich sie mit den braunen Fingern über das Schloss. Es knackte. Ein strenger Blick und es sprang gehorsam auf.
‚Lebensglück.‘flüsterte sie und drückte dem Mädchen einige Seiten in die Hand ‚Mit ein klein wenig Magie werden wir ihm das zurückgeben und dann wird er auch die zauberhaften Worte der Liebe verstehen.‘
Freudig erregt formten sich die grünen Lippen zu einem Lachen. Sie wollte sich noch bedanken, doch ihre Worte die erstickten ihr in der Kehle. Sie sprang nur noch auf ihr silbernes Kamel und gallopierte davon in den stummen Palast.
Im Palast angekommen stürmte sie in ihr kleines Turmzimmer, sprang mit prinzesinnenhafter Eleganz auf ihr federweiches Bett und las voller Erwartung im Licht der aufgehenden Sonne die Seiten, die die Hexe ihr aus dem goldenen Buch gegeben hatte.
Magie ist Leben
Bedenke vor jedem magischen Handeln:
I Magie- die Möglichkeit des Unmöglichen- wirkt entgegen aller landläufigen Behauptungen auch bei völlig fantasielosen, rationalitätsverseuchten Wesen. Nur der Magier/-in muss vollkommen überzeugt sein! [natürlicherweise, denn nur eine Autoritätsperson hat die Macht die Natzurgesetze ein klein wenig durcheinander zu wirbeln]
II Positiv angewandte Magie hat keinerlei schädliche Nebenwirkungen.[ die Liste negativ anwendbarer ist jedoch recht lang, achte auf die blutroten Warndreiecke am unteren Ende der Seite]
Prinzessin blätterte auf die Hiklfe-für-Depressive Seite (kein Warndreieck).
Hilfe für Depressive
I Nimm zwei Glasgefäße von der Größe eines Babylemmings und fülle sie a) mit dem Blut des Opfers selbst und b) mit dem Blut mindestens einer Person, die noch näheren Umgang mit ihm pflegt. Beides wird zur geschmacklichen Verstärkung und wegen der aphrodisierenden Wirkung mit Mondkalbblut vermischt. Zum Ausgleich etwas Kampfbienenhonig hinzugeben. Das ganze muss mindestens eine Nacht mit Elfenhaar bedeckt in Richtung des Opfers stehen, wobei du selbst das Zimmer niemals verlassen darfst!!
II Zum Thema Mondkalb: Es führt kein Weg daran vorbei, du selbst musst es schlachten und zwar erschlagen mit dem Mondholz einer jungen Birke!!
III Zuletzt das Blut trinken und jeweils ein Schlückchen für das Opfer lassen.
Prinzessin graute es vor der Vorstellung Blut trinken zu müssen. Aber für ihre Liebe, das war ihr völlig klar, würde sie alles tun.
Eifrig legte sie los. Mit mädchenhaft ausladener Handschrift verfasste sie einen Brief an Fidus, den Diener Prinz Kaltherz. Schnell wurden Brieftauben zum Tränenpalast entsand, denen sie den gesamten Tag hoffnungsvoll hinterherblickte bis sie erschöpft einschlief. Erst am nächsten Morgen wurde sie wieder erweckt als die kleine feuchte Nase des polaren Postlöffelfuchses sie anstupste und das erbotene Blut brachte.
‘...der Prinz war recht verwundert, als ich auf eine Blutsbrüderschaft bestand, doch dann schien es ihm ein angenehmer Zeitvertreib zu sein, sich gegenseitig aufzuschlitzen. Ihr seht wie ernst die Situation ist, ich setze mein ganzes Vertrauen in euer Gelingen, Prinzessin. Ihr treuer Diener- Fidus‘
Unser kleines grünes Mädchen machte sich sofort ans Werk, schnitt sich mit schmerzverzehrter Miene in den kleinen Finger und drückte und quetschte bis ihr ganz schwindlig wurde. Tränen sprudelten hemmungslos aus ihr heraus und gaben dem Blut einen grünlichen Schimmer. Todesmutig ignorierte sie ihren Gesundheitszustand und sprintete die Treppe zum hauseigenen Alchimisten hinunter um Honig zu besorgen.
Der Alchimist war auch so ein Verstoß gegen die Regeln. Im gesamten Schloss (eigentlich auf der gesamten Insel, aber das war nicht durchsetzbar in einer Märchenwelt) war jegliche Art von Magie verboten. Dieses Gesetz wurde vor fünf Jahren von ihrer ehrenwerten Mutter verabschiedet, die seit dem schichsalshaften Tag an dem sie ihren Mann verlor jegliche Magie verabscheute. Vor fünf Jahren nämlich geriet der König der bunten Insel in eine tiefe Midlifecrises. Er zog sich zurück, wurde immer stiller und grauer, bis er eines Tages von einem reisenden Zaubererm folgendes sagte:
‚Auf jede noch so dunkle Nacht folgt ein neuer Morgen. Was du zu tun hast, mein guter König, ist, das Strahlen der Morgensonne in deinem Herzen zu bewahren, um dich in jeder noch so finsteren Nacht mit einem Feuer wärmen zu können.‘
Der Zauberer hatte es sicher gut gemeint, doch der König war nicht sehr gut darin metaphern zu verstehen. Und so nahm er den Zauberer wörtlich, mahte sich eines Nachts auf zu den östlichen Bergen und versuchte mit allerlei Zaubersprüchen die Strahlen der Morgensonne einzufangen. Es gelang ihm nicht, er wurde von ihnen verbrannt und seine Asche vom Frühnebel zerstreut.
Der Zauberer wurde auf der Stelle gehängt, die einst so schillernde Königin entschied sich dafür nie wieder zu sprechen und verkroch sich in einem düsteren Keller in dem sie kein Sonnenlicht sehen musste.
Die Prinzessin und ihre drei Brüder litten sehr darunter mit ihrem Vater auch die Mutter verloren zu haben. Besonders die grüne Prinzessin sehnte sich sehr nach Liebe. Und das gab ihr das Durchhaltevermögen den widerspenstigen Geliebten nicht aufzugeben. Mit der bloßen Andeutung eines Lächelns verschaffte sie sich den Honig beim Alchimisten und wartete dann sehnsüchtig auf den nächsten Vollmond.
Und nun stand sie endlich hier, im Vollmondlicht, inmitten eines kleinen Birkenwäldchens. Das Gras war hier dichter, sumpfiger. Der Wind wehte fröhlich die dünnen Blätter und Äste durcheinander. Und gelegentlich ließen die Wolken das Mondlicht hindurch und die großen dunklen Augen der Birkenstämme wurden sichtbar.
Prinzessin hielt einen Moment inne um eventuelle Protestgeschreie der Bäume zu vernehmen. Das mag lächerlich, oder vielleicht paranoid, klingen, doch tatsächlich waren einige Bäume wacher als andere und konnten bemerkenswerte Dinge anstellen, wenn ihnen einfach mal die Äste gekappt werden. Doch da sie keinerlwei Einwände vernahm kletterte sie geschwind hinauf.
Die aus Eiskristallen und dem Horn des letzten Einhorns gefertigte Klinge drang mühelos in das weiche Holz ein, nur dieser eine Schnitt war nötig und sie hatte ein handliches Stück Holzklotz in den zarten Händen. Das Kamel blieb vorsichtshalber im Wald stehen, der penetrante Geruch hätte das Mondkalb verschrecken können. Und Prinzessin wollte die Sache so schnell wie möglich hinter sich bringen.
Prinzessin schlich sich aus dem Wald heraus, hinauf auf einen Hügel auf dem die Mondkälber zu stehen pflegten um ihrer Natur nach den Mond zu besingen. Sie hörte die glockenhellen Rufe schon von weitem. Und als sie die kleinen schneeweißen Tiere im sanften Mondlicht sah, spürte sie einen Stich im Herzen und Tränen strömten ihr leise über die Wangen; doch Liebe macht bekanntlich skrupellos und sie packte den Holzklotz und schlich sich von hinten an eines der Kälber heran, das gerade extasisch in eine besonders anspruchsvolle Strophe über den Sinn des Mondlichtes vertieft war, der wie jeder wusste, der war, dass Mondkälber singen.
Das Tier verspürte keinerlei Schmerz. Es hatte für so etwas auch gar keine Zeit, denn Prinzessin erschlug es mit einem geziehlten Schlag auf den Kopf. Die restliche Herde verschwand schreiend im Wald, und erfanden während sie rannten eine weitere Strophe über das Kalb, das im Mondlich erschlagen worden war. Glücklicherweise wurden Mondkälber nie weiter beachtet, die Möglichkeit, dass Prinzessin für ihre Tat zur Rechenschaft gezogen werden würde war also relativ gering.
Die erfolgreiche Jägerin schulterete das Kalb und während sie nach Hause lief, schlugen die toten Schlappohren im traurigen Rhytmus auf ihren gekrümmten Rücken.
Zu Hause angekommen fand sie einen ihrer bunten Brüder vor der Tür liegen. Er war jedoch nicht ansprechbar, sondern lag benommen auf der Eingangstreppe des Schlosses, in der einen Hand eine Flasche Met, in der anderen eine junge Elfe. In aller Eile mischte sie das Blut zurecht und machte sich dann sofort auf den Weg zum Tränenpalast.
Sie spornte ihr silberfarbenes Trampeltier zu Höchstleistungen an, so dass der Fahrtwind ihr die Tränen in die grünen Augen trieb. Und jeder Schritt schmälerte ihre Sehnsucht, vergrößerte ihre Hoffnung und brachte sie näher zum Gebirge des ewigen Winters.
Früher war nicht nur das Gebirge, sondern auch das Schloss ein belustigender Anblick gewesen. Denn allein die Lebensfreude des jungen Prionzen hinterließ eine eigentümliche Vegetation. Inmitten des Schnees und Eises sprossen Bäume, Blumen und Büsche in allen möglichen Formen und Farben.
Doch jetzt blickte Prinzessin auf eine enttäuschende Eiswüste. Nicht einmal die Sonne ließ so etwas wie Fröhlichkeit in die feindselige Landschaft, denn die traute sich schon lange nicht mehr in die verstreckte Schlucht hinein, in der das Schloss zurückgezogen ins Eis geschlagen lag.
Prinzessin ließ das Kamel bibbernd in der Kälte stehen und klopfte an die schwere Eisentür. Der kleine magere Diener Fidus öffnete ihr.
‚Der Prinz sitzt oben in seinem Turmzimmer und übt sich in Gedichten. Doch er bringt kein Wort zustande, denn jeder Strich, den er mit Tinte schreibt wird sofort von seinen Tränen verwischt.‘, klagte er, während sie in die kalte Marmorhalle eintrat ‚Ich bin schon zu lange hilflos in meinen Versuchen ihm Lebensfreude zurückzugeben. Ihr Prinzessin seid meine letzte Chance.‘
‚Hier ist das Elexier. Mischt es mit Wein, dann fällt die markante Blutfarbe nicht so sehr auf. Ein kleiner Schluck sollte schon genügen.‘
Sie nickte dem geknickten Männchen aufmunternd zu, der sogleich die riesige Treppe hinaufwatschelte.
Fünf Minuten vergingen, in denen Prinzessin nichts weiter als Stille vernahm. Sie blickte zu Boden und begann schon sich selbst mit Versagungsängsten zu plagen, als plötzlich ein Sonnenstrahl die dicken Fenstergläser durchbrach und ihr erstauntes Gesicht erhellte. Das überraschte Lächeln verwandelte sich in ein freudiges Lachen, als der schöne Prinz die Treppe hinuntergestürzt kam und –berauscht vom Mondkalbblut- die grüne Maid in die Arme schloss, die ausnahmsweise einmal zu erstaunt war um zu weinen. Und jetzt sprudelten die Worte auch nur so aus dem kleinen Poeten heraus:
‚Worte vermögen nicht auszudrücken wie schön...kein Vogel, keine Blume...dieser Welt kann mit dir...etc., pp, usw.‘
Und wie es sich gehörte gab es auch bald ein anständiges Hochzeitsfest. Sogar ihre Mutter erschien als es dunkel geworden war kurzzeitig, wenn sie auch recht schweigsam war. Und die Vögel sangen, die Vegetation erholte sich auf wundersame Weise, der Wind wehte und der Mond schien.
Und Prinzessin weinte vor Glück.