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Die große Fahrt
Geplant war das ja eigentlich nicht, aber es ergab sich halt so. Weit weg soll es gehen, weiter als meine Landkarten reichen. Die Karten zeigen mir die Umgebung meiner Heimat, da wo es spannend - weil unbekannt - wird, da hören meine Karten auf.
Und nun?
Ich könnte unterwegs nach dem Weg fragen. Dabei rechne ich aber mit leichten Schwierigkeiten, besonders in der Anfangsphase. Mit dem Nachbarn fing das ja schon an.
„Ich fahr am Sonntag nach Würzburg. Hast du eine Ahnung, wie ich da hinkomme?“
„Würzburg? Was willst du denn da?“
„Alte Freunde besuchen. Wie komm ich hin?“
„Von der Schule? Wir hatten letzten Monat Klassentreffen. Stell dir vor, es waren bis auf zwei alle da.“
„He, ich hab gefragt, wie ich nach Würzburg komm.“
„Wie? Na, am besten mit dem Auto. Flieger geht nicht in die Richtung, denk ich. Ah, hast du gehört? Die Eieruhr. Heidi hat gesagt, wenn die klingelt, muss ich den Backofen ausmachen und den Kuchen rausnehmen. Morgen kommt Onkel Friedrich zu Besuch. Der aus Ulm, kennst du doch.“
Soweit zum ersten Versuch. Der zweite war unser Briefträger.
„Tag Hein! Hast du Post für mich?“
Alle nennen den Briefträger Hein. Irgendwann werde ich ihn mal nach seinem Namen fragen. Er erzählt gern und er erzählt viel, (auf dem Dorf ist eben alles noch gemütlicher), aber er erzählt nichts über sich. Er ist immer erstaunlich gut informiert und er kommt weit herum.
„Hein, weißt du, wie ich nach Würzburg komme?“
„Würzburg? Da wohnt doch dem alten Schneider seine Jüngste, die ist da hingezogen vor 38 Jahren. Hat da geheiratet. Einen Bankmensch, glaube ich. Ich komm aber beim Schneider vorbei, ich kann den noch mal fragen, ob der Johann - oder hieß der Jakob? - ein Bankmensch ist.“
„Ja, lieb von dir. Das interessiert mich brennend. Und dann frag den gleich, welche Strecke der fährt, wenn er sie besuchen fährt.“
„Nee, du, der fährt doch nicht mehr. Sie kommt mit den Kindern doch immer her. Drei Enkel hat sie jetzt schon.“
„Dann kann ich die Erika ja selbst fragen, wenn sie das nächste Mal kommt.“
„Ach geh. Die heißt doch Gerda. Und fahren tut immer der Bankmensch. Frag lieber den.“
Er drückte mir noch zwei Reklamezettel in die Hand und schwang sich auf sein Fahrrad. Laut und fröhlich pfeifend fuhr er zum nächsten Hof.
Das war der zweite Versuch. Den dritten startete ich ohne große Hoffnung. Die alte Frau Danners ging schon auf die 85 zu. Als ich sie nach Würzburg fragte, erzählte sie mir, dass sie so viele Gewürze nicht mehr braucht. Sie kocht fast ohne Salz, Scharfes verträgt sie schon lange nicht mehr. Ihr reichen die kleinen Dosen, die man beim Brings um die Ecke kaufen kann. Sie geht nie in die Burg, um größere Mengen zu kaufen.
„Aber ihr jungen Leute, ihr wollt das ja immer so scharf haben“, grinste sie noch.
„Ja, Frau Danners. Besonders die Eier.“
Ich konnte mir das Lachen nicht verkneifen und flüchtete in die Sicherheit meiner vier Wände. Wie ich nach Würzburg kommen sollte, wusste ich noch immer nicht.
Der Routenplaner! Das war DIE Idee. Soll doch der Rechenknecht mir sagen, wie ich nach Würzburg komme.
Sagte er mir auch. Drei der vier Routenplaner gaben mir dieselbe Strecke, aber unterschiedliche Zeiten an. Ich dachte, wenn ich die längste einplane, kann eigentlich nichts schief gehen.
Der Vierte schickte mich ins Gemüse. Der Straßenname stimmte zwar, aber die Route war eine ganz andere und die Stadt, die sich um die Straße herum befand, hieß auch ein wenig anders.
Mir kamen wieder Zweifel.
Was, wenn die drei anderen sich auch vertan hatten? Was, wenn ich dachte, der eine habe einen Fehler gemacht, sich in Wirklichkeit aber alle gegen mich verschworen hatten? Was, wenn nur der eine ein Quertreiber war, der den anderen den Spaß verderben wollte und richtige Angaben machte?
Ich wollte nun einmal nicht auf gut Glück mehrere hundert Kilometer Autobahn hinter mich bringen, nur um am Ende dann festzustellen, dass mich ein oder mehrere Computerprogramme nur hatten ärgern wollen.
Es musste eine bessere Lösung geben.
Aber die gab es doch! Erst heute Morgen brachte mich ein Kollege auf die Idee.
„Kauf dir einen Navi“, hatte er gesagt, „die bekommst du für ’nen Appel und ein Ei nachgeschmissen.“
Das glaubte ich nur gar zu gern, hatte ich doch schon lange mit einem solchen Reisecomputer geliebäugelt. Dazu kommt noch, dass man nicht mehr auf Landkarten angewiesen ist.
Der Navi würde mir helfen, Sprit zu sparen. Ich wollte einen haben, der alle Tankstellen kennt und mich gleich hinbringt, wenn das Lämpchen der Tankuhr aufleuchtet.
Vielleicht sollte ich meinen Bekannten, den Computerexperten, mal fragen, ob er den Tank mit dem Navi kurzschließen kann. USB-Kabel können doch eine Menge, denk ich. Dann könnte der Tank direkt dem Navi Bescheid sagen, wenn ich tanken muss.
Aber das ist Zukunftsmusik. Erst muss ich mal den Navi haben.
Den Weg in die Stadt würde ich noch ohne Hilfe fahren müssen. War aber nicht so schlimm, die Strecke fuhr ich ja eigentlich jeden Tag, wenn ich zur Arbeit musste.
Ich hatte gerade den Wagen aus der Garage gefahren, da begegnete mir Toni. Vielleicht konnte ich das viele Geld ja doch sparen.
„He, Toni, wie komm ich nach Würzburg?“
„Warte“, meinte er, „ich hol dir den Prospekt vom Reisebüro. War heute bei der Post.“
„Danke, hab ich selbst. Fahr mal den Mähdrescher aus der Einfahrt, ich muss in die Stadt.“
Ich erreichte das Geschäft ohne Probleme. Die Schwierigkeiten fingen erst später an. Wie sollte ich etwas Handliches wie einen Navi in dem Gewimmel von Waschmaschinen und PCs finden? Hinderlich waren auch die Berge von DVDs und CDs, die das Geschäft feilbot.
Nachdem ich lange genug herumgeirrt war und mich mit den Typen und Preisen von Notebooks bestens auskannte, fand ich einen netten Herrn, den ich anhand eines Aufnähers am Revers als einen der Verkäufer identifizieren konnte. Ich überlegte erst, ob ich ihn ansprechen sollte. Er konnte nicht viel Ahnung haben, musste noch neu sein. Erfahrene Kollegen hätten sich besser versteckt.
Ich hatte bereits alle einschlägig bekannten Winkel und Ecken abgesucht, ohne auf einen der besagten Erfahrenen gestoßen zu sein, so blieb mir nichts anderes übrig. Ich vertraute mich dem Neuling an.
Es lohnte sich.
Ihm machte sein Job noch Spaß.
Er hatte sich informiert.
Er konnte mich tatsächlich beraten. Seinen Namen hab ich mir gut gemerkt, nächstens werde ich ihn gleich von der Kasse aus ausrufen lassen und mir die Sucherei ersparen.
Es stimmte tatsächlich, was der Kollege gesagt hatte. Es gab Navis für ’nen Appel und ein Ei. Aber, nun ja, es war nicht so ganz das, was ich mir erträumt hatte.
Da war zwar ein Display dran, das genau anzeigt, wie man fahren muss, aber da könnte ich ja auch auf die Karte gucken. Da könnte ich ja auch die Beschreibungen der Routenplaner ausdrucken und mir den goldenen Mittelweg suchen. Nein, so einen wollte ich nicht.
Ich wollte einen, der mit mir spricht, einen, der sich bestens auskennt genau sagt, wo ich wie fahren muss. Ich wollte einen, der sogar in der Lage war, die Abkürzungen zu erkennen, die ich immer fuhr. Er musste sich gleich darauf einstellen können, diese günstigere Strecke erkennen und mich weiterlotsen. Ich wollte ein intelligentes Exemplar der Gattung Navis.
Der nette Herr, der in diesem Fall mein Berater war, bedauerte. Die Intelligenteren lagen in der Preisklasse von zwei Äppeln und drei Eiern. Dafür konnte ich mir dann aber aussuchen, ob Lisa oder Werner mir die Strecke erklären sollte. Chantal und Lucy waren auch dabei, aber die sprachen nicht Deutsch, die beiden mochte ich nicht.
Ich überlegte. Für so viel Geld würde ich bestimmt hundert Landkarten kaufen können, mindestens aber achtzig.
Andererseits, bei der 81. Fahrt in unbekanntes Gelände hatte sich der Navi dann doch schon rentiert. Die Suche nach Tankstellen zwecks Kartenkaufs sparte er mir auch.
Der nette Verkäufer gab sich Mühe, meine Zweifel zu zerstreuen.
Clever war der Reisecomputer, versicherte er mir. Der Navi flüstert ständig mit einem piepsenden Bällchen irgendwo im Weltraum.
Ich erschrak ein wenig, aber er beruhigte mich gleich, das habe absolut nichts mit Weltraummonstern zu tun.
„Es ist ja nicht so, dass die beiden ein Komplott gegen Sie schmieden. Schauen Sie, der Navi ist ja hier unten am Boden. Der hat nicht viel Überblick. Das piepsende Bällchen sieht doch viel mehr von da oben.“
Das leuchtete mir natürlich ein, ich war begeistert. Als der nette Herr mir dann aber erklären sollte, wie all die vielen Landkarten in so ein kleines Gerät passen, verzweifelte er beinahe.
Aber nur beinahe. Er zeigte mir eine kleine Plastikkarte und meinte, da wäre ganz Deutschland drauf. Ich sah ihn ungläubig an, er aber versicherte, der Navi habe so gute Augen, der könne tatsächlich die winzig kleinen Straßennamen lesen, in vielen Fällen sogar die Hausnummer. Zudem soll bald eine zweite kleine Karte auf den Markt kommen, dann kennt sich der Navi auch noch im Ausland aus.
Meine Bedenken wegen der Abkürzungen zerstreute er dann auch.
„Das piepsende Bällchen, das weiß genau Bescheid.“
Manchmal ist es doch von Vorteil, blond zu sein und hilflos zu tun. Die netten Verkäufer geben sich dann doppelt Mühe. Nur hätte ich noch gern verstanden, was GPS heißt. Das hat er häufiger erwähnt und es scheint irgendwie wichtig zu sein für den Navi.
Egal, er hat es und füttern brauche ich ihn nicht mehr. Das hat der nette Verkäufer mir versichert. Ich muss ihm nur noch meine Adresse eingeben, dann bringt der mich immer wieder mit einem einzigen Knopfdruck nach Hause.
Meine Kreditkarte funktionierte diesmal und ich konnte den Karton mit meinem neuen Navi mitnehmen. Er blieb nicht lange im Karton. Ich wollte gleich ausprobieren, wie er funktionierte, wurde aber von einem Knurren gestört.
Hunger meldete sich. Nun ja, warum nicht ausnahmsweise einmal Fastfood, es war ja gleich die Ecke herum. Einen Hamburger und eine Cola später saß ich wieder im Auto und riss den Karton auf.
Die Bedienungsanleitung war etwas kompliziert, denn Englisch spreche ich nun einmal nicht.
Dann eben ohne. Mut zum Risiko ist in.
So legte ich das Büchlein auf den Beifahrersitz und fing an, die Einzelteile auszupacken. Ich hatte ja gehofft, die Dinger werden im Werk schon zusammengeschraubt, aber dann hätten die wohl nicht in den Karton gepasst.
Die Halterung, da fehlte etwas. Das zweite Teil fand ich schnell, begriff auch, wie ich es anbringen musste: einfach nur ein Schräubchen lösen, zusammenstecken, Schräubchen wieder rein. Es hielt tatsächlich.
Das dritte Teil war dann schon etwas komplizierter, ich fand keine Schraube, nur eine Reihe von kleinen Löchlein. Als ich so grübelte, bemerkte ich auf dem bereits zusammengebauten Halter eine Reihe von kleinen Pinnchen, die in die Löchlein zu passen schienen. Dabei kann man doch nichts verkehrt machen, dachte ich, schob die Teile zusammen. Eigentlich wollte ich sie zusammenschieben, aber entweder waren die Pinnchen doch nicht geeignet oder sie zierten sich nur etwas.
Die Halterung rutschte mir aus der Hand, ich griff danach und stieß gegen das Büchlein auf dem Beifahrersitz. Die Halterung erwischte ich, das Büchlein fiel.
Ich hob es wieder auf, schlug eine Seite auf und sah ein Bild, das mir bewies, meine Idee mit den Löchlein und Pinnchen war richtig gewesen. Beim nächsten Versuch klappte die Montage. Es gelang mir auch ohne Probleme, die Halterung an der Windschutzscheibe zu befestigen. Nun war meiner Meinung nach das Kabel an der Reihe.
Die Frage war nur, welches. Es gab zwei. Ich musste wohl doch durch die Bedienungsanleitung. Zu meinem Erstaunen stellte ich fest, dass ich sie nun viel besser verstand.
„Steek de kleine stekker van de 12V-kabel in de ansluiting achter op de holder.“
Den kleinen Stecker in den Anschluss hinten am Halter, aha. Klappte sogar. Nun musste nur noch das andere Ende des Kabels in den Zigarettenanzünder passen. Passte auch.
Die kleine Karte sollte in den Schlitz, hatte der nette Verkäufer gesagt, dann musste ich nur noch die Adresse eingeben.
Ich hatte es geschafft. Der Navi war betriebsbereit. Und ein wenig stolz war ich darauf, dass die Montage nicht länger gedauert hatte als der Kauf. Die Adresse sparte ich mir, es gab doch diesen Knopf, der mich nach Hause brachte.
„In 50 Metern rechts abbiegen“, sagte Lisa.
„Rechts? Quatsch, links geht es nach Hause.“
„Jetzt rechts abbiegen.“
Ich fuhr links.
Lisa verstummte beleidigt, das Display wurde grau. Ein kleiner roter Balken verriet mir, dass Lisa mit dem piepsenden Bällchen flüsterte.
„In 20 Metern rechts abbiegen“, sagte Lisa.
Diesmal war ich einverstanden, Lisa gehorchte mir also. An der nächsten Ecke war ich doch etwas irritiert, denn den Weg kannte ich noch nicht. Neugierig folgte ich Lisas Anweisungen.
Fünf Minuten später stand ich vor dem Geschäft. Ich bog auf den Parkplatz ein und überlegte, ob ich noch etwas brauchte. Sollte Lisa auf unerklärliche Weise Kontakt zu meiner Einkaufsliste haben? Oder war das nur ein Trick der Geschäftsleitung, mir noch mehr andrehen zu können?
Ich überlegte einen Moment, dann hatte ich die Lösung. Lisa hatte so lange im Geschäft gewohnt, sie dachte ja noch, das wäre ihr Zuhause.
Nach dem Studium der Bedienungsanleitung - mittlerweile hatte ich hinter der englischen, dänischen und niederländischen auch eine deutsche gefunden - machte ich ihr klar, dass ich nun ihr Chef war, dass sie da wohnte, wo ich Zuhause war.
Sie hatte mich verstanden und flüsterte wieder mit dem Bällchen. Die beiden wurden sich einig und ich bekam meine Anweisungen.
Lisa schickte mich nicht die Strecke, die ich sonst immer fuhr. Im ersten Moment war ich verwirrt, kam dann aber zu dem Schluss, zum Geschäft ging es hier nicht. Das Bällchen hatte Lisa wohl eine bessere Strecke erklärt und ich war neugierig, wohin sie mich brachten. Schließlich hatte ich ihr nicht gesagt, dass sie die gewohnte Strecke nehmen sollte. Sie sollte die schnellste heraussuchen.
Ganz gespannt war ich darauf, wie viel Zeit ich sparen würde.
Die Straße am Präsidium vorbei ging ja noch halbwegs. Direkt vor der Haustüre rechnete keiner mit Geschwindigkeitsüberschreitungen. Trotzdem war ich da lieber etwas vorsichtig.
Im Starenkasten in der Steinstraße brütete immer was, Lisa wusste das noch nicht. Ich vermied diese Strecke sonst aus leicht begreiflichen Gründen.
Warum sie dann in den Hermannweg einbiegen wollte, verstand ich auch nicht. Da mussten wir am Ende doch links. Die Ampel war immer unfreundlich zu Linksabbiegern, sie wurde viel zu schnell rot.
Bei der fünften Grünphase war ich dann dran. Ich schaffte es noch vor dem anfahrenden Gegenverkehr, winkte freundlich dem hupenden Opa zu und fegte los.
Die Gustav-Heinen-Straße entlang war auch ein Drama. Tempo-30-Zonen beachte ich immer, denn sie liegen meist in Straßen mit Schulen und Seniorenheimen, also in der Nähe von Verkehrsteilnehmern, die den Überblick noch nicht oder nicht mehr haben. Kinder haben so wenig Knautschzone, da gehe ich lieber kein Risiko ein.
Aber ich werde Lisa beibringen müssen, solche Straßen zu vermeiden. Ich weiß schon, warum. Den roten Opel haben sie erwischt. Nun, das Kennzeichen beweist, er kommt von auswärts, der kennt den braunen Ford eben noch nicht.
Die stehen immer hier. Viele denken wohl, weil hier keine Schule sichtbar ist, wäre die Geschwindigkeitsbegrenzung überflüssig. Dabei liegt die Schule etwas weiter zurück, hinter den Bäumen. Und Kinder können verdammt flott sein, wenn die Zwangsarbeit hinter Schulmauern beendet ist.
„In 100 Metern rechts abbiegen.“
„Nee, Lisa, nicht mit mir. Da fahre ich nicht. Da steht auch ein Starenkasten. Ich komm ja gar nicht vorwärts! Die schnellste Strecke wollte ich.“
„Jetzt rechts abbiegen.“
Unerklärlicherweise gehorchte ich und wurde zwei Minuten später dafür bestraft. Die Ampel sprang auf rot.
Ich hasse diese Ampel mitten auf der Strecke. Sie steht nicht einmal an einer Kreuzung. Ich hege so schwer den Verdacht, dass die Feuerwehr den Schlüssel dazu hat. Jedes Mal, wenn jemand die 112 gewählt hat, schaltet sich die Ampel von ganz alleine auf rot, für den Fall, dass eines der in der Wache stationierten Fahrzeuge ausrücken wollte.
Es dauert dann immer noch drei bis vier Minuten, bis die Mannschaft ihre Stiefel gesucht und angezogen hatten. Waren sie aber einmal auf den Beinen, dann ging alles recht schnell. Irgendwie erwartete ich jedes Mal, dass eines der Blaulichter an den sich öffnenden Toren hängen bleiben würde. Diesmal ging alles gut. Zwei Rettungswagen und der Notarztwagen schossen auf die Straße und ich legte schon den Gang ein. Die Ampel mochte mich nicht besonders und blieb rot.
Drei Löschzüge preschten auf die Straße, das vierte Fahrzeug kannte ich nicht. Vielleicht transportierte es Werkzeug? Auf jeden Fall waren da nicht nur zwei Autos zusammengestupst.
Endlich hatte ich wieder freie Fahrt. Solange es die Landstraße entlang immer geradeaus ging, war ich mit Lisa sehr zufrieden. Dann musste ich rechts ab. Ich wunderte mich, warum Lisa nichts sagte und befürchtete, sie hatte das piepsende Bällchen verloren.
Vielleicht hatte sie sich ja auch etwas dabei gedacht, überlegte ich. So fuhr ich weiter geradeaus.
Lisa führte mich um das Dorf herum, um dann von der Rückseite in den Ortskern einzubiegen. Diesen durchquerten wir, kamen in ruhigere Viertel und hatten schon bald den Ortsausgang erreicht.
„Sie sind am Ziel“, meldete Lisa, stolz auf ihre Leistung.
Ich war verblüfft. Ich stand genau vor der Haustür.
Ich begriff nur nicht so ganz, warum ich den halben Ort um- und dann den ganzen Ort durchfahren sollte. Wären wir vorhin rechts abgebogen, wäre ich gleich da gewesen.
Aber vielleicht hatte Lisa und das piepsende Bällchen ja etwas entdeckt, das mir entgangen war.
Ein Blick auf die Uhr belehrte mich, dass ich zwölf Minuten länger gebraucht hatte als sonst.