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Die Hängematte

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25.06.2008
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Die Hängematte

Die „Imperatrice du soleil“ fuhr langsam den breiten Strom hinunter, dessen braunes Wasser zahllose kleine Wirbel und Strudel bildete, die beim Auftreffen auf Hindernisse größer und kraftvoller wurden und die Gewalt der Strömung ahnen ließen. Stundenlang glitt das Schiff an der einförmigen, grünen Front des Urwalds vorbei, die nur hie und da von kleinen Inseln unterbrochen wurde und von Sandbänken, auf denen träge Krokodile einträchtig neben großen, weißen Vögeln lagerten. Manchmal tauchten kleine Ansiedlungen auf, Hütten mit Wellblech- oder Grasdächer, deren Bewohner eilfertig mit Kanus längsseits kamen, um Waren zu tauschen, Passagiere zu befördern oder Lebensmittel zu verkaufen. Im Gegensatz zu ihrem hochtrabenden Namen war die „Imperatrice du soleil“ ein alter, rostiger Kahn, der schon seit Jahrzehnten die wichtigste, ja fast die einzige funktionierende Verkehrsmöglichkeit in diesem unwegsamen Teil des Landes darstellte.

Es war um die Mittagszeit und die Sonne brannte auf das fast leere Deck. Die Passagiere hatten sich in den Schatten geflochtener Matten oder Sonnensegel geflüchtet, um zu schlafen oder vorsichhinzudösen. Das Tuckern des Motors war das einzige laute Geräusch, das den Frieden störte. Er hatte den Schatten seiner Kajüte trotz der Hitze verlassen, um diese eintönige, wiewohl faszinierende Landschaft in sich aufzunehmen. Er war froh, mit eigenen Augen zu sehen, was er bisher nur aus Filmen wie Africa Queen, Aguirre oder Fitzcarraldo kannte.

Der Unfall ereignete sich ganz plötzlich und er hatte ihn genau beobachtet. Ein kleiner Junge war einen Moment lang der Aufsicht seiner Mutter entkommen und lief auf die Reling zu. Die Mutter war aufgestanden und lief ihm nach, für den Jungen ein Zeichen, dass sie mit ihm Fangen spielen wollte. Er lief hüpfend und lachend weiter, bis zur einer Stelle, an der zwei altersschwache Pfosten umgeknickt auf dem Boden lagen und als notdürftige Sicherung nur ein Seil gespannt war. Der Kleine drehte sich nach der Mutter um, stolperte dabei über einen der Pfosten, strauchelte und fiel ins Wasser. Die entsetzte Mutter schrie auf und das Deck, das eben noch ausgestorben war, bevölkerte sich im Nu mit Passagieren, die ebenfalls in lautes Geschrei und Geheul ausbrachen. Sie riefen um Hilfe und nach dem Kapitän und forderte den Steuermann auf, das Schiff anzuhalten, aber abgesehen davon machte niemand Anstalten, etwas für die Rettung des Kindes zu unternehmen; Rettungsringe, Seile oder lange Stangen waren nirgends zu sehen.

Auch er war an die Reling geeilt und sah, wie das Kind im Wasser strampelte und bald hinter dem Schiff zurückblieb. Ohne lange zu zögern, streifte er seine Schuhe ab und sprang in das Wasser, obwohl er wusste, dass dies wegen der Strömung, der Parasiten und der Krokodile nicht ungefährlich war. Er war ein guter Schwimmer und hatte nach ein paar kräftigen Zügen das Kind erreicht, das sich durch sein heftiges Strampeln an der Oberfläche gehalten hatte. Er packte es an einem Armen, achtete darauf, dass der Kopf aus dem Wasser ragte und zog es hinter sich her zurück zum Schiff, das inzwischen nur noch langsam dahintrieb. Zahlreiche Hände halfen den beiden an Deck. Der Junge hatte den Unfall unbeschadet überstanden und heulte jetzt Rotz und Wasser in den Armen seiner ebenfalls weinenden Mutter. Sie war so aufgeregt, dass sie nicht einmal Danke sagte.

Er zog Hemd und Hose aus, hängte sie zum Trocknen auf und holte frische Kleider aus seinem Rucksack. Dann ging er in seine Erste-Klasse-Kajüte, um sich nach dieser Anstrengung auszuruhen. Die Kajüte unterschied sich vom Rest des Passagierdecks nur dadurch, dass ein dreckiger Vorhang Sichtschutz und ein Blechdach Schatten bot. Die gesamte Einrichtung bestand aus einer sehr breiten Hängematte, die für eine ganze Familie ausgereicht hätte und eine sehr komfortable Schlafgelegenheit darstellte, sowie, als Gipfel des Luxus, eine kahle, ziemlich trübe Glühbirne. Dieser Komfort, vor allem aber die Möglichkeit sich zurückzuziehen, war den höheren Preis bei weitem wert.

So ausgestorben das Deck in der Hitze und Schwüle des Tages war, so rasch belebte es sich am Abend. Kaum war die Sonne untergegangen, brach ein lebhaftes Treiben los; es wurden Feuer gemacht, Suppen gekocht, Fleisch gegrillt, geredet, palavert und gesungen. Bierbüchsen machten die Runde und trotz des Angriffs zahlloser Mücken war die Stimmung ausgelassen. Er hatte den Vorhang zur Seite geschlagen, saß in der Hängematte, trank ein wunderbar kühles Bier und beobachtete die Szenerie. Seine abenteuerliche Reise hatte ihn an das äußerste Ende dieses großen Landes geführt. Nun war er auf dem Weg zurück in die Provinzhauptstadt und die nächsten drei Tage würde er auf diesem alten Seelenverkäufer verbringen. Er genoss die langsame Art zu reisen, die exotische Landschaft und die friedliche Abendstimmung und er war auch etwas stolz auf sich, weil er ein Menschenleben gerettet hatte.

Als er müde wurde, zog er den Vorhang zu, putzte sich die Zähne mit einem Schluck Whisky, löschte das Licht und legte sich in die Hängematte. Kurz darauf sah er jedoch, wie sich der Vorhang bewegte und eine Gestalt in die Kajüte schlüpfte. Er richtete sich auf, knipste die Glühbirne an und erkannte die Mutter mit dem geretteten Kind in den Armen. Sie legte es, da es bereits schlief und kein anderer Platz vorhanden war, ohne ihn zu fragen in die Hängematte neben seine Füße. Dann begann sie in schlechtem Französisch auf ihn einzureden. Sie sei ja so dankbar und froh, dass er ihr Kind gerettet habe, ihr einziges, liebstes Kind. Es tue ihr leid, dass sie erst jetzt zu ihm komme, aber sie habe sich geschämt, weil sie ihm für seine Heldentat, diesen acte héroique, nichts geben könne; sie habe kein Geld und auch sonst nichts. Sie weinte und küsste seine Hand, die er ihr zu entziehen suchte. Dann fuhr sie fort, ihr Name sei Aimée und der ihres Sohnes Titi, er sei drei Jahre alt und ihr Mann, der Vater von Titi, habe sie vor kurzem wegen einer anderen verlassen und sie könne jetzt in dem Dorf nicht mehr bleiben und würde deshalb mit Titi zurück zu ihren Eltern fahren.

Er kam kaum zu Wort und sagte schließlich, dass das, was er getan habe, doch selbstverständlich sei und dass er kein Geld brauche und keine Geschenke wolle. Sie beharrte jedoch darauf, dass sie ihm etwas schenken müsse, weil sie sonst ihr ganzes Leben lang in seiner Schuld stünde. Das wolle sie nicht und außerdem sei es eine Schande, wenn sie auf die Frage, was sie dem Retter ihres Kindes geschenkt habe, sagen müsse „rien – nichts“. Dann verstummte sie für eine Weile, während sie erneut seine Hand streichelte und küsste und sagte schließlich, zögernd und verlegen, dass sie nur ihren Körper und ihre Liebe habe, die sie ihm geben wolle. Nachdem das gesagt war, fügte sie, wieder etwas sicherer, hinzu, dass sie ihm im Bett jeden Wunsch erfüllen wolle und dass sie auf die Annahme dieses Geschenks bestehen müsse. Bevor er etwas erwidern konnte, zog sie sich aus und stieg zu ihm in die Hängematte. Er fühlte sich zuerst überrumpelt und wollte sie abwehren, aber sie war so entschlossen, so zielstrebig und so geschickt in ihrem weiteren Vorgehen, dass er sich nicht nur in sein Schicksal fügte, sondern es sogar begrüßte. Schließlich war er ja nur ein Mann mit allen Schwächen und sie eine junge und durchaus attraktive Frau. Titi schlief derweil ruhig und ungerührt, trotz des heftigen Geschaukels, das sich dann ergab.

Am nächsten Tag war Aimée sichtlich aufgedreht, besonders nachdem er ihr, aus Mitleid und als Dank für das nächtliche Vergnügen, ein Erste-Klasse-Essen spendiert hatte: Reis, Bohnen, Hühnchenschlegel und eiskaltes Bier. Sie erzählte auf dem Deck wortreich von dem acte héroique des weißen Mannes, der jetzt ihr Geliebter sei, mit dem sie jetzt reisen werde und der sie, wer weiß, vielleicht sogar heiraten würde. Sie verbreitete auch, dass er viel Geld habe und es mit ihr teilen wolle und führte als Beweis das gemeinsame Mittagessen an. Zumindest entnahm er dies ihren Worten, die sporadisch an seine Ohren drangen. Am Abend war ihr Besuch in der Kajüte schon selbstverständlich und ihre Absicht bei ihm zu bleiben wurde dadurch unterstrichen, dass sie ihre wenigen Habseligkeiten mitbrachte und in der Kajüte verteilte. Er fügte sich erneut in sein Schicksal und die Nacht war für beide recht kurzweilig, Titi quengelte zwischendurch, bekam dann ein Schlückchen Bier und schlief weiter.

Der dritte und letzte Tag war angebrochen. Aimée wich keine Minute von seiner Seite und als sie anfing, Pläne für die kommenden, gemeinsamen Tage zu schmieden, die sicher sehr schön würden, begann sie ihm zunehmend lästig zu werden. Und auch Titi, der ständig um seine Beine strich, an seinem Rucksack herumfummelte oder in der Hängematte tobte, ging ihm mittlerweile gehörig auf die Nerven. Daher machte er ihr schließlich klar, dass die gemeinsame Reise am Abend, nach der Ankunft in der Provinzhauptstadt, zu Ende sei. Als sie laut zu heulen und zu lamentieren anfing, hatte er endgültig genug. Er herrschte sie an, sie solle ihre Sachen zusammenpacken und die Kajüte verlassen; er gehe jetzt an Deck und wenn er zurückkäme, wolle er sie nicht mehr sehen.

Als er das Deck betrat, verebbten die Gespräche, eine gespannte, lähmende Stille breitete sich aus und die Leute beobachteten ihn aufmerksam, jedoch anders als an den Vortagen, als er zwar auch ihre Neugier erregt hatte, aber nicht so offensichtlich im Mittelpunkt ihres Interesses stand. Er hatte sich ein paar Schritte von seiner Kajüte entfernt und stand fast an der selben Stelle, von der aus er den Unfall beobachtet hatte. Und auch diesmal sah er alles klar und deutlich, nur dass die Mutter ihr Kind nicht zurückhalten wollte und auch nicht aufschrie, als es von einem Mann an das Loch in der Reling gezerrt und über Bord gestoßen wurde. Alle starrten ihn an und warteten darauf, dass er ins Wasser spränge.

 

Hallo Basti!
Danke für deinen Kommentar. In meinen Geschichten sage ich nie wann und wo sie spielen und gebe den Personen (wer) keine Namen (hier ist mal eine Ausnahme), ich will bewußt mit diesen Angaben im Ungewissen bleiben. Aus dem selben Grund erzähle ich auch nicht aus der Ich-Perspektive. Das mit der wörtlichen Rede habe ich mir schon überlegt, weil die beiden relativ viel miteinander reden. Andererseits versuche ich, auch hier, konsequent zu sein und in meinen Geschichten nur indirekte Rede zu verwenden, weil sie sehr kurz sind und meistens nicht viel geredet wird. Vielleicht probiere ich es mal aus, wie die direkte Rede hier wirkt.
Dass sich die Frau anbietet und er darauf eingeht, hat mit der Logik der Geschichte zu tun. Wenn das nicht der Fall wäre, würde sie ja ihren Erfolg nicht breit verkünden und dann wäre der zweite Unfall natürlich nicht geschehen.
Was ist Spannung? Jeder empfindet das etwas unterschiedlich. Mir gefällt eine direkt provozierte Spannung nicht, eher die subtileren und die ist hier meiner Meinung nach vorhanden.

Gruß yupag

 

Hallo yupag,
tja, ich meine, zu deiner Geschichte gibt es einiges zu sagen.
Zunächst habe ich im Allgemeinen kein Problem damit, wenn in einer Geschichte keine Namen genannt werden, denke aber, dass man dann konsequent sein sollte. Dies betrifft den Namen des Schiffes, der Frau und ihres Sohnes.
Überhaupt ist hier oft nicht klar, wen du gerade meinst, denn „er“ kann sowohl der Sohn sein, wie auch dein Prot. So was kann man aber vermeiden, wenn man dem Personen andere Bezeichnungen gib: Der Reisende, Fremde, Mann, .. Bengel, Knabe, Schlingel, Bub, ...
Dann fehlt mir die bildhafte Atmosphäre. Man sollte möglichst am Anfang einer Geschichte erklären wo man sich befindet. Irgendwo kommt dann plötzlich die Rede auf Krokodile und man weiß, es ist nicht die Donau. Einfach zu spät und zu wenig Information.
Versuch mal den Anfang mit so was wie: Die Tropensonne brannte gnadenlos auf das Deck des alten Kahns, der sich mit monotonem Tuckern schwerfällig über den Fluss schob ..... Alligatoren huschten vom Ufer ins Wasser, bunte Vögel zogen kreischend über die Wipfel der Mangroven, die wie eine dichte, drohende Mauer jeden Blick auf das Land verwehrten.
Generell ist die wörtliche Rede hilfreich um Atmosphäre zu erzeugen. Vermeide dabei Sachen wie: er sagte, antwortete er, erklärte er .... das kann man geschickt mit der Beschreibung einer kurzen Handlung vermeiden.
Wenn du all das berücksichtigst, hast du plötzlich eine Geschichte und vermeidest den Stil eines Berichtes.
Tja, und was die Spannung und die Logik betrifft, so hat es sich mir nicht so recht erschlossen.
Springen die Frauen einem da sofort in die Hängematte? Ist dein Prot. so cool, dass er auch gleich ... Aids, was ist das?
Und wenn sie ganze Sache nicht klappt, dann werfen wir eben die Kinder über Bord.
Übrigens, wer ist der Typ da am Schluss?
Gruß 3 ;)

 

So, so, Du nennst keine Namen, beschreibst keine Orte und verzichtest auf Dialoge. Das kann man ja machen, wenn die Geschichte sich trägt, z.B. durch Charakterzeichnungen, die neugierig machen, überraschende Wendungen, psychische Entwicklungen u.s.w. Wenn eine story nicht eingebettet ist in einen Rahmen, dann lebt sie ausschließlich von den Figuren und deren inneren und äußeren Erleben. Davon finde ich nichts bei Dir, meiner Meinung nach verzichtest Du auch noch auf die Spannung. Was Du als Stilmittel verkaufen willst, halte ich, ehrlich gesagt, für Faulheit. Nix für ungut!
LG,
Jutta

 

Hallo Dreimeier und Jutta!
Vielen Dank für eure Kommentare. Den Tip mit der Landschaftsschilderung am Anfang und der Atmosphäre werde ich mal versuchen. Das mit der direkten Rede funktioniert nicht so richtig, ich habe es versucht, bleibe aber lieber bei der indirekten Rede. Die Logik der Handlung sollte sich natürlich aus der Geschichte ergeben: er rettet das Kind, die Frau klammert sich an ihn und prahlt mit ihrer Eroberung und eine andere Frau versucht auch in diese Situation zu kommen.
Es ist eine Geschichte aus dem Bereich Männerphantasien, da möchte man vielleicht, dass Frauen so handeln und es ist natürlich ein fiktive Geschichte, in der sich schon mal etwas abspielen kann, was im wahren Leben nicht vorkommt. Der Typ am Schluß ist natürlich der Protagonist, das sollte doch wenigstens klar sein.
Den Vorwurf der Faulheit kann ich nicht nachvollziehen. Bin ich weniger faul, wenn ich so schreibe, wie es viele andere tun? Es wird immer so sein, dass dem einen eine Geschichte gefällt, dem anderen aber nicht. Jedenfalls habt ihr mich zum weiteren Nachdenken angeregt und irgend wann werde ich die zweite Version vorstellen.
Gruß yupag

 

Guten Tag, yupag,
Du erzählst eine krasse Geschichte in einem sehr unaufgeregten Ton, da ist es klar, daß viele Fragen aufkommen.
Klar, der Held hätte die Frau abweisen können, abweisen sollen, er hätte sich denken können, daß das keine Art der Bezahlung ist, daß es kein gutes Ende nimmt. Er hätte ihr erklären können ... alles mögliche erklären können. Hat es ja auch wenigstens versucht.
Aber er ist ein Mann; es wird beschrieben, wie Aimée sich auszieht und zu ihm legt, einfach so, nachdem sie erklärt hat, sie wolle das so haben, um nicht in seiner Schuld zu stehen. Sie erwischt ihn in gelöster Stimmung, noch stolz auf seine Heldentat, mit sich und der Welt zufrieden.
Es ist bekannt aus Funk und Fernsehen, daß Männer manchmal angesichts einer nackten willigen Frau, noch dazu in ungewohnter, abenteuerlicher Umgebung, geneigt sind, unlogische Argumente zu akzeptieren, die Moral ein wenig zu verbiegen und sich weitreichende Überlegungen für später aufzuheben; ein Umstand, der schon viele Menschen in Situationen gebracht hat.
Unlogisch ist das nicht, ebensowenig wie die Sache mit dem zweiten Kind, das ins Wasser geschmissen wird. Es ist nur nicht schön.
Ich habe Kinder gesehen, die von ihren eigenen Eltern verstümmelt worden waren, um effektive Bettler abzugeben. Armut und Hunger lassen Leute anders denken; Moral muß man sich auch erstmal leisten können, außerdem gibt es viele Sorten davon. Unter Umständen ist es ein vergleichsweise geringes Risiko, ein Kind ins Wasser zu werfen und auf einen Retter zu setzen, der dann als Beschützer und Ernährer bleiben könnte. Ist es nicht in vielen Kulturen so, daß man verantwortlich ist für den, den man rettet? Wer weiß, was das Kind sonst vom Leben zu erwarten hat.
Logik ist keine feste Größe, Deine fiktive Geschichte könnte ohne weiteres passiert sein. Ich denke, daß Du ihr unrecht tust, wenn Du sie bereitwillig in die Rubrik "Männerphantasie" schiebst, um die Handlung zu rechtfertigen.
Mich stören weder die fehlenden Namen noch der Mangel an klaren Ortsbeschreibungen. Ich sah eines dieser afrikanischen Flußschiffe, die Matten, das schlechte Französisch, das abendliche Treiben an Bord, Palaver, Parasiten und Krokodile, die befremdliche gelassene Aufmerksamkeit der Menschen in der Schlußszene.
Nichtsdestotrotz kann ich alle Kritiken nachvollziehen, würde jedoch nicht allzuviel an der Geschichte ändern. Den distanzierten Ton und die indirekte Rede finde ich z.B. passend. Es wird nicht gewertet oder Stellung bezogen, sondern erzählt, das finde ich gut.
Zwischen den Zeilen hängt ein ungeheuerliches Fazit, das da heißt: Wenn ich gewußt hätte, daß die Frau mir nachher so an der Backe hängt, hätte ich das Kind besser ersaufen lassen oder gewartet, ob nicht jemand anders springt. So ein Gedöns für das bißchen Sex, plötzlich eimerweise Verantwortung, wo man sich gar nichts gedacht hatte ... außerdem am Schluß die Frage: Springt jemand für das Kind der Nachahmungstäterin? Wer?
Das macht mir Gänsehaut.

Hier könntest Du was verbessern:

Der kleine Junge war einen Moment lang der Aufsicht seiner Mutter entkommen
Wenn Du "Ein kleiner Junge" schreibst und vor dem Satz einen Absatz machst, weiß man, wer wann gemeint ist. Ich dachte zuallererst auch, der kleine Junge und der Protagonist seien dieselbe Person.

Er dreht sich nach der Mutter um
Falsche Zeit
zurück blieb
dahin trieb
hinunter fahren
Muß man das jetzt auseinanderschreiben? Mich schmerzt es. Wenn es korrekte neue Rechtschreibung ist, vergiß diesen Kritikpunkt. Aber Du schreibst ja auch
zurückzuziehen
und nicht zurück zu ziehen, da dachte ich ...
das sich immer noch durch heftiges Strampeln an der Oberfläche gehalten hatte.
das Plusquamperfekt in Verbindung mit immer noch klingt mir hier unrund. Das Kind hielt sich immer noch an der Oberfläche, als er ankam, oder es hatte sich an der Oberfläche gehalten, ohne immer noch.
Das alles und die Möglichkeit sich zurückzuziehen war schon den höheren Preis wert.
waren klänge besser, da es mehrere Dinge sind.
Blechdach Schatten bot. (...) ihm eine komfortable Schlafgelegenheit bot,
die zwei bot an den Satzenden sind sperrig.
als er ihr aus lauter Mitleid ein Erster-Klasse-Essen spendiert hatte,
hier fände ich nachdem statt als runder in Verbindung mit dem Plusquamperfekt. Ist aber nur meine Meinung.
Aimée wich keine Minute von seiner Seite und sie begann ihm lästig zu werden und auch Titi, der ständig an seinen Beinen herumfummelte, ging ihm auf die Nerven.
da könnte man ein "und" eliminieren, zugunsten des Klangs.

Die Frage, warum ein Mann am Ende das Kind ins Wasser stößt und wer das ist, steht fies im Raum, das ist wahr. Dazu kann man sich etliches denken.

Ich hab die Geschichte gern gelesen.
Freundliche Grüße,
Makita.

 

Hallo Makita!
Ich bin begeistert über deinen detaillierten, ausführlichen Kommentar und, natürlich, dass du die Geschichte gut und glaubhaft findest. Ich bin noch dabei sie umzuschreiben und die Anregungen von euch allen einzubauen. Es macht mir Spaß, zu erkennen, wie man solch einen Text besser machen kann, wenn man ihn nicht nur mit den eigenen Augen sieht.
Viele Grüße yupag

 

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