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Die Handtasche muss links hängen...

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08.05.2004
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Die Handtasche muss links hängen...

Ihre Blicke streifen sich... nur ganz kurz.
Der schlaksige Blonde und die kleine Brünette haben für einen Augenblick die Außenwelt vergessen.
Ich sehe es ihnen an. Ein Augenzwinkern lang waren sie sehnsüchtig und unendlich glücklich zugleich.

Wahrscheinlich würden sie sich nie wieder begegnen.

Die Handtasche muss links hängen.... denn ich kann nur auf die rechte Seite fallen!
Ein langgezogenes „Ooooh!“ entringt sich meinem Mund. Die Augen verdrehend lasse ich mich auf das Kopfsteinpflaster gleiten.
Es folgen die üblichen Aufschreie: „Oh mein Gott! Die alte Dame braucht Hilfe!“ „Ist hier irgendwo ein Arzt?“
Jedesmal muss ich mir ein Grinsen verkneifen, wenn ich so auf dem Boden liege und sich eine große, aufgeregte Menschenmenge um mich herum drängt. Die Brünette, neben die ich mich habe fallen lassen steht kreidebleich über mir. „Alles... alles in Ordnung?“ stammelt sie. Ein paar Schritte hinter ihr kann ich den Schlaksigen ausmachen. In Gedanken gebe ich ihm einen Tritt:
„Trau dich, Junge, komm und nutze die Chance.“
Er starrt nur weiter auf den Hinterkopf des Mädchens über mir. Ich schreite zur Tat:
„Danke, es geht schon, ich bin nur umgeknickt...
Aber vielleicht könnten sie und der nette junge Mann hinter ihnen mir aufhelfen.“ Ich lächle. Sie blickt sich nach dem vorgeschlagenen Helfer um... und da ist er wieder... dieser besondere Moment, wenn sich zwei verwandte Seelen begegnen.
Mein Lächeln wird breiter, fast unmerklich nicke ich dem unentschlossenen Jungen zu. Er gibt sich einen Ruck und die beiden helfen mir auf. „Vielen, vielen Dank.“ Ich blicke den beiden jeweils tief in die Augen. Die Menge um uns herum löst sich auf. Die Leute verlieren schnell das Interesse, wenn kein Blut, keine Polizei oder verrückte Schläger an einer Szene beteiligt sind.
Ich wende mich den beiden zu: „Darf ich ihnen zum Dank einen Kaffee spendieren? Ich halte sie nicht lange auf.“ Wenn es der richtige Weg ist, den man geht, funktioniert einfach alles. Die beiden gehen mit. Ich beginne das Gespräch, zahle bald und gehe schnell.
Die beiden bleiben sitzen.
Meine Mundwinkel zieht es nach oben... ich habe wieder zwei Lachfältchen mehr.
Langsam steige ich hinunter zur U-Bahn. Auf dem Bahnsteig steht ein schüchternes Mädchen vor dem Fahrplan. Ein verschwitzter Jogger kommt hinzu.
Was macht ein Jogger in der U-Bahn?
Da, ein Augenzwinkern!
Schicksal?
Die beiden würden ein hübsches Paar abgeben.

Moment, die Handtasche muss links hängen...

 

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