Die Hexe
Die Hexe
<<einundsechzig>>, sagte ich zu Billy. <<Was! Verdammt lass mich zählen>> Billy griff nach dem Stapel Karten und zählte konzentriert die Schlangenaugen. <<Mist, ich bin pleite>> er wirbelte den letzten Zehner auf den Tisch, trank seinen Scotch aus, nahm einen langen und tiefen Zug seiner selbst gedrehten Kippe, drückte sie aus und verlies ohne Worte das Zimmer. Ich hörte ihn noch einige Schritte auf der Strasse hinunter laufen. Seine schweren Stiefel verrieten ihn. Es war nun schon halb drei Nachts und auf der Strasse war nichts mehr los. Armer Billy, dachte ich mir kurz. Heute war definitiv nicht sein Tag. Es war Monatsanfang und er hat seine ganzes Geld verzockt. Na ja, er wird sich schon wieder rappeln. Ich ging vor zur Theke und bezahlte das Bier. Ich drehte mich um und verabschiedete mich flüchtig von John. Ich konnte ihn nicht wirklich leiden. Leicht torkelnd verließ ich nun auch die Kneipe. Während ich die Strasse entlang lief sang ich vor mich hin. <<She would never say where she came, from Yesterday don’t matter if its gone, While the sun is bright, Or in the darkest night,
No one knows, She comes and goes, Goodbye, Ruby Tuesday, Who could hang a name on you?, When you change with every new day, Still Im gonna miss you...>>.
Wieder einmal wusste ich, dass der nächste Tag, nicht viel bringen würde. Ein leichter Wind ging, der Mond war Rund und die Sterne zeigten sich am Himmel, eine ideale Nacht um hier mit einem hübschen Mädchen spazieren zu gehen. Es ist schon eigenartig, dachte ich, dass sich die Sterne nicht wirklich an dem Fleck befinden, an denen ich sie vermutete. Ich las irgendwo, dass die Entfernung zwischen Erde und den anderen Himmelskörper so groß sei, dass ich nur noch das Licht wahrnehmen würde, welches sie vor langer Zeit ausstrahlten und jetzt erst die Erde erreichte. Ich sah also etwas, was vielleicht gar nicht mehr existierte. Und wenn die Sterne mich beobachten würden, würden sie mich vielleicht irgendwo betrunken an einer Theke sitzen sehen. Dabei würde ich schon längst in meinem Bett liegen und meinen Rausch ausschlafen oder vielleicht auch gar nicht mehr existieren. Wenn ich also tot wäre und die Leute nicht wissen würden, wie viel ich tatsächlich am Tag meines totes getrunken hatte, könnte jemand zu den Sternen reisen und meine letzten Abend verfolgen. Ja so hätte man auch die Möglichkeit mit mir einen zu trinken, obwohl ich gar nicht mehr existierte! So könnte man auch andere Persönlichkeiten noch beobachten. Sicher wären dies nie erreichbare Entfernungen und Geschwindigkeiten aber rein theoretisch könnte man einem Hendrix Konzert zu sehen, Einstein beim rechnen beobachten und mit dem Finger auf Hitler zeigen. Ich beschloss also die nächsten Nächte an denen ich an einer Theke verweilte mindestens einmal am Abend, den Sternen zu zuprosten. Meine Gedanken verknoteten sich und ich versuchte an etwas Normales zu denken. Auf einmal rief irgendjemand meinen Namen. <<Jim, Jim bist du es>>. Ich drehte mich um und da sah ich eine Gestalt aus dem Schatten der Nacht unter die nächste Straßenlaterne zu spazieren. Es war ein Mädchen. <<Du noch hier unterwegs?>>, fragte sie mich. Ich grübelte kurz und überlegte mir, wem ich die Stimme zu ordnen sollte. Es war Cinderella! Ich war stolz auf mich, dass es mir wieder einfiel! Ja jetzt erkannte ich sie richtig. Sie hatte lange braune Haare. Sie gingen ihr fast bis zum Hintern. Ihre Augen waren auch dunkel braun, Sie hatten etwas magisches an sich. Wenn man ihr in die Augen sah, blickte man tief hinein und fühlte sich für kurze Zeit verzaubert. Sie kam also mit ihrem wohl geformten Körper immer näher auf mich zu und umarmte mich zur Begrüßung. Sie hatte so einen lieben freudigen Ausdruck in ihrem Gesicht. Sie wirkte fast so, als hätte sie mich die ganze Nacht gesucht und freute sich mich endlich gefunden zu haben. Vielleicht wie ein Hund der von ihr zu hause abgehauen war und sie ihr liebstes wieder gefunden hätte. Dabei war mir eines klar, wenn ich ihr Hund wäre, würde ich sicher nicht abhauen. Ob sie Ihre Haustiere auch bei sich im Bett schlafen lassen würde? <<Wo kommst du den her, zu so später Stunde? Wir haben uns ja eine Ewigkeit nicht mehr gesehen!>>, vernahm ich von Ihren Lippen. Warum muss sie den jetzt anfangen zu sprechen, wir könnten die Nacht genießen, uns etwas zu trinken besorgen und die Sterne zählen, dachte ich mir. Ich ordnete mich wieder, <<wir waren aus, Karten spielen, ein paar Bier trinken, nichts besonderes… und wo kommst du her?>> Natürlich hatte es mich recht wenig interresiert, wo sie her kam, aber ich wollte höfflich sein. Sie erzählte was vom Vollmond und das sie da so schlecht schlafen könnte. Sie lief spazieren! Wir gingen also gemeinsam dicht neben einander her und unterhielten uns. Wir kannten uns tatsächlich schon eine Weile. Wir saßen eines Abends zufällig neben einander an der Theke meiner damaligen Stammkneipe und kamen ab und zu ins Gespräch. Meine Freunde warnten mich damals. Sie sagten es wäre eine Hexe und so wie ihre Augen jemanden für einen kurzen Augenblick verzaubern konnten, würde sie im nächsten Augenblick das ganze Leben auf den Kopf stellen. Wir liefen also an dieser Strasse entlang und die Sonne schien langsam auf zu gehen. Ich dachte kurz daran, dass die Sonne schon vor einigen Minuten begonnen hatte sich zu zeigen aber das Licht uns erst jetzt erreichte, ich lehnte es dennoch ab ihr von meiner Theorie mit dem Licht und so weiter zu erzählen. Es war alles an sich ein gelungener Abend. Wir gingen zu mir und ich sah ihren Körper ganz ohne Bekleidung. Wir trieben es lange und in allen erdenklichen Positionen. Sie war wirklich etwas ganz besonderes. Sie blieb das ganze Wochenende bei mir und es war wirklich eines meiner besten Wochenenden, die ich je erlebt hatte. Cinderella und ich blieben tatsächlich zusammen. Sie war oft bei mir und ich bei ihr. Sie kümmerte sich auch sehr gut um mich und mein Wohlbefinden. Ich dachte oft daran, welch ein glücklicher Mensch ich geworden war. Eines Abends kam ich von der Arbeit nach Hause und sie hatte mir eine Kleinigkeit zu essen gemacht. Ich setzte mich an den Tisch und ich bat sie mir ein Bier aus der Küche mit zubringen. Sie brachte mir stattdessen Wasser mit. Ich fragte sie, was das soll und sie erklärte mir, dass sie sich Sorgen um meine Gesundheit machen würde. Ich sollte nicht mehr so viel trinken, wollte sie mir damit klar machen. Ich grübelte kurz und beschloss nichts mehr dazu zusagen. Schließlich war ich immer noch der Meinung, dass ich mich nicht beschweren sollte. Ich hatte es ziemlich gut bei ihr. Sie entwöhnte mich also die nächsten Wochen vom Alkohol. Sie freute sich, dass ich es schaffte ohne Bier mit Ihr zusammen zu sein und wir waren wirklich viel zusammen gewesen. Genau genommen waren wir nur noch zu zweit zu sehen. Alles was wir machten, machten wir zu zweit. Als ich Geburtstag hatte viel es mir das erste mal richtig auf. Es war niemand außer Cinderella da, um mir zu gratulierte. Sonst klingelte an meinem Geburtstag andauernd das Telefon oder irgendwelchen Bekanntschaften luden sich abends bei mir ein. Sicher es war immer toll gewesen, so viel Bekannte zu haben und wir hatten auch jede menge Spaß miteinander aber irgendwie wollte ich mich nicht beklagen. Ich unternahm zwar mit niemand anderen etwas außer meiner Freundin und dennoch, im Großen und Ganzen ging es mir gut, sie sorgte sich gut um mich. Ich kam wieder einmal Abends von meiner Arbeit nach hause und hatte es zum ersten mal satt vom Geschäft direkt nach hause zu fahren, meine Freundin zu sehen und den Abend bei Ihr zu sein. Ich konnte mich nicht einfach umdrehen und weg gehen. Zu wem hätte ich gehen sollen? Cinderella hatte mir etwas zu essen gemacht. Sie hatte ja schließlich genug Zeit dazu. Ich war der einzige von uns beiden, der Arbeiten ging. Sie schmiss es lediglich wieder raus und lies es sich gut gehen. Kurz dachte ich daran, dass es schließlich bei den meisten Familien so lief und ich natürlich auch froh sein konnte, dass ich mich jetzt nicht mehr die Küche stellen bräuchte um mir selber mein eigenes Essen zu machen. Ich bildete mir ein, dass ich einfach einen schlechten Tag hatte und erzählte ihr nichts von meinen Gedanken. Eines morgens wachte ich neben Cinderella im Bett auf. Seit unserer Begegnung auf der Strasse waren vier oder fünf Jahre vergangen. Ich hörte, dass unser Kind schon wach war und spürte wie meine Frau sich im schlaf bewegte. Ich spürte ihr unrasiertes Bein an meinem reiben. Es schüttelte mich kurz und ich sah sie an. Sie hatte zu genommen, sie war nicht mehr die, die ich kennen gelernt hatte. Sie war hässlich und sie hatte mich verhext! Zum ersten mal wurde mir klar, was sie damit meinten, als sie sagten, dass ich die Finger von lassen sollte. Ich überlegte mir, wie ich aus dieser Falle wieder raus kommen sollte. Ich stand auf und ging ins Bad. Lange beobachtete ich mein Spiegelbild. Ich betrachtete mich und meine Falten. Vielleicht sollte ich sie umbringen? Vielleicht mich? Ich zog mich an, ging zur Arbeit.