Die Insel
In der Mitte der Insel liegt der tiefblaue, kreisrunde See. Im kalten, klaren Wasser leben viele grosse Pantoffeltierchen. Das grösste unter ihnen reicht von der Mitte des Sees fast bis zum Ufer. Normalerweise leben diese Tierchen jedoch tief unter der Oberfläche, in Regionen wo fast kein Sonnenlicht mehr durchdringt. Aber an manchen Tagen versammeln sich alle Pantoffeltierchen aus unerfindlichen Gründen an der Oberfläche und bilden so einen riesigen, schimmernden Teppich.
Der See ist gesäumt mit Pfefferminzbäumen, die die Luft mit einem wunderbaren Duft füllen, ein sehr dezenter, sanfter Duft, eher fühlbar als riechbar. Manchmal, vor allem am Abend, wenn ein kühler Wind über das Land weht, dann hört man die Pfefferminzbäume Arien singen. Wunderbar melodiöse Arien, fein und unfassbar wie Blütenpollen.
Gegen Norden und gegen Osten des Sees erheben sich die mächtigen Gebirge. Der Stolz und die Stattlichkeit die sie ausstrahlen erwecken den Glauben, dass auf diesen Gipfeln Götter hausen müssen. Die Gebirge sind bedeckt mit Schnee und Wolken, die eins zu sein scheinen. Diese Berge sind aber nicht massiv, nur der Fuss der Gebirge ist aus Fels, wunderbar dunklem Fels, der Rest sind eben Schnee und Wolken.
Südlich des Sees erstreckt sich die riesige Ebene, die ihren Namen wirklich verdient hat, denn sie ist so erstaunlich eben, dass man meinen könnte, ein Gärtner habe sie angelegt, was bei der gigantischen Weitläufigkeit aber völlig unmöglich ist. In dieser Ebene, die nur von niedrigem, meistens ausgetrocknetem Gras bewachsen ist, leben riesige Libellen. Diese Libellen haben etwa die doppelte Flügelspannweite eines Adlers, aber man sieht sie fast nie aus der Nähe, denn meisten fliegen sie weit oben in Kreisen umher, sehen gar nicht so gross aus und scheinen fast zum Himmel zu gehören. Neben den Libellen leben auch noch Schlangen in der Ebene. Es sind sehr lange, aber dafür sehr dünne Schlangen, so dünn, dass man sie oft gar nicht erkennt, und wäre die Landschaft nicht so eintönig, so würde man sie gar nicht wahrnehmen.
Weiter aussen befinden sich die grossen Wälder, die sich um die gesamte Insel ziehen. Diese Wälder bestehen aus hohen Bäumen mit sehr dichtem Blätterwerk, so dass es am Boden stockfinster ist und kein Unterholz wächst. Dort hat es lediglich hordenweise Wildschweine, die im Waldboden nach Nahrung graben. Diese Wildschweine haben aber kein Fell, wie normale Wildschweine und sind auch nur etwa halb so gross. Damit sie in der Dunkelheit sehen können, haben sie grün-gelblich leuchtende Augen. Es ist ein unheimliches Bild, wenn zwischen den mächtigen Baumstämmen Dutzende von Augenpaaren den Waldboden absuchen oder einander ansehen. Dazu kommt noch, dass die Wildschweine um sich zu verständigen ständig in verschiedenen Tonlagen quietschen, was dazu führt, dass in den Wäldern stets ein unheimlicher Lärm herrscht.
Ganz aussen säumt der breite, flache Sandstrand die Insel, der nur selten durch Felsen, die ins Meer hinausragen, unterbrochen wird. Der Strand wirkt sehr tot, denn es wachsen dort keine Palmen und auch keine anderen Pflanzen und auch kleine Tiere wie Krabben findet man nicht. Aber es hat riesige Muscheln, die nicht etwa liegen, sondern aufrecht dastehen und fast so hoch wie die Bäume der anschliessenden Wäldern sind. Diese Muscheln sehen jedoch weniger wie Tiere als vielmehr wie Monumente aus. Sie bewegen sich auch nur sehr langsam; manchmal kann man während einem ganzen Jahr keine eigentliche Bewegung ausmachen. Es scheint fast als ob es ihr Auftrag sei ins türkisfarbene Meer hinauszublickten und die Insel vor allem was kommen kann zu beschützten.
Es ist äusserst fraglich, ob jemals etwas kommen wird, aber beschützenswert ist alles auf dieser Insel.