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Die Katze

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17.02.2005
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Die Katze

Die Katze​

Meine Katze lag zusammengerollt auf dem Sofa und schlief. Ihre Nase hatte sie so tief in den Pfoten vergraben, als wollte sie sich die Augen zu halten. Ihr Atem ging ruhig und gleichmäßig, der Bauch hob und senkte sich rhythmisch. Es klang ein wenig, als schnarche sie leise. Es war ein Bild des Friedens. Vorsichtig ging ich zum Sofa und setzte mich langsam hin. Ich konnte nicht widerstehen und berührte mit einer Hand ihr Fell. Behutsam strich ich ihr vom Kopf über den Rücken. Sie quittierte dies mit einem kurzen Raunzen und drehte mir ihre Bauchseite zu. Ich wusste diesen Vertrauensbeweis zu schätzen und kraulte genüsslich ihr Bauchfell. Sie fing an zu schnurren und hob die Vorderpfoten über den Kopf, als würde sie sich auf den Zuruf „Hände hoch“ ergeben. Ich beugte mich zu ihr hinab und tauchte mein Gesicht in ihre seidig-weiche Bauchwärme. Das Schnurren lullte mich ein und machte mich schläfrig. Ich atmete tief den Duft ihres Fells ein. Sie duftete unwiderstehlich nach Kuscheltier. Kindheitserinnerungen an Teddybären kamen unweigerlich in mir auf. Erinnerungen an Geborgenheit, Trost, Schutz. Am liebsten hätte ich mich vollkommen in ihrem Fell vergraben, mich ganz und gar dieser warmen Weichheit hingegeben.

Ich hatte diesen Gedanken noch nicht zu Ende gedacht, da merkte ich, daß meine Katze auf einmal größer wurde, viel größer, riesengroß. Oder wurde ich etwa kleiner? Das Sofa, auf dem ich lag, hatte auf einmal die Größe einer ganzen Liegewiese angenommen. Vier Pranken von der Stärke eines Baumstammes umfingen mich und ich lag in einem Feld aus Fell, so hoch wie Schilfgras. Meine Hände suchten Halt und trafen auf einen nachgiebigen Grund, der gluckernde Geräusche von sich gab. Stickige Hitze machte mir das Atmen schwer.

Plötzlich kam ein Sturm auf, ein warmer Wind pfiff mir um die Ohren und zerzauste meine Haare. Ich drehte mich um. Schnurrhaare so lang wie Lanzen ragten mir entgegen. Die Nase war ein rotes, feuchtes Dreieck mit zwei tiefen schwarzen Löchern, aus denen mir der Sturm ins Gesicht blies. Zwei grüne, schimmernde Augen, so groß wie Satellitenschüsseln, starrten mich unverwandt an.

Ich versuchte, mich aufzurappeln. Als ich, unsicher wie ein kleines Kind, endlich auf meinen Beinen stand, bekam ich einen Schlag in die Magengrube, der mir den Atem verschlug. Ich fiel zurück in das Gewirr aus Schilfgras. Mein Pullover war vorne vollkommen nass. Die Nase mit ihren vom Sturm fauchenden Löchern tastete meinen gesamten Körper von oben bis unten ab. Auf einmal ertönte ein ohrenbetäubender Donnerschlag, der Körper der Katze und auch das Sofa schien zu erzitterten wie bei einem Erdbeben, eine heftige Sturmböe drückte mich kraftvoll zu Boden und ein harter Platzregen drosch auf mich ein. Meine Katze hatte einen Niesanfall bekommen. Konnte es Katzen mit einer Menschenallergie geben?

Entkräftet blieb ich liegen. Ich war nass bis auf die Haut und suchte verzweifelt nach einem Ausweg aus meiner misslichen Lage. Wie sollte ich alleine von diesem haushohen Sofa herunter kommen, ohne mir den Hals zu brechen? Wo sollte ich überhaupt hin? Außerdem würde meine Katze mich wohl mit einer Maus verwechseln, wenn ich vor ihr davon liefe und mich am Ende auffressen, nachdem sie mich spielerisch zu Tode gehetzt hatte. Was für ein schrecklicher Gedanke! Plötzlich senkte sich etwas drohend auf mich herab. Die Zunge legte sich über mich wie eine Decke mit abertausend Widerhaken. Ich fing an zu schreien, schrie den Namen meiner Katze, aber auch meine Stimme musste geschrumpft sein. Mehr als ein leises Fiepen brachte ich nicht zustande. Meine Katze blieb vollkommen ungerührt. Dabei sollen Katzen doch so ein gutes Gehör haben. Ich warf mich herum und vergrub mein Gesicht schützend in den Händen. Die Widerhaken schrammten über meine Kleidung und rissen sie in Fetzen. Krabbelnd auf allen Vieren versuchte ich vor dieser Schleckattacke zu fliehen. Wieder wurde ich umgestoßen. Krallen, so groß wie Dolche drohten sich mir in den Bauch zu bohren. Bilder von aufgerissenen Leibern, die ich in irgendwelchen schlechten Filmen gesehen habe, tauchten in mir auf. Ich stellte mir vor, wie meine Katze meine Eingeweide aus mir heraus pulen und mein Gedärm aufsaugen würde wie Spagetti.

Wieder wurde es dunkel. Fauliger, warmer Gestank umfing mich. Im Augenwinkel sah ich Zähne, so groß wie die Stoßzähne eines Elefanten. Ich wurde gepackt und verlor den Bodenkontakt. Ich wartete auf einen unsagbaren Schmerz, auf ein Knacken, wenn sie mich in der Mitte durchbeißen würde, um an mir zu knabbern wie an einer Salzstange. Aber nichts dergleichen geschah. Stattdessen fiel ich – oder flog ich? Ich war nicht mehr auf dem Sofa, nein, ich schwebte über dem Teppich, Meter um Meter durch das Universum meiner Wohnung. Meine Katze verschwand mit mir in der Kuschelhöhle in ihrem Kratzbaum. Sanft legte sie mich ab und bettete mich in ihr Fell am Bauch. Ich war vollkommen erschöpft. Sie fing wieder an zu schnurren, ihr ganzer Körper vibrierte. Das eintönige Geräusch, die Wärme und das Vibrieren wiegten mich in den Schlaf. In einen totenähnlichen Schlaf.

Als von irgendwoher ein Radio ertönte, wusste ich nicht, wo ich mich befand. Ich hatte mich vollkommen in meiner Federbettdecke verknotet und bekam kaum noch Luft zum Atmen. Als ich mich von der Bettdecke befreit hatte, sah ich auf die Uhr. Es war sechs Uhr morgens, Zeit zum Aufstehen, der Radiowecker war angegangen. Da erst begriff ich: Ich hatte alles nur geträumt! Meine Katze lag friedlich zusammengerollt neben mir und schnurrte. Ich strich ihr über das Fell und vergrub meine Nase darin. Jetzt aber bin ich dankbar, dass ich ganz einfach aufstehen darf. Ich glaube, ich kuschele mich lieber nicht allzu tief in ihr Fell hinein!

 

Hallo Kätzchen,

ich habe den ganz starken Verdacht, dass du selbst eine Katze hast ... ;)
... unter anderem deshalb, weil du gerade im ersten Absatz das Streicheln deiner Katze so anschaulich und realistisch beschreibst.

Auch die restlichen Beschreibungen sind farbig und lebendig, sprachlich gut gelöst. Dem langen Mittelteil würden ein oder zwei Absätze gut tun, die machen es übersichtlicher, ohne, dass die Dramatik darunter leidet.

An 2 Stellen hatte ich logische bzw. Verständnisprobleme:

Plötzlich schien ein Sturm aufzukommen, kalter Wind pfiff mir um die Ohren und zerzauste meine Haare. Ich drehte mich um. Meterlange Spieße, rechts und links von einem Zentrum wegführend, ragten mir entgegen. Das Zentrum war etwas Rotes und Feuchtes mit zwei tiefen Löchern, aus denen mir der Sturm ins Gesicht blies. Zwei grüne, schimmernde Augen, so groß wie Satellitenschüsseln, starrten mich unverwandt an.

Also, der Sturm scheint aus den Nasenlöchern zu kommen, oder? Dann müsste er aber nicht kalt sein, sondern warm. Und wie passen die Spieße dazu? Wenn es die Zähne sind, sind das Zentrum nicht die Nasenlöcher, sondern der Rachen. Und meterlang dürfen sie auch nicht sein, sonst passen die "nur" satellitenschüsselgroßen Augen im Größenverhältnis nicht dazu - auch nicht die später auftauchenden dolchlangen Krallen. Für mich passt das nicht zusammen.

Auf einmal ertönte ein ohrenbetäubender Knall, der Körper der Katze und das Sofa erzitterten wie bei einem Erdbeben, eine heftige Sturmböe drückte mich kraftvoll zu Boden und ein harter Platzregen drosch auf mich ein. Konnte es Katzen mit einer Menschenallergie geben?

Hier habe ich erst nach dem dritten Lesen kapiert, dass die Katze anscheinend niest. Aber erzittert das ganze Sofa, wenn eine Katze niest?

Die Stelle, wo die Prot mit der Zunge abgeleckt wird, gefiel mir am besten.

Das Ende ahnt man voraus; die Lösung: "Alles nur ein Traum" ist zwar die realistischste, aber auch die unoriginellste. Es gab sie schon zu oft. Die - sehr gute - Grundidee der Geschichte - Wie wirkt eine Kuschelkatze aus Sicht eines viel kleineren Lebewesens - ließe sich sonst wohl nur über eine Art Märchen oder Tiergeschichte lösen. Aber warum eigentlich nicht?

Viele Grüße
Pischa

 

Hallo Pischa!

Vielen Dank erst mal für Deine Rückmeldung. Ich habe Deine Anmerkungen aufgegriffen und versucht, sie in der Geschichte umzusetzen.

Bei dem erzitternden Sofa dachte ich, daß man als ganz kleine Figur auch ganz andere Dinge wahrnimmt, die man als "Normalmensch" gar nicht bemerkt. Eine Katze niest mit ganzem Körpereinsatz. Eine meiner Katzen - ich habe vier Stück davon! - hat mir mal ins Gesicht geniest. Es war eine sehr feuchte Erfahrung. Der ganze Körper der Katze "zog" sich in dem Moment zusammen, die Kraft kam richtig aus dem Bauch heraus bei dem Tier. Da saß ganz schön Kraft hinter. Als mausgroße Figur kommt das noch ganz anders bei einem an - so mein Gedankengang. Zum besseren Verständnis habe ich versucht, Klarheit in den Text zu bringen und den Niesanfall benannt.

Die Sache mit den Schnurrhaaren habe ich auch geändert. Schnurrhaare sind allerdings mitunter sehr lang. Von der Perspektive einer Maus aus gesehen dachte ich, daß der Eindruck durchaus bei Metern liegen könnte.

Bei der Beschreibung der Nase hatte ich beim Schreiben schon so meine Zweifel. Danke, daß Du mir gesagt hast, daß das so nicht funktioniert. Ich habe es geändert und hoffe, daß es jetzt klarer ist.

Als ich heute noch mal die Geschichte gelesen habe, dachte ich am Ende, daß ich mich lieber doch nicht in die Katze hineinkuscheln möchte und habe den Schlußgedanken abgeändert. Bei der Lösung mit dem Traum möchte ich es aber erst mal belassen, weil ich durchaus etwas "Reales" schreiben wollte.

Viele Grüße,
Kätzen

 

Hallo Kätzchen,
nun nicht nur an den Nicks erkennt man Katzenbesitzer. Ich habe drei und mir war auch sofort klar, dass Du weisst wovon Du sprichst. Was immer Du exakt verändert hast, konnte keine Logikfehler oder Stolperstellen mehr finden. Die Idee hat mir sehr gut gefallen, wer möchte nicht gänzlich reinkrabbeln...und die Wendung sie als Feind zu haben fand ich originell. Allerdings...das Ende...ich hätte lieber gelesen Du hättest einen Joint geraucht (...oder hattest Du diese Wahnvorstellung etwa ohne ;) ) als das der Wecker klingelte, da muss ich Pischa zustimmen.
Ansonsten...Idee gut, Umsetzung gut, Sprache sauber, runde KG für mich !!!

Liebe Grüße
Micha

 

Hallo Micha,

ich hatte meine Wahnvorstellung genau gesagt beim Frühstück - vielleicht war ja etwas im Kaffee... Zumindest kam mir diese Idee beim Frühstücken, als eine meiner Katzen neben mir auf dem Sofa lag. Die Idee mit dem Joint finde ich allerdings gut, so habe ich noch gar nicht gedacht. Ich bin in dieser Hinsicht nämlich vollkommen unschuldig :crying:
Ich denke, ich werde mir noch mal ein paar Gedanken machen, wie man das Ende interessanter machen kann. Ich bin da schon sehr auf Logik bedacht und muß mal sehen, aus welchen Rauschzuständen man so aufwachen kann, wenn es denn kein Schlaftraum sein soll...

Viele Grüße, Kätzchen

 

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