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Die letzte Pose
Alle Augen waren auf mich gerichtet, manche hatte Kameras davor und ich dachte daran, ihnen irgendetwas zeigen zu müssen, damit sie nicht enttäuscht würden. Was zeigt man, wenn man gerade aus einem Flugzeug steigt, in dem man zehn Stunden lang in Zeitungen geblättert und aus dem Fenster gestarrt hat? Natürlich hätte ich eine Valium nehmen sollen. Normalerweise tue ich das auch. Wenn diese Stewardess mich mit ihrer anstrengenden Fröhlichkeit nicht so angeekelt hätte, hätte ich bestimmt eine genommen. Ich streckte meinen Rücken und warf ein strahlendes Lächeln in die Menge. Ich wollte noch etwas großartiges tun, eine Geste oder so was, woran man sich erinnern würde. Ich lauschte nach Jacks Stimme, nach seinen geflüsterten Ratschlägen, wo war er jetzt. Valium oder Wiskey, er fand die Stewardess sicher ganz entzückend. Die Bodyguards bohrten mir sanft ihren Finger in den Rücken, um mich wissen zu lassen, dass ich jetzt weitergehen könnte, alles okay. Ich ging ein Stückchen weiter und sofort schossen aus allen Kameras Blitze auf mich zu. Zwischen den Lichtbällen erkannte ich nur noch eine dunkle, breiige Masse von Zuschauern, aber ihre Stimmen hörte ich noch, das dauernde Murmeln mit einigen Rufen darüber. Meine Augen taten mir weh, doch zumachen konnte ich sie nicht, das machte sich schlecht auf den Fotos und so ging ich langsam, den Boden unter mir abtastend voran und wusste eigentlich nicht wohin. Wenn die Bodyguards mir nicht ab und zu durch leichte Stöße die Richtung gewiesen hätten, wäre ich wahrscheinlich wie ein kleiner Aufziehroboter immer im Kreis gelaufen. Ich dachte gerade daran größere, mutigere Schritte zu machen, damit es etwas sicherer wirkte, als aus der flackernden Masse eine Person auf mich zu kam. Sie sah aus wie ein chinesischer Scherenschnitt, ohne Augen, ohne Mund und ohne Farbe, und sie kam schnell und direkt auf mich zu, so dass man glauben könnte, sie bewege sich gar nicht und würde einfach nur größer. Als sie ganz nah war, konnte ich die Augen sehen und den fest zusammengepressten Mund. Zu diesem Zeitpunkt muss ich das Messer schon in der Brust gehabt haben, aber ich spürte es noch nicht. Ich wunderte mich nur über die Person, die jetzt so nah vor mir stand, dass ich den fremden Atem spürte. Sie verdeckte mich vor den Objektiven der Fotografen und roch nach verbranntem Holz und Knoblauch. Die Schultern der Bodyguards drückten mich nach vorn und wir fielen allesamt um, ich in den Schoß des Mannes und die Bodyguards auf mich. Ich spürte seinen kalten Metallgürtel in meinem Gesicht und eine Hitze machte sich vom Bauch aus in mir breit. Dann spürte ich nichts mehr und wagte das erste Mal meine müden Augen zu schließen.