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Die letzten Tage

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30.03.2006
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Die letzten Tage

Die letzten Tage

Er war verabredet und dieses Treffen stimmte ihn zuversichtlich die Einsamkeit der Weihnachtsfeiertage zu vergessen. Das dichte Schneetreiben sorgte zur frühabendlichen Zeit für menschenleere Straßen und ein warmes Licht durch die Straßenbeleuchtung. Wohlgefühl brach über ihn, wie die Dämmerung üder den endenden Tag hinein.

Er würde seine Verabredung heute zum erstenmal sehen, denn sie hatten sich über eine Kontaktbörse im Internet kennengelernt. Obwohl er sich für diese Art der Kontaktaufnahme schämte und sich bei dem Gedanken daran, dass er wohl nicht mehr in der Lage sei ohne ein Zwischenmedium jemanden kennen zu lernen zu tiefst gedemütigt fühlte, konnte er sich irgendwann doch selbst davon überzeugen, es einmal zu probieren. Sehr lange Zeit hatte er keine Beziehung mehr gehabt.
Sie sollten sich in einem kleinen Cafe treffen. Sie hatte diesen Ort vorgeschlagen und als er ihn betrat missfiel er ihm sofort. Mehrere kabinenartig eingerahmt und angeordnete Tische aus lackiertem, hellem Buchenholz, umrahmt von jeweils vier dazupassenden Stühlen, deren eingearbeitetes Sitzkissen mit abgesessenem, blau-rotem Polyester überzogen war, waren fast perfekt symetrisch angeordnet, wohl um den geringen Platz bestmöglich auszunutzen. Beide Fronten die zur Straße zeigten waren völlig, vom Boden bis zur Decke, verglast.
Als er, noch auf der Türmatte stehend, an sich niederblickte überkam ihn ein Schweißausbruch. Auf seinem schweren Mantel waren nur noch wenige Schneeflocken und sie schmolzen unaufhaltsam dahin. Er spürte das Bedürfnis das Cafe sofort wieder zu verlassen, noch bevor die letzten Reste auch zu perlenden Wassertropfen auf dem Baumwollgewebe werden würden. Er rang mit sich. Er konnte nicht. Er ging noch bevor die Kellnerin auf ihn zukommen konnte, was eine peinliche Situation herauf beschworen hätte.
Draußen schneite es immer noch unaufhörlich, doch war nun ein starker Wind aufgekommen, der von allen Seiten kommend, sogar die Spuren der Autoreifen auf den Straßen unkenntlich machte. Bereits nach wenigen Schritten wärmte ihn sein Mantel nicht mehr hinreichend, er begann zu zittern und plötzlich stieg in ihm ein schreckliches Gefühl auf. Er hatte sie versetzt, sie würden sich nun nie treffen, er hatte kapituliert und ängstlich die Flucht ergriffen. Der Wind zerzauste seine Haare, hob seinen Mantel, spielte, verhöhnte ihn. Niemand war sonst auf den Straßen.
Die Woche zwischen Weihnachten und Silvester hatte er sich Urlaub genommen, wobei die Gewohnheit, diese Zeit zu Hause zu verbringen wohl sein einizges Motiv war. Auch wäre es ihm unangenehm gewesen Fragen beantworten zu müssen, ob er nicht feiern und etwas Zeit mit Familie und Freunden verbringen wolle.
Die Tage zogen sich sehr lang dahin. Seine Wohnung konnte er nicht verlassen, wollte er nicht verlassen, denn zu sehr war er angewidert von den Familien und Paaren, die in dieser Woche demonstrativ jederorts in langsamen, genüglich-selbstzufriedenem Schritte herumschlenderten und auch das Fernsehprogramm zeugte von dieser Einstellung, die ihm befremdend entgegenstand.
Gegen Ende der Woche änderte sich - ein weitere ihm völlig unverständlicher Zyklus - die Stimmung von besinnlich, familiär in eine kaum auszuhaltende Spannung, gebunden an eine Erwartungshaltung, als würden sich zum Jahrewechsel irgend welche fundamentalen Umwälzungen vollziehen. Vorraus zu sehen war, das nichts passieren würde. Schließlich handelte es sich bei diesem Datum nur um ein im Mittelalter willkürlich festgelegtes. Er wußte das und war nicht mehr bereit sich einer Illusion hinzugeben.
Wenn sich in seinem Kopf die Gedanken nicht gerade um das bizarre Verhalten seiner Mitmenschen in dieser Woche drehten, las er, wobei er dies mit geringer Konzentration und Lust tat, sondern vielmehr um die Zeit totzuschlagen. Sehr unangenehm waren ihm der kurze Weg zum Zigarettenautomat, den er mehrmals täglich tätigen musste, um seinem Bedarf gerecht werden zu können. Es kam durchaus vor, dass man Nachbarn oder völlig Fremde Menschen traf, die es für unabdingbar hielten, ihn mit einigen Worten des Segens und guten Wünschen zu bedenken. Es wurde im derart unangenehm, dass er beschloss gleich einige Packungen zu kaufen, um sich den Weg einige Tage ersparen zu können, zumindest bis zum zweiten oder dritten des nächsten Jahres, wenn sich die Lage wieder beruhigt hatte.
Dieses Jahr war recht gut verlaufen. Beruflich wurde er ob seiner Integrität und seinem Fleiß sehr geschätzt, würde wohl sogar bald befördert, sodass er sich viele Wünsche erfüllen werden könne. Schon lange war eine große Reise im Hinterkopf und auch die neuesten elektronischen Spielereien erregten immer Interesse bei ihm. Sogar sein Fussballverein konnte sich nach Jahren im Tabellenkeller wieder behaupten. Ja, soweit war dieses Jahr eigentlich erfolgreich!
Erfolg der nicht befriedigt. Beruflicher Erfolg wie ein Sandkorn. Gesundheit wie ein Felsbrocken. Zuneigung die Sonne. Sein Zustand ein Vakuum. Käufliche Liebe steht ausser Frage, Zusammenkünfte mit anderen Menschen ebenso. Er hatte sich Isoliert, beginnend in der Jugend, heute in seinen emotionslosen Zustand mündend. Buddistische Mönchen sollen sich ihres Körpergefühls entledigen können und werden dafür bewundert, füllen Konzerthallen und finden weltweit Nachahmer. Sich der Emotionen zu entledigen, wenn auch mehr oder weniger ungewollt, schien keine Menschen zu begeistern.
Der Schnee war in den letzten zwei Tagen des Jahres langsam geschmolzen. Nur noch an machen Straßenecken waren klägliche rußgeschwärzte Häufchen zu sehen. Es muss einige Grade wärmer geworden sein seit er das letzte Mal draußen war, doch fing er sofort an zu zittern, am ganzen Körper. Als er auf den Balkon trat war es kurz vor Mitternacht. In wenigen Minuten würde das neue Jahr beginnen und Menschen strömten aus seinem Mietshaus und auf die kleinen, normalweise mit Müllsäcken und Leergut vollgestellten Nachbarbalkone, die sie für Feste freigeräumt hatten, um die vom Feuerwerk beleuchtete Stadt betrachten zu können. Er sah wie sie sich in die Arme schlossen, dabei versehentlich gegenseitig Sekt anschütteten, beglückwünschten, gemeinsam freuten und er fror.
Einzelne farbige Blitze zuckten bereits über den Nachthimmel und spiegelten sich in seinen glasig, vertränten Augen. Diese Lichtspiele schienen fern, ferner noch als die Sterne, die langsam hinter den Rauchschwaden und dem künstlich erhellten Himmel ihre Kraft verloren. Der Blick in den Nachthimmel faszinierte die Menschheit von Beginn an, er konnte jedoch nicht verstehen, wie man daraus Lehren ziehen konnte. Die Nichtigkeit des Individuums, keineswegs mehr konnte er darin erkennen. Dem zu entgehen nur durch Zusammenhalt und Gruppenbildung möglich. Ja, die chinesische Mauer soll vom Mond aus mit bloßem Auge zu erkennen sein. Natürlich nur eine Lüge, doch eine sehr erbauliche, zudem schwer zu widerlegen. Er war aber weder an deren Bau beteiligt, noch hatte er etwas anderes erwähnenswertes Geschaffen oder an der Schaffung teilgehabt. Die Konsequenz für die meisten undenkbar, zwangsläufig für ihn.
Viele Meter tiefer, direkt unter seinem Balkon erblickte er einen weißen Kreis, der aus der dunklen Nacht heraus in seine Augen eindrang. Bei genauerer Betrachtung stellte es sich als eine Art Iglo heraus, das von Kindern vor einigen Tagen erbaut nun den wärmeren Temperaturen standhielt. Nachdem er wenige Minuten starr innengehalten hatte bestieg er das Geländer seines Balkons. Amundsen schaffte den Rückweg, spektakulär sogar, ab dann als Held gefeiert. Seine Reise in den Schnee würde anders enden, soviel stand fest, doch die Konsequenz, ja, auch das Leben muss linear verlaufen, als in sich geschlossen, wie die Zyklen der Natur es vorgeben.

 

Hallo piotrrast,

warum erzählst du diese Geschichte? Die Einsamkeit versteckst du so gut hinter geschraubten Sätzen und unwichtigen Nebenbemerkungen, dass der langweilige Suizid zum Ende hin recht unmotiviert wirkt.
Unterhaltend ist das nicht, mitfühlen lässt es auch nicht. Eigentlich interessiert es noch nicht einmal, weil nichts passiert, nicht einmal eine Stimmung.

Sorry, sim

 

Hey piotrrast,

mir hat die Geschichte gut gefallen. Ich hätte ja gerne mal ein statement von sim, unter welchen Umständen man nun eigentlich eine Geschichte verfassen darf und ob es immer etwas sein muss, was noch nie (so) geschrieben wurde oder irgendeinen moralischen Ansatz verfolgt. Für mich war die Verkettung von "Nebendingen" gerade das, was das Leben des Prots in dieser Vorweihnachtszeit ausmacht und das ist vollkommen nachvollziehbar. Auch die Erzählperspektive gefiel mir gut, weil sie zunächst als rein beschreibend auftritt, am Ende jedoch enthüllt, dass diese Distanz und die Selbstlügen (es war ein erfolgreiches Jahr) gerade die Einstellung des Prots zu seinem Leben ausmachen.
Noch ein wenig Kritik zum Schluss: Das Ende hätte emotional noch etwas weiter ausgeführt werden können und im ersten Absatz ist dein Sprachgebrauch ziemlich ungewöhnlich.

nils

 

Also ich weiß wirklich nicht was ihr habt. Ich finde die Geschichte einfach nur gut, das emotionslose herangehen an das Thema macht sie doch gerade erst lesenswert und das ende passt genau so wie es ist. Die ganze Story ist so aufgebaut, wieso sollte dann gerade das Ende "emotional noch weiter ausgeführt werden"? versteh das nich wirklich! Aber gut, jeder hat seine eigene Meinung.

Paradoxon

 

Hej piotrrast,

willkommen auf kg.de! :anstoss:

Der lakonische Sprachstil Deiner Geschichte hat mir recht gut gefallen, die vielen formalen Fehler hingegen weniger.
Bitte korrigiere Deinen Text dringend nach folgenden Aspekten (andere Fehler bitte auch):
- Zeichensetzung, vor allem Kommata
- Zusammenschreibung von erweiterten Infinitiven

Hin und wieder ist Dir ein falscher Buchstabe ins Wort gerutscht, die also bitte auch suchen. :)

Zum Inhalt: Ein Mann ist deprimiert, evtl. sogar seit langem depressiv, er geht durch sein Leben, ohne es wirklich wahrzunehmen, und am Ende springt er von Balkon. Das ist traurig, aber nicht unrealistisch. Schöner wäre es für den Prot sicher gewesen, hätte es eine positive Wendung gegeben, aber dann wäre es eine andere Geschichte geworden. Trotzdem wünsche ich mir noch ein wenig mehr Einblick in den Ich-Erzähler, sein Leid kommt tatsächlich eher lakonisch daher.

Und ein Mensch, der "mehrmals täglich" zum Zigarettenautomaten gehen muss, um seine ucht zu befriedigen, wird mit hoher Wahrscheinlichkeit eben genau dies nicht tun, sondern gleich die Zigaretten stangenweise am Kiosk kaufen. Das war mir negativ aufgefallen.

Liebe Grüße
chaosqueen

 
Zuletzt bearbeitet:

erstma danke für die bewertung die teilweise hilfreich warn:
- das mit den komischen sätzen & vergleichen am anfang hat vollkommen gestimmt. was hab ich mir dabei nur gedacht?!
- mir war schon bewußt, dass da der ein oder andere formale fehler drin is aber wenn das hier als so störend empfunden wird muss ich das wohl ändern
- er geht zum zigarrettenautomat weil der sehr nahe ist und der kiosk während der feiertage kaum offen hat, ausserdem entfällt die kommunikation mit dem verkäufer
- zu den äußerungen über die gefühlslosigkeit werde ich mich nicht äußern. ich halte diesen weg der schilderung durchaus angebracht.

übrigens würde ich mich noch über die ein oder andere bewertung/kritik sehr freuen.

 

Hallo Piotrrast,

"übrigens würde ich mich noch über die ein oder andere bewertung/kritik sehr freuen"

- Das geht hier anderen Autoren sicher auch so! (Fällt mir beim Betrachten deiner Beitragszahl ein :D).

Jetzt nur mal Textkram, anstelle einer ausführlichen Kritik:

„Sie sollten sich in einem kleinen Cafe treffen. Sie hatte diesen Ort vorgeschlagen und als er ihn betrat missfiel er ihm sofort“

- Sie - sie.

„Mehrere kabinenartig eingerahmt und angeordnete Tische aus lackiertem, hellem Buchenholz, umrahmt von jeweils vier dazupassenden Stühlen, deren eingearbeitetes Sitzkissen mit abgesessenem, blau-rotem Polyester überzogen war, waren fast perfekt symetrisch angeordnet, wohl um den geringen Platz bestmöglich auszunutzen.

- eingerahmte (was ist eingerahmt und angeordnet?) „rahmt“ doppelt. Schachtelsatz.

„Beide Fronten die zur Straße zeigten waren völlig, vom Boden bis zur Decke, verglast.“

- Ungünstig: Nachgestelltes Adjektiv.

„Viele Meter tiefer, direkt unter seinem Balkon erblickte er einen weißen Kreis, der aus der dunklen Nacht heraus in seine Augen eindrang.“

- Augen eindrang - klingt als wenn es sich um einen eindringenden Gegenstand handelt. Wichtiger als die Augen ist die Beinflussung seiner Gedanken.

„Bei genauerer Betrachtung stellte es sich als eine Art Iglo heraus, das von Kindern vor einigen Tagen erbaut nun den wärmeren Temperaturen standhielt.“

- „Iglo“ da regiert die Fernseh-Werbung! Iglu

Tschüß… Woltochinon

 

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