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Die List

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01.05.2003
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Die List

Er saß am Bett seines langjährigen Weggefährten.
"Vielleicht hast du es gewusst, ich werde bald sterben", eröffnete ihm dieser und reichte ihm im selben Augenblick einen Umschlag.
"Diesen vertraue ich dir an, in ihm befindet sich mein Vermächtnis." Des Bankers Gesicht erhellte sich kaum merklich. Doch war es die erste emotionale Reaktion seit seiner Ankunft.
"Wie du weißt, habe ich keine Angehörigen denen ich mein Vermögen vermachen könnte. Mein Anwesen habe ich bereits verkaufen lassen, doch ich möchte, dass mein Geld in guten Händen ist. Immer wusste ich, dass du ein guter Freund bist, der nie auf mein Geld geschielt hat. Daher möchte ich dir die Entscheidung überlassen, wem mein Vermögen zugeht. Mein Testament ist bereits geschrieben, lediglich der Name des Erben ist noch einzusetzen. Du hast freie Entscheidungsgewalt, allerdings mit einer Ausnahme: Es darf weder dein Name, noch der Name eines Familienmitgliedes von dir sein."
Der Banker hatte verstanden, verzog während seines restlichen Aufenthaltes keine Miene mehr und wurde von dem Todkranken verabschiedet: "Ich hoffe wir sehen uns bald wieder."
In seinem schwarzen Mantel verließ er das Anwesen über den gepflasterten Weg, den Umschlag in der Hand und die Stirn in Falten gelegt.
Er konnte nicht verstehen, warum der im Sterben liegende so entschieden hatte, doch er war im Begriff eine Lösung zu finden.
Zuhause angekommen griff er zum Telefon und wählte die Nummer einer alten Bekannten seines Freundes.
Nachdem Camilla abgenommen hatte, legte der Bänker ihr die Situation dar und sie vereinbarten, ihren Namen in das Testament einzusetzen und das Geld letzten Endes zu teilen. Es bedurfte keiner größeren Überzeugungsarbeit um Camillas Zustimmung zu erhalten. Sie befand es scheinbar ebenfalls für eine todsichere Sache.
Als den Banker zwei Wochen später die Nachricht über den Tod seines alten Weggefährten erreichte, bedauerte er diesen für einen Moment, bevor er neuerlich zum Hörer griff und sich mit Camilla für den folgenden Tag verabredete.
Camilla öffnete die Tür zu ihrer Wohnung und bat den Bänker herein.
"Ich habe dich bereits erwartet."
Mit einer Handbewegung bedeutete sie ihm, ihr ins Wohnzimmer zu folgen. Sie mochte so um die fünfzig sein, dachte er, befand sie gleichzeitig für durchaus attraktiv.
"Ich habe bereits alles vorbereitet", sagte Camilla und zeigte auf den silberfarbenen Aktenkoffer, der auf dem Schreibtisch stand.
"Du hast bereits das Geld?", fragte der Bänker ungläubig, während seine Augen eine gewisse Gier jedoch kaum zu verbergen vermochten. Gleichsam der einer Elster blitzten sie, die Beute in ihnen reflektierend.
"Kommen wir zum Geschäftlichen!", schlug er mit nervöser Stimme vor.
Unruhig schaute der Bänker sich in Camillas Wohnzimmer um. Auch wenn er sich mit Malerei kaum auskannte, gefielen ihm doch die zahlreichen Gemälde an den Wänden. Sein Blick fiel auf die Fotos, die gegenüber von ihm im Wandschrank standen. Wahrscheinlich waren dort ihre Eltern und ihr Ehemann zu sehen. Ob dieser noch lebte, interessierte ihn weniger, eher schon ein anderes Bild, das er soeben entdeckt hatte. Es war zweifellos ein Foto von Paul, das im ersten Augenblick Unbehagen in ihm hervorrief, ihn im nächsten jedoch unglaublich beruhigte...
"... Aufgabe für dich." Diese Wortfetzen hatte er noch aufschnappen können.
"Tut mir Leid!", entschuldigte sich der Banker. "Ich war gerade in Gedanken. Was wolltest du mir mitteilen?"
"Ich habe eine Aufgabe für dich vorbereitet", sagte Camilla.
"Warum teilen wir nicht einfach das Geld auf?"
"Du kannst wählen, mein Lieber. Ich gebe dir zwei Möglichkeiten", sagte Camilla ruhig, während sie zu seinem Schrecken einen Revolver aus ihrer Hose zog.
"Welche Möglichkeiten habe ich denn nun noch?", fragte der Banker unsicher.
"Du brauchtest mich, um an das Geld zu kommen und dennoch erkenne ich bei dir keine Zufriedenheit. Wenn es nicht nötig gewesen wäre, hättest du das Erbe nicht mit mir geteilt. Darum möchte ich dir jetzt doch noch die Chance geben zu entscheiden, was letztendlich mit ihm passiert."
Mit sicherem Blick schaute Camilla dem Banker in die Augen. Er versuchte standzuhalten, doch schaffte es nicht.
Camilla setzte sich den Revolver an die Schläfe und sagte ohne jede Regung:
"Du hast die Möglichkeit, mir zu sagen, dass wir das Erbe gerecht aufteilen. So hatten wir es vereinbart. Ohne den anderen hätte niemand von uns etwas von dem Geld bekommen. Wir sind gleichsam beteiligt und haben es demnach auch zu gleichen Teilen verdient."
"Ja, so war es vereinbart", sagte der Banker. "Ich hatte nicht vor, meine Entscheidung zu ändern. Trotzdem würde ich gerne die zweite Möglichkeit hören."
"Die Entscheidung liegt in deiner Hand, der Revolver in meiner. Bestimmst du, das Erbe aufzuteilen, so wird es aufgeteilt. Befiehlst du mir jedoch mich zu erschießen, so erschieße ich mich ohne zu zögern an diesem Ort und du bist ebenfalls im Besitz meines Anteils."
Der Banker überlegte...

Den Code für den Aktenkoffer hatte Camilla ihm noch mitgeteilt. Das Blitzen in seinen Augen war wiedergekehrt. Jetzt, wo er den Koffer öffnete schien es sogar noch heller zu sein als zuvor. Als der Banker den Inhalt des Koffers überschaute, war auch die letzte Skepsis verflogen, dass Camilla das Geld vielleicht einfach verbrannt hatte.
Er machte sich auf den Weg zum Ausgang, blieb noch einmal kurz stehen, drehte sich um, blickte der auf dem Boden liegenden Camilla in das blutüberströmte Gesicht und sagte mit einem Lächeln auf den Lippen: "Es war schön mit dir Geschäfte zu machen!"

Er ging nun auf die Eingangstür zu und drückte die Türklinke herunter. Vorsichtig zog er die Tür auf, schließlich wollte er nicht unbedingt dabei gesehen werden, wie er mit einem Aktenkoffer aus einem Haus verschwindet, in dem eine blutüberströmte Leiche mit Kopfschuß auf dem Teppich liegt.
Erst jetzt wo er die Tür aufgezogen hatte, sah er, dass jemand vor der Tür stand. Noch bevor Paul etwas sagen konnte, war dem Banker bereits das blanke Entsetzen gekommen: "Das ist wohl mein Koffer, Freund" , sagte Paul, wobei er das letzte Wort mit einer Ironie betonte, die im Zusammenspiel mit seinem freundlichen Lächeln einfach grausam wirkte.

 

Hallo Kristin!
Zunächst einmal danke, dass du meine Geschichte bewertet hast.
Zur Geschichte selbst möchte ich nur sagen, dass Paul die Freundschaft des Bankiers testen wollte.
Er war sich nie sicher wie ernst dieser es mit ihr meinte. Der Rest sollte eigentlich in der Fantasie des Lesers aufblühen. Vielleicht war die Geschichte dafür nicht gut genug. Jedenfalls hat Paul sich vorher keine Gedanken über Camilla gemacht. Er selbst kann ja nicht wissen, dass der Bankier sich mit ihr in Verbindung setzt. Camilla handelt eigenständig.
Was das Korrektur-Center angeht, wollte ich fragen, was du mit den Zeilenumbrüchen genau meinst.
Ich glaube da gab es ein Problem mit dem Format in dem ich es geschrieben hab und dem, das hier angewandt wird(oder meinst du etwas anderes?).
Schöne Grüße
Snowball

 

Hallo Pm!
Ich dachte eher, dass es langweilig wäre die Motivation der einzelnen Charaktäre zu erklären oder zu genau zu beschreiben. Das würde dem Leser das Denken doch total abnehmen. Dass man nicht alles versteht ist natürlich nicht so gewollt. Daran sollte ich noch arbeiten.
"Banker" ist es mit Sicherheit nicht aber "Bänker" ist meiner Meinung nach, genauso wie "Bankier", korrekt.
Wie auch immer.
Danke für deine Bewertung :)

 

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