Mitglied
- Beitritt
- 16.01.2010
- Beiträge
- 2
- Zuletzt bearbeitet:
- Kommentare: 2
die Magie
Im Dialog zwischen zwei Frauen, mittleren Alters, ledig, die sich nach der Arbeit in der U-Bahn unterhalten.
"Traurig sein bringt dich jetzt auch nicht mehr weiter", sagte Judith neulich zu ihrer Freundin.
"Weshalb soll ich Lachen, wenn es mir zum weinen ist?"
"Ich weiss es nicht, tu es einfach nicht, es macht mich traurig."
"Ich weiss, traurig sein, verstimmt nur die Andern traurig. Aber weisst du, es gibt Leute, die wissen nicht mehr wie man Lachen kann. Die Zeit, die hat Ihnen ihr Lachen genommen."
Darauf wusste Judith erst Nicht's mehr zu sagen.
Drei, vier Minuten verstrichen.
"Ich kenne dich jetzt schon seit Langem und immer wieder überraschst du mich von Neuem mit deinen kalbklugen Kommentaren!"
Stille weitete sich aus. Beide flüchteten in Ihre eigenen Gedanken bis Judith's Freundin behutsam fragte:
"Judith?, ich bin neulich einem Menschen begegnet der sein Leben vorträumen konnte. Das klingt schräg, irgendwie, nicht?
Gerstern nach der Arbeit, als ich auf den Zug warten musste, sprach mich ein älterer Herr an. Er sass neben mir auf der Bank und begann von einer seltsamen Frau zu erzählen.
Weisst du, er hat mir erzählt, dass er in seinen Träumen einer Frau begegnete. Über Jahre hinweg konnte er die selbe Frau, in seinen Träumen, immer wieder sehen. Sie habe ihn durch sein ganzes Leben begleitet, eine Art Lebenshilfe sei sie für ihn gewesen, sagte er.
Dazu konnte er sie ganz genau beschreiben, Äusserlich meine ich. Dennoch ist er ihr im realen Leben noch nie begegnet.
Schön nicht?"
"Ja klar, das klingt schon recht romantisch. Aber wenn du mich fragst, ist der Alte doch geistesgestört. Weshalb hattest du dem überhaupt so lange zugehört? Ich hätte ihn schon längst abblitzen lassen.
Oooder, dann hat sich der Alte erst neulich von seiner Frau getrennt und versucht sie mit seiner Träumerei verzweifelt fest zuhalten."
"Ja, du hast wahrscheinlich recht. Eine blühende Fantasie hat dieser Mann bloss."
"Hat er denn eine Freundin?"
"Das hatte ich Ihn auf gefragt. Bstimmt antwortete er mir darauf mit einem klaren Nein und sagte, dass er keine Freundin wolle, er sei alleine ganz zufrieden. Er warte auf sie und Treue sei in einer Beziehung schliesslich sehr wichtig, er sei eben ein ehrlicher Mensch,meinte er weiter."
"Sagtest du eben nicht, dass er keine Freundin habe?"
"Ja, das hat er mir gesagt."
"Weshalb um himmels Willen spricht er dann von einer Beziehung? Der malt sich doch was aus, etwas das er sich vielleicht wünscht. Für mich klingt das ganz nach einer Schizophrenie."
"Weisst du, begann ihre Freundin wieder von Neuem. Er sagte, sie liebe es andern zu zuhören, sie gehe gerne auf Reisen und träume von einem Leben in den USA."
"Das tun viele, daran ist Nichts besoders!"
"Dann sagte er, er wünsche sich Nichts mehr auf der Welt als dieser Frau nur ein Mal in seinem Leben zu begegnen. Er wolle ihr einmal begegnen, sie ansehen und sich mit ihr unterhalten. Er wolle einmal sehen ob er diese Frau tatsächlich schon in seinen Träumen kennen lernen durfte."
"Der ist eindeutig ein Psychopath und wenn du mich fragst vielleicht gar ein Pädophilen. Hast du Ihn nicht aus der Zeitung wieder erkannt?"
"Nein, bestimmt nicht! Er hatte auf mich einen ganz seriösen Eindruck gemacht."
"Ja du mit deiner Einschätzung. Ich will dir ja nicht zu Nahe treten aber du überschätzt dich gerne einmal. Bei fünf Personen triffst du sicher vier Mal daneben!"
"Ja, immer treffe ich nicht ins Schwarze aber zwischen seriös und kriminell kann ich schon noch einen Unterschied erkennen!"
"Wie sah er denn aus? Zerstrupte Haare, mit Bart und Schlaberlook?"
"Er war seltsam, irgendwie.
"Wenn wundert's!"
Sein Äusseres war gepflegt, er trug keinen Bart, war gross gewachsen und wenig muskulös. Seine Hände, die waren besoders. Die ähnelten denen einer Frau, nicht wie meine, meine sehen aus als gehören sie einem Strassenarbeiter."
"Ja stimmt, deine Hände sind wirklich hässlich."
Und wieder liess Judith's Direktheit Beide verstummen. Dann erneut brach Judith's Freundin das Schweigen und sagte:
"Er liebe sie, sagte der alte Mann dann."
"Wie kann er eine Frau lieben, der er noch nie in seinem Leben begegnet ist?"
"Keine Ahnung, er ist ihr in seinen Träumen schon so oft begegnet. Du hättest sehen sollen mit welch einer Überzeugung der alte Mann von der Liebe zu dieser Frau gesprochen hatte. Da denke ich schon, dass er eine gewisse innerliche Verbindung zu ihr aufbauen konnte."
"Begegnet, in seinen Träumen. Er hat nicht einmal ein Wort mit dieser Frau gewechselt wie um himmels Willen kann er sie da schon kennen geschweige denn lieben."
"Magie, vielleicht."
"Seit wann glaubst du an das magische Zeugs?"
"Ich glaube nicht daran. Ich frage mich nur, weshalb der alte Mann diese Frau auf das kleinste Detail genau beschreiben kann, und nicht bloss auf ihr Äusseres beschrenkt. Er war in der Lage ihren Charakter, ihre Vorlieben und sogar ihre Zukunkftsträume auszudrücken. Weiss du, je länger der Mann erzählte, erstrahlte sein Gesicht mehr. Seine Augen begannen zu funkeln und ein kleines Lächeln war in seinem Gesicht wieder zu sehen. Der alte Mann hatte irgendwie, tatsächlich, etwas magisches an sich."
"Ja, die Sache ist doch sonnen klar, schizophren ist der Alte wenn du mich fragst."
"Dann fuhr er weiter, sie singe und tanze gerne, sie setzte sich stark für Benachteiligte ein und denke erst an die Andern und dann an sich selbst."
"Was arbeitet der Alte den, hat er einen Job?
"Bankangestellter sei er von Beruf."
"Aaahhh, alles klar, dann hat er mit grosser Wahrscheinlichkeit gerade eben seinen Job verloren und sich voll laufen lassen!"
"Weisst du, dann sagte er, sie habe lange, blonde Haare, lange, dünne Beine und eine ganz weisse Haut. Sie arbeite tagsüber Drinnen und verbringe auch in ihrer Freizeit die meisste Zeit im Haus. Und sie habe einen eleganten, beinahe schwebend wirkenden Gang und lege grossen Wert auf ihr Äusseres."
"Und?"
"Etwa 10 Minuten später sagte der Fremde dann, er wolle mir das eigenlich gar nicht erzählen!Aber er sei eben gerade dieser Frau begegnet und wisse nun, dass all seine Träume keine Träume sonder Realität in der Zukunft waren. Und er wisse nun, dass er die Frau liebte."
"Wie lange hast du dem Spinner den zugehört?"
"Etwa 20 Minuten dauerte das Gespräch.
Weisst du, und dann sagte er, er wisse nicht was er nun tun solle. Bevor er der Frau aus seinen Träumen begegnet sei, dachte er, dass ihm eine Begegung völlig ausreichen würde und er sein Leben wie gewohnt weiter führen könne. Nun sei er ihr aber eben gerade begegnet und wisse jetzt, dass er sie gerne noch einmal wieder sehen wolle. Er sei sich jedoch dann nicht mehr sicher, ob er sie wieder erkennen würde. Zu schnell verändern sich die Menschen. In jemanden, jemanden den sie gar nicht sind."
"Wauuuw, da bin selbst ich platt. Jetzt hab ichs begriffen! Und? Was hast du ihm darauf geantwortet?"
"Das ich verheiratet bin und zwei Kinder habe."
Darauf bedankte sich der Mann für das angenehme Gespräch und ging fort.
Sie sah dem alten Mann nach bis auch sein Schatten an der Tunnelwand verschwand.